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Manifestation einer Gegenbewegung

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»Wir sind elf Erwachsene und zwei Kinder und haben uns entschlossen, alles gemeinsam zu machen, auch die Musik!«

– Amon Düül in ihrer handgeschriebenen

Bewerbung für die Essener Songtage –

Die Essener Songtage sind so etwas wie die Love-Parade für die auslaufenden Sechziger, ein Coming-out der Untergrund-Kultur, deren Musik Kaiser als Ausdruck einer sich verändernden Welt betrachtet: »Wir wollen zeigen, dass es gerade in der Musik, die jahrelang vor allem in der Bundesrepublik als eine Musik für Minderbemittelte galt, wesentliche Veränderungen gegeben hat«, zitiert ihn Norbert Kozicki in seinem Buch Aufbruch im Revier. Zu diesen gehören »eine neue Form des Arrangements, ein Experimentieren mit musikalischem Material und vor allem ein Text, der nicht Klischees versammelt, sondern die Welt beschreibt, wie sie ist, oder wie man sie verändern könnte«.

Im großen Rahmen wird der musikalische Aufbruch nun öffentlich beschworen, um das neue Lebensgefühl einer rebellischen Generation ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Beim Abschluss-Happening in der Grugahalle (Titel: »Ein Augen- und Ohrenflug zum letzten Himmel«), für welches eigens die Stuhlreihen abmontiert werden, ist es dem Besucher daher ausdrücklich gestattet, »zu singen, zu schreien, zu tanzen oder ein x-beliebiges Instrument zu spielen«.

Nicht alle sind überzeugt vom subkulturellen Charakter der kostspieligen Großveranstaltung. »Da gab es die ganz Scharfen, die sagten, ›jetzt hat uns das Establishment umklammert‹«, erzählt Horst Stein. »Weil ja der Hauptveranstalter das Jugendamt, also die Stadt Essen war. Für manche war das ein harter Brocken.«

Die fünf Tage werden trotzdem für alle Beteiligten zu einem Abenteuer. Erstmals bietet sich in Essen das typische Bild eines Konzert-Camps. »Damit die nicht alle irgendwo pennen« (Stein), werden Zeltlager eingerichtet. Um die Sicherheit der Festivalbesucher machen sich die Organisatoren jedoch Sorgen. Eine Betreuung durch professionelle private Sicherheitsdienste, wie sie bei Massenveranstaltungen heute die Regel ist, liegt noch in ferner Zukunft.

Bereits am ersten Abend kursieren Gerüchte, die Rocky-Bande aus Essen-Steele plane, das »Gammlerlager« am Baldeneysee zu überfallen. Zum Sturm auf das Zeltlager kommt es zwar nicht, jedoch zu einer Begegnung von Moped-Rockern und Hippies im Jugendzentrum, in deren Verlauf sich beide Seiten näherkommen: Verblüfft stellt man fest, dass man »die gleichen Bürger« verachtet. »Es ist schon erstaunlich, dass während der gesamten Songtage nichts Ernsthaftes passiert ist«, sagt Horst Stein heute erleichtert. »Es ist alles so friedlich verlaufen, dass sich die Presse ein paar Geschichten aus den Fingern saugen musste.«

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