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Fünftes Kapitel – Vom Stanley-Pool nach Jambuja

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Fünftes Kapitel – Vom Stanley-Pool nach Jambuja

Szenerie am Oberkongo. – Unfall des „PEACE“. – Die Dampfer erreichen Kimpoko. – Einsammlung von Brennmaterial. – Der untaugliche „PEACE“. – Der Unfall des „STANLEY“. – Ankunft in Bolobo. – Teilung der Expedition in zwei Kolonnen. – Major Barttelot und Jameson werden zu Befehlshabern der Nachhut gewählt. – Ankunft an der Äquator-Station und in Bangala. – Die Basoko-Dörfer. – Desertion Barutis. – Ankunft in Jambuja.

* * *

Wie ich bei der Schilderung der Szenen am Unterkongo bereits näher auseinandergesetzt habe, beabsichtige ich alle Eindrücke, welche wir während unserer nahezu 1.700 km langen Fahrt nach Jambuja je nach der verschiedenen Gemütsstimmung erhalten haben, mit Stillschweigen zu übergehen. Ich werde mich darauf beschränken, die Ereignisse zu erzählen.

Die Tage vergingen uns rasch genug. Die frühen Morgenstunden boten uns jeden Tag ein Panorama von Waldland, Myriaden bewaldeter Inseln und breiter Kanäle mit totenstillem Wasser, die so von der Sonne beschienen wurden, dass sie Flüssen aus Quecksilber glichen. Im Allgemeinen hätte man wohl sagen können, dass alles außerordentlich einförmig war, d. h. insofern als man Tag für Tag dieselben Szenerien in solcher Entfernung passierte, dass es unmöglich war, Einzelheiten zu erkennen. Doch steuerten wir auch an dem einen oder dem anderen Ufer entlang oder fuhren, um das tiefe Wasser zu benutzen, nahe an eine Insel hinan, sodass uns die Langeweile der Einförmigkeit erspart blieb.

Während wir kaum 12 m vom Lande in einem Armsessel saßen, ließ jede Umdrehung der Schraube uns neue Eigenschaften des Blattwerkes, des Ufers, der Bäume, Gesträuche, Pflanzen, Knospen und Blüten erblicken. Der Charakter oder die Eigenschaften der verschiedenen Pflanzen und der mannigfaltigen Vegetation, welche wir erblickten, mochten uns gleichgültig oder unbekannt sein, kein Teil des Ufers Interesse für uns haben, aber dennoch vergaßen wir das Schwinden der Zeit, während wir die äußern Formen betrachteten, und wurden oft zu lebhafterem Interesse angeregt, wenn ein Bewohner der Lüfte oder des Wassers sich in unserm Gesichtsfelde zeigte. Diese wunderschönen Ausblicke auf die vollständig ruhigen Gewässer, die lebhaft grünen Wälder, in denen jeder Zweig und jedes Blatt so still wie der Tod war, die fast ununterbrochene Frontlinie des dichten, mit Schmetterlingen, Motten und Insekten gesprenkelten blattreichen Gebüsches, die glänzenden Gewässer der breiten Flüsse werden uns doch länger in der Erinnerung bleiben, als die stürmischen Bewegungen, welche die außerordentliche Ruhe der Natur fast jeden Nachmittag störten.

Von Mitte März bis Mitte Mai war die Regenzeit, und täglich kündigte der Himmel kurz nach 2 Uhr nachmittags das Herannahen eines drohenden Gewitters an. Die Sonne verbarg sich hinter den dunkeln Vorboten des Sturmes, und bald darauf zerriss der Donner die düstere Stille, zuckten Blitze und ergoss sich Regen in tropischer Fülle, worauf allgemeine Niedergeschlagenheit vorherrschte und die Dunkelheit der Nacht eintrat.


Stanley-Pool

Natur und Zeit taten ihr Bestes für uns. Der Fluss war weder zu hoch noch zu niedrig. In ersterem Falle hätten wir auf dem überschwemmten Terrain Schwierigkeiten gefunden, in letzterem würden wir durch die flachen Stellen in langwieriger Weise aufgehalten worden sein. Wir vermochten im allgemeinen uns etwa 40 m vom linken Ufer zu halten und konnten uns ununterbrochen mehr als 1.600 km weit an den veränderlichen Färbungen und Formen einer Pflanzenwelt erfreuen, welche, was Mannigfaltigkeit, Schönheit des Grüns, Reichtum und Wohlgeruch der Blüten anbetrifft, in der ganzen Welt ihresgleichen nicht findet. Während des größten Teils des Tages traten Gewitterstürme selten auf, wodurch wir vielen Schrecken und Gefahren entgingen; dieselben suchten sich meist den Abend oder die Nacht aus, wenn wir sicher vertäut am Ufer lagen, und da die Moskitos, Mücken, Vieh- und Tsetsefliegen weniger bissig als früher waren, hatten wir schon mehr als die Hälfte der Reise zurückgelegt, ehe wir durch einige unverbesserliche Vagabunden von diesen verschiedenen Spezies an ihre Existenz erinnert wurden. Die kampflustigen Flusspferde und Krokodile zeigten sich diesmal wohlgesittet, die Eingeborenen waren bescheiden in ihren Forderungen, gaben uns in vielen Fällen Ziegen, Geflügel, Eier, Bananen und Paradiesfeigen und begnügten sich mit Anweisungen auf Herrn John Rose Troup, der uns später folgen würde. Unsere Gesundheit war ausgezeichnet und in der Tat wunderbar gut im Vergleich zu früher; ob die Engländer sich in physischer Beziehung besser eigneten oder sich nicht besiegen lassen wollten, weiß ich nicht, doch hörte ich auf dieser Expedition weniger Klagen als auf allen früheren.

Am 1. Mai fand der Aufbruch zur Reise den Kongo hinauf mit der Abfahrt des „HENRY REED“ und zwei Leichtern mit Tippu-Tib und 96 Begleitern, sowie 35 von unseren Leuten statt. Bald nachher folgte der „STANLEY“ und dessen Gefährte, die „FLORIDA“, mit 336 Leuten, sowie 6 Eseln und Warenladungen, und eine halbe Stunde später versuchte der „PEACE“ mit 135 Passagieren abzugehen; allein die guten Wünsche der Leute am Lande waren kaum verklungen, als das Ruder plötzlich entzweibrach, während wir gegen die rasche Strömung ankämpften. Der Kapitän befahl, die Anker fallen zu lassen, was gerade an einer Stelle geschah, wo der Grund außerordentlich zerrissen war und die Strömung mit einer Geschwindigkeit von sechs Knoten dahinschoss. Das Boot legte sich platt auf die Seite, die Ketten rissen das Deck auf, und da die Anker an den Klippen auf dem Grunde festgeraten waren und nicht wieder gehoben werden konnten, mussten wir sie kappen und nach dem Landungsplatze bei Kinshasa zurückkehren. Kapitän Whitley und der Maschinist David Charters machten sich an die Arbeit, um das Ruder zu reparieren, und um 8 Uhr abends war ihre Aufgabe vollendet.

Am nächsten Morgen hatten wir mehr Glück, und in gehöriger Zeit erreichten wir Kimpoko am oberen Ende des Pool, wo die übrigen Dampfer auf uns warteten.

Der „PEACE“ fuhr am 3. Mai voran, doch überholte uns der „STANLEY“ und erreichte den Lagerplatz anderthalb Stunden früher als wir. Der „HENRY REED“ war wegen mangelnden Verständnisses des Kapitäns der letzte.

Der „PEACE“ war mit Krämpfen behaftet; er fuhr eine kurze Zeit ganz gut, dann aber verringerte er plötzlich seine Geschwindigkeit. Nachdem wir eine halbe Stunde gewartet hatten, nahm er einen neuen Anlauf. Sein Kessel besteht aus einem System schlangenförmig übereinander liegender Röhren; die Schrauben sind in doppelten zylindrischen Umhüllungen unter dem Heck eingeschlossen und müssen mit einer fürchterlichen Geschwindigkeit getrieben werden, ehe man raschere Fahrt mit dem Schiffe machen kann. Dasselbe wird uns wahrscheinlich noch viele Schwierigkeiten bereiten.

Sobald wir das Lager aufgeschlagen hatten, was gewöhnlich um 5 Uhr nachmittags geschah, musterte jeder Offizier seine Leute, die dann mit dem Hauen von Brennmaterial für den Bedarf am folgenden Tage beginnen mussten. Das war manchmal sehr schwere Arbeit und dauerte stundenlang bis in die Nacht hinein. Eine Anzahl Leute musste das Holz der abgestorbenen Bäume sammeln und zu den Holzhauern am Landungsplatze hin transportieren. Für einen Dampfer wie der „STANLEY“ brauchte man 50 Mann, die zwei Stunden lang Holz suchen und weiter befördern mussten, während ein Dutzend Leute es mit Äxten in ¾ m lange Stücke für den Feuerrost spalteten. Der „PEACE“ und der „HENRY REED“ brauchten halb so viel Äxte und die gleiche Zeit, um ihren Bedarf an Heizmaterial fertigzustellen. Letzteres musste dann in den Dampfern verstaut werden, damit am nächsten Morgen kein Aufenthalt entstand; darauf mussten noch einige weitere Arbeiten erledigt werden, ehe das der Nacht geziemende Schweigen eintrat. Inzwischen beleuchteten die angezündeten Feuer den Schauplatz, und lustig klang das Geräusch beim Brechen, Spalten und Zersplittern der Baumstämme.

Der zu nichts brauchbare „PEACE“ fuhr auch am 4. Mai fort uns zu ärgern. Dies ist einer der langsamsten Dampfer, den man nur bauen konnte; die beiden anderen Dampfer ließen uns meilenweit zurück. Alle Dreiviertelstunden mussten wir haltmachen, um die Maschine zu ölen; manchmal mussten wir auch anhalten, um die Zylinder der Schrauben zu klaren, oder stoppen, um wieder mehr Dampf zu bekommen, oder den Rost von den verbrannten Kohlen zu reinigen. Wenn fünf Minuten später der Dampfdruck wieder auf 60° gestiegen war, fiel er gleich darauf wieder auf 40°, dann auf 35°, worauf unser armes, elendes Fahrzeug mit der Geschwindigkeit von einer Seemeile in der Stunde wieder stromabwärts trieb. Wir verloren durch den „PEACE“ sieben Tage im Stanley-Pool und einen weiteren Tag, als das Ruder brach; es war einmal unser Schicksal, überall Verzögerungen zu haben.

Am folgenden Tage, 5. Mai, langten wir am Landungsplatze bei Msuata an. Der Major und Dr. Parke waren schon vier Tage vorher angekommen und hatten Mengen von Heizmaterial vorbereitet, sowie einen großen Haufen von Lebensmitteln, Brote aus Maniokwurzeln und Mais, angekauft.

Am 6. Mai erteilte ich dem Major und seinen Gefährten den Befehl, mit ihren Leuten nach Kwamouth zu marschieren und den Dampfer dort zu erwarten. Der „STANLEY“ erhielt Ordre, nach Bolobo zu fahren, seine Passagiere dort auszuschiffen und dann nach Kwamouth zu gehen, um Barttelot und seine Leute zu holen, während wir die Kompanie in Bolobo reorganisierten.

Am nächsten Tage erblickten wir den Dampfer „STANLEY“ ganz auf dem linken Ufer in der Nähe von Tschumbiri, und als wir herankamen, um uns nach der Ursache des Unfalls zu erkundigen, erfuhren wir, dass er auf ein Felsenriff gelaufen und schwer beschädigt war. Die zweite Abteilung war an vier verschiedenen Stellen durchlöchert, mehrere Nieten waren herausgestoßen und andere hatten sich gelöst. Wir machten uns daher mit den Maschinisten aller Dampfer an die Reparatur, wobei sich namentlich die Herren Charters und Walker, beide Schotten, durch ihre Tüchtigkeit auszeichneten. Wir zerschnitten einige alte eiserne Ölkannen und stellten daraus Platten her, welche an der Außenseite des Schiffes festgeschraubt wurden. Es war das eine sehr missliche Arbeit, deren Ausführung Geduld und große Sorgfalt beanspruchte, da im Schiffsraum zwei Fuß Wasser standen und man deshalb erst immer nach den Schrauben fühlen musste, ehe man die Mutter aufsetzen konnte. Dasselbe gilt von dem Durchschlagen der Löcher im Boden des Dampfers, wobei der Maschinist, bis zum Leibe im Wasser stehend, erst durch das die Kraft brechende Element auf seinen Meißel schlagen musste, sowie bei der Vorbereitung der Platten, die in Bezug auf die Bohrlöcher genau den Löchern im Schiffsboden entsprechen mussten, und dem Aufstreichen der Mennige, auf welche eine Lage Segeltuch und nochmals eine Schicht Mennige kam. Wenn alles zur Befestigung der Platte bereit war, wurde ein Taucher hinabgeschickt, welcher die Eisenplatte mit dem Segeltuch und den Mennigeschichten in die eine, das Ende eines an einem Loch der Platte befestigten Bindfadens in die andere Hand nahm. Der Taucher musste nun an der Außenseite des Schiffes das entsprechende Loch am Dampfer suchen, während der Maschinist im Raum bis zu den Hüften im Wasser stand und das Ende des Bindfadens zu ergreifen versuchte, worauf er, wenn dies gelungen war, letzteren langsam anzog und die Platte vorsichtig an ihre richtige Lage führte, sodass ein Bolzen durchgeschoben und er die Mutter anschrauben konnte. Diese langwierige Arbeit nahm viele Stunden in Anspruch, bis am Abend des 7. Mai der ein großer Riss repariert war, doch vergingen noch zwei weitere Tage, bis der Dampfer seine Fahrt fortsetzen konnte.

Bereits am 10. Mai holte der „STANLEY“ den asthmatischen „PEACE“ ein und passierte zugleich mit dem „HENRY REED“ an uns vorüber. Einige Stunden später brach der „PEACE“ vollständig zusammen und wollte nicht mehr vorwärts. Wir konnten nur 30 Pfund Dampf halten und waren deshalb gezwungen, das Schiff am Lande festzulegen. Zu dieser Zeit hatte das Gesicht des Herrn Charters mehr Interesse für uns als sonst etwas in der Welt; wir horchten auf seine Worte, als ob sie ein Evangelium gewesen wären. Er war ein sanguinischer, fröhlicher kleiner Herr, der uns außerordentlichen Trost gab, da er überzeugt war, dass wir rechtzeitig in Bolobo eintreffen würden, obwohl wir nicht gerade sehr rasch vorwärts zu kommen schienen, solange wir am Ufer festlagen.

Am nächsten Tage machten wir nochmals einen Versuch; wir brachen um 4 Uhr morgens auf und waren entschlossen, uns auszuzeichnen. Eine Stunde machte der „PEACE“ sich sehr gut, endlich zeigte er aber wieder Symptome des bevorstehenden Zusammenbruchs. Der Dampf fiel immer tiefer, und da wir schließlich keine 5 Pfund mehr halten konnten, ließen wir die Anker fallen. Als unsere Lage gegen 10 Uhr vormittags hoffnungslos zu sein schien, sandte ich Herrn Ward mit dem Walfischfänger-Boot nach dem „HENRY REED“, um Beistand zu holen, und um 8 Uhr abends traf dieser ein und ging etwa 60 m von uns vor Anker, nachdem wir den ganzen Tag mitten im Strom, ungefähr 500 m von den beiden Ufern und jeder Insel entfernt stillgelegen, müßig den dunklen braunen Strom dahinfließen und nur Flusspferde, grasartige Massen, Tang und Holztrümmer hatten vorbeitreiben sahen.

Am 12. Mai trafen wir schmachvoll im Schlepptau des „HENRY REED“ in Bolobo ein.

Hat der Reisende Ujansi erreicht, dann ist etwas wie eine Hungersnot kaum möglich, denn Bolobo ist, was Mannigfaltigkeit und Überfluss an Lebensmitteln anlangt, einer der besten Häfen am Fluss. Hier, wo wir uns in einem Distrikt befanden, in welchem die Leute sich wieder erholen und das Elend der verkürzten Rationen seit der Abreise von Lukungu vergessen konnten, war also der Platz, wo unsere Expedition in zwei Kolonnen geteilt werden musste.

Da die Truppe nicht auf einmal nach dem Oberkongo befördert werden konnte, beschloss ich, die gesündesten Leute auszuwählen und nach Jambuja zu schicken, während die Schwächlichen als eine Abteilung der Kolonne des Majors Barttelot unter dem Befehl der Herren Herbert Ward und William Bonny in Bolobo zurückbleiben sollten, bis der Dampfer „STANLEY“ von Jambuja zurückkehren würde. Wir hatten noch den Ruf nach Eile, welcher uns bei der Abfahrt von England ins Ohr geklungen hatte, im Gedächtnis, und es geziemte uns daher, die Reise unter dem Gebot der Notwendigkeit so viel es die Verhältnisse gestatteten zu beschleunigen, in der Hoffnung, dass die Nachhut in 6 oder 7 Wochen unserer Route würde folgen können.

Wir suchten demgemäß 125 Mann aus, welche die geringste Körperkraft zu haben schienen, und ließen sie in Bolobo zurück, damit sie sich an den Bananen, dem ausgezeichneten Brote der Eingeborenen, und an Fischen, die dort leicht zu beschaffen waren, mästeten, während der „STANLEY“ in der Zwischenzeit mit Major Barttelot, Dr. Parke und 153 Mann nach Kwamouth hinabgefahren war.

Hier wurde auch die verwickelte Frage entschieden, wer den Befehl über die Nachhut übernehmen sollte. Da dieser Posten der nächstwichtigste nach dem meinigen war, richteten sich sämtliche Augen selbstverständlich auf den ältesten Offizier, Major Barttelot. Er soll eine Kolonne von 1.000 Mann von Kosseir am Roten Meer nach Kenneh am Nil geführt und sich auch in Afghanistan und im Sudan-Feldzuge ausgezeichnet haben. Wenn das auf Wahrheit beruhte, war er ohne Zweifel derjenige, welcher sich von den Offizieren am besten zum Befehlshaber der Nachhut eignete. Hätte ich noch eine Persönlichkeit von gleichem Range bei mir gehabt, so würde ich diese wahrscheinlich mit dem Posten betraut haben, nicht weil ich Barttelot für ungeeignet hielt, sondern weil dieser dringend wünschte, die Vorhut zu begleiten. Nachdem ich die Fähigkeiten und den Rang der übrigen Herren, deren Eifer mir wohlbekannt war, in Betracht gezogen hatte, teilte ich dem Major mit, ich könnte wirklich nicht die Verantwortung auf mich nehmen, jugendliche Leutnants zu einem Posten zu ernennen, der ihm seines Ranges, seiner Erfahrungen und seines Rufes wegen zukäme.

„Noch ein weiterer Dampfer wie der ‚STANLEY’ würde vollständig genügt haben, lieber Major“, sagte ich freundlich zu dem jungen Offizier, der ernstlich niedergeschlagen war. „Von der Expedition bleiben nur 125 Mann und eine Ladung Waren zurück, alles Übrige ist bequem an Bord untergebracht. Wenn Sie eine Persönlichkeit finden können, welche Ihren Platz zwischen hier und Jambuja besser ausfüllen würde als Sie, möchte ich sie gern kennen lernen. Hoffentlich werden Sie sich die Sache nicht allzu sehr zu Herzen nehmen. Und was kommt auch darauf an? Sie, der Sie die Nachhut heraufbringen, haben ebenso viel Recht auf Anerkennung, wie wir bei der Vorhut. Wenn Tippu-Tib mir treu ist, werden Sie kaum sechs Wochen hinter uns zurück sein; Sie können uns leicht einholen, weil wir bei der Aufsuchung der Route und dem Bahnen eines Weges durch allerlei Hindernisse selbstverständlich sehr viel Aufenthalt haben werden. Sie folgen uns auf einem Ihnen vorgezeichneten Wege und können oft in einem Tage zwei von unseren Märschen machen. Vereinigt Tippu-Tib sich nicht mit Ihnen, dann sind Sie Herr Ihrer Kolonne und werden mit Ihrer Aufgabe so beschäftigt sein, dass die Zeit Ihnen schnell genug verfliegen wird. Und zu Ihrem Troste will ich Ihnen noch mehr sagen, lieber Major; es liegt noch viel Arbeit vor uns, von der Sie den wichtigsten Teil haben sollen. Nun sagen Sie mir, wen Sie zum Nächstkommandierenden haben möchten.“

„O, das möchte ich Ihnen überlassen.“

„Nein, ich habe es lieber, wenn Sie sich selbst einen Freund zum Gefährten aussuchen, damit derselbe Ihre Hoffnungen und Gedanken teilt. Wir alle haben, wie Sie wissen, Vorliebe für diesen oder jenen.“

„Nun, dann wähle ich Jameson.“

„Gut, Herr Jameson soll zu dem Posten ernannt werden. Ich werde selbst mit ihm sprechen und dann auch Herrn Rose Troup, den ich für einen prächtigen Burschen zu halten Grund habe, sowie den jungen Ward und Bonny bei Ihnen zurücklassen. Sowohl Troup und Bonny sprechen Kisuaheli und sie werden Ihnen gute Dienste leisten.“

Nachdem die Angelegenheit in dieser Weise erledigt war, setzte die Flottille am 15. Mai mit 511 Personen von der Expedition, sowie Tippu-Tib und 90 seiner Leute die Fahrt flussaufwärts fort.

Am 16. Mai hatten wir eine gute Reise, da die an dem Dampfer „PEACE“ vorgenommenen Reparaturen seine Fahrgeschwindigkeit verbessert hatten, und am 19. machten wir in der Nähe der Baptisten-Missionsstation Lukolela das Boot am Lande fest, wo der „STANLEY“ sich erst spät am Abend einstellte.

Den nächsten Tag blieben wir bei Lukolela liegen, um Lebensmittel für die Fahrt nach der Äquator-Station einzukaufen, und wir waren den Missionaren dieser Station sehr dankbar für die uns bewiesene gütige Gastfreundschaft.

Am 24. Mai kamen wir an der Äquator-Station an, die jetzt Eigentum der Sanford-Company ist, als deren Vertreter Herr E. J. Glave, ein tüchtiger junger Mann aus Yorkshire, fungiert. Auch Kapitän Van Gèle befand sich hier, nachdem er kürzlich mit fünf Haussasoldaten von einem fruchtlosen Versuche, den Mobangi noch höher aufwärts zu fahren, als es dem Missionar Grenfell einige Monate vorher gelungen, zurückgekehrt war.

Die Station Bangala erreichten wir am 30. Mai. Der Platz war jetzt eine sehr große, gedeihende Niederlassung mit einer Garnison von 60 Mann und zwei Krupp'schen Geschützen zur Verteidigung. Es werden hier Ziegelsteine von vorzüglicher Qualität hergestellt, von denen bereits 40.000 Stück fertig waren. Die Niederlassung macht Zentralafrika in jeder Beziehung große Ehre. Der Chef, van Kerckhoven, war nicht anwesend und befand sich in Langa-Langa. Es war ihm kürzlich gelungen, 29 Haussasoldaten aus der Sklaverei zu befreien. Bei der Flucht Deane's von den Stanley-Fällen hatten die Haussa sich voreilig in ein Kanu geworfen und waren bis Upoto hinabgetrieben, wo die Eingeborenen sie als Deserteure gefangen genommen hatten.

Außer sonstigen guten Eigenschaften, die Bangala besitzt, fehlt es dort niemals an Lebensmitteln. Die Station hatte 130 Ziegen, sowie ein paar hundert Hühner, welche die Offiziere mit frischen Eiern versorgten. Zehn Acker Landes versprachen mit ihrem Grün eine schöne Reisernte. Die Offiziere erquickten sich an Palmen- und Bananenwein, sowie gegorenem Bier aus Zuckerrohr, das, wie ich fand, äußerst kräftig war.

In Bangala befahl ich Major Barttelot, sich mit Tippu-Tib und dessen Leuten direkt nach den Stanley-Fällen zu begeben, nachdem ich zuvor 35 Sansibariten aus den Booten entfernt und durch 40 Sudanesen ersetzt hatte, damit keinem der Sansibariten bekannt würde, dass die Stanley-Fälle nur wenige Tagemärsche von Jambuja entfernt waren.

Abgesehen von einigen Unregelmäßigkeiten in dem Benehmen des Dampfers „STANLEY“, der unter dem Vorwande, genügend Heizmaterial der richtigen Sorte aufzusuchen, durch geheimnisvolle Manöver in ein wirres Netz von Kanälen verschwand, dampften wir ohne irgendwelche Unfälle zum Aruwimifluss hinauf und trafen am 12. Juni bei unserm alten Lager gegenüber den Basoko-Dörfern ein.

Die Basoko waren die Landsleute von Baruti oder „Schießpulver“, der im Jahre 1883 als Kind von einigen Karema geraubt und von Sir Francis de Winton nach England gebracht worden war, um die Vorzüge des Zivilisierten Lebens kennen zu lernen. Aus der Obhut von Sir Francis gelangte Baruti in die meinige. Hier befanden wir uns endlich im Angesichte seines heimatlichen Dorfes und Stammes, dem er sechs Jahre fern gewesen war.

Als ich sah, wie Baruti den Ort seiner Geburt mit außerordentlichem Interesse betrachtete, forderte ich ihn auf, die Basoko anzurufen und sie zu einem Besuch bei uns aufzufordern. Meine früheren Versuche, das Vertrauen dieser Waldbewohner zu gewinnen, waren sämtlich fehlgeschlagen, obwohl ich überzeugt war, dass dies mit der Zeit doch gelingen würde. Für mich war es lange eine interessante Frage gewesen, weshalb die Eingeborenen des Waldes unzugänglicher und scheuer waren, als die Bewohner des offenen Landes. Alle Methoden, wie das Zeigen eines glänzenden oder buntfarbigen Tauschartikels, von glänzendfarbigen Perlenschnüren, die wir geduldig hin- und herschwangen, geschicktes Zureden, überzeugendes Lächeln und beruhigende Zeichen wurden stundenlang angewandt, endeten aber stets mit Enttäuschung und der Verschiebung des Verkehrs auf eine bessere Gelegenheit. Der Grund davon besteht aber darin, dass der Wald stets einen bequem zu erreichenden Rückzug bietet, während der Argwohn des Fremden und die die Eingeborenen begünstigende Tiefe der weglosen Wälder stark gegen jedes unbestimmte Risiko sprechen. Das geringste Vorwärtsgehen hat sofort die eilige Rückwärtsbewegung des Eingeborenen zur Folge, bis dieser die Grenzen des Waldes erreicht, in dessen Dunkelheit er nach einem letzten Blick auf den Fremden schließlich verschwindet, mit einer Miene, als wollte er sagen: „Es hilft euch nichts, mich könnt ihr doch nicht einholen.“ Dagegen hat der Eingeborene auf dem offenen Lande gewöhnlich irgendeinen Vorteilhaften Winkel, einen hervorragenden Punkt, einen Baum oder Ameisenhügel, von dessen Spitze er seine Beobachtungen macht und über den Charakter der Fremden sich vergewissert oder warnen lässt. Im Walde steht dem Bewohner des Dickichts ganz plötzlich der Fremde gegenüber, der aus unbekannten Gegenden zu unbegriffenen Zwecken gekommen ist. In den Zügen des einen malt sich Überraschung, in denen des anderen Schrecken.


Baruti findet seinen Bruder

Baruti rief die Eingeborenen an, worauf die Kanus in ganz langsamer Fahrt herbeikamen, bis sie sich endlich bis auf gute Rufweite näherten. Er erkannte einige der Bootsleute wieder und teilte ihnen mit, sie brauchten keine Ursache zur Furcht zu haben. Dann fragte er nach einem Mann, dessen Namen er nannte, worauf die Wilden das Wort mit prachtvoller, kräftiger Lunge über den Fluss schrien, bis jemand antwortete, ein Kanu bestieg und heranruderte. Es war dies ein älterer Bruder Baruti's. Baruti wollte von ihm wissen, wie es ihm während seiner eigenen sechsjährigen Abwesenheit gegangen sei. Der Bruder starrte ihn dumm an, vermochte die Züge Baruti's nicht wiederzuerkennen und äußerte in grunzendem Tone seine Zweifel.

Baruti nannte darauf die Namen seiner Eltern, erst denjenigen des Vaters und dann den der Mutter, worauf sich in den Zügen des Bruders größeres Interesse zeigte und er geschickt mit dem Kanu näher heransteuerte.

„Wenn du mein Bruder bist, so nenne mir etwas, woran ich dich erkenne.“

„Du hast eine Narbe am Arm – dort am rechten. Erinnerst du dich noch des Krokodils?“

Das genügte. Der junge breitbrüstige Eingeborene ließ einen Freudenschrei erschallen und rief seine Entdeckung den entfernteren Landsleuten am Ufer zu, und Baruti vergoss zum ersten Mal in seinem Leben Tränen. Der junge Eingeborene kam nahe an das Schiff heran, vergaß jegliche Furcht vor den Fremden und umarmte Baruti außer sich vor Freude, während die übrigen Kanus heransteuerten, um an dem Glück der wieder vereinigten Brüder teilzunehmen.

Abends stellte ich Baruti die Wahl frei, ob er in dem Dorfe bei seinem Stamme bleiben oder unserm abenteuerlichen Marsche folgen wolle; gleichzeitig riet ich ihm aber, uns nicht zu verlassen, da das Leben unter den Basoko wegen der großen Nähe der Araber an den Stanley-Fällen doch ein sehr unsicheres sei.

Der Junge schien auch so zu denken und lehnte es daher ab, zu seinem heimatlichen Lande und Stamme zurückzukehren; allein einen oder zwei Tage nach der Ankunft in Jambuja änderte er seine Meinung, kam nachts heimlich in mein Zelt, bewaffnete sich mit einem Winchestergewehr und einem Paar Revolver von Smith u. Wesson, nebst einem Vorrat von Gewehr- und Revolverpatronen, nahm eine silberne Reise-Uhr, einen silbernen Schrittmesser, einen hübschen Gürtel nebst Patronentasche und eine kleine Summe Geldes, stahl dann ein Kanu und verschwand nach unbekannten Regionen flussabwärts, höchst wahrscheinlich zu seinem Stamme. Jedenfalls haben wir seitdem nichts wieder von ihm gesehen oder gehört. Friede sei mit ihm!

Am 15. Juni trafen wir gegenüber den am linken Ufer des Aruwimi liegenden Dörfern von Jambuja ein, 154 km oberhalb des Zusammenflusses des Aruwimi mit dem Kongo.

* * *

Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika

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