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EINLEITUNG
ОглавлениеSeit es schriftliche Überlieferungen gibt, wird von militärischen Anführern berichtet, die fremdes Territorium und dessen Bewohner durch Eroberungen in ihre Gewalt brachten. Schon in der Antike konnten Herrscher wie Alexander der Große oder Julius Caesar durch jahrelange Eroberungskriege ihren Machtbereich in erstaunlichem Ausmaß vergrößern und Weltreiche schaffen. Es gibt seitdem keinen Abschnitt der Menschheitsgeschichte oder Teil der Welt, in dem nicht große Eroberungen durch begabte Heerführer gemacht wurden. Einige von Eroberern gegründete Reiche hatten über viele Jahrhunderte Bestand, andere zerfielen nach dem Tod ihres Gründers, wie jenes Alexanders des Großen, oder schon zu dessen Lebzeiten, wie das Napoleons.
Das Leben dieser Persönlichkeiten fasziniert auch heute noch; wir staunen über den Mut, die Energie und die Fähigkeiten dieser Männer, doch erschrecken wir oft vor der Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit, die viele bei ihren Eroberungsfeldzügen an den Tag legten. Die militärische Inbesitznahme eines Landes oder einer Region ist sicher keine Beschäftigung für zarte Gemüter, lassen uns doch die Berichte über die Gräuel, die bei vielen Eroberungszügen verübt wurden, über die Verwüstung großer Gebiete und die Ausrottung ganzer Völker nicht gleichgültig. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es keine friedlichen Eroberungen in der Geschichte gab.
Da in den fünf Jahrtausenden überlieferter Menschheitsgeschichte eine Vielzahl von Eroberungen durch militärisch begabte Persönlichkeiten zu verzeichnen ist, musste für dieses Buch eine Auswahl getroffen werden. Es behandelt insgesamt 35 bedeutende Personen aus allen geschichtlichen Epochen und allen Weltteilen – also auch Eroberer aus Asien, Amerika und Afrika, die dem europäischen Leser vielleicht weniger bekannt sind – und spannt dabei einen Bogen vom ägyptischen Pharao Thutmosis III., der auch als „Napoleon Ägyptens“ bezeichnet wurde, über den chinesischen Kaiser Qin Shihuangdi, der in kurzer Zeit China unter seiner Herrschaft vereinigen konnte, Karl den Großen, der das abendländische Kaisertum des Mittelalters begründete, bis hin zu Persönlichkeiten der jüngsten Geschichte, wie dem „Großen Vorsitzenden“ Mao Zedong und Moshe Dayan, der Israel zu einer regionalen Großmacht machte und dessen Territorium in einem der erstaunlichsten Kurzkriege der Geschichte enorm vergrößerte. Natürlich durften die „großen Namen“ nicht fehlen; an einem Napoleon oder am „Dreigestirn des Altertums“ – Alexander, Hannibal und Caesar – führt kein Weg vorbei. Aber es gab auch viele Erobererpersönlichkeiten, deren Namen man heute kaum noch nennt, obwohl sie ebenfalls ruhmreiche Taten vollbrachten und bedeutenden Einfluss auf die Geschichte hatten: Man denke nur an Scipio Africanus, der immerhin den großen Hannibal besiegte.
Die dargebotenen Porträts versuchen, die Persönlichkeit des jeweiligen Eroberers kurz zu charakterisieren und die wichtigsten Ereignisse während seiner Kriegszüge und Herrschaft darzustellen. Bei dieser Beschränkung auf das Wesentliche konnten die historischen Personen und ihr Umfeld natürlich nicht erschöpfend darstellt werden, doch vermögen die folgenden Kurzbiografien vielleicht, dem Leser einen Grundstock an Wissen zu vermitteln und ihn zu einer weiterführenden Lektüre anzuregen.
Da es bei vielen der behandelten Personen, insbesondere jenen aus weit zurückliegenden Epochen der Geschichte, oft sehr widersprüchliche Angaben zu den Lebensdaten und bestimmten historischen Ereignissen gibt, hat sich der Autor dafür entschieden, stets jene Informationen zu präsentieren, die für ihn den höchsten Grad an Wahrscheinlichkeit haben. Die Abfolge der Porträtierten ist strikt chronologisch nach deren Sterbedatum geordnet. Dies erschien aus historischer Perspektive am sinnvollsten, da sich der Höhepunkt des Wirkens fast aller dieser Männer gegen ihr Lebensende gezeigt hat.
Man findet bei den in diesem Buch vorgestellten Eroberern im Wesentlichen zwei Grundtypen. Einerseits den „in Purpur Geborenen“, der bereits aus einer Herrscherdynastie stammte und dessen Vorfahren oft schon bedeutende Eroberungen gemacht hatten, wie zum Beispiel Alexander der Große, Karl der Große oder Süleyman I. Und dann gibt es den Typ des Aufsteigers, der aus dem Volk kam und zu einer großen Erobererpersönlichkeit wurde, wie Francisco Pizarro, Robert Clive oder Mao Zedong. Manche vernichteten bei ihren Eroberungsfeldzügen große Reiche, wie Timur Leng oder Hernán Cortés, während andere viele kleinere Staaten zu einem überragenden Reich vereinten, wie der chinesische Kaiser Qin Shihuangdi oder der erste Tokugawa-Shogun in Japan. Es gab Männer, die von einer großen Idee geleitet wurden, wie Simon Bolivar, der die Völker Südamerikas zu befreien trachtete, oder Lawrence von Arabien, der Ähnliches für die Araber leisten wollte. Andere waren religiöse oder politische Fanatiker, wie der Mahdi oder Mao Zedong. Die Gier nach Reichtümern war sehr oft mit ein Motiv für Eroberungen, man denke nur an die spanischen Konquistadoren oder den Hunnenkönig Attila, ebenso wie der schiere Machthunger, den man etwa Gaius Julius Caesar oder Shaka Zulu unterstellen darf. Was auch immer die Motive der einzelnen Eroberer gewesen sein mögen, sie haben jedenfalls Geschichte gemacht und das Gesicht der Welt geprägt. Und es weiß heute niemand, ob der Menschheit in Zukunft machtbesessene Erobererpersönlichkeiten erspart bleiben werden.
Helmut Neuhold, September 2008