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Ein Bild

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Er sitzt und schwitzt, macht Linien, viele Punkte. Was daraus werden soll, der Künstler weiß es nicht.

Er macht 'ne Pause, steckt sich die Zigarette an und schaut aus dem Fenster. Er sieht den alten Mann, der am Krückstock geht, vorüber hinkt, den Kopf nicht dreht.

Der Künstler schaut auf's Werk, das erst noch eines werden soll, und zieht mit dem Pinsel den nächsten Zug. Er sieht, schmunzelt, lacht, nimmt das Wort 'Scheiße' in den Mund und pinselt weiter.

Da kommt was raus, was überrascht, weil er's so nicht wollte: Zu lang ist die Nase im Gesicht, dazu auch noch verbogen, als hätte sie den Seitenschlag bezogen.

Mit den Augen wird's nicht besser, die stehen schief und schielen. Na, was das noch geben soll! Die rechte Hand hat nur vier Finger, der Arm dazu ist viel zu kurz. Nun fährt er mit dem Pinsel kreuz und quer, pinselt alles über einen Haufen.

Da wird Kunst nun recht abstrakt, was sie gar nicht werden sollte. Doch wenn es mit den Formen nicht mehr klappt, dann geht es mit dem Ungeformten weiter. So pinselt er sich einen ab, schwitzt und lacht und schimpft.

Es kommt was raus, was er nicht wusste und nicht wollte, und hält sich deshalb für genial. Der Betrachter, dem das Bild gehören sollte, sagt, das ist nicht wahr, so eine lange Nase hab ich nicht, und verbogen ist sie auch nicht.

Sieh doch richtig hin, dann kannst du's sehen oder nicht? Der Künstler wickelt sein Gesicht in Künstlerfalten, sieht aus dem Fenster. Auf der Straße geht der alte Mann, mit dem Krückstock kommt er zurück. Er hinkt nicht weniger als vorher, hält in der Hand die Plastiktüte, in der Zitronen und was anderes sind.

Nun wird ihm die Sache doch zu bunt, und er sagt es dem Anporträtierten, dass er ihn so sehe und nicht anders. Da rutscht dem Betrachter die Sprache weg und fährt sich mit dem Taschentuch über den Mund. Er hält die Lippen geschlossen und macht sich seine Gedanken über das Gesicht in der Kunst.

So waren dem einen die Linien verrutscht. Der andere konnte den Kunstfaden nicht fassen, wie's kommt, dass alles so verschroben ist, dass das, was ist, so anders ist, wenn das Gesicht die Nase der Banane hat, die der Betrachter nicht haben wollte, weil, wenn er sie hätte, nicht zum Maler sondern zum Chirurgen zwecks Korrektur gegangen wäre.

Im Raum der vielen Sachen mit der Kunst lag ein Schädel auf dem Boden, und die Skulptur daneben stand enthauptet. Der Betrachter, der nach dem Kunstfaden suchte, fragte den Künstler, ob das beabsichtigt sei, der das mit der Absicht verneinte und vom Materialfehler sprach, mit dem der Künstler rechnen muss.

Der Betrachter sah sich den Schädel genauer an, der auf der rechten Seite lag und auch die Bananennase hatte. Er fragte, ob die Banane was zu sagen habe in der Kunst dieser Zeit, oder ob das ein Trend sei, der vorübergeht.

Der Künstler wollte gar nichts dazu sagen, weil ihm mit den Nasen nicht zu spaßen war.

So rückte er mit der Geschichte heraus, dass es in seiner Kindheit keine Bananen gab, und als es sie gab, er sich geschworen hatte, den Menschen die Banane ins Gesicht zu setzen, was die Gesichter weicher, weniger ernst und weniger traurig macht.

Der Betrachter hörte sich das an und meinte, dass man die Bananen essen nicht aber ins Gesicht vernasen sollte, weil die Bananenkunst etwas anderes sei, die sich auf Dauer nicht halten werde.

Der Künstler rang um den Verstand, wollte es so nicht stehen lassen, zündete sich die Zigarette an und sah mit dem Betrachter auf sein Bild: Wenn sie es anders sehen, ich sehe sie so, die Banane steht ihrem Gesicht vorzüglich, sie zeichnet ihr Gesicht auf's Beste aus, gibt ihm die weiche Form. Die Banane macht ihr Gesicht sympathisch.

Da sah der Betrachter bananengelb und nahm Abstand von dem Kauf. Der Maler gab das Porträt in die Ausstellung und gewann den ersten Preis. Im Kulturteil der Zeitungen war das Bananengesicht groß abgebildet. Voll des Lobes schrieben die Kritiker vom zweiten Picasso der Renaissance der Bananengesichter der Jungfrauen von Avignon.

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