Читать книгу Herzog Heinrich II. Jasomirgott - Helmut Strohbach-Hanko - Страница 11
Nacherzähler
ОглавлениеAuf die Salzburger, Melker und Admonter Annalen, aber auch auf Otto von Freisings „Weltchronik“ griff Mitte des 13. Jahrhunderts Abt Hermann von Niederalteich für sein Annalenwerk zurück, das zum „Vorbild der bayerischen Landesgeschichtsschreibung des Spätmittelalters“ wurde.21 Hermann, als Historiograf von „großer Unparteilichkeit“,22 schrieb, der Herzog von Österreich (gemeint ist Heinrich) sei „nach zahlreichen Beweisen seiner Tatkraft und Tüchtigkeit“ gestorben.23
Die ebenfalls etwa um diese Zeit entstandene „Sächsische Weltchronik“ berichtet von Heinrich Jasomirgotts Eheschließungen mit Gertrud, der Witwe Heinrichs des Stolzen, und Theodora, der Nichte des byzantinischen Kaisers. Durch die Verheiratung Gertruds mit dem Babenberger habe König Konrad III. „der Sassen [Sachsen] guten willen“ gewonnen.24
Die weltliche Geschichtsschreibung zu Heinrich Jasomirgott in Österreich beginnt mit dem „Fürstenbuch von Österreich und Steier“, das der Wiener Bürger Jans, genannt Enikel oder Enenkel, um 1280 verfasste. Es sollte vor allem ein „geschichtlicher Unterhaltungsstoff für seine bürgerlichen Standesgenossen“ sein.25 Quellen für seine gereimte Chronik waren hauptsächlich das „Chronicon pii marchionis“ und die „Gesta“. So wusste er, dass Heinrich den Vater nicht sogleich beerbt hatte, dafür aber „an gewalt … nimant fur sich liez“ und „die Marchgrafschaft in Osterreich zu einem werden herczogtum pracht“.26
In Ottokars „Österreichischen Reimchroniken“, entstanden Anfang des 14. Jahrhunderts, ist Heinrich Jasomirgott nur erwähnt: „waz man êren und frumikeit/hât hie vor geseit/von herzog Heinrichen dem alten“ – was man also an Ehre und Frömmigkeit von ihm berichtet habe.27
Für einen kurzen Bericht über Heinrich Jasomirgott als Herzog von Bayern griff der Regensburger Chorherr Andreas in seiner 1425 verfassten „Chronica de principibus terrae Bavarorum“ vor allem auf Otto von Freising zurück. Die „Chronica“ und ihre vom Autor wenig später als „Chronik der Fürsten zu Bayern“ vorgelegte deutsche Übersetzung enthalten keine Urteile oder detaillierten Ausführungen zu Heinrichs Person und Tätigkeit in Bayern; dafür wird der Text der kaiserlichen Urkunde zur Erhebung Österreichs zum Herzogtum wiedergegeben.28 Für Andreas von Regensburg, der seine Darstellung ähnlich wie Otto von Freising nicht nur aus den verfügbaren Quellen kompilierte, sondern „den Verlauf der Geschichte und den Zusammenhang irdischer Geschehnisse mit dem göttlichen Heilswirken“ betrachtete,29 war das babenbergische Zwischenspiel in Bayern aber offenkundig nur eine Episode.
Von ähnlich hoher Qualität ist Thomas Ebendorfers um 1450 verfasste „Cronica Austriae“: Ebendorfer, Wiener Domherr, mehrmaliger Rektor der Wiener Universität und Diplomat im Dienste Kaiser Friedrichs III., schrieb sein Geschichtswerk in dessen Auftrag. Er verfügte über vielfältige Quellen, darunter die „Gesta“, das „Chronicon pii marchionis“ und verschiedene Klosterannalen. Ob er auch auf Jans Enikel zurückgriff, ist ungewiss. Die Babenberger, für die er freilich noch keinen Geschlechternamen kennt, sind im „liber secundum“ abgehandelt, der ungenauen Quellenlage wegen mit etlichen Fehlern. Aber Ebendorfer weiß, dass Heinrich Jasomirgott der zweite Sohn Leopolds III. gewesen sei, dem Vater weniger teuer, und dass er Pfalzgraf bei Rhein gewesen sei. Heinrich, der Letzte aus der Familie der frommen Markgrafen, sei „ein nahezu keinem Sterblichen an Adel nachstehender Fürst“ gewesen.30
Die erste auf Quellenstudium aufgebaute vollständige Geschichte der Babenberger schrieb Ladislaus Sunthaym, Bakkalaureus der Universität Wien, Kanoniker und später Hofkaplan Maximilians I. Im Jahr der Heiligsprechung Leopolds III., 1485, beauftragte ihn der Propst von Klosterneuburg, eine solche Familiengeschichte zu erstellen. Um 1491 legte Sunthaym „Der loeblichen fuorsten und des lands oesterrich altharkommen und regierung“ vor, die in Basel gedruckt wurde. Darin heißt es, Heinrich, genannt Jochsamergot, sei „von seinem Vater minder liebgehabt“ worden „dan ander sein brüeder“. Doch habe er sie alle überlebt „und ward höher in weltlichen eren dann ir jeder“.31 Von Heinrichs Regierung weiß Sunthaym nur Gutes zu berichten – freilich hätten die Böhmen und Ungarn zu seinen Zeiten „viel übels in österreich begangen mit raub und prand“. Am Ende steht der Tod Heinrichs nach einem Sturz vom Pferd. Sunthaym war es auch, der den meisten Babenbergern mehr oder minder passende Beinamen gab, die bis heute gebräuchlich sind. Die Gesamtdarstellung korrespondiert mit dem großen Babenberger-Stammbaum, den Hans Part um 1490 für Klosterneuburg gemalt hat. Auch in ihm finden sich Namen und Beinamen der von Sunthaym Genannten.
Etwa zur gleichen Zeit, um 1495, erschienen die zwei Chroniken des Freisinger Klerikers Veit Arnpeck: die „Chronica Baioariorum“ und das „Chronicon Austriacum“. Letzteres fällt freilich gegenüber der vorzüglichen „Bayerischen Chronik“ stark ab. Arnpeck, „welcher unter den bairischen und österreichischen Historikern seiner Zeit unbedingt einer der vorzüglichsten genannt zu werden verdient“,32 hatte in Wien studiert. Er kannte und verwendete die österreichische Literatur von Jans Enikel über Thomas Ebendorfer bis Ladislaus Sunthaym. Eine wichtige und hochgeschätzte Quelle war für ihn Otto von Freising. Fast wörtlich übernahm er den Bericht von Heinrich Jasomirgotts Kampf um Bayern (und folgerichtig auch von der Zerstörung geistlicher Güter, die Otto beklagt) sowie von der Erhebung Österreichs zum Herzogtum. Einer Kommentierung dieser Teilung Bayerns enthielt er sich.33
Ebenfalls ohne Kommentierung aus bayerischer Sicht berichtete der große Geschichtsschreiber Johannes Aventinus in seiner „Bayerischen Chronik“ über die babenbergischen Herzöge Leopold und Heinrich. Der studierte Humanist Aventinus war 1517 zum bayerischen Hofhistoriografen berufen und beauftragt worden, eine Geschichte der bayerischen Herzöge zu schreiben: 1522 vollendete er die „Annales ducum Boiariae“, 1533 darauf fußend die volkstümlich gewordene deutsche Bearbeitung. Den beiden Babenbergern widmete er im 6. Buch dieser „Chronik“ in Relation zum Gesamtwerk nur verhältnismäßig wenig Raum. Er beschrieb kurz und nüchtern die Kämpfe um Bayern, zumal mit Welf VI., der auch im „ungerischen Krieg“ 1146 seine Hand im Spiel gehabt habe. Zur Niederlage an der Leitha (hier dienten ihm die „Gesta“ als Quelle) merkte er an, Heinrich habe, „als er ein jeher frischer fürst was“,34 die Ungarn schon in die Flucht geschlagen, sei dann aber der Übermacht unterlegen. Die Auseinandersetzung um Bayern zwischen Heinrich Jasomirgott und Heinrich dem Löwen und die Abtrennung Österreichs als neues Herzogtum beschrieb er, ohne (wie spätere bayerische Historiker) diese Schwächung Bayerns zu beklagen. Schließlich berichtete Aventinus, dass Heinrich Jasomirgott die Stadt Wien habe „wider aufpauen“ lassen, Burg und Schottenkloster gebaut habe und durch einen Sturz vom Pferd ums Leben gekommen sei.
Aventinus verwendete zur Unterscheidung der vielen bayerischen Heinriche eine zuvor noch nicht übliche Zählweise: „Wie zween umb das Hertzogtum Bairn kriegten/Heinrich der eindelft/und Heinrich der zwelft“, lautet die entsprechende Kapitelüberschrift.35 Aventinus’ Zeitgenosse, der Schaffhausener Stadtarzt und Humanist Johannes Adelphus (Muling), hatte in seiner Lebensbeschreibung Friedrich Barbarossas im Zusammenhang mit Heinrich Jasomirgott (der bei ihm der dritte Sohn Leopolds III. ist) auf Irrtümer in der bisherigen Literatur hingewiesen; sie kämen „von den vil manig falten Heinrichen beider seits da sich die nammen under einander vermischen und niemand wol darauß kommen mag.“36
Keinerlei humanistische Sachlichkeit, sondern barocker Überschwang prägte neunzig Jahre später die Geschichte der österreichischen „Marg-Graffen von Leopold den Durchleuchtigen und Ersten biß auff Heinrich/letzten Marggraffen und I. Hertzogen zu Oesterreich“ des Klosterneuburger Chorherrn und Dechanten Adam Scharrer. Er schrieb sie unter besonderer Hervorhebung des „heiligen“ Leopold und widmete sie dessen Namensvetter, dem habsburgischen Kaiser Leopold I. Der Text ist getragen von überströmender Frömmigkeit: So betont Scharrer, dass Leopold der Heilige seine Frau Agnes nicht aus „fleischlichen Wollüsten“ geheiratet habe und die große Schar der aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder (es ist von insgesamt achtzehn die Rede) der „keuschen ehelichen Beiwohnung“ entsprang. Auch Scharrer bediente sich vor allem der Sunthaym’schen Darstellung: Heinrich hat „diß ur-alte Marggräfliche Geschlecht erhalten/in der weltlichen Dignität alle überstiegen/und das gantze Marggraffenthumb Oesterreich nicht allein glückseelig gantzer fünf und dreysig Jahr (nemlich vierzehen Jahr als Marggraff/und zwantzig Jahr als Hertzog) regirt, sondern in vielem mercklich verbessert und vermehret.“37 Der Autor geht ausführlich auf die Heinrich Jasomirgott 1156 gewährten Rechte im „Privilegium minus“ ein, die ihn über alle anderen Fürsten des Reiches erhoben hätten. Und er berichtet auch von dessen Taten als „streitbarer beherzter Kriegs-Fürst“ bei der Belagerung Mailands. Dass freilich Heinrich Jasomirgott „zum öfftern Parfüssig Walfahrten gangen/von der Geistlichkeit sehr geliebt/und gemeiniglich Heinricus pius der Gottseelige genennet worden“, dürfte eine reine Erfindung des Autors sein.38
Noch ganz unter die barocken Geschichtsschreiber gehört, auch wenn das Werk erst 1763 erschienen ist, Johann Heinrich von Falckenstein mit seiner „Historia Boiorum pragmatica“. Er beruft sich vor allem auf Otto von Freising und auf Aventinus und weiß, dass Heinrich Jasomirgott der ältere, aber vom Vater weniger geliebte Sohn Leopolds III. gewesen sei. Zur Schlacht an der Leitha schreibt er: „Da die Ungarn einen Hinterhalt an einem Vortheilhaften Ort gesetzet hatten; so ward die bayerische Armee in der Nachfolge dahin gelocket, allda geschlagen, und deren 7000 in die Pfanne gehauen.“39 Heinrich Jasomirgott habe im Übrigen ebenso wie sein Bruder Leopold nicht das geringste Recht auf Bayern gehabt. „Um aber der Sache eine Farb anzustreichen“, habe er sich mit Gertrud vermählt; der „einfältige Handel“ habe freilich „großes Unheil und Schaden“ verursacht.40 Diese kritische Sicht der babenbergischen Herrschaft in Bayern zieht sich durch die Darstellung der Ereignisse (mit Einschluss des Kreuzzugs) bis 1156 und endet mit der Feststellung, dass durch die Erhebung Österreichs zum Herzogtum „ein ansehnliches Stück Landes … von Bayern abgerissen.“41 Auch wenn Falckenstein „solide Fachkenntnisse und die Unbefangenheit des Urtheils gefehlt“ haben mögen,42 ist seine Darstellung doch für die bayerische Sicht charakteristisch, die von nun an den Babenbergern sehr kritisch gegenüberstand.