Читать книгу Das Friedrich-Lied - 2. Buch - Henning Isenberg - Страница 8
47. Kapitel
ОглавлениеAls sie die Brücke über die Lenne betraten, versperrte ihnen ein Ritter in Begleitung eines Jägers den Weg. Augenblicklich wurden sechs Schwerter blank gezogen. Doch Friedrich hob den Arm, als er den Jäger genauer betrachtete.
„Von dieser Gesellschaft drohte keine Gefahr! Sei gegrüßte, Albrecht von Hœrde.“
Albrecht nickte Friedrich freundlich mit einem, „Herr“, zu.
Friedrich musterte den Ritter neben seinem Jäger, der Albrecht sehr ähnelte, ihn aber an Jahren und Leibesfülle um einiges übertraf, „Albert von Hœrde, nehme ich an?!“
„
Ja, Herr, der bin ich. Ich wollte bereits meine Aufwartung gemacht haben,…“
„
Das macht nichts, Herr von Hœrde“, unterbrach Friedrich den sichtlich verlegenen Ritter, „ich bin ja noch nicht lange zurück und die wenigsten Euresgleichen wissen, wie sie mir begegnen sollen. Nun, Bouvines habt Ihr verpasst.“
Albert verstand die Anspielung seines Herrn sofort und schaute verlegen zu Boden.
„
Um mich meinen Lehensleuten bekannt zu machen, werde ich an Pfingsten an meinen Hof laden“, sprach Friedrich weiter, „ich lade Euch hiermit ein, zu kommen.“
„
Habt Dank, Herr, wir werden kommen.“
Friedrich nickte, „wohin seid Ihr unterwegs?“
„
Wir suchen die Ritter von Berchem auf.“
„
Darf ich den Grund erfahren?“, fragte Friedrich nach.
„
Nun, Herr, das ist sicherlich eine Sache, die für Euch nicht von Belang ist“, antwortet Albert verlegen.
„
Und ob sie das ist, Mann“, fuhr Friedrich den Ritter an.
„
Verzeiht, Herr, ich meine, wir wollten es nicht verschweigen. Wir wollen Euch lediglich von unseren Belanglosigkeiten verschonen.“
„
Und, was ist nun der Grund?!“
Albrecht wollte seinem Bruder zur Hilfe kommen, „Herr, es ist so, dass…“, doch Albert wollte sich nicht die Blöße geben, von seinem jüngeren Bruder aus dieser Situation befreit werden zu müssen und Friedrich sah, dass dieser zunächst plump und ungelenk wirkende Braunbart durchaus in der Lage war, seinen Standpunkt zu vertreten, „…freche Banden nächtens in Garenfeld, Berchem und Elzey einfallen und Vieh rauben.“
Friedrich schaute Rinkerod, der aufmerksam zuhörte, an.
„
Wir wollen uns mit den Herren von Berchem besprechen, wie wir mit dem Volk verfahren.“
„
Und, was gedenkt Ihr zu tun?“
„
Nun, Herr, sie kommen aus den Wäldern jenseits des Flusses. Die Wälder sind unwegsam und jeder Kriegsknecht fürchtet sich dort hin zu reiten.“
„
So müssen wir sie in der Nacht stellen, wenn sie kommen“, antwortete nun Albrecht.
„
Habt ihr die Räuber schon einmal gesehen oder kennt ihr sie mit Namen?“, wollte Friedrich wissen.
„
Nein, Herr, weder das eine noch das andere.“
„
Wir wissen nur, dass die Raubzüge in dem Jahr begonnen haben, als der Junggraf von Altena, also Euer gnädiger Cousin, hochwohlgeboren, die Burg Altena gen Mark verließ.“
„
Hochwohlgeboren schon, aber gnädig wohl kaum“, murmelte Friedrich. Albert und Albrecht schauten sich leicht verunsichert an. Hatte der Graf von Isenberghe gerade seinen Cousin gemeint?
„
Ich glaube, wir sollten gemeinsam nach Berchem reiten. Ich werde an der Beratung teilnehmen“, die Brüder schauten sich erstaunt an.
„…
wenn ihr natürlich nichts dagegen habt.“
„
Nein… nein, wie sollten wir, Herr Graf?!“
„
Gut, dann kehrt!“, rief Friedrich an seine Männer gewandt.
„
Herr“, sprach Albrecht, „Herr, wir müssen hier verweilen. Denn die Brücke ist der vereinbarte Treffpunkt mit dem Herrn von Garenfeld.“
„
Dann ist es hier und heute so etwas, wie ein vorgezogener Hoftag, vermute ich“, meinte Friedrich im Hinblick auf das Eintreffen Richard Garenfelds.
„
Nach Garenfeld ist es nicht weit, Herr, soll ich hinreiten und ihn holen?“, fragte Albert, aber Friedrich sagte, „Nein, nein. Lasst uns hier warten. Mein Magen knurrt schon wieder. Wir können hier ein kurzes Lager machen.“
Nach etwa einer Stunde hörten sie Geräusche im abschüssigen Wald und nach kurzer Zeit sahen sie einen stoppelbärtigen Bauern mit einem Kurzschwert am Gürtel aus dem kahlen Gestrüpp auf die Ruhrtalstraße treten. Verdutzt blieb er stehen, als er das kleine Lager erblickte.
„
Komm herüber, Richard. Wir warten schon auf dich“, rief Albrecht und Albert ergänzte, „wir haben vornehme Gesellschaft!“
Friedrich musterte den Freien, der über seinem Leinenwanst eine helle, gefütterte, schafslederne Weste trug, als er sich näherte. Der Riemen des ledernen Köchers verlief quer über seiner Brust, während er seinen Bogen in der Linken hielt. Mit der anderen Hand hatte er sein braunes Arbeitspferd den Hang hinunter geführt.
„
Das sehe ich“, sprach der Mann verdutzt.
Dann verbeugte er sich und stellte sich vor.
„
Ich bin Richard Garenfeld, Älterster zu Garenfeld und ein freier Mann.“
„
Dann, seid mir willkommen, Richard. Kommt setzt auf und folgt uns nach Berchem.“
Der Tross brach auf und ritt eine Weile die Straße zurück, so wie sie gekommen waren. Dann bogen sie ab in östliche Richtung.
Nach Berchem ging es steil bergan. Das Rittergut lag auf der Kuppe einer weiten freien Fläche, von wo aus das Lennetal bis hinüber nach Elsey gut einzusehen war. Die Ruhrmündung jedoch lag auf der abgewandten Seite im Norden der Ansiedlung. Das befestigte Mauerwerk wurde von einem strahlend weißen Fachwerkbau gekrönt. Zu der Seite im Osten war der Ring nicht geschlossen, denn das Recht zum Burgenbau besaß Berchem nicht. Dennoch, der Zugang zum Sitz der Herren von Berchem, war durch zehn oder mehr geduckte, mit Stroh gedeckte Katen und ein kleines Gehöft erschwert. Mürrische Schafe scharrten in der Wintererde nach Essbarem, als sie sich der Siedlung Berchem näherten.
Kinder liefen ihnen barfuß entgegen, doch sie wurden von einem laut kreischenden Weib verfolgt, welches sie eiligst zum Schutz vor den Heranreitenden in eine Scheune scheuchte und zerrte. Im Dorf vernahmen sie nun aufgeschrecktes Treiben.
Eine Magd rannte zum Haupthaus, in welchem sie kurz darauf verschwand.
Der Matsch und Schlamm spritzt an Friedrich hoch, als er sich in dem unbefestigten Hof aus dem Sattel gleiten ließ. Über grobe Bretter gelangten sie zu der steinernen Treppe, die in das Haupthaus führte und wo eine überraschte Gesellschaft zum Empfang bereitstand.
Die Herren von Berchem waren vier kräftige Burschen. Mehr Bauern als Ritter. Allen war gemein, dass ihr kräftiger blondbrauner Schopf einem Wirbel entsprang, der das Haupthaar zu einem leuchtenden Scheitel auf die eine oder andere Seite des Kopfes zwang. Ihnen stand der Älteste, Dietrich, vor. Dieser machte eine ungelenkte Verbeugung und wies die Gefährten in die dunkle Halle des Gutes.
„
Herr, was verschafft uns die Ehre Eurer Gesellschaft? Hättet Ihr einen Boten gesendet, hätten wir Euch einen gebührenden Empfang bereitet…“
„
Macht euch keine Umstände, Herr Ritter, wir haben uns den Herren von Hœrde angeschlossen, als wir hörten, dass ihr eine Sache zu bereden habt, die auch für mich von Interesse ist.“
„
Verzeiht, Herr, was ist an diesen Räubereien von Wert, was Eure Besorgnis verdient?“, fragte Dietrich aufrichtig überrascht.
„
Ich habe die Vermutung, dass ich bereits die Bekanntschaft, dieser Herrschaft gemacht habe.“ Er schaute zu Steven, Berengoz, Wibold und Gundalf hinüber.
„
Ahh“, entwich Dietrich von Berchem ein bedrücktes Stöhnen, „seid Ihr unversehrt davongekommen, Herr?“
„
Fürchtet Ihr etwa dieses Räubervolk?!“
Die Männer schauten sich gegenseitig an. Keiner wollte sich ein Blöße geben, doch Dietrich antwortete, „Herr, wir alle, wie wir vor Euch stehen, sind sicherlich kein Feiglinge. Die Wolfsmänner sind grob und kalt. Keine Mannschaft wagt sich mehr, sie in die Wälder zu verfolgen und alleine ist ein Ritter gegen sie verloren.“
„
Man darf sie nicht unterschätzen und wir müssen sicher sein, dass wir sie alle auf einmal erschlagen. Tun wir es nicht, kommen zehn Neue aus den Wäldern herüber, zünden unsere Häuser an und schlagen alles tot, was sich nicht wehren kann.“
„
Wie in Garenfeld im letzten Jahr geschen“, sprach Richard bedrückt.
„
Herr, wir müssen an unsere Leute denken. Frauen, Alte und Kinder.“
„
Was denkt ihr, warum die Banden Eure Höfe heimsuchen?!“
Die Männer schauten sich wieder an, und Albrecht antwortete, „weil sie ihr Recht an der Gesellschaft verwirkt haben und sich in den Wäldern das übelste Volk gefunden hat.“
„
Ich denke vielmehr“, gab Friedrich zurück, „dass diese Menschen nicht genug hatten, um über den Winter zu kommen und ihre Familien nicht mehr ernähren können.“
Entsetzen rührte sich, „Herr, das sind Mörder, wie könnt Ihr sie schützen?!“
„
Nicht schützen, verstehen. Ihr seid von der Sorge um Euer Hab und Gut erfüllt und ringt nach einer Lösung, deren Findung Euch Pein und Arg bereitet.“
Gespannt erwarteten die Männer eine Lösung durch ihren Herrn, aber das, was Friedrich äußerte, trieb ängstliches Staunen in ihre Gesichter.
„
Bringt mir Brief und Siegelzeug…, wenn Ihr sie nicht ergreifen könnt, muss ein anderer Weg gefunden werden.“ Die Männer schauten sich fragend an.
„
Ich werde den Anführern anbieten, das Vieh, aber nicht mehr, zu holen, das sie Euch sonst nehmen…“
„
Um Gottes Willen, Herr, das könnt Ihr nicht tun!“, entrüstete sich Dietrich, während die anderen in lautes Raunen verfielen. Doch Friedrich hob die Hand und rief mit fester Stimme, „lasst mich ausreden, Ihr Herren von Berchem, Hœrde und Garenfeld. Denn es soll kein einseitiger Handel daraus werden. Als Gegenleistung müssen sie euch bei der Feld- und Vieharbeit ihren Dienst leisten.“
„
Wir wollen dieses Volk nicht auf unserem Land haben.“
„
Was wollt Ihr stattdessen tun?“
Wiederum schauten sich die Angesprochenen an, während Friedrichs Gefolgsleute anerkennend die Brauen hoben.
„
Beratet Euch eine kurze Zeit und bringt uns währenddessen Speis und Trank.“
Augenblicklich bedeutete Dietrich einem Knecht Essen zu holen, wie der Herr geheißen.
An Friedrich gewandt verbeugte er sich und sagte, „gut, Herr, wir wollen es besprechen und werden uns kurz zurückziehen.“
Das Feuer in der Mitte der großen Halle wurde entzündet. Eine Magd kam mit einem Krug herbei und schenkte Wasser in tönernen Trinkbechern aus. Steven gefiel das Mädchen, gab ihm eines mit der Hand auf den Hintern und wollte etwas sagen. Doch dazu kam er nicht. Zornig fuhr die Magd herum und augenblicklich landete ihre Hand auf Steven Wange. Erstaunt fasste Steven an die rote Stelle in seinem Gesicht, während die anderen in lautes Gelächter ausbrachen. Der Knecht kam mit einem Korb voll Brot herein. Kurzangebunden stellte er den Korb auf die gemauerte Feuerstelle und durchdrang Steven mit einem drohenden Blick.
„
Oh, die Stute scheint ihren Hengst gefunden zu haben“, rief Gundalf.
„
Es reicht!“, stoppte Cedric die Männer, als er merkte, dass der Knecht, das Haupt ärgerlich gesenkt, den Raum verließ.
Nach einer kurzen Weile kamen Albert und die anderen zurück.
„
Und, wie ist euer Entschluss?“
„
Nun, es fällt uns nicht leicht, Herr, doch wir werden uns Euerem Entschluss beugen.“
„
Meinem Entschluss beugen?! Ihr sollt euch nicht beugen. Überlegt doch mal. Einen Feind, den ich schwer besiegen kann, dem biete ich zunächst ein Bündnis an. Wenn das nicht standhält, kann ich ihm immer noch ans Leder. Ihr sollt selbst daran glauben, denn wenn Ihr es nicht tut, wird mein Angebot nicht erfolgreich sein und Ihr werdet die erste Gelegenheit nutzen, dem Waldvolk – unabhängig ob Wolfsmensch oder nicht – den Garaus zu machen. Doch dann setzt Ihr Euch ins Unrecht, weil Ihr Unschuldige mordet. Und Eure Absicht eilt euch Meilen voraus.“
„
Und woher wissen wir, dass wir dem Gesindel vertrauen können.“
„
Wenn Ihr das Dokument übergebt, verlangt danach, Rydenkasten zu sprechen. Wenn ein Mann mit diesem Namen unter ihnen ist, habt Ihr nichts zu fürchten.“
Die Lehnsleute schauten sich abermals an. Dann ergriff Albert erneut das Wort.
„
Gut, Herr Graf, wir werden den Brief überbringen und nicht gegen die Waldläufer handeln, solange sie sich nichts Weiteres zu Schulden kommen lassen.“
„
Sie haben den Vater meiner Frau erschlagen. Ich habe Vergeltung geschworen“, rief Richard.
„
Den Vater eurer Frau könnt ihr nicht zum Leben erwecken, aber ihr könnt weiteres Leid verhindern. Sagt das eurer Frau und euren Leuten“, sprach Friedrich, „ich werde für Recht sorgen und diejenigen zur Verantwortung ziehen, die es waren. Doch wird nicht Mord mit Mord vergolten! Sagt auch das den Waldmenschen. Und nehmt zum Zeichen des guten Willens ein Stück Vieh mit, wenn ihr meinen Erlass überreicht.“
„
Aber, Herr, wer soll den Gang auf sich nehmen?“ fragte Dietrich von Berchem.
„
Ich werde gehen!“ Albrecht trat hervor.
„
Albrecht, der Jäger. Also gut.“
Friedrich nahm Platz und fertigte das Schreiben aus. Die Männer unterhielten sich aufgeregt, während Friedrich schrieb. Dann drückte er sein Reitersiegel in den Siegellack und übergab den Brief an Albrecht, „ich wünsche euch viel Erfolg, Albrecht von Hœrde“, und an die anderen gewandt, „wenn es Schwierigkeiten geben sollte, kommt ihr zur Isenburg und ich werde sehen, was weiter zu tun ist. Doch nun danken wir für eure Gastfreundschaft und empfehlen uns bis Pfingsten auf der Isenburg.“
Friedrich war mit seinem Tagewerk zufrieden, als sie den Berchemer Hang zur Lenne hinabstiegen. Die Luft war frisch und der Schnee taute unter der ersten Frühlingssonne.
Bei seiner Rückkehr sah auch er Sophie an, dass sie schwanger war. Sie stand auf dem Wehrgang und schaute den Burgmannen bei den Übungen mit der Burgbesatzung zu und sah ihrem Gemahl zu, wie Rinkerod und er sich mit Übungswaffen und einem gepolsterten, ledernen Wanst im Zweikampf übten. Nach den Übungen kam Friedrich herauf zu ihr. „Sophie, geh an den Ofen, wo es warm ist. Hier erkältest du dich“, sprach er voll Sorge.
„
Ach, Friedrich, wie kann ich mit dir zusammen sein, wenn ich rein gehe und du draußen bist?!“
Er nahm sie in den Arm.
„
Oh, dann werde ich eben mit dir zusammen rein gehen“
Er blickte sie an und wusste in dem er es tat, dass er in den nächsten Monaten einen Großteil seiner Freiheiten gegen einen warmen Platz am Kamin eintauschen würde – ein bitter süßer Handel.
Die Menschen atmeten auf, als der Schnee die Wiesen wieder frei gab. Reisende zogen wieder durch die Grafschaft und brachten Nachrichten. Doch ähnlich wie das letzte Jahr geendet war, lief das Führjahr schleppend an. Die Menschen dachten schon, der Stillstand nach Bouvines würde anhalten. Der Bevölkerung war dieser Zustand nicht unrecht, denn sie konnten ungestörter als sonst der Aussaat und Bestellung der Landwirtschaft nachgehen. Die Lehnsherren hatten keinen Bedarf, die Eintreiber durchs Land zu schicken, weil sie keine Kriege führten. Nur der Handel hatte nachgelassen und weniger Kaufleute kamen durch die Lande auf dem Weg nach Westfalen. Außer, dass weniger Nachrichten in die Provinz flossen, gingen für Friedrich und andere Adlige der Gegend die Einnahmen aus den Wegzöllen zurück.
Mit der Wetterbesserung kamen die Lande der Saison wieder ein Stück näher, die dem Kriegshandwerk gehörte. Die Fürsten wurden ungeduldig, sie wollten, dass sich die Verhältnisse in diesem Jahr klärten. Schließlich würde der Staufer nun alle seine Vasallen in den Norden schicken und eine Entscheidung im Rheinland erzwingen. Die Waffen, die den Winter über die Säle geziert hatten, wurden wieder hervorgeholt, die Rüstungen ausgebessert und Waffenübungen in den Höfen der Burgen und Gehöfte abgehalten. Und die Ereignisse ließen nicht lange auf sich warten.