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Verbrechen hinter der Front

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Zahllose Opfer sind auch abseits des Kampfgeschehens zu beklagen. Im Jahr 1942 gilt unter anderem die Nordukraine als Partisanengebiet. Überfälle der Freischärler häufen sich. Die deutschen Einsatzgruppen der SS, unterstützt von einheimischer Miliz und ungarischer Infanterie, unternehmen brutale Razzien als Vergeltungsmaßnahme. Der später populäre Journalist Peter von Zahn17 erlebt als Kriegsberichterstatter eine dieser Aktionen. Überfallartig durchkämmen die Partisanenjäger einen Ort. Während die ukrainische Miliz nach Gutdünken Verdächtige aussondert, übernimmt die SS das Erschießen. Anschließend werden die Häuser der Opfer niedergebrannt. Von Zahn kommentiert die Aktion Jahrzehnte danach so:

„Es war reiner Terror auf dem Rücken der Bevölkerung. Ein Krieg, der Sinn und Zweck völlig verloren hatte.“

In einem anderen Fall kommen SS-Männer, als Partisanen getarnt, der Anführer mit rotem Stern auf der Mütze und russisch parlierend, in ein Dorf. Jene Bewohner, die Sympathie für die vermeintlichen Landsleute bekunden – oft genug aus purer Angst vor den nicht selten auch gegenüber der Zivilbevölkerung brutal vorgehenden Freischärler – werden kurzhand erschossen.

Kurt L.18, gebürtiger Berliner des Jahrgangs 1908, ist während des Sommers 1942 im rückwärtigen Heeresgebiet zur Partisanenbekämpfung eingesetzt. Der gelernte Bankkaufmann schreibt seiner Mutter am 26. Juni:

„Neulich wurde eine Panjepferde-Transportstaffel, (Pferde, die laufend aus Polen geholt werden) bestehend aus 200 armseligen unterernährten Gäulen, von denen meist ein Teil auf dem langen Marsch zurückbleibt, und 50 russ. Pferdeknechte und 25 deutschen Soldaten von den Partisanen überfallen. Das kostete 2 Tote u. 5 Verletzte. Als Folge wurden von uns 3 Dörfer, in denen sich die Partisanen aufgehalten haben, vollkommen niedergebrannt, und die männliche Bevölkerung erschossen. Das ist dann die notwendige unerbittliche Vergeltung, bei der natürlich Unschuldige mit den Schuldigen leiden müssen.“

Nicht minder brutal sind die Aktionen der Partisanen. Wehrmachtsangehörige, die lebend in die Hände der Freischärler fallen, müssen mit einem fürchterlichen Ende rechnen. Herbert Veigel19, Soldat bei der Luftabwehr, erlebt im Sommer 1942 eine Partisanen-Attacke auf einen deutschen LKW. Der Augenzeuge berichtet über die schockierenden Szenen und ihre Folgen:

„Auf der Ladefläche lagen die Leichen der fünf Männer, nackt, zerstückelt wie geschlachtete Tiere. Den Geruch des frischen Blutes werde ich nie vergessen. Ist es dann nicht verständlich, daß sich nichts mehr in mir rührte, wenn ich auf unserem Weg Partisanen an den Bäumen baumeln sah, Schilder um den Hals, auf denen stand: ,Ich habe als Partisan deutsche Soldaten überfallen‘?“

Nur vordergründig, denn Vergeltungsaktionen im Krieg sind nur selten gerecht. Und der anfangs schwachen Partisanenbewegung verschafft die Eskalation der Gewalt wachsenden Zulauf. Die Zahl der Freischärler steigt im Laufe des Jahres 1942 von rund 25.000 auf 150.000. Dessen ungeachtet betont der Führer in der ostpreußischen Wolfsschanze am Abend des 10. Mai, dass er die letzte Kuh aus der Ukraine wegschaffen werde, bevor die Heimat hungern müsse.20

Dazu kommen die 1942 von Hitler persönlich befohlenen Zwangsdeportationen von Arbeitssklaven. Davon sind vor allem Frauen aus der Ukraine im Alter zwischen 18 und 35 Jahren betroffen. Sie werden ins Reich verschleppt, um knochenharte Zwangsarbeit zu leisten. Ihre Zahl geht in die Hunderttausende.

Und auch die Judenmorde haben im zweiten Kriegsjahr an der Ostfront noch kein Ende gefunden. In einem Feldpostbrief heißt es:

„Über die Ereignisse im Osten betr. der Juden könnte man ein Buch schreiben. Dafür ist das Papier zu schade. Ihr dürft Euch sicher sein, sie kommen an einen richtigen Ort, da unterdrücken sie keine Völker mehr.“

Der Memoirenschreiber Manstein findet in seinem Buch „Verlorene Siege“ auch nachträglich noch keine Worte für den Völkermord, die mindestens 33.000 Juden, die im Befehlsbereich der 11. Armee „an einen richtigen Ort“ gekommen sind. Hätte er gar während der Jahre 1941/42 gegen den Holocaust auf der Krim und damit gegen Hitler opponiert, wäre die militärische Karriere beendet gewesen. Die eiskalte Gleichung lautete: Ohne Unterstützung oder zumindest Duldung der Verbrechen keine glänzenden Operationen mehr und kein Marschallstab für die Erstürmung der Seefestung Sewastopol. Ein hoher Preis, den Manstein zu zahlen bereit gewesen ist. Wie die meisten deutschen Offiziere in höchster Verantwortung.

Dieser Tage werfen die dunklen Schatten der Vergangenheit ein düsteres Licht auch auf vermeintlich couragierte Generale, die bis dato gar dem Widerstand zugeordnet worden sind. Hans Graf von Sponeck, der als Kommandierender General des XXXXII. Armeekorps im Dezember 1941 entgegen Mansteins und Hitlers Haltebefehl die Halbinsel Kertsch auf eigene Faust räumte und damit Tausende seiner Soldaten gerettet haben mag, soll den Holocaust auf der Krim aktiv unterstützt haben.21 Doch nur wer den Geist dieser hohen Offiziere, ihre Herkunft, Sozialisation und Motivation ausblendet, darf ernsthaft überrascht über diese neue Enthüllung sein. Es werden wohl bald wieder einige bundesrepublikanische Straßen- und Kasernenschilder, die den Namen Sponeck tragen, umbenannt werden müssen ...

Von Stalingrad bis Kursk

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