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Äußere und innere Emanzipation

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Die äußere Emanzipation von angelsächsischer Dominanz bringt eine neue, demokratische Freiheit innerhalb des Gruppengefüges mit sich. Einen Bandleader im herkömmlichen Sinne gibt es nicht mehr, und durch die wachsende Bedeutung der Improvisation verändert sich die Funktion einzelner Instrumente. Die seit der Erfindung des elektromagnetischen Tonabnehmers Anfang der Dreißigerjahre zum Soloinstrument aufgestiegene Gitarre teilt sich ihre prominente Aufgabe nun mit den bisherigen »Sidemen«. Bass- oder Schlagzeugsoli werden frenetisch beklatscht, bei manchem Trommler verschwimmen die Grenzen zwischen Solo und Begleitung vollständig.

Die Instrumente der sogenannten Rhythmusgruppe bestreiten nicht nur lange Solopassagen, sondern übernehmen teilweise auch struktur- und melodietragende Funktionen. Herausragendes Beispiel ist die Bassgitarre bei Kraan, die der Musik wie ein Leadinstrument ihren Stempel aufdrückt: »Die klassische Bassistenrolle hätte mir nicht gelegen«, sagt Hellmut Hattler. »Zwar musste ich am Anfang erst herausfinden, wann ich anfangen und wann ich wieder aufhören musste. Aber ich hatte meinen Spaß daran gefunden und wollte auch auf die Soli nicht mehr verzichten.« Hattler stattet sein Instrument später mit einem Vibratosystem aus und spielt Solo-LPs fast ausschließlich auf dem Bass ein. Der Rollentausch wirkt sich umgekehrt auch auf die Melodieinstrumente aus: Oft bilden Orgel und Gitarre in zerhackten Stakkati das musikalische Fundament, welches, anders als im Free Jazz, stets an einem durchgehenden Rhythmus festhält.

Mit der Aufgabe der traditionellen Rollenverteilung werden auch herkömmliche Spieltechniken über Bord geworfen. Freilich geschieht dies häufig, um ungenügende spielerische Fähigkeiten zu kompensieren. Da jedoch Klangfarbe und Atmosphäre zum vorherrschenden Element in der Musik werden, kommt es auf beeindruckende Fingerfertigkeiten auch gar nicht an – ganz im Gegensatz zum Jazzrock oder dem zur selben Zeit aufkommenden britischen Hard Rock. Vielmehr gilt alles, was neu und ungewohnt ist, zunächst einmal als gut: So lassen sich den Schlagzeugbecken mit einem Geigenbogen neue, fremdartige Klänge entlocken. Gitarrensaiten, per Magnet in Schwingungen versetzt, erzeugen schaurig-schöne, singende Töne, ähnlich denen eines Theremin.

In solchen Klanggefügen büßt der Gesang seine Stellung als melodietragendes und inhaltlich beherrschendes Element ein. Texte werden in einzelne Wortfetzen zerstückelt, die menschliche Stimme nur als zusätzliches Instrument eingesetzt: Flüstern, Schreien, Stöhnen, Sprechen – die Möglichkeiten emotionalen Ausdrucks sind beinahe unerschöpflich. Renate Kaup (Amon Düül II) oder Damo Suzuki (Can) akzentuieren mit ihrem oft auf spontanen Eingebungen beruhenden Vokaleinsatz das Gesamtbild.

Dieses rückt in den Fokus des neuen Denkens. Viele Improvisationen der Sechziger verlieren sich noch in langatmigen Ego-Trips der jeweiligen Solisten, die im Wechsel miteinander über einem vorgegebenen Akkordschema musizieren. Bands wie Can erkennen jedoch, dass nur innerhalb des Gruppengefüges ein neues, gemeinsames Ganzes entstehen kann. Dazu Irmin Schmidt:

»Entscheidend war, dass man weniger als Virtuose und Instrumentalist glänzen wollte, sondern zuhörte, ganz Ohr war, was entstand – um dem, was entstand, möglichst bescheiden zum Blühen zu verhelfen, anstatt als Individuum in Erscheinung zu treten, sodass das Ganze am Ende zu einem Organismus wurde. Im Jazz liefert jeder Einzelne sein Solo ab. Das wollten wir aber nicht. Wir wollten, dass wir vier EIN Komponist werden.«

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