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QIN SHIHUANGDI (259 v. Chr.–210 v. Chr.)

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In der chinesischen Provinz Shaanxi befindet sich das gewaltige Grabmal Kaiser Qin Shihuangdis, der sich noch im Tode von einer riesigen Armee bewachen ließ, die mit ihm begraben wurde. Die Soldaten der Terrakotta-Armee gehören heute zum UNESCO-Weltkulturerbe und beeindrucken durch ihre lebensnahe Machart und Individualität. Man kann sich ihrem Zauber kaum entziehen. So also sahen die Krieger des Begründers des chinesischen Kaiserreiches aus.

Die Eroberungen dieses chinesischen Herrschers können es im Umfang fast mit jenen Alexanders des Großen aufnehmen, allerdings mit dem Unterschied, dass das neu entstandene Chinesische Reich Bestand hatte.

Qin Shihuangdi, dessen eigentlicher Name Ying Zheng lautete, wurde im Jahre 259 v. Chr. als Sohn des Prinzen Zhuangxian und einer Konkubine geboren. Sein Geburtsort war die Stadt Handan in der heutigen Provinz Hebei, die damals die Hauptstadt des chinesischen Teilreiches Zhao war, wo sich der Prinz als Sohn des Herrschers des Fürstentums Qin aufhalten musste: Der Austausch von hochrangigen Geiseln zur Sicherung des Friedens war in jener Zeit die Regel.

Wenig später kehrte Zhuangxiang mit der Konkubine und seinem Sohn Qin zurück. Der intrigante Ratgeber des Prinzen, Lü Buwei, hatte es mit Hilfe geschickter Winkelzüge erreicht, dass Zhuangxiang die Nachfolge des Fürsten von Qin antreten konnte, obwohl er nach der Erbfolge darauf kaum ein Anrecht hatte.

Der neue Herrscher ernannte Lü Buwei zu seinem Kanzler, wobei dieser anscheinend die Zügel fest in der Hand hatte. Zhuangxiang starb schon nach drei Jahren Regierungszeit und nun war es erneut die Aufgabe Lü Buweis, den erst 13 Jahre alten Ying Zheng als neuen Herrscher durchzusetzen. Bis zur Volljährigkeit des jungen Fürsten führte Lü Buwei die Regierung. Im Jahre 238 v. Chr. übernahm dann Ying Zheng selbst die Staatsgeschäfte, wobei er seinen alten Kanzler vorerst beibehielt.

Der junge Herrscher entpuppte sich als sehr energische Persönlichkeit, die kaum Widerspruch duldete. Nach der Aufdeckung einer Verschwörung gegen seine Person ließ Ying Zheng zwei seiner Halbbrüder und eine größere Anzahl weiterer Personen hinrichten. Wenig später wurde Lü Buwei wegen dieser Verschwörung entlassen und beging daraufhin Selbstmord. Allerdings gewann auch der neue Kanzler Li Si großen Einfluss auf die Politik des Fürsten. Li Si gilt heute als einer der großen Staatsmänner Chinas und man hat viele Entscheidungen des späteren Kaisers auf den Rat und die Ideen seines Kanzlers zurückgeführt. Neben Li Si gab es viele weitere fähige Köpfe am Hof Ying Zhengs, der es offenbar verstanden hatte, die richtigen Leute um sich zu scharen. Zumindest einer dieser Berater machte sich jedoch keine Illusionen über den Charakter seines Herrschers: „Gibt es Probleme, so setzt er sich gerne gegenüber anderen herab, hat er Erfolg, wird er rasch zum Menschenfresser. Ich bin nur ein einfacher Mann, dennoch behandelt er mich wie einen Vorgesetzten. Sollte es ihm gelingen, die Welt zu erobern, werden wir alle seine Gefangenen sein.“ Immerhin aber hatte der Herrscher manches Mal die Größe, einen Entschluss zurückzunehmen, wenn er erkannte, dass dieser falsch war.

Der Staat Qin war zu dieser Zeit eines der so genannten „Sieben streitenden Reiche“, in die China zerfallen war. Es waren dies außer Qin noch Han, Zhao, Wei, Chu, Yan und Qi. Diese sieben Staaten kämpften bereits seit dem Jahre 475 v. Chr. um die Vorherrschaft. Kurz nach der Beseitigung der Verschwörer begann Ying Zheng einen Krieg gegen das benachbarte Reich Han, das er 230 v. Chr. unterwerfen konnte. Beflügelt von diesem Erfolg gelang es dem Herrscher Qins im Jahre 228 v. Chr. ein weiteres Teilreich unter seine Kontrolle zu bringen, Zhao. Ying Zheng soll über ein den Truppen der anderen Staaten weit überlegenes Heer von 600.000 Soldaten verfügt haben, wobei die Zahlenangaben in den alten chinesischen Texten wohl oft als übertrieben zu betrachten und mit Vorsicht zu behandeln sind. Die Ausrüstung und Ausbildung dieser Armee war sicherlich die beste ihrer Zeit und der ihrer Gegner weit voraus. Ein Besuch des großen Militärmuseums in Bejing setzt uns heute noch in Erstaunen, auf welch hohem Niveau der Kriegstechnik sich die Armeen des damaligen China und ganz besonders jene des großen Eroberers befanden.

Wie sehr das gewaltige Heer des Kriegerfürsten seine Gegner in Angst und Schrecken versetzte, zeigt der Bericht eines alten chinesischen Historikers: „Doch am Pass trafen sie auf die Qin-Armee, die unbeeindruckt gegen sie vorrückte. Ohne Widerstand zu leisten, begannen die Angreifer zu fliehen, und Qin errang einen entscheidenden Sieg und sie verfolgten und vernichteten ihre Feinde, bis ihre Schilde auf einem Fluss von Blut dahintrieben.“

Ying Zheng setzte seine Eroberungszüge zügig fort und besetzte 225 v. Chr. den Staat Wei, 223 v. Chr. Chu und 222 v. Chr. Yan. Trotz aller verzweifelten Versuche dieser Länder, sich gegenseitig zu unterstützen, behielt der erfolgreiche Eroberer immer die Oberhand. Er verfügte einfach über die größere und besser funktionierende Armee und war selbst mit hoher militärischer Begabung gesegnet.

Der Herrscher des letzten verbliebenen Teilreiches Qi entsandte nun einen Attentäter, um Ying Zheng aus dem Weg zu räumen. Dieser konnte sich unter einem Vorwand in den Audienzsaal des Kriegerfürsten begeben und warf ein Messer nach ihm, das jedoch sein Opfer verfehlte. Da der Fürst an seinem Hof als Einziger Waffen tragen durfte, tötete er den Attentäter persönlich.

Als er schließlich auch das letzte Teilreich erobert hatte, war Ying Zheng die Verwirklichung eines viele Jahrhunderte gehegten Traums gelungen: Ganz China unterstand wieder einem einzigen Herrscher. Aus dem Fürsten Ying Zheng wurde nun Qin Shihungdi, der „Erste erhabene Gottkaiser von Qin“, wovon sich der bis heute gebräuchliche Name für das neue Reich ableitete – China.

Der Herrscher dieses neuen Gesamtreiches war mehr gefürchtet als geliebt. Alle zitterten vor seiner exemplarischen Härte. So ließ er von hunderttausenden versklavten Arbeitern ein monumentales Grabmal für sich errichten, das durchaus mit den größten Pyramiden ägyptischer Pharaonen mithalten konnte. Dabei kamen tausende Arbeiter um, was den Kaiser aber wenig zu kümmern schien. Sein größtes Projekt war jedoch der Bau der Chinesischen Mauer, die wir heute noch bestaunen können, auch wenn sie nicht vom Mond aus sichtbar ist, wie fälschlich behauptet wurde.

Sehr groß soll die Zahl jener Menschen gewesen sein, die beim Bau der Mauer ums Leben kamen. Da es zu wenige freiwillige Arbeiter gab, wurden viele Männer zwangsweise dazu rekrutiert, was das soziale Gefüge im Reich schwer erschütterte. Wenn man heute die großartige Chinesische Mauer betrachtet, die viele Jahrhunderte lang weiter ausgebaut wurde, so denkt man kaum an die vielen Opfer, die ihre Errichtung forderte.

Eine weitere Aktion Shi Huangdis mutet fast noch verheerender an. Ließ er doch im Jahre 213 v. Chr. groß angelegte Bücherverbrennungen durchführen, die einen Gutteil des bis dahin erworbenen philosophischen und historischen Wissens des chinesischen Volkes vernichteten. Die Auswirkungen waren möglicherweise noch gravierender als jene des Brandes der legendären Bibliothek von Alexandria bei den Kämpfen Julius Caesars in Ägypten. Zusätzlich ordnete der chinesische Kaiser die grausame Hinrichtung von hunderten Gelehrten an, die gegen die Büchervernichtung protestiert hatten. Angeblich soll sein Kanzler Li Si hinter diesen Maßnahmen gestanden haben.

Um das Volk unter Kontrolle zu halten und Aufruhr möglichst im Keime zu ersticken, ließ Shi Huangdi privaten Waffenbesitz verbieten und große Teile der Bevölkerung seines Reiches umsiedeln, was allerdings zu Aufständen führte. Bei der Niederwerfung dieser Erhebungen ging der Kaiser rigoros vor und so sollen von etwa 30 Millionen Einwohnern Chinas mehr als zwei Millionen durch verschiedene Zwangsmaßnahmen des Herrschers umgekommen sein.

Um die Machtausübung des ersten chinesischen Kaisers nicht nur in negativem Licht erscheinen zu lassen, sei auf seine vielen Reformen und neuen Regelungen hingewiesen, die teilweise sehr lange Bestand hatten. So ließ er das Schriftsystem Chinas nach dem Beispiel Qins vereinheitlichen, führte eine allgemeine Währung in seinem Reich ein und schuf einheitliche Maße und Gewichte.

Die Normierungslust Qin Shihuangdis ging, bestärkt durch den Kanzler Li Si, aber noch viel weiter. Kennzeichnend für die nun alles umfassende Neuordnung wurden detaillierte Vorschriften zur Amtskleidung der Würdenträger und Beamten erlassen. Auch vor dem gemeinen Volk machte der Kaiser nicht Halt. Nicht nur die Größe der Wagen von Bauern und Händlern war exakt vorgegeben, sondern auch, wie die Haartracht und der Schnurrbart der männlichen Untertanen auszusehen hatte. Bei der Bekleidung gab es ebenfalls strikte Vorschriften. Zuwiderhandlung wurde streng bestraft, bis hin zur Todesstrafe.

Das gesamte Reich wurde unter Missachtung der bisherigen Fürstentümer in 36 Kommandanturen und 1.000 Landkreise eingeteilt, die von ausgesuchten kaiserlichen Beamten verwaltet wurden. Es gab dabei eine strenge Hierarchie, die sich über 18 Stufen erstreckte. Jeder dieser Beamten war gezwungen, dem Kaiser jährlich detailliert zu berichten, welche Veränderungen sich in seinem Gebiet ergeben hatten. Dabei wird besonders betont, dass der Kaiser wirklich fähige Leute mit der Funktion von Gouverneuren und Militärkommandanten betraute und keiner seiner Familienangehörigen aus Gefälligkeit hohe Ämter erhielt.

Der Kaiser ließ auch ein riesiges neues Straßensystem von fast 7.000 km Länge anlegen. Diese Straßen verliefen oft über hunderte Kilometer absolut gerade und waren an beiden Seiten mit Bäumen bepflanzt. Für die Erleichterung des Transports wurden auch viele Kanäle gebaut, die teilweise noch heute existieren.

Nachdem Qin Shihuangdi die Grenzen des neuen Reiches durch die große Mauer gesichert hatte, ließ er im Inneren alle Grenzbefestigungen der alten sieben Staaten abtragen und auch die Städte durften nicht mehr befestigt werden. Die vielen Waffen aus Bronze, die er in seinen Kriegen erbeutet hatte, wurden zu riesigen Statuen und Glocken verarbeitet, die vom Ruhm des Kaisers zeugen sollten.

Da er das vereinte China entsprechend repräsentieren wollte, ordnete der Kaiser 212 v. Chr. den Bau einer gigantischen Palastanlage in seiner Hauptstadt Xianyang an, die alle bisherigen Paläste in den Schatten stellen sollte. Allein die Terrasse der Haupthalle soll die Ausmaße von 675 mal 112 Metern gehabt haben. Der Palast wurde allerdings zu Lebzeiten des Kaisers nicht vollendet und nach seinem Tod wieder zerstört. Qin Shihuangdi hatte zudem Kopien von allen Herrscherpalästen der von ihm unterworfenen Reiche in der Hauptstadt errichten lassen. Auch diese sollten von seinen ruhmreichen Taten künden.

Qin Shihuangdi soll angeblich 270 weitere Paläste besessen haben, allerdings ist diese Zahl wohl eine Übertreibung. Der Kaiser verbrachte viel Zeit auf Reisen und legte dabei mit großem Gefolge viele tausend Kilometer zurück. Bei einer dieser Reisen wurden er und seine Begleiter von Aufständischen überfallen und er überlebte nur, weil diese versehentlich die falsche Sänfte attackierten. Bei einem im Jahre 216 v. Chr. von Qin Shihuangdi in Verkleidung unternommenen Rundgang durch seine nächtliche Hauptstadt wurde er von „Banditen“ überfallen und fast getötet; man nimmt an, dass es sich hierbei um eine Verschwörung gehandelt habe.

Trotz seines immer wieder bewiesenen Mutes hatte der Kaiser sehr große Todesangst und war auf der Suche nach dem ewigen Leben. Als er Erzählungen von einer „Insel der Unsterblichkeit“ hörte, sandte er eine große Expedition aus, um diese ausfindig zu machen. Er wollte unter allen Umständen an das „Elixier des Lebens“ gelangen. Die Expedition kehrte niemals zurück. Angeblich sollen die Männer in Japan gelandet sein und dort das japanische Kaisertum begründet haben. Auch eine zweite Expedition verlief erfolglos.

In seiner Todesfurcht beschäftigte sich der Kaiser auch mit allerlei Formen von Zauberei und Schamanismus. Er nahm quecksilberhaltige Essenzen zu sich, die ihm von Alchemisten bereitet wurden, um sein Leben zu verlängern; allerdings scheint er es dadurch eher verkürzt zu haben.

Irgendwann, so meinen viele, die sich mit dem Kaiser beschäftigt haben, sei Qin Shihuangdi von seiner eigenen Größe geblendet worden und in seinen Vorstellungen über jedes Maß hinausgegangen. Er ließ überall Verherrlichungen seiner Person und seiner Taten in Stein meißeln und aufstellen, in der Hoffnung, dass diese Zeugnisse seiner Größe die Zeiten überdauern würden. Auch duldete er schließlich keinerlei Widerrede mehr und ließ Kritiker unerbittlich töten, was dazu führte, dass er am Ende fast nur noch von Lügnern und Schmeichlern umgeben war und den Kontakt zur Realität völlig verlor.

Der große Eroberer und Einiger Chinas starb am 10. September 210 v. Chr. auf einer seiner Expeditionsreisen vermutlich an einer Quecksilbervergiftung. Bereits sterbend ernannte er seinen ältesten Sohn, Prinz Fu-su, der zuvor bei ihm in Ungnade gefallen war und den er sogar zur Zwangsarbeit an die Mauer geschickt hatte, zu seinem Nachfolger. Ein schriftliches Testament hinterließ er nicht.

Doch dieser letzte Wunsch des zuvor allmächtigen Kaisers wurde von seinen engsten Beratern nicht erfüllt. Sie trieben den Prinzen und dessen fähigsten General mittels einer Intrige zum Selbstmord. Auch verheimlichten sie zunächst den Tod des Kaisers und machten nach dessen verspäteter Bekanntgabe seinen jüngsten Sohn, Prinz Huhai, zum neuen Herrscher Chinas.

Der neue Kaiser nahm den Namen Qin Erh-huangdi an und bestattete seinen Vater in dem riesigem Grabmal, das dieser seit seinem 13. Lebensjahr hatte errichten lassen. Es war eine monströse Totenstadt, umgeben von Mauern und angefüllt mit Luxusgütern. Die Haremsdamen mussten ihrem Herrn, genauso wie viele Arbeiter, die um die Geheimnisse des Grabes wussten, in dieses folgen. Sie wurden lebendig eingemauert. Da eine Liebhaberei des Kaisers das Sammeln von Tieren gewesen war, wurde ihm auch dieser damals sicherlich größte Zoo der Welt mit ins Grab gegeben.

So geriet noch die Reise Qin Shihuangdis in die Ewigkeit zum großen Massaker. Immerhin schien er seinem Nachfolger ein geeintes und starkes Reich zu hinterlassen. Doch konnte sich Qin Erh-huangdi nicht lange an der Macht halten, da er in keiner Weise die Fähigkeiten seines Vaters besaß. Überall kam es zu Erhebungen und schon 207 v. Chr. wurden die Qin-Armeen von Aufständischen vernichtend geschlagen und der junge Herrscher getötet. Das prunkvolle Grabmal des großen Kaisers wurde verwüstet. 206 v. Chr. gelangte schließlich die Han-Dynastie an die Macht.

Der erste Kaiser Chinas wurde schon bald nach seinem Ende äußerst negativ beurteilt. Viele Jahrhunderte lang genoss er keinerlei Glorifizierung, wie sie anderen großen Eroberern zuteil wurde. Man sah ihn als blutrünstigen Despoten und Tyrannen, der durch seine Politik zum raschen Ende seiner Dynastie beigetragen habe. Später stellte man ihn mit Dschingis Khan auf eine Stufe. Erst in kommunistischer Zeit wurde er wieder positiver bewertet. Gewisse Ähnlichkeiten mit Mao Zedong sind ja auch durchaus gegeben.

Fest steht, dass der erste Kaiser Chinas eine sehr kraftvolle und energiegeladene Persönlichkeit war, die das Ziel der Einigung des Landes und der Schaffung eines mächtigen zentral regierten Reiches hartnäckig und kompromisslos verfolgte. Seine konsequente und rasche Eroberung aller Teilreiche beweist seine großen strategischen Fähigkeiten. Ohne ihn wäre die weitere Entwicklung Chinas wohl völlig anders verlaufen.

Die großen Eroberer

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