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Wo das Wort nicht hingehört

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Das Gedicht spricht, das Gedicht zeichnet, das Gedicht malt in bunten Farben, mal schwarz-weiß in Linien durch Landschaften, in Gleisverläufen, als Meerengen und Weiten, als Menschen, die ständig auf Wanderschaft und auf der Flucht sind.

Dagegen ist das Gedicht die tief empfundene Musik für das dichterische Ohr etwa so, wie die Musik das Gedicht für das musikalische Ohr ist. Das Gedicht hat Wurzeln und richtet sich an ihnen auf, als würden die Worte an Stangen hochklettern.

Das Gedicht hat auch die politische Absicht und geht darüber hinaus, ob es die Tagespolitik und ihre Tagesleute verstehen oder nicht. Die politisch motivierte Absicht kommt von Menschen, die es anders sehen mit der Gerechtigkeit und dem Wort des Wahlversprechens, wie es anders werden soll und werden kann.

Das Gedicht wird Herzenssache, wenn sich das Herz hinter das Gedicht stellt und umgekehrt. Da kommen eben die komplizierten Wendungen ans Ohr, die wie Wendeltreppen nach unten, aber auch nach oben führen, und wenn nach oben, dann über die letzte Stiege hinausgehen mit der Erfüllung einer Himmelfahrt durch die universale und zeitliche Geräumigkeit der Freiheit, aber auch mit dem Risiko des Absturzes im freien Fall in die Schlucht, wo den körperlichen Resten die Besitzlosigkeit der Seele attestiert, aber keiner die Zugehörigkeit zum Treppensteiger bezeugen würde.

Das Gedicht – ein Lied, das Gedicht – ein Bild, das Gedicht – eine Chaconne, das Gedicht – ein Gericht. So wird das Gedicht zum Wort, das im bewussten Missverstehen landet am falschen Ort.

Wo das Wort nicht hingehört, ist es mit Musik und Bildern nicht besser bestellt. Schnell gesellt sich zur Taubheit die Blindheit, und wenn beides nur vorgetäuscht ist, um der An- oder Nachfrage aus dem Weg zu gehen und den üblichen Trott im üblichen Bildungsmangel und der üblichen Gewissenlosigkeit beizubehalten.


Sprachhänge und Sprechlänge

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