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50. Kapitel

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Am November des Jahres zwölfhundertfünfzehn forderte der Papst die Prioren der Cöllner Kirche auf, einen neuen Erzbischof zu wählen. Zugleich forderte er durch seinen Legaten im Deutschen Reich, Leo von San Croce, Erzbischof Adolf von Altena und seinen Buhlen Dietrich von Heimbach zur Resignation gegen eine Leibrente von dreihundert Mark auf.

Noch im Winter sickerte durch, dass der Papst nicht Dietrich von Heimbach als Elekt für den Erzbischofssitz erkoren hatte, sondern einen anderen: Engelbert von Berghe, Domprobst von Sankt Gereon, Friedrichs Großonkel!

Ein Aufschrei ging durch den Rheinischen Adel, denn der Hauptpropst war durch allerlei Gewaltanwendungen im Rheinland bekannt, war zwischenzeitlich vom Papst exkommuniziert, dann wieder begnadigt worden und hatte sich durch Raubzüge seiner Leibgarde nach Limbourgh, Cleve und andere Grafschaften die Gegnerschaft von Waleran, Dietrich und anderer Herren zugezogen.

Nichtsdestotrotz wurde Engelbert von Berghe, wie es der Papst ersonnen hatte, am Tag des heiligen Oswald zum Erzbischof von Cölln gewählt.

Die Limbourgher und Dietrich von Cleve hatten bereits vor der Wahl Engelberts vor den Toren Cöllns Stellung bezogen. Und sobald Engelbert gewählt war, zog das erzbischöfliche Heer durch das Westtor auf die Felder vor der Stadt. Zwei Wochen lang standen sich die Heere am Rhein gegenüber. Doch es kam zu keiner offenen Feldschlacht. Stattdessen zerstörte Engelbert eine Burg Walerans, durch die er die erzbischöflichen Lande bedroht sah.

Die Limbourgher zogen sich grollend zurück. Denn noch war die Zeit für die Revanche nicht gekommen.

Engelbert hingegen wertete den Limbourgher Rückzug als Sieg. Ein Irrtum.

Er nutzte die vermeintliche Sicherheit, um seinem Kreuzzugsversprechen, das er bei seiner Wahl zum Erzbischof gegeben hatte, nachzukommen. Eine gute Gelegenheit, um sich im andauernden Kreuzzug gegen die Albiginser erneut reinzuwaschen von den Untaten, die er als Propst im Kampf gegen Limbourgh, Brabant, Cleve und Jülich begangen hatte.

Die schlauen Zünfte der Stadt nutzten die Abwesenheit Engelberts; und wählten ohne Wissen des erzbischöflichen Stadtherrn einen neuen Stadtrat.

Ebenso erinnerten sich viele Opfer der heiligen Albiginserfeldzüge, während Engelbert ins Midi zog, daran, dass Kaiser Otto ihrem Herrn Rainald von Toulouse versprochen hatte, sie bei sich aufzunehmen. Einige hatten gehört, dass die Welfen in Cölln noch viele Anhänger hatten und reisten direkt dorthin, wo Graf Heinrich von Sayn auf seinem Grund und Boden zu Cölln einer Bruderschaft aus dem Midi die Gründung eines Konvents erlaubt hatte. Ein gelobtes Land in all dem Schrecken, in Mitten der Stadt und unter dem Schatten des Erzbischofs.

Engelbert blieb nur einen Monat im Languedoc. Er wollte so schnell wie möglich wieder im Cölln sein. Allerdings konnte er nicht umhin, in den ersten Tagen im Mai zwölfhundertsechzehn am Hoftag in Würzbourgh teilzunehmen, um dort dem Reich vorgestellt zu werden. Trotz ihrer Ablehnung Engelberts waren Waleran, Heinrich, Dietrich und auch Friedrich nach Würzbourgh gereist, um das Geschen zu verfolgen.

Endlich zurück in Cölln, schnaubte Engelbert vor Wut über die jüngsten Entwicklungen. Die frechen Cöllner Zünfte, wie er sie nannte, belegte er mit einer überzogenen Geldbuße von viertausend Mark. Er wollte ein Exempel seiner Macht statuieren. Doch Engelbert saß im Jahr nach seiner Einsetzung alles andere als fest im Sattel. Über diese unvorstellbar hohe Strafe, entbrannte sodann ein heftiger Streit der Zünfte mit den Schöffen der Stadtgerichtsbarkeit. Diese unterstanden dem Stadtherrn und hatten für die Begleichung – oder besser für das Füllen der Erzbischöflichen Kassen – Sorge zu tragen. In Cölln brodelte es wieder einmal.

~

Wenn er auf Reisen ging, ließ Friedrich Sophie ungern auf der Isenburg zurück. Obwohl Mathilde Sophie sehr mochte, litt die junge Gräfin unter der Strenge ihrer Schwiegermutter. Wie ausgehungert nach menschlicher Wärme umklammerte Sophie Friedrich bei seiner Rückkehr vom Hoftag und wich ihm nicht von der Seite, als er sich der staubigen Kleider entledigte und wusch. Friedrich liebte es zu bemerken, wenn sie ihn mit lüsternen Blicken auf seinen nackten Körper begehrte. Er lachte sie an, zog sie zu sich her und küsste sie.

Als sie in den Schafgemächern angelangt waren, warf sie sich aufs Bett, beobachtete ihn, während er sich anzog und erzählte, was sich in der Zwischenzeit zugetragen hatte und wie es mit dem kleinen Theoderich ging. Als er fertig angezogen war, holten sie Theo aus seiner Wiege und suchten Mathilde in ihren Gemächern auf.

Mathilde hielt sich eine Weile mit ihrem Enkel auf und Friedrich bemerkte froh, dass die beiden Frauen über den Umgang des Kindes Übereinstimmung hatten. Zumindest hatten die beiden hier ein Thema, über das sie sich nahe sein konnten.

Nach einer Weile kam Mathilde auf den Hoftag zu sprechen, „und …, wie hat sich Engelbert in sein neues Amt eingeführt?“

Sophie durchfuhr es, als sie Engelberts Namen vernahm. In der Ferne hörte sie ihren Mann auf die Frage seiner Mutter antworten, „alle Edlen waren vertreten, als sich Engelbert dem König und Hofstaat vorstellte. Es war ein großes Spektakel.“

Wie sah er aus, dein Onkel? Hat er Eindruck gemacht?“

Verbittert und voller Trotz dachte Sophie: An diesem Tag wird ihn wohl kein anderer an Glanz übertroffen haben. Damit lag sie richtig.

Und ob“, antwortete Friedrich, „er stellte alles in den Schatten. Er war mit solchem Ornat und Gepränge behängt, dass alle Anwesenden – außer dem König natürlich, denn der versteht es, sich mit noch größerem Aufwand zu präsentieren – sich Engelbert an Ruhm, Ehre und Schaffenskraft unterlegen fühlen mussten. Dem König gefiel es. Und darauf kam es Engelbert an.“

Über Sophies Antlitz huschte ein trauriger Schatten. Doch sie versuchte, jegliche Regung gegenüber Friedrich und seiner Mutter zu verbergen. Doch zu sehr waren die beiden in das Gespräch vertieft, als dass sie Sophies Trauer hätten bemerken können.

Du denkst nicht gut von deinem Onkel. Doch mit ihm wird zu rechnen sein, Friedrich.“

Ja, da hast du recht, Mutter. Der König gab ihm vor allen Edlen und Geistlichen im Reich auf, für Ruhe und Ordnung im Cöllner Sprengel zu sorgen.

Zuerst wird er die Schulden im Erzbistum abtragen müssen, der Arme.“

Ordnung und Tilgung werden Hand in Hand gehen und zwar zu Lasten von uns Vögten, Mutter.“

Aber du wirst dir unsere Vogteien und kirchlichen Lehen von deinem Onkel Engelbert bestätigen lassen.“

Die Verliehenen werde ich der Kirche übergeben und als Vogt wieder empfangen. Aber die erblichen Lehen brauche ich mir nicht bestätigen zu lassen. Sie gehören uns.“

Es wäre ein Zeichen, Friedrich. Gerade in dieser Zeit machen es alle Herrschaften so.“

Doch dann hängt unser Besitz vom Gutdünken Engelberts ab, Mutter.“

Das höchste Glück, Friedrich, liegt in einem gottgefälligen und kirchentreuen Leben.“

Nein, Mutter, es tut mir leid. Der Weg zum Glück ist nicht durch die Kirchenmoral begründbar. Glück liegt in jedermanns Ansehen. Sollten mir irgendwelche Dogmen der Kirche den Weg, das Richtige für unser Land und mein Volk zu tun, verstellen, werde ich nach meinem Gewissen urteilen. Denn die Apostelgeschichte lehrt: Gott ist in uns und wir sind Gott.“

Mathilde starrte ihren Sohn an und rief entsetzt: „Du überhöhst dich, mein Sohn.“

Sie bekreuzigte sich ob Friedrichs Worten und sprach ein Stoßgebet: „Gebenedeit seiest du, heilige Mutter voller Gnaden. Vergib diesem armen Sünder und lass ihn nicht im Fegefeuer verglühen.“

Dann hielt sie den Blick zu Boden gesenkt, gefolgt von einem beredten Schweigen, bis sich der Raum mit einer erstickenden Spannung gefüllt hatte.

Friedrich wurde es zu eng. Er kochte. Wutentbrannt und mit gequältem Gewissen verließ er das mütterliche Gemach. Die Selbstferne wird überwunden, wenn der Mensch durch sein Tun mit seinem Sein eins ist. Ich hänge mein Schicksal nicht an diesen Wolf im Schafspelz.

Sophie schaute sich verdutzt um. Zögerlich erhob sie sich, mit dem kleinen Theo auf dem Arm, und folgte ihrem Mann.

Den Nachmittag verbrachte sie allein mit Theo in ihren Gemächern. Als Friedrich nach ihr schaute, sagte sie, es ginge ihr nicht gut. Doch in Wirklichkeit war die alte Trauer wieder aufgebrochen. Der alte Schmerz, die alte Wut, die in der Zeit nach Engelbert in ihr entstanden war.

Das Friedrich-Lied - 2. Buch

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