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EINSATZ IN SAUDI ARABIEN

Schon bald kam eine Anfrage von Held & Franke, einer der damals größten Baufirmen in Deutschland. Sie hatten eine Baustelle in Saudi-Arabien.


Straßenvermessung 100 km Straße

„Normal Maintenance“,

„normale Straßenerhaltung“, für ca. 300 km Straße zwischen Riad und Taif, der Sommerresidenz der Königsfamilie. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Saudi waren damals noch sehr gut und deutsche Firmen bekamen oft Aufträge, auch wenn sie teurer waren als Firmen aus den Golfstaaten. Man schätzte die deutsche Verlässlichkeit und Bauqualität. Außerdem waren deutsche Firmen auch sehr gut im Verteilen von Geschenken oder wie man im Nahen Osten eher sagte, „Wertschätzung“ der Auftraggeber. Den Begriff „Compliance“ kannte man damals noch gar nicht und das wird für arabische und wohl auch afrikanische Firmen auch in Zukunft schwer verständlich sein. Eine Anerkennung gehört eben zum Geschäft, vor allem wenn man deutlich teurer ist und in Zukunft wohl noch mehr sein wird. Damit möchte ich auf keinen Fall einer Bestechungskultur das Wort reden. Wir alle müssen froh sein, wenn wir Aufträge durch Qualität und Preis bekommen. Aber wir sollten spezielle Kulturen im arabischen Raum nicht ignorieren und die Pflege von Geschäftsbeziehungen nicht ganz aus den Augen lassen, wenn man wieder Fuß fassen möchte bei Großaufträgen in diesem Raum. Aber natürlich, es ist schon richtig hier immer ein scharfes Auge drauf zu haben, die Grenze zwischen Wertschätzung und Bestechung verläuft fliesend.

Technisch konnten wir das Beste auffahren was zu dem Zeitpunkt machbar war. Wir bauten einen eigenen Steinbruch mit Brecher und eine eigene Mischanlage. Wir durften ja von niemand abhängig sein. Arabische Geschäftsleute sind knallhart, wenn es um den eigenen Vorteil geht. Das konnten wir später am Bitumenpreis erkennen. Sobald sie merkten, das Bitumen geht zu Ende, verdreifachte sich der Preis.

Man hatte sich für ein System der „ausgleichenden Gradiente“ entschieden. Das bedeutete unterschiedliche Dicken der Tragschicht. Das bedeutete weiterhin einen schwierigen Einbau, da die Dicken unterschiedlich komprimiert wurden durch die schweren Walzen, und das musste vorab berechnet werden. Ein neues Programm der Strabag sollte das angeblich machen. Aber es klappte nicht. Man baute ein Wellenmuster. Das bekam man nicht abgenommen und der Einbau wurde zum Desaster. Ursächlich war aber nicht alleine die mangelnde Erfahrung im Vermessungsbereich und in der Berücksichtigung unterschiedlicher Verdichtung, sondern natürlich auch die fehlende Erfahrung in der Asphaltmischung.

Wie bereits erwähnt, suchte die Fa. Held & Franke daher einen leitenden Vermessungsingenieur mit Erfahrung im Schnur- bzw. lasergesteuerten Deckenbau für eine Straßenbaustelle zwischen Riad und Taif, das waren einige 100 km. Wichtigstes Kriterium war also Erfahrung im Deckenbau und die Handhabung der passenden Vermessungssysteme. Geplant war die Steuerung des Einbausysteme mit einer modernen Lasersteuerung. Wie schon mehrfach erwähnt war die Vermessungsabteilung der Fa. H&F immer für Überraschungen und technischen Neuerungen gut.

Durch den Einsatz beim Münchner Ostring, der Autobahnumfahrung im Osten von München, konnte ich die gewünschte Erfahrung natürlich nachweisen. Das hatte natürlich seinen Preis, den man zuerst nicht bezahlen wollte. Der Leiter der Vermessungsabteilung, ein kleiner, sehr selbstsicherer Vermessungsfachmann, der vehement die Meinung vertrat, dass der Vermessungsingenieur ein wichtiger Partner der Bauleitung ist und diese Meinung auch durchsetzte, sagte noch bei der ersten Besprechung ab. „Sie sind zu teuer“ war die Aussage beim ersten Gespräch. „Qualität kostet, wollen Sie ihre Probleme lösen oder nicht“ war meine Antwort. Ein gewisses Selbstbewusstsein konnte ja nicht verkehrt sein.

Kurzzeitig trennten sich unsere Wege wieder, wobei wir sofort wussten, dass sich unsere Einstellungen zum gesamten Auftreten als Vermessungsfachmann sehr kongruent waren. Er beeinflusste mein zukünftiges Auftreten sehr stark. Zwar versuchte ich seine manchmal vorhandene Arroganz gegenüber anderen Gewerken nicht zu kopieren, aber die Stellung der Vermessung im Baugeschehen durfte nicht weiter zurückgehen, sondern musste hervorgehoben werden. Dafür war seine Haltung genau die Richtige.

Nach einem Monat kam er wieder auf mich zu, mit der Aussage über Geld wird nicht verhandelt, auf der Baustelle brennt es, „das wäre schon in Ordnung“.

Wie schon erwähnt, war ich in kürzester Zeit vor Ort und konnte mich mit der Mentalität der „Auslandsbauleute“ auseinandersetzen. Das war etwas vollkommen anderes. Man verstand sich als Elite; wer einmal im Ausland war, tat sich schwer wieder zurück zu finden. Zu der Zeit damals hatte man Hausangestellte, einen Fahrer und mehr Hilfspersonal als man eigentlich brauchte. Saudi-Arabien war nochmals anders als afrikanische Länder. Das Hilfspersonal kam (und kommt) aus dem Jemen oder Pakistan, ist sehr günstig und devot. Wenigstens war das damals so, heute muss man wohl auch mit fanatischen Anhängern irgendwelcher Widerstandsbewegungen rechnen.

Für den Saudis wiederum waren und sind Ausländer generell Hilfsvölker, ausgenommen vielleicht US-Bürger, die aufgrund des Ölgeschäfts und des Militärs eine besondere Stellung einnehmen. Sie verstehen sich als Herrenmenschen, die sich durch Ihre finanziellen Möglichkeiten aus dem Ölgeschäft und Ihres Glaubens besserstellen dürfen, als der Rest. Sie gehen rigoros gegen Andersdenkende vor. Das betrifft nicht nur eine bestimmte Schicht, z.B. den Adel, sondern zieht sich auch bis in einfache Bevölkerungskreise durch. Zwar war zu diesem Zeitpunkt, wir sprechen von den 70-er Jahren, der Gesamteindruck eher liberaler als heute, aber eine Frau, die alleine einkaufen ging, (zwar mit Fahrer, denn selbst fahren war strengstens untersagt) war undenkbar. Wenn man es trotzdem probierte, konnte es passieren, dass die Geschäftsinhaber einfach die Rollos runterließen und man vor verschlossenen Türen stand oder plötzlich die Polizei auftauchte.

Andere Beispiele waren auch in der täglichen Arbeit zu finden. Für einen etwas besser gestellten Saudi war es undenkbar, dass man für Vermessungsarbeiten die Straße sperrte. Ich musste öfters „über die Kühlerhaube“, wenn ich mich vor ein Maßband stellte, dass über die Straße gespannt war und dann wurden wir auch noch auf Übelste beschimpft, manchmal sogar bespuckt. Gottseidank waren wir sportlich so geschult, dass solche Stunts meist glimpflich ausgingen.

Schlimmer waren die Verkehrsgewohnheiten der Saudis. Nirgendwo habe ich schlechtere und aggressivere Autofahrer gesehen als in Saudi-Arabien. Natürlich war mir bewusst, dass in südlichen Gefilden Autofahren ganz anderes beurteilt wurde als in Mitteleuropa. Schon meine Italien-Urlaube hatten mich geschult und wer einmal durch Neapel oder auch Paris gefahren ist, weiß wovon ich spreche. Aber was hier abging, war für unsere Verhältnisse abenteuerlich. In der Stadt (soweit man 1976 von einer Stadt Riad sprechen konnte), es gab nur Lehmbauten und Paläste, zählte nur das Recht des Stärkeren oder des Adels, der jungen Prinzen, mit Ihren großen Schlitten. Eine rote Ampel zählte überhaupt nichts, ein Fußgängerübergang war nur unter Lebensgefahr zu benutzen. Ich musste mich an einen türkischen Fremdenführer erinnern, der mir in Istanbul sagte „Autofahren ist bei uns ein Mittel der Bevölkerungspolitik“. Ähnlich war es in den 70er Jahren in Saudi. Das Straßenbild bestimmten große Amischlitten, aber auch schon einige kleinere japanische

Modelle. Ganz selten waren die Autos ohne Dellen. Der Fahrstil forderte seinen Tribut und war ausgesprochen rücksichtslos.

In kürzester Zeit war ich also in Saudi-Arabien angekommen und zwar mit Familie und Hund, den ich ja nicht zurücklassen konnte und dem Versprechen, dass meine Familie so schnell wie möglich nachkommen wird. Es begann eine hochinteressante Zeit, die mich mehr als alles andere geprägt hat.

Mein neuer Chef war ein Visionär und überaus kompetenter Vermessungsingenieur, manchmal sogar ein bisschen arrogant. Vor allem konnte er seine Ideen auch bei der Firmen- und Bauleitung durchsetzen. Ich habe nie mehr später so eine angesehene Vermessungsabteilung in einem Großbetrieb gesehen, wie zu dieser Zeit und ich habe eine Menge gelernt, was das „Standing“ eines Berufsstandes auf der Baustelle betrifft. „Eine Bauleiterbesprechung auf einer Baustelle ohne Vermessungsfachmann gibt es nicht“, war sein Credo. Und so wurde das auch umgesetzt; Bauleiter, kaufmännische Leitung und Vermessungsingenieur waren ein Team. Das war die Grundlage für den Erfolg.

Diese Position hatten er sich und natürlich seine Mitarbeiter erkämpft, durch viele Neuerungen und Vermessungsmethoden, die die Vermessungsarbeit einfacher und schneller und die Baustelle erfolgreicher machten.

Ein Beispiel war die Aufnahme der Straße für die Straßenerhaltung. Dabei ging es darum möglichst lange Strecken mm-genau zu erfassen, um dann später eine ausgleichen Gradiente drüber zu legen und entsprechend eine Deckschicht einzubauen.

Üblicherweise eine aufwändige Arbeit, die nur genau genug mit dem Nivelliergerät zu bewerkstelligen war. Elektronische Theodolite waren damals noch nicht genau genug, um auch die benötigte Höhengenauigkeit zu liefern. Von den Kosten und auch der gewünschten Geschwindigkeit ganz zu schwiegen.

Der zuständige und leitende Vermessungsingenieur für diesen Auslandseinsatz, ein hervorragender Praktiker und versierter Vermessungsfachmann., entwickelte ein „Wasserwaagen-Lattensystem“, mit dem wir über die Straße flitzten und mit einem einfachen Meterstab das Straßenprofil entlang von Höhenfestpunkten mm-genau erfassten. Vorab wurde nur die Gradiente und Achse genau ab nivelliert, sozusagen eine Ausgangsachse geschaffen. So schafften wir bis zu 8-10 km an einem Tag, alle 20 m ein Profil. Dabei ging es nicht gemächlich zu, sondern es wurde im Laufschritt gemessen. Auch für unsere pakistanischen Helfer (und mich) eine Herausforderung. Leider bezahlte er später diese Hochgeschwindigkeitsvermessung mit Hüftproblemen, was er aber dank seiner Sportlichkeit gut wegsteckte.

Für die geplante Sanierung der Verbindungsstraße von Riad nach Taif, der Sommerresidenz des Königshofes, hatte man, wie schon vorher erwähnt, ein Programm der vermittelnden Gradiente entwickelt, zusammen mit der Strabag, einer schon damals renommierten Straßenbaufirma.

Mit den von uns gelieferten Daten wurde eine neue Gradiente in Verbindung mit einem Sollprofil berechnet, die bei einer dünnsten Deckschicht von 6 cm bis zu einer Höchstüberdeckung von 30 cm, eine neue Oberfläche erzeugen sollte, die das Gefühl einer komplett neu gebauten Straße vermitteln sollte. Aber genau darin lag der Hund begraben. Die unterschiedlichen Einbaustärken wurden beim Walzvorgang unterschiedlich zusammengedrückt und damit entstand ein Wellenmuster. Wir mussten also die Gradiente um den Komprimierungsfaktor korrigieren und das in der Absteckung berücksichtigen. Gleichzeitig war das auch der Tod der Steuerung durch einen Laserstrahl, so wie einmal projektiert war.

Der Leitstrahl konnte ja nicht mehr „gerade“ verlaufen. Wir mussten wieder zurück auf die altbekannte Technik des „Leitdrahtes“. Hier konnte man beliebig korrigieren und unterschiedliche Sollstärken einbauen. Gerade dafür hatte man mich geholt, und in Verbindung mit einem neuen „Einbaumeister“ mit deutlich mehr Erfahrung im Deckenbau gelang uns in kürzester Zeit eine Rückkehr zu einer Straße ohne Wasch-Brett Effekt.

Ich hatte mir ein gutes Standing in der Firma erarbeitet und bald war ich Ansprechpartner auch für soziale Probleme der Kollegen, so zum Beispiel der Familiennachführung, die nur schleppend funktionierte. Die Firmenleitung schob es auf die Genehmigungsverfahren der Saudi Verwaltung, andere waren der Ansicht, die Firma verzögerte bewusst. Nach einem Gespräch mit der deutschen Leitung der Auslandabteilung, die extra zu einem Besuch in unser Camp kam, nahm ich die Dinge selbst in die Hand und machte mich kurzerhand auf den Weg nach Deutschland. Dort klärte ich die Dinge in kürzester Zeit ab, ohne große Widerstände. Nach 2 Wochen waren ich mit unseren Frauen zurück.

Beruflich war mir die Aufgabe bald sehr langweilig. Schnur spannen und höhenmäßig einmessen konnten mich nicht richtig ausfüllen, zumal ich mir meine Leute gut ausgebildet hatte und diese Arbeit eigentlich mit den pakistanischen Helfern bald vollautomatisch ablief. Ich musste nur vorbereiten und kontrollieren. Dazu musste ich jeden Morgen an den Einsatzort die Planungen übergeben und das „Abgesteckte“ kontrollieren.

Ich war also viel unterwegs und konnte auch den ein oder anderen Abstecher ins Landesinnere einbauen. So lernte ich Land und Leute besser kennen. Leider nicht nur von der guten Seite.

„Glück im Unglück“, so könnte man das beschreiben, was eines Tages passierte. Meine Mitarbeiter waren weit vor dem Camp eingesetzt und ich musstin früh am Morgen die Absteckdaten an den Trupp liefern, die Fertiger mussten ja laufen. Ich war zügig unterwegs, auch etwas zu schnell für die erlaubten 100 km/h, ich schätze so ca. 130 km/h und ganz alleine auf der Straße.

Man muss sich das so wie in Filmen aus Amerika vorstellen, die Straße verschwindet im Horizont, im Unendlichen. Die Landschaft wechselt von leichten Hügeln zu flachen Tälern. Im Hügel in Einschnitten, im Tal auf teilweise sehr hohen Dämmen.

Auf so einem hohen Damm stand am Straßenrand ein mittelgroßer Bus, vermutlich hatte der Fahrer sich etwas ausgeruht, waren doch diese langen Geraden sehr ermüdend. In dem Moment, in dem ich vorbeifahren wollte, fuhr der Bus los und wollte wenden. Damit blockierte er die komplette Straße. Ich ging kurz auf die Bremse, merkte aber sofort, das reicht nie und nimmer. Also leitete ich ein Manöver ein, das mich schon mehrfach vor einem Unfall bewahrt hatte. Ich ließ die Bremse wieder los, das Auto gehorchte wieder der Steuerung und ich lenkte das Auto haarscharf am Bus vorbei über die Böschung. Ich hatte geschätzt immer noch so an die 100 km/h drauf und es begann ein Sinkflug wie in einem Speedfilm aus Hollywood. Ich flog über den angedeuteten Entwässerungsgraben direkt in die Wüste hinaus. Nach ca. 20 m bekam ich das erste Mal Bodenberührung (das habe ich später nachgemessen), dann hob ich wieder ab und hatte wieder 10 m Luftfahrt, dasselbe nochmal ein paar Meter. Meine Messausrüstung flog durch die Gegend und ich hatte alle Hände voll zu tun das Auto gerade in der Spur zu halten. Nach ca. 150 m kam ich zum Stehen. Ohne Überschlag, aber mit Totalschaden an den Achsen, das Messstativ über meinen Armen. Ich hatte wahnsinniges Glück, dass das Gelände so eben war und es keine weiteren natürlichen Sprungschanzen gab. Ein paar Meter weiter wäre ich in eine Mulde gestürzt und hätte keine Spur einer Chance gehabt das Auto zu halten. Ich stieg aus, leicht zittrig, weil ich mir sofort darüber im Klaren war, dass ich großes Glück gehabt hatte. Hier hätte alles enden können.

Ich schaute zur Straße zurück und sah den Fahrer des Busses wie er mit den Armen fuchtelte und dann in den Bus einstieg und abfuhr. Das machte mich richtig zornig. Nicht weit von mir war eine Schafherde und ein Hirtenjunge Er klatschte Beifall und hob den Daumen. Verzweifelt versuchte ich meinen Wagen wieder zu starten, was schließlich auch gelang.

Wie groß der Schaden am Auto war, konnte ich noch nicht absehen, dass es einen gab, spürte ich an der Bewegung der Räder: es ging rauf und runter und alles eierte. Nach 500 m hatte ich eine Auffahrt gefunden und konnte auf die Straße zurück. Schneller als 70 km/h war nicht mehr zu machen, weil dann das Auto stark schlingerte, aber ich wollte unbedingt den Busfahrer einholen, egal was mit meinem Auto passierte (später stellte sich heraus – technischer Totalschaden). Nach 70 km und kaputten Reifen hatte ich ihn direkt vor unserer Ortschaft einholt und stellte ihn zur Rede. Er zuckte nur mit den Schultern und gab mir zu verstehen, „was wollte ich eigentlich, ist ja alles gut gegangen.“ Kurzerhand nahm ich ihn mit zur Polizei. Ich fühlte mich ja vollständig im Recht - nach unseren Maßstäben. Leider war das in Saudi anders. Bevor man Recht sprach, steckt man uns beide ins Gefängnis. Da saß ich nun – im„Kalabusch“. Schmutzige Matratzen am Boden, im Hintergrund raschelte es, Mäuse oder Ratten, das konnte man nur erahnen, es war ja dunkel, nur durch die Gitterstäbe der Eingangstür drang ein wenig Licht von draußen.

Nach 2 Stunden kam dann unser Kaufmann, den man informiert hatte und wollte mich „rausholen“. Dazu musste ich unterschreiben, dass wir keine Ansprüche an den Busfahrer stellen. Er war ja der wirtschaftlich Schwächere und außerdem ein Einheimischer, daher müssten wir alle Kosten selber tragen. Das kam für mich nicht in Frage, das empfand ich als zutiefst ungerecht. Er hatte den Schaden verursacht und musste dafür geradestehen, oder zumindest seine Busfirma. Aber ich hatte keine Chance, eine Nacht wollte ich in diesem Raum, zusammen mit dem Busfahrer und den Ratten auch nicht verbringen. Schlussendlich unterschrieb ich, obwohl ich mich erpresst fühlte.

Ähnliche schwierige Fälle des Gerechtigkeitssempfindens hatten wir noch mehr. Einmal fuhr ein Pkw auf einen unserer LKWs in einer gesicherten Baustelle auf, der gerade Einbaumaterial lieferte. Der PKW-Fahrer wurde schwer verletzt, aber wir mussten unseren Fahrer der nur dastand und wartete, außer Landes bringen, damit er nicht belangt werden konnte. Grundsätzlich wurden Unfälle immer der Baufirma zur Last gelegt und diese musste dafür aufkommen und geradestehen, egal wer wirklich Schuld hatte.

Die Hochzeit des Emirs

Vielleicht aus schlechtem Gewissen uns „Ausländern“ gegenüber, wurden wir kurz darauf zur Hochzeit des Emirs eingeladen. Ein Emir ist so etwas wie die höchste Instanz in einem Verwaltungsgebiet. Bürgermeister und Präsident in einem. Der Emir war ungefähr 65 Jahre alt und heiratete zum 4. Mal. Die Braut war 17 Jahre alt und sehr stolz in Zukunft zum Harem des Emirs zu gehören (zumindest behaupteten dies die älteren Einheimischen). Für uns war es eine Ehre eingeladen zu werden und sogar unsere Frauen durften mit. Natürlich streng getrennt.

Die Frauen hatten eine eigene Hochzeitsfeier und die Männer auch. Es wurde getanzt und gefeiert. Ohne Alkohol und sonstige berauschende Getränke (wobei ich mir da nicht sicher war). Die Stimmung war ausgelassen und erst kurz vor der Heimreise durften wir wieder zu unseren Frauen. Interessant war natürlich auch das Essverhalten und die Essensverteilung. Zuerst bekamen die Männer die großen Schüsseln mit Reis und Hammelfleisch und was übrig blieb, ging an die Frauengesellschaft. Gegessen wurde nur mit Händen und zwar der rechten sauberen Hand, die linke war die schmutzige Hand, damit reinigte man den Körper an den schwer zugänglichen Stellen. Griff jemand von uns aus Versehen mit der linken Hand in den Reis, wurde man sofort angeschaut oder jemand schüttelte mit dem Kopf „das geht so nicht“.

Sehr zuvorkommend waren auch die „einfachen Beduinen“. Ich hatte ja vorher schon erwähnt, dass ich auch Land und Leute kennen lernen wollte und ich war oft in den freien Zeiten im Land unterwegs. Vor allem mit den freien Beduinen kamen wir gut zurecht. Sie luden uns öfter zu Besuch in Ihren Behausungen oder Zelten, die Frauen waren dann unverschleiert. Wir bekamen frische Kuhmilch zu trinken und einmal sogar ein Schaf geschenkt. Ein anderes Mal zeigte man uns ein Goldbergwerk, aber leider durften wir nicht in die tiefergelegenen Stollen, dafür schenkt man uns goldhaltiges Gestein (zumindest wurde das behauptet). Dafür hätte man das Gold aus dem schwarzen Gestein lösen müssen. Das wollte ich nicht und ich habe heute noch den Stein in meinen Andenken- und Trophäenschrank. Vielleicht wandert er mit den anderen Geschenken wie Gewehren, Pistolen Schwertern und sonstigen Gebrauchsgegenständen der Beduinen irgendwann ins Geomuseum.

In Ashara, einer abgelegenen Polizeistation, lernte ich den Polizisten Ahmed kennen, der mir ein bisschen von der Arbeit als Polizist erzählte. Nicht sehr aufregend in einem Dorf mit 50 Einwohnern. Interessanter war schon die Nachfrage, ob es noch alte Gewehre aus der Zeit von Lawrence von Arabien geben würde, so etwas würde ich gerne mal sehen. Er ging ins Haus und kam mit zwei wirklich alten Lunten Gewehren zurück. Für 50 Riyal konnte ich die Gewehre kaufen. Für ihn viel Geld, für mich ein tolles Andenken.

Ausflug nach Mekka und ans Rote Meer

Die ganzen Schwierigkeiten hinderten uns natürlich nicht, auch Ausflüge in die nähere und weitere Gegend zu unternehmen. Uns war durchaus bewusst, dass wir als Touristen nie die Chance bekommen hätten, in dieses für Christen sehr abgeschottete Land zu kommen. Eine der längeren Reisen führte uns nach Mekka und Medina. Dabei befuhren wir auch den berühmten Pass von Taif nach Mekka. Auf kürzester Distanz überwinded dieser Pass knapp 1500 Höhenmeter, bis er vor den Toren Mekkas endete. Berühmt wurde auch die Baufirma, es war der Vater von Ben Laden, dem späteren Topterroristen. Der Vater erlangte auch Berühmtheit, weil er der größte Abnehmer der D9 war, der damals größten Schubraupe der Welt. Er ließ anlässlich einer Show mal 99 Raupen nebeneinander fahren, so erzählte man an den Lagerfeuern der Bauleute. Das war natürlich beeindruckend.

Unten, in der Ebene vor dem roten Meer angekommen, war es 20 Grad wärmer und hatte 99 % Luftfeuchtigkeit. Es klebte jedes Hemd am Körper. Wir waren eben auf Höhe „rotes Meer“, einer der heißesten Gegenden der Welt mit einer extremen Luftfeuchtigkeit. Die Hatsch war in vollem Gange und wir „Ungläubigen“ konnten natürlich nicht bis nach Mekka vordringen. In der Ferne konnten wir die Staubwolken der Pilger sehen, die vom Wind in die Höhe getragen wurden. 100.000tausende umrundeten die Kaaba, den schwarzen Würfel, die wichtigste Pilgerstätte des Islam.

Uns war es strengstens verboten nach Mekka oder Medina reinzufahren und wir wollten auch nicht verhaftet werden. Daher umrundeten wir Mekka und fuhren die Rote Meerküste nach Norden hoch. In absolut unberührter Natur nächtigten wir auf der umgeklappten Rücksitzbank unseres Mazdas. Nero, unser Schäferhund, bewachte uns. Zwar bellte er nachts einige Male, aber es waren wohl nur ein paar Feneks oder Schakale, die es häufig in dieser Gegend gab.

Am Morgen ging ich dann Fischen, bzw. was ich mir unter Fischen vorstellte. Ich hatte eine Harpune dabei und wollte mir in der Lagune und dem Riff ein paar Fische holen. Nero, mein Hund, wollte unbedingt mitschwimmen und ich musste ihn eindringlich zurückschicken, damit er auf meine Familie aufpasste. Das war auch gut so, wie sich später herausstellte.

Schon beim Rausschwimmen zur Klippenabgrenzung zum tiefen Meer überraschte mich ein Stachelrochen und ich erschrak fürchterlich, als er nur einen halben Meter unter mir die Flucht ergriff. In den Klippen dann die nächste Überraschung. Der Fischreichtum war überwältigend. Da gab es alles was das Rote Meer hergab. Vom Papageienfisch, zum Barsch. Leider war es trotzdem nicht so einfach einen zu erwischen. Man wusste ja nicht was man essen konnte und was nicht. Zumindest, ich wusste das damals noch nicht.

Von einer auf die andere Sekunde waren alle Fische weg. Ich schwamm über den Klippenrand hinaus und sofort erkannte ich den Grund. Ein riesiger Hai kam auf mich zu, vielleicht 3m lang. Zumindest sah es unter Wasser hinter der Taucherbrille so aus. Das Rote Meer ist ja berühmt für seinen Haireichtum, wahrscheinlich gibt es nirgends mehr Haie wie hier. Ich wusste gar nicht wie schnell ich rückwärts schwimmen konnte. Der Anblick war beeindruckend und die Gefährlichkeit, die er ausstrahlte, noch mehr.

Ich versteckte mich im Riff, das bevor es senkrecht abfiel, nur ca. kniehoch war. Da konnte er nicht rein, zumindest an dieser Stelle. Die Harpune vorne rausgestreckt in der einen Hand und in der anderen das riesige Brotmesser, das ich mitgenommen hatte um die Fische auszunehmen. Ich ging in Abwehrstellung und erwartete ich den Angriff. Aber er ignorierte mich einfach. Majestätisch langsam glitt er unter mir vorbei. Wahrscheinlich gehörte ich nicht zu seinem Beuteschema. Gut, dass mein Hund nicht mit rausgeschwommen war, wer weiß was passiert wäre. Ich habe später noch viele Haie unter und über Wasser gesehen, aber nie hat mich einer so beeindruckt wie dieses große Exemplar.

der Geometer

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