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49. Kapitel

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Adolf von Berghe hatte das Spiel des Jahres zwölfhundertundfünfzehn eröffnet.

Anfang März setzte ein Kaufmann auf seinem Weg nach Münster am Fährhof der Isenburg über die Lenne. Er war über den Helinkiweg von Cölln heraufgekommen, wo er schon nach kurzer Wegstrecke am ersten März einem Heer des Grafen Adolf von Berghe begegnet war. Der Fährmeister brachte die Nachricht zu Rinkerod, der sie, beim Essen mit der Familie, Friedrich erzählte.

„Endlich”, sagte Friedrich, indem er die Faust auf den Tisch sausen ließ, dass die Becher nur so zu tanzen begannen, „endlich, tut sich etwas!”

Rinkerod überlegte und um etwas beizutragen, sagte er, „sicherlich will er dem Staufer huldigen.”

Wenn Adolf zum Staufer zöge, um ihm zu huldigen, würde er kein Heer mitnehmen. Nein, ich glaube eher, er will Friedrich einen Dienst erweisen. Im Winter waren Aachen und am Rhein die Städte Cölln und Kaiserswerth und die Burg Landskron noch im Lager des Welfen. Ich glaube, dass er eine Stadt oder Landskron niederzwingen will.”

Der Bischof von Münster sitzt immer noch in Kaiserswerther Kerkerhaft. Es ist möglich, dass Roger Friedrich die Stimme auch dieses hohen Herrn will, um sich krönen zu lassen”, sagte Dietrich, Friedrichs Bruder.

Mit seiner Vermutung lag Dietrich sehr richtig. Das ganze vergangene Jahr waren die Aktivitäten Roger Friedrichs darauf gerichtet gewesen, niederrheinische und oberlothringische Fürsten und Welfenanhänger auf seine Seite zu ziehen oder die, die sich nicht gewinnen ließen, in die Knie zu zwingen und ihnen die Gefolgschaft abzuverlangen.

Ab dem Frühjahr folgte eine Kette dicht aneinander gereihter Vorstöße, um den Klerus und die weltlichen Fürsten sowie die Städte am Niederrhein für sich einzunehmen. Der Staufer wollte jetzt die Macht mit aller Kraft und Entschlossenheit an sich ziehen. Dabei halfen ihm weiterhin Philipp Auguste von Frankreich und die Kurie in Person der Trierer und Mainzer Erzbischöfe und Fürsten wie Adolf von Berghe und dessen jüngerer Bruder Engelbert.

Am dritten März des Jahres war Adolf von Berghe vor die Festung Kaiserswerth gezogen und belagerte sie seither. Sein Ziel war die Befreiung des Münsteraner Bischofs, Otto von Oldenburg. Damit hatte Berghe eine Entscheidung getroffen. Adolf stand nun auf der Seite der Staufer.

Anfang Mai reiste Adolf per Schiff nach Andernach, während sein Heer noch vor Kaiserswerth lag, um Roger Friedrich von Staufen zu huldigen. Adolfs Kalkül ging auf. Mit seiner Tat wurde Adolf III. von Berghe vom Staufer in die Pläne zur Machtübernahme einbezogen.

Von Andernach aus eilte der Staufer nach Würzbourgh, wo er wie ein regulärer König am sechsten Mai Hof hielt. In seiner Würzbourgher Pfalz gewährte er der Stadt Cölln Zollfreiheit zu Boppard und Kaiserswerth. Indem er wichtige Einnahmequellen versiegen ließ, wollte der Staufer einerseits die geschlagenen und kleineren Städte brüskieren; auf der anderen Seite reichte er Cölln eine Hand und hoffte die welfentreue Stadt in ihrem Widerstand aufzuweichen.

Am vierten Juli sprach Erzbischof Dietrich von Trier das Volk von Cölln mit samt dem Stadtherrn, welcher Erzbischof Adolf von Altena war, von der Exkommunizierung frei. Wenn auch nicht bestätigt, so war Adolf damit wieder reguläres Mitglied der Kirche, was diesen stärker denn je auf die Wiedererlangung seines Status als Erzbischof von Cölln hoffen ließ. Doch war der Akt wohl eher ein weiteres Angebot an die Bürger von Cölln, als dass es sich auf den Erzbischof bezog. Roger Friedrich wusste, dass sich der Welfenkaiser seit fast einem Jahr in der Stadt verschanzte. Würde er Cölln gewinnen, würde Otto aus der Stadt fliehen müssen.

Doch nach dem reichen und mächtigen Cölln war für Roger Friedrich in diesen Tagen die Krönungsstätte des Reiches die wichtigste Stadt: Aachen.

Mit der Krönung an diesem Ort wollte er im ganzen Reich ein unmissverständliches Zeichen setzen. Um freien Zugang auf die Stadt zu bekommen, schloss er mit den Grafen von Jülich und Sayn sowie Adolf von Berghe einen Vertrag, der ihm mit seinem gesamten Heer und Gefolge freien Durchmarsch durch ihre Lande auf die Stadt Aachen erlaubte.

Roger Friedrich befand sich am vierundzwanzigsten Juli im Anmarsch auf die Kaiserstadt, als Adolf von Berghe das welfentreue Kaiserswerth endlich niederrang. Noch am selben Tag reist er dem Staufer hinterher und überbrachte ihm den Schlüssel der eroberten Welfenstadt. Er erreichte ihn noch bevor Roger Friedrich die Stadtmauern Aachens sah.

Als die Aachener Bürger den herannahenden Staufer und den Bezwinger von Kaiserswerth erblickten, öffneten sie ihnen die Tore. Gemeinsam zogen Roger Friedrich, Bischof Otto von Münster und Adolf von Berghe in Aachen ein. Der Herzog von Brabant war ebenfalls herbeigeeilt und huldigte dem Staufer mit all seinen Vasallen.

Der Staufer hatte keine Zeit zu verlieren. Nur einen Tag später, am fünfundzwanzigsten Juli, zogen die bergischen, rheinländischen, gionisischen, bairischen, schwäbischen und märkischen Ritter, feierlich gewappnet und geschmückt, paarweise in den Aachener Karlsdom ein. Ihnen folgten die Aachener Stadtoberen und weiterhin die Bürgermeister der Städte, die dem Staufer zu seiner Krönung huldigten. Erzbischof Siegfried von Mainz, Legat des Papstes, war es, der – an Stelle Erzbischof Adolfs – Roger Friedrich, König von Sizilien und Herzog von Schwaben, die Krone des deutschen Reiches aufs Haupt setzte. Indes nutzte der neue König die feierliche Zeremonie, um ein Zeichen zum Papst nach Rom zu senden, indem er öffentlich das Gelübde zum Kreuzzug ablegte, wie Innozenz es verlangt hatte. Augenblicklich taten es ihm Adolf von Berghe und der befreite Bischof Otto von Münster sowie viele andere ‚Neustaufer’ gleich.

Jetzt, wo Friedrich im Aachener Dom kniete, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis das kaiserliche Cölln fallen würde. Jetzt wusste Otto nicht mehr als seinen Bruder Heinrich, den Markgrafen von Brandenbourgh und den schwachen Herzog von Sachsen hinter sich.

Dem mittellosen und geschlagenen Kaiser blieb nun nichts anderes mehr übrig, als mit kleinem Gefolge heimlich die Stadt zu verlassen. Für die Reise mussten ihm Freunde gar sechshundert Mark leihen. Doch auch der Marsch des Staufers wurde erschwert – allerdings nicht durch das Fehlen von Geld.

Roger Friedrich wollte den Ausgang der Papstwahlen abwarten und hören, ob auch der neue Papst ihn stützen wollte. Zwei Monate des ungeduldigen Wartens!

Doch in Bischof Bernard von Cambrai wusste er einen verlässlichen Vertreter in Rom. Also, richtete sich der junge König notgedrungen in Aachen ein, verweilte dort und bereitete unterdessen seinen Einzug in Cölln vor.

Statt seiner selbst, sandte er Siegfried von Mainz und den Herzog von Brabant nach Cölln. Dort mahnte Siegfried die Bürger von Cölln zur Unterwerfung und zur Eintracht gegenüber dem neuen König. Als auch der Herzog von Brabant, der auch der Stadtgraf der Stadt war, für den König sprach, läuteten die Glocken von Sankt Georg, Sankt Servin, Sankt Andreas, Sankt Gereon und alle anderen Kirchen. Selbst im neuen Dom wären die Glocken ertönt, hätte er im Jahre des Herrn zwölfhundertundfünfzehn schon welche gehabt. Denn die Glocken der alten Basilika auf der Dombaustelle waren abgenommen worden. Doch in ihr, der Kirche des heiligen Petrus, überhaupt in allen anderen Kirchen wurden wieder die Messen gelesen. Dank Friedrich konnten sie wieder ihrem Gott und Herrn huldigen. In Scharen strömten sie in die Gotteshäuser. Die Exkommunikation war vorüber – der Bann gebrochen.

Als Friedrich Roger die Botschaft erhielt, dass ihm auch der neue Papst Honorius III. gewogen war, machte sich der König selbst auf den Weg nach Cölln. Doch anstatt direkt dorthin zu reisen, beehrte er viele kleinere Städte und vergab zahlreiche Privilegien. In Neuss, welches Kaiserswerth gegenüber liegt, verweilte er für einige Tage. Und nahm dort als Dank für deren Hilfe die Grafen von Berghe, Adolf und Engelbert, unter seinen besonderen Schutz. Zudem verlieh er ihnen aus dem Reichsgut Zollfreiheit auf Rhein und Main.

~

Der vierte August war ein sonniger Tag. Cölln war voll von Menschen. Auch Friedrich und Heinrich waren in der Stadt. Hinter den Befestigungsanlagen wälzte sich der Rhein wie ein unüberwindlicher Hades nordwärts, so dass kein Ritter oder Bote, der sich in der Stadt befand, auf den Gedanken kam, Cölln auf dem Wasserweg verlassen zu wollen. Es wäre auch zu spät gewesen. Die Würfel waren gefallen. Aimery von Saint-Maure, der Großmeister des Templerordens, hatte, nach letzten Gesprächen mit verbliebenen Welfen und Räten, vor Tagen das letzte nach England auslaufende Schiff bestiegen. Von Westen her blies ein leichter, träger Wind herüber und wehte die Fahnen und Wimpel der Herzöge von Baiern und Schwaben, des Markgrafen von Baden und des Landgrafen von Thüringen jenseits der Stadtmauern angriffslustig hin und her. Als die stolzen Räte der Stadt sich endlich die Ausweglosigkeit der Situation eingestanden, öffneten sie dem König die Tore und Roger Friedrich ritt von Neuss aus mit reichem Gepränge in Cölln ein. Viele Bürger protestieren, viele bejubeln den jungen Staufer. Die Protestler wurden von Brabanter Soldaten zurückgedrängt, und so blieben nur die Königsgewogenen, die den Staufer mit Beifall und Lobgesängen, Fackeln, Kreuzen und anderen heiligen Reliquien empfingen.

Friedrich und Heinrich schlugen sich in eine Seitengasse, um den Weg zum Clever Stadthaus, welches ihnen als Herberge diente, einzuschlagen. Doch zuvor löschten sie in einem Wirtshaus ihren Durst.

Das muss man ihm lassen. Er setzt klare Zeichen.“

Du meinst das Kreuzzugsgelübde? Darum wäre er ohnehin nicht herumgekommen. Er kann ja jetzt nicht gleich anfangen, gegen den Papst aufzubegehren.”

Bis er Kaiser ist, muss er fromm wie ein Lamm sein.“

Also muss er auf den Kreuzzug gehen. Sonst wird der Papst die Kaiserkrone nicht herausrücken.“

Heinrich und Friedrich wollten abwarteten, was die nächsten Tage bringen mochten. Nach all dem Glanz der letzten Tage erwarteten sie nichts Gutes. Und richtig. Der König residierte im erzbischöflichen Palast, ließ sich huldigen und verlautbarte sein Recht. Er forderte die höheren und niederen Parteien auf, das im Umlauf befindliche alte Geld zu verbieten, das ungerechte Einziehen von Steuern zu unterlassen und den sicheren Frieden zu bewahren. Der gesamte Adel, der mit Cölln Handel trieb, war betroffen. So auch Limbourgh und Isenberghe.

Verdammt“, schlug Friedrich mit der Faust auf den Wirtshaustisch.

Er verbietet unsere Münze in Cölln. Was erlaubt sich der Kerl?!“

Als Heinrich und Friedrich ihre Unterkunft erreicht hatten, wartete bereits ein Diener aus Monjoi auf Heinrich.

Herr, ich habe Euch eine traurige Botschaft zu überbringen.“

Heinrich stand wie angewurzelt da.

Was ist es?! Sprich, Mann!“

Der alte Graf von Limbourgh hat uns verlassen.“

Friedrich sah Heinrich an, dass er mit einer schlimmeren Botschaft gerechnet hatte. Dennoch stimmte ihn der Tod des Großvaters traurig. Friedrich biss sich auf die Lippe. Verflucht, gerade jetzt will ich Sophie eine solche Botschaft nicht überbringen. Friedrich dachte nach. Wie es Sophie wohl jetzt geht? Er wurde unruhig, denn ihn zog es zu ihr. Er beschloss, so schnell wie möglich abzureisen. Auch Heinrich wollte fort. Bereits am nächsten Morgen ritten sie gemeinsam durch die Ehrenpforte. Heinrich nach Limbourgh und Friedrich mit schnellen Pferden über den Helinkiweg in die Heimat.

Auch der Stauferkönig verließ Cölln und ward dort lange nicht mehr gesehen. Einzig ließ er die bairischen Truppen zurück. Friedrich ritt wie der Teufel. Vorbei an den Besatzern, die links und rechts der Wege lagerten. Ein ungutes Gefühl, etwas könne daheim im Argen liegen, beschlich ihn. Als Friedrich am fünfzehnten August die Isenburg erreichte, war jedoch nichts passiert. Sophie ruhte und nahm Friedrich glücklich in den Arm, als er zu ihr an die Bettstatt trat. Friedrich wartete bis zum Abend, um ihr die Nachricht vom Tod des Großvaters zu überbringen. Voller Trauer und Tränen zog sich Sophie mit Isabel in ihre Kammer zurück.

In der Nacht klopfte es an Friedrichs Tür. Es war Cedric. „Herr, schnell kommt. Eure Frau.“ Friedrich sprang auf und als er die Tür zu Sophies Gemach erreichte, öffnete ihm Isabel. „Was…“, doch bevor er weitersprechen konnte, legte sie schnell den Finger auf ihren Mund, „Sch, Herr. Kommt herein. Die Wehen. Die Wehen haben begonnen.“

Sophie schrie und presste die ganze Nacht, während Friedrich im Vorraum des Gemaches ausharren musste. Doch am Morgen hatte Sophie den Kampf gewonnen. Friedrich schreckte aus leichtem Schlaf auf, als er das leise, heisere, aber kräftige Schreien eines kleinen Jungen vernahm. Er stürmte herein, vorbei an Zofen und Ammen. Und dort in der Bettstatt lag Sophie mit dem kleinen Theoderich – glücklich und erschöpft – nunmehr voll Gedanken an das Leben.

Das Friedrich-Lied - 2. Buch

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