Читать книгу Von Stalingrad bis Kursk - Henning Stühring - Страница 7
Prolog
ОглавлениеIm Frühjahr 1942 bietet das gewaltige Geschehen an der Ostfront für den neutralen Beobachter ein undurchsichtiges Bild. Einerseits ist es der Wehrmacht gelungen, große Gebiete der Sowjetunion zu erobern. Andererseits sind die entscheidenden operativen Ziele, nämlich Leningrad und Moskau, sowie folglich auch das strategische Ziel Hitlers, „Sowjetrußland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen“, verpasst worden. Die Rote Armee wiederum hat den ersten und gefährlichsten Ansturm der Wehrmacht pariert. Allerdings um den Preis ungeheurer Opfer. Zwar konnte die Winteroffensive die akute Bedrohung der russischen Hauptstadt beseitigen. Aber die angestrebte Vernichtung der Heeresgruppe Mitte ist nicht gelungen. Im Prinzip herrscht eine klassische Patt-Situation. Aber im unerbittlichen Kampf der Weltanschauungen bleibt kein Raum für einen Verhandlungsfrieden. Damit zeichnet sich für beide Seiten ab, dass der Kampf der Titanen noch lange dauern wird. Generalstabschef Franz Halder hat recht, wenn er vorausschauend für das Jahr 1942 notiert: „Krieg wird im Osten entschieden.“
Aber wo genau soll, kann auf deutscher Seite überhaupt noch einmal der Hebel für eine strategische Offensive angesetzt werden? Nach dem großen Aderlass des Winters kommt ein Generalangriff an der gesamten Ostfront nicht mehr in Frage. Die Kräfte reichen nur für eine Teiloffensive an einem Frontabschnitt. Nach dem Debakel vor Moskau schwebt Hitler diesmal der entscheidende Stoß im Süden der Sowjetunion vor, um endlich konsequent „seine“ kriegswirtschaftlichen Ziele zu verfolgen. Der Führer begehrt vor allem die Ölquellen des Kaukasus. Sie sollen die Autarkie des Reiches auf dem europäischen Kontinent langfristig sichern und der Sowjetunion kurzfristig entzogen werden. Und entgegen der Legendenbildung nach dem Krieg besteht auch in maßgeblichen Kreisen der hohen Generalität durchaus Einvernehmen über den Schwerpunkt bei der Heeresgruppe Süd. Halder bezeichnet das geplante Kaukasus-Unternehmen als „eine zwingende Notwendigkeit“. Die Region habe „etwa die gleiche Bedeutung wie die Provinz Schlesien für Preußen“.3
Auf der anderen Seite braucht die Rote Armee, die im Winter gegenüber der schlechter ausgerüsteten Wehrmacht dominieren konnte, eine Atempause, um neue Kräfte zu mobilisieren. Man ist sich im sowjetischen Oberkommando STAWKA der Tatsache bewusst, dass das russische Volk weiterhin die Hauptlast der Anti-Hitler-Koalition in den nächsten Monaten tragen muss. Zwar drängt Stalin unentwegt auf die Eröffnung einer zweiten Front in Westeuropa, aber Churchill sieht seine Streitkräfte noch nicht reif für eine große Invasion. Völlig zu Recht übrigens, wie die Ereignisse noch zeigen sollen ...
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Zu den schweren Hypotheken des Winters auf deutscher Seite zählen die vielen Fronteinbuchtungen, die alsbald begradigt werden müssen. Dazu kommen Gesamtverluste in Höhe von 1,1 Millionen Mann vom 22. Juni 1941 bis Ende März 1942; davon allein 33.000 Offiziere (117 pro Tag!). Ein unersetzlicher Aderlass, der merklich an der Substanz der Truppe zehrt. Generalstabschef Halder konstertierte angesichts der gewaltigen Verluste bereits am 23. November 1941, dass „ein Heer, wie das bis Juni 1941 [...] uns künftig nicht mehr zur Verfügung stehen wird“. Das Oberkommando des Heeres (OKH) meldet bis zum 1. Mai 625.000 Fehlstellen im Ostheer. Den gut 2,5 Millionen Landsern plus 950.000 verbündeten Soldaten stehen 5,4 Millionen Rotarmisten mit 3.900 Panzern, 45.000 Geschützen und 2.200 Flugzeugen gegenüber. Auf deutscher Seite wiegen zudem die materiellen Einbußen besonders schwer. Bis Ende März wird ein Fehlbestand von 2.097 Panzern gemeldet. In den Panzerdivisionen sind zu diesem Zeitpunkt noch neun bis 15 Kampfwagen, entlang der gesamten Ostfront 140 (!) Panzer und weniger als 1.000 Flugzeuge einsatzbereit. Anfang Februar heißt es in einem Bericht der 2. Armee an die vorgesetzte Heeresgruppe Süd: „Die Armee ist also für einen Bewegungskrieg nicht einsatzfähig.“
Feldmarschall von Bock sieht den Bericht beispielhaft auch für die anderen Armeen seiner Heeresgruppe und gibt ihn an das OKH weiter. Kein Zweifel, die Verbände müssen erst einmal aufgefrischt werden. Mit größter Anstrengung gelingt es in den nächsten Wochen, die für die Großoffensive vorgesehene Heeresgruppe Süd – zeitlich gestaffelt – aufzufüllen. Die Heeresgruppen Nord und Mitte müssen dagegen ein Fehl von 4.800 bis 6.900 Mann je Division hinnehmen. In der Folge sinkt die Zahl der Bataillone in den Infanteriedivisionen von neun auf sechs. Geschwächt wird auch die Artillerie. Fortan stehen nur noch drei Geschütze pro Batterie (von ehemals vier bis sechs) zur Verfügung. In den Panzerdivisionen, die 1941 mit drei Abteilungen dotiert gewesen sind, ist nur noch eine Abteilung einsatzbereit.
Zudem geht der Personalersatz für die Front auf Kosten der Wirtschaft, die entsprechende Freistellungen in den Betrieben vornehmen muss. Nicht zuletzt leidet die Ausbildung der Rekruten unter den beschleunigten Truppenaushebungen. Einen Rückgriff auf weibliche Arbeitskräfte lehnt Hitler aus politischen Gründen ab. Ganz im Gegensatz zu Stalin, der längst den Masseneinsatz von Frauen an der Rüstungsfront propagiert und praktiziert. Den totalen Kriegseinsatz wagt nur der rote Diktator, während der deutsche noch die negativen Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg vor Augen hat und Unruhen durch zu große Belastungen in der Heimat fürchtet. Rückblickend darf man wohl behaupten: Während der Führer auf vielen anderen Gebieten den höchsten Einsatz wagte, unterschätzte er hier wohl die Opferbereitschaft der deutschen Volksgemeinschaft. Einen Vorgriff auf die Zukunft macht Hitler allerdings, indem er den kompletten Jahrgang 1922 einziehen lässt. Nachteilig macht sich auf deutscher Seite weiterhin der permanente Nachschubmangel bemerkbar. Darüber zeigt sich auch der Führer verärgert, als er zürnt:
„Damit kann ich mich nicht abfinden. Es gibt Probleme, die unbedingt gelöst werden müssen. Wo richtige Führer vorhanden sind, sind sie immer gelöst worden und werden auch immer gelöst werden.“
Nicht zuletzt deshalb wird Albert Speer am 8. Februar 1942 als Reichsminister für Bewaffnung und Munition ernannt. Der in vielerlei Hinsicht begabte wie geschmeidige Architekt und Günstling Hitlers nimmt sich unter anderem der Logistik – und hier speziell der Steigerung der Transportkapazitäten – an, und zwar erfolgreich.
An der Ostfront flaut indes die Gefechtstätigkeit im Laufe des Frühjahrs spürbar ab. Dennoch fordert der Krieg seinen Tribut; es fließt auch im April noch Blut genug. Rund 23.000 Tote kostet der vergleichsweise ruhige Monat den ausgepowerten deutschen Verbänden. Derweil nutzen beide Parteien die mehr oder minder ausgeprägte Kampfpause, um sich für die nächsten großen Waffengänge zu rüsten und entsprechende Aufmarschanweisungen für die warme Jahreszeit auszuarbeiten.
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Dem Beobachter stellt sich die Frage, ob es zu diesem Zeitpunkt überhaupt eine echte Alternative gibt zu Hitlers Entschluss, in den Kaukasus zu marschieren. Warum wird nicht wieder der Kreml ins Visier genommen? Unstreitig ist zunächst einmal, dass dem Führer kaum eine andere Option bleibt, als sein Heil in der Offensive zu suchen. Für das Reich kommt 1942 alles darauf an, bis Jahresende eine Vorentscheidung im Osten herbeizuführen. Denn nach dieser Frist droht das strategisch wirksame Eingreifen der Westalliierten an einer der Landfronten. Dafür bieten sich Invasionen in Afrika, Norwegen oder Nordfrankreich an. Das „Aufklärungsunternehmen“ vom 19. August 1942 am Strand von Dieppe, wie es der Chef der Kombinierten Operationen im britischen Oberkommando, Admiral Lord Mountbatten, von vornherein verstanden wissen will, fällt gewiss nicht unter diese Kategorie.
Andererseits führt nicht zuletzt die vermeintlich akute Bedrohung der französischen Küsten zum Abzug verschiedener Divisionen von der Ostfront. Darunter so bewährte Verbände wie die 6., 7. und 10. Panzerdivision. Dafür ist Hitler viel kritisiert worden. Allerdings sind gerade die genannten Verbände im Frühjahr 1942 ausgebrannt und bedürfen dringend der Auffrischung, Erholung und Ruhe, die es im Osten kaum geben kann. Gerade das Prinzip der Rotation auf Seiten der Wehrmacht soll sich bewähren. Im Westen gelingt es am besten, den kampfunerfahrenen Ersatz mit den Ostfrontveteranen zu neuen schlagkräftigen Einheiten zu verschmelzen. In Russland wären dagegen die begehrten schnellen Divisionen von den Armeen als permanent greifbare Front-Feuerwehr vollends verheizt worden. Zum Beispiel, um die zahlreichen Fronteinbrüche bei der Heeresgruppe Mitte zu bereinigen.
Denn erst nach Beseitigung dieser Beulen aus der Winterschlacht kann Moskau ein verlockendes, buchstäblich nahe liegendes Operationsziel für Feldmarschall Kluges Streitmacht sein. Aber nur auf den ersten Blick. Denn vor der Hauptstadt konzentriert Stalin auch seine stärksten Kräfte. Dazu kommt das heikle Gelände. Wälder und Sümpfe würden Umgehungen großen Stils stark behindern. Ein Angriff in dieser Richtung müsste mehr oder minder frontal gegen die stark befestigten Verkehrsknotenpunkte geführt werden – wie es schon im Herbst des Vorjahres der Fall gewesen ist. Für den Angreifer ein schwerer Nachteil, für die Verteidiger ein glücklicher Umstand. Und in der Kunst der Geländeausnutzung, allen voran in der Defensive, gilt der Russe als Meister. Zumal die vergleichsweise günstigen Voraussetzungen von 1941 längst nicht mehr gegeben sind. Das sollen die begrenzten Angriffe der Heeresgruppe Mitte im Frühling und Sommer 1942 noch exemplarisch unter Beweis stellen. Statt blitzartiger Vorstöße entwickelt sich daraus vielerorts ein zähes, verlustreiches Durchfressen, bedingt durch das unübersichtliche Gelände und den hartnäckigen Feindwiderstand. Kein Zweifel, die Rote Armee gewinnt langsam, aber sicher an Kampfkraft, während die Leistungsfähigkeit der Wehrmacht ihren Höhepunkt bereits 1941 überschritten hat. Die 150 bis 200 Kilometer nach Moskau wären jedenfalls für die Heeresgruppe Mitte verdammt lang und blutig geworden! Will man wieder den Kreml ins Auge fassen, so bietet sich dafür schon eher ein tiefer Flankenstoß durch den Nordflügel der Heeresgruppe Süd an.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Im Frühjahr 1942 spricht einiges dafür, den Hebel im Süden anzusetzen. Die Kräfte- und Geländekonstellation spielt dem Angreifer hier viel mehr Trümpfe in die Hand. Zumal die Heeresgruppe Süd in der Winterschlacht geringere Abgänge verzeichnet als ihre nördlichen Nachbarn, wie die Verluststatistiken von Dezember 1941 bis April 1942 zeigen:
Heeresgruppe Nord: 195.650 (Gefallene, Verwundete, Vermisste, Kranke)
Heeresgruppe Mitte: 483.100
Heeresgruppe Süd: 152.900
Dazu kommt das speziell für Panzer vorteilhafte Operationsgelände im Süden der Sowjetunion. Die ausgeprägten Steppengebiete begünstigen weiträumige Bewegungen motorisierter Großverbände ganz besonders. Und genau hierin liegt die unerreichte Stärke und Überlegenheit der Wehrmacht. Nicht zuletzt spielt die Dislozierung der russischen Kräfte den deutschen Absichten in die Hände …
Ihren Optimismus für die neue Großoffensive schöpfen Hitler und Halder aus der Hoffnung, dass die Sowjetunion an der Grenze ihrer militärischen und ökonomischen Leistungsfähigkeit angekommen sei. Eine grandiose Fehleinschätzung! Halders euphemistische Lagebeurteilung gipfelt bereits während der Winterschlacht in einer Aussage, die denn auch unverkennbare Züge von Zweckoptimismus trägt:
„Wir sind überlegen, der Russe macht es nur mit der Masse.“
Die sowjetischen Verbände „seien nicht mehr viel wert“, prognostiziert der OKH-Chef im Februar 1942.
Richtig daran ist, dass die quantitativ unterlegene Wehrmacht immer noch genug Kampfkraft besitzt, der zahlenmäßig überlegenen Roten Armee wuchtige Schläge zu versetzen, sofern Witterung und Gelände die Bewegungen der operativ entscheidenden Panzerkorps nicht nachhaltig einschränken. Andererseits ist die Masse natürlich auch ein strategischer Faktor ersten Ranges, der angesichts der gewaltigen Frontausdehnung in Russland auf Dauer zum Tragen kommen muss. Bei allen deutschen Qualitäten ist das Gesetz der Zahl natürlich auch Halder bewusst.
Tatsächlich muss man schon Optimist sein, um an eine erfolgreiche Umsetzung der Operationspläne im Süden zu glauben. Das Hauptziel, die Ölstadt Baku an der Küste des Kaspischen Meeres, liegt nicht weniger als 1.400 Kilometer Luftlinie von den Ausgangsstellungen entfernt. Zudem unterschätzen die deutschen Planer die wachsende Bedeutung der amerikanischen Hilfslieferungen im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes („Lend-Lease-Act“). Roosevelt lässt Stalin vor allem Öl und Nahrung zukommen. Der deutsche Generalstab dagegen behandelt wirtschaftliche Probleme stiefmütterlich, desgleichen die Feindaufklärung.
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Und der große, unbekannte Gegner, wie schätzt er die deutschen Absichten ein? Am 28. März 1942 beschließt das Staatliche Verteidigungskomitee unter Vorsitz von Stalin grundsätzlich den Übergang zur strategischen Defensive. Ausgenommen von einigen Präventivschlägen, die der Diktator persönlich anregt. Zum Beispiel bei Charkow. Hier sieht der Amateur-Stratege im Angriff die beste Verteidigung. Er fürchtet, dass die Deutschen ihre geschwächten Verbände während des Frühlings ungestört auffrischen können. In der Folge rechnet Stalin mit feindlichen Großangriffen in zwei strategischen Richtungen: Den Hauptstoß auf Moskau plus eine Nebenoffensive im Süden, Richtung Kaukasus. Und wenn sich insbesondere die gefürchteten Panzerverbände der Wehrmacht erst reorganisiert haben, so sein Kalkül, treten sie 1942 aus der Tiefe des bereits 1941 gewonnenen und behaupteten sowjetischen Raumes an. Denn die Erfolge der russischen Winteroffensive können nicht die Tatsache überstrahlen, dass Moskau nicht allzu weit hinter der Front liegt. Die Spitzen der Heeresgruppe Mitte stehen kaum 200 Kilometer vom Kreml entfernt. Gefahr für Moskau kann indes ebenso vom Nordflügel der Heeresgruppe Süd drohen.
Stalin entscheidet sich de facto für die „aktive strategische Defensive“. Den Schwerpunkt seiner Kräfte belässt er konsequenterweise vor Moskau, wo freilich gar keine akute Gefährdung droht. Hier wirkt sich Hitlers viel kritisierter Haltebefehl im Hinblick auf die Verschleierung des deutschen Hauptangriffes im Süden positiv aus. Ein ganz entscheidender, verschiedentlich unterbewerteter Faktor, der zur strategischen Überraschung der Sowjets führen soll. Darauf muss ein an Zahl unterlegener Angreifer seine Hoffnungen bauen. Eine erneute Großoffensive der Heeresgruppe Mitte hätte dagegen einen wohl vorbereiteten Gegner gesehen und wäre vorwärts Moskau auf ungleich stärkere Gegenwehr gestoßen.
Ein Jahr später, im Rahmen der Operation „Zitadelle“, macht Hitler genau diesen Fehler, als er den Angriff ausgerechnet auf das stärkste Bollwerk der Roten Armee, den Kursker Frontbalkon, befiehlt. Nein, wenn der Führer 1942 sein Heil in der Offensive sucht, muss er den Hebel bei der Heeresgruppe Süd ansetzen. Aber bleibt hier wirklich nur der lange Marsch an die untere Wolga und in den Kaukasus? Bietet sich nicht viel eher die umgekehrte Richtung an, nämlich ein nördlich ausholender Schlag der Heeresgruppe Süd auf Moskau? Dafür scheint der Aufmarschraum Kursk prädestiniert, um nach erfolgtem Durchbruch in Anlehnung an den Don schließlich im Zusammenwirken mit dem Südflügel der Heeresgruppe Mitte, der Orel als Absprungbrett dienen kann, die Hauptstadtverteidigung aufzurollen. Doch genau diese südliche Flankierung Moskaus fürchtet, erwartet Stalin. Entsprechend starke Kräfte, darunter mehrere Panzerkorps, sind im Abschnitt der Brjansker Front disloziert. Auch in diesem Fall würde bald Schwerpunkt gegen Schwerpunkt stehen und den Angreifer ebenfalls in Ermangelung des Überraschungseffekts benachteiligen. Zumal der linke Flügel der Heeresgruppe Mitte aufgrund des ungünstigen Frontverlaufs und Kräftemangels als nördlicher Zangenarm ausfallen muss.
So viel zu den kursierenden Moskau-Spekulationen. Auf gesicherten Fundamenten steht dagegen eine ganz andere Erkenntnis: Das größte Plus der Sowjets und zugleich die böseste Überraschung für die Deutschen bilden die starken strategischen Reserven in Stärke von einem Dutzend Armeen, darunter zwei gepanzerte.
Ironie der Geschichte: An diesem schicksalhaften 28. März 1942, an dem Stalin großen Kriegsrat im Kreml hält, legen Hitler und Halder im rund 1.000 Kilometer entfernten ostpreußischen Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ die Grundzüge der Sommeroffensive fest. Aus dieser Besprechung resultiert die am 5. April diktierte Führerweisung Nr. 41, Deckname „Fall Blau“. Darin heißt es :
„Das Ziel ist es, die den Sowjets noch verbliebene lebendige Wehrkraft endgültig zu vernichten und ihnen die wichtigsten kriegswirtschaftlichen Kraftquellen so weit als möglich zu entziehen […]
Unter Festhalten an den ursprünglichen Grundsätzen des Ostfeldzuges kommt es darauf an, bei Verhalten der Heeresmitte [...] zunächst alle greifbaren Kräfte zu der Haupt-Operation im Süd-Abschnitt zu vereinigen, mit dem Ziel, den Feind vorwärts des Don zu vernichten, um sodann die Ölgebiete im kaukasischen Raum und den Übergang über den Kaukasus selbst zu gewinnen.“
Aus Mangel an deutschen Kräften verfügt Hitler die Flankensicherung durch ungarische, italienische und rumänische Verbände von zweifelhaftem Kampfwert. Weiter heißt es in der Weisung:
„Die nächsten Aufgaben sind es, auf der Krim die Halbinsel Kertsch zu säubern und Sewastopol zu Fall zu bringen.“