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Brief an Sir William Mackinnon als Vorrede

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Brief an Sir William Mackinnon als Vorrede


Sir William Mackinnon – 1823 – 1893

– schottischer Schiffseigner und Geschäftsmann

Mein lieber Sir William!

Es gereicht mir zu großem Vergnügen, Ihnen dieses Werk zu widmen. Dasselbe soll für Sie selbst sowie für das Komitee zum Entsatze Emins ein offizieller Bericht sein über das, was wir während unserer Entsatz-Mission, die durch die Verhältnisse in eine Rettungsmission umgewandelt wurde, erlebt und erduldet haben. Sie wollen den Bericht als eine wahrhafte Schilderung der Märsche der Expedition betrachten, deren Führung Sie und das Komitee mir anvertraut haben.

Ich bedauere, dass ich nicht imstande gewesen bin, alles das zu erfüllen, was auszuführen ich vor Begier brannte, als ich im Januar 1887 von England abreiste. Allein der vollständige Zusammenbruch der Regierung von Äquatoria bürdete uns die Pflicht auf, so viele alte und kranke Leute in Hängematten zu befördern und so viele hilflose und entkräftete Menschen zu beschützen, dass wir aus einem kleinen kampfbereiten Corps erprobter Männer in eine reine Hospitalkolonne umgewandelt wurden, welcher tatkräftige Abenteuer versagt waren. Der Gouverneur selbst, halb erblindet, besaß viel Gepäck; Casati war schwächlich und musste getragen werden, und 90 Prozent des Gefolges waren bald nach unserm Aufbruch wegen Alters, Krankheit, Schwäche oder großer Jugend kaum imstande zu marschieren. Ohne unsere, den Zweck der Expedition bildende, unverletzliche Aufgabe, Hilfe zu leisten, zu opfern, konnten wir weder nach rechts noch links von der allerdirektesten Route nach der See abweichen.

Sie haben während Ihres langen und abwechslungsreichen Lebens standhaft an den Gott der Christen geglaubt und öffentlich Ihre inbrünstige Dankbarkeit für die Ihnen zuteil gewordenen vielen Gnadenbeweise ausgesprochen, und Sie werden daher besser als viele andere das Gefühl verstehen, welches mich beseelt, nun ich mich, ohne Schaden an Leben und Gesundheit genommen zu haben, wieder inmitten der Zivilisation befinde, nachdem ich so stürmische und kummervolle Zeiten durchgemacht habe. Als ich in der dunkelsten Stunde gezwungen war, demütig einzugestehen, dass ich ohne Gottes Hilfe verloren sei, da tat ich in der Waldeinsamkeit das Gelübde, dass ich seine Hilfe vor den Menschen bekennen wolle. Rund um mich herum herrschte Todesstille; es war Mitternacht; ich war durch Krankheit geschwächt, lag vor Erschöpfung darnieder und quälte mich mit Sorgen um meine weißen und schwarzen Gefährten, deren Schicksal für mich damals ein Geheimnis war. In dieser physischen und geistigen Not flehte ich zu Gott, dass er mir meine Leute zurückgeben möge. Neun Stunden später frohlockten wir in höchster Freude. Vor uns allen zeigte sich die rote Flagge mit dem Halbmond und unter ihren wehenden Falten die lange vermisste Nachhut.

Alsdann waren wir, nachdem wir Erfahrungen gemacht hatten, deren gleichen es in den Annalen sämtlicher afrikanischen Reisen nicht gibt, aus dem Walde in das offene Land hinausgetreten. Wir näherten uns der Gegend, wo der Gouverneur, unser Ideal, belagert sein sollte. Alles, was wir von den durch unsere Patrouillen gefangen genommenen Eingeborenen hörten, bereitete uns auf verzweifelte Kämpfe mit großen Scharen vor, über deren Stärke und Eigenschaften uns niemand verlässliche Mitteilungen machen konnte. Als dann die Bevölkerung von Undussuma in Myriaden von den Hügeln herabschwärmte und die Täler von Kriegern lebendig geworden zu sein schienen, da glaubten wir in unserer vollständigen Unwissenheit bezüglich ihres Charakters und ihrer Stärke tatsächlich, dass wir diejenigen vor uns hätten, welche den Pascha im Westen umzingelt hatten. Wenn er mit seinen 4.000 Soldaten um Hilfe bat, was konnten wir dann mit 173 Mann ausrichten? Am Abend vorher hatte ich die Ermahnung Mosis an Josua gelesen. War es nun die Nachwirkung dieser kraftvollen Worte, oder war es eine Stimme, ich weiß es nicht, doch glaubte ich zu hören: „Sei stark und guten Mutes; fürchte dich nicht und habe keine Furcht vor ihnen, denn der Herr dein Gott ist bei dir; er wird dich nicht verlassen.“ Als Masamboni am nächsten Tage den Befehl erteilte, uns anzugreifen und zu vernichten, gab es keinen einzigen Feigling im Lager, während wir am Abend vorher, als wir vier unserer Leute vor einem einzigen Eingeborenen fliehen sahen, voller Bitterkeit ausgerufen hatten: „Und das sind die Wichte, mit denen wir bis zum Pascha dringen müssen!“

Und ferner. In der Nähe des Zusammenflusses des Ihuru und des Dui hatten wir im Dezember 1888 150 unserer besten und stärksten Leute ausgesandt, um Lebensmittel aufzusuchen. Dieselben waren schon viele Tage länger fort, als sie hätten sein sollen, und inzwischen befanden sich 130 Männer, außer den Knaben und Frauen, dem Verhungern nahe. Um den Tod solange wie möglich fernzuhalten, bekamen sie täglich eine Tasse warmer, dünner Brühe, welche aus Butter, Milch und Wasser hergestellt war. Als die Lebensmittel derart auf die Neige gegangen waren, dass nur noch so viel übrig war, um 13 Mann zehn Tage lang mit der dünnen Brühe und vier kleinen Stücken Zwieback täglich zu versehen, wurde es für mich zur Notwendigkeit, die vermissten Leute aufzusuchen. Möglicherweise waren dieselben, weil sie keinen Führer hatten, sorglos gewesen und wurden von einer überwältigenden Menge der bösartigen Zwerge belagert. Mein Gefolge bestand aus 66 Mann, einigen Weibern und Kindern, welche, tatkräftiger als die übrigen, die dünne Flüssigkeit mit den Beeren des Phrynium und des Amomum, sowie mit an feuchten Stellen entdeckten Schwämmen verbessert hatten und deshalb noch ein wenig Kraft besaßen, obwohl die armen Burschen fürchterlich abgemagert waren. 51 Mann nebst Knaben und Weibern waren vor Erschöpfung und Krankheit dermaßen entkräftet, dass keine Hoffnung war, sie am Leben zu erhalten, wenn nicht innerhalb weniger Stunden Lebensmittel eintrafen. Mein weißer Gefährte und 13 Mann hatten die Gewissheit, genügend Nahrung zu besitzen, um den Kampf gegen einen peinvollen Tod noch zehn Tage in die Länge zu ziehen; wir, die wir zur Aufsuchung der Vermissten bestimmt waren, besaßen nichts. Wir konnten uns von Beeren ernähren, bis wir vielleicht eine Pflanzung zu erreichen vermochten. Auf dem Marsche kamen wir im Laufe des Nachmittags an mehreren Leichen in verschiedenen Stadien der Verwesung vorüber, und der Anblick der dem Tode Geweihten, der Sterbenden und Toten rief in meinen Nerven ein solches Gefühl der Schwäche hervor, dass ich derselben fast erlag. Jeder im Lager war durch Mutlosigkeit und Leiden gelähmt, die Verzweiflung hatte alle stumm gemacht und kein Laut unterbrach das Todesbrüten. Es war eine Gnade für mich, dass ich kein vorwurfsvolles Murren hörte, kein Zeichen des Tadels bemerkte. Ich fühlte aufs tiefste die Schrecknisse der Stille von Wald und Nacht. Schlaf war unmöglich. Meine Gedanken verweilten bei dem wiederholten Ungehorsam, welcher so viel Elend und Sorge verursacht hatte. Halsstarrige, aufrührerische, unverbesserliche menschliche Natur, die stets ihr tierisches, brutales Wesen zeigt – mögen die Elenden für ewige Zeiten verdammt sein! Ihre vollständige Gedankenlosigkeit, ihre Vergesslichkeit und das fortwährende Nichthalten von Versprechen töten mehr Menschen und verursachen mehr Elend, als das Gift der Wurfspieße, die Widerhaken und Spitzen der Pfeile. Wenn ich sie treffe, werde ich… – Aber ehe ich den Entschluss gefasst hatte, tauchten in meiner Erinnerung die Leichen am Wege, die dem Tode Geweihten im Lager und die Verhungernden in meiner Nähe auf, und ich dachte an die 150 Mann, die in dem unbarmherzigen Walde rettungslos verirrt oder ohne Hoffnung auf Rettung von Wilden umzingelt waren. Wundert es Sie, dass die natürliche Verbitterung des Herzens sich milderte und dass ich wiederum meine Sache Ihm empfahl, der uns allein helfen konnte? – Am nächsten Morgen, kaum eine halbe Stunde nach dem Aufbruche, trafen wir die Fouragierer wohlbehalten, gesund, kräftig und mit vier Tonnen Paradiesfeigen beladen. Sie können sich denken, welches Freudengeschrei diese wilden Kinder der Natur ausstießen, wie dieselben sich auf die Früchte stürzten, wie rasch sie die Feuer anzündeten, um zu rösten, zu kochen und zu backen, und wie schnell wir, nachdem sie sämtlich gesättigt waren, nach dem Lager zurückeilten, um auch die bei Herrn Bonny zurückgebliebenen Unglücklichen zu erfreuen!

Wenn ich die vielen schrecklichen Episoden im Geiste vorüberziehen lasse und über die wunderbare Rettung vor vollständiger Vernichtung nachdenke, welche uns während der verschiedenen Hin- und Hermärsche durch den dunkeln, ungeheuren Urwald bedroht hat, so bin ich außer Stande, unsere Errettung einer anderen Ursache zuzuschreiben, als der gnadenreichen Vorsehung, welche uns zu ihren eigenen Zwecken beschützt hat. Die gesamte Kriegsmacht Europas würde in der schrecklichen Not, in welcher wir in jenem Lager zwischen dem Dui und Ihuru uns befanden, uns keine Hilfe haben leisten können; eine Armee von Forschungsreisenden hätte, wenn wir bei dem letzten Kampfe umgekommen wären, unsere Spur bis zu dem Schauplatz desselben nicht verfolgen können, denn wir würden sicherlich tief, bis zur vollsten Vergessenheit tief unter dem Humus der weglosen Wildnis begraben gewesen sein.

In diesem demütigen und dankbaren Gefühle beginne ich die Schilderung des Verlaufs der Expedition von ihrem ersten Entwurf durch Sie bis zu dem Tage, als der Indische Ozean, so klar und blau wie der Himmel, sich zu unseren Füßen ausdehnte und wir mit Recht ausrufen konnten: „Es ist zu Ende!“

Ich habe niedergeschrieben, was das Publikum erfahren sollte, doch gibt es viele Dinge, welche murrende, zynische, ungläubige und gemeine Menschen nicht zu wissen brauchen. Ich schreibe für Sie und Ihre Freunde und für diejenigen, welche mehr Licht über das dunkelste Afrika wünschen, sowie für diejenigen, welche Interesse an allem nehmen, was die Menschheit berührt.

Mein Glaubensbekenntnis war, ist und wird, wie ich hoffe, auch bleiben: für das Beste zu wirken, den richtigen Gedanken zu fassen und das richtige Wort zu sprechen, soweit gute Beweggründe dies gestatten. Wenn mir eine Mission anvertraut wird, wenn mein Gewissen dieselbe als edel und recht billigt und ich das Versprechen gegeben habe, sie nach meinen besten Kräften dem Buchstaben und dem Sinne nach zur Ausführung zu bringen, dann trage ich ein Gesetz in mir, dem zu gehorchen ich gezwungen bin. Und wenn meine Gefährten mir durch ihr Benehmen und ihre Taten den Beweis liefern, dass dieses Gesetz für sie ebenso zwingend ist, dann erkenne ich sie als meine Brüder an. Es macht mir daher ein unbeschreibliches Vergnügen, die unschätzbaren Dienste meiner Freunde Stairs, Jephson, Nelson und Parke zu bezeugen, vier Männer, die sich ihren verschiedenen Pflichten in so vollkommener Weise gewidmet haben, als die menschliche Natur überhaupt dessen fähig ist. Da man einem Menschen einen Nachruf eigentlich erst schreiben kann, wenn er in seinem Grabe ruht, habe ich es während der Reise selten versucht ihnen zu sagen, wie hoch ich den stets bereiten Gehorsam schätzte, welchen Stairs bewies, den Ernst, welcher Jephson bei der Arbeit auszeichnete, den tapferen, soldatischen Charakter Nelson's und die zarte, sorgsame Liebe, welche unser Arzt seinen leidenden Patienten zuteilwerden ließ. Jetzt aber, nun die beschwerlichen Märsche vorüber sind und sie ohne Murren die ganze lange Zeit hindurch geduldet und gearbeitet haben, fühle ich, dass meine Worte zu arm sind, um die dauernden Verpflichtungen, die ich gegen einen jeden von ihnen habe, vollständig auszudrücken.

Dass jeder derjenigen, welche gefallen sind oder wegen Krankheit oder wegen eines Unfalls zurückgesandt wurden, solange er sich in meiner Gesellschaft befand, vollständig fähig zu sein schien, den höchsten Erwartungen zu entsprechen, gebe ich mit Vergnügen zu. Ich habe niemals an irgendeinem von ihnen gezweifelt, bis Herr Bonny mir die traurige Geschichte von der Nachhut vortrug. Während ich positive Beweise dafür besitze, dass Major Barttelot und Herr Jameson während des monatelangen Aufenthalts in Jambuja von Pflichteifer und Tatenlust durchdrungen waren, habe ich mich vergeblich bemüht, festzustellen, weshalb sie nicht ihrer schriftlichen Instruktion gemäß vordrangen, oder weshalb die Herren Ward, Troup und Bonny nicht den Vorschlag machten, in kleinen Märschen vorwärts zu marschieren, anstatt in Jambuja wie die 100 gestorbenen Leute zu verkommen, wozu offenbar Gefahr vorhanden war. Auf diese einfache Frage gibt es keine Antwort. Ihre acht Reisen nach den Stanley-Fällen und Kasongo belaufen sich insgesamt auf über 1.900 km; ihre Tagebücher, Logbücher und Briefe enthalten zahlreiche Beweise, dass sie die Elemente des Erfolgs in sich trugen. Ich vermag nicht zu verstehen, weshalb die fünf Offiziere, welche die Mittel zum Vordringen besaßen, eingestandenermaßen begierig waren den Marsch anzutreten und vom höchsten Mute beseelt waren, sich nicht auf unserer Route fortbewegten, wie es ihnen befohlen war; oder weshalb die Offiziere, obwohl sie immer noch glaubten, dass ich noch am Leben sei, mein Privatgepäck den Fluss hinabschickten und ihren Oberbefehlshaber in einen Zustand der Not versetzten; oder weshalb sie den europäischen Proviant in Konservenbüchsen und zwei Dutzend Flaschen Madeirawein flussabwärts sandten, während sich 33 kranke und hungrige Leute im Lager befanden; oder weshalb Herr Bonny gestattete, dass seine eigenen Rationen während seiner Anwesenheit fortgesandt wurden; oder weshalb Herr Ward mit einer Depesche flussabwärts geschickt und ihm auch noch ein Befehl nachgesandt wurde, der seine Rückkehr zur Expedition verhindern sollte. Das sind einige der Fragen, welche mir rätselhaft sind und für die ich befriedigende Lösungen nicht habe erhalten können. Hätte mir irgend sonst jemand mitgeteilt, dass solche Dinge sich ereignet hätten, ich würde dieselben bezweifelt haben, aber ich schöpfe meine Kenntnis einzig und allein aus dem offiziellen Berichte des Majors Barttelot (vgl. Anhang). Das Telegramm, welches Herr Ward nach der See hinabbrachte, verlangte von dem Komitee in London Instruktionen. Die Herren in London erwiderten jedoch: „Wir verweisen Sie auf das Instruktionsschreiben des Herrn Stanley“. Es wird jedem verständlich sein, dass hier ein Geheimnis vorliegt, für welches ich keine vernünftige Lösung finden kann; möge jeder Leser dieser Erzählung sich deshalb seine eigene Meinung bilden, das Ganze aber in milder Weise beurteilen.

Nach der Auffindung des Herrn Bonny in Banalja hatte ich häufig Gelegenheit, ihm gegenüber zu bemerken, dass seine Bereitwilligkeit und Ergebenheit nicht hinter derjenigen der übrigen zurückstehe, und was Tapferkeit anbelangt, so glaube ich, dass er davon so viel besaß wie der tapferste der anderen. Ich habe nie Ursache gehabt, wegen der Ausführung einer ihm übertragenen Arbeit unzufrieden zu sein, und da er von Banalja bis zum Indischen Ozean sich bei uns stets in vorzüglicher Weise geführt und den vollständigsten und respektvollsten Gehorsam bewiesen hat, so verschleiert sich das Geheimnis des Lebens in Jambuja noch mehr, denn mit 2.000 Soldaten wie Bonny, unter einem tüchtigen Führer, könnte man den ganzen Sudan unterwerfen, beruhigen und regieren.


Teilnehmer der Rettungsexpedition, 1890, ganz rechts Artur Jephson

Bei Erwägung der Unglücksfälle der Nachhut darf man jedoch nicht außer Acht lassen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass wenn es das Los Barttelot's oder Jameson's gewesen wäre, den Platz von Stairs oder Jephson einzunehmen und uns bei der Vorhut zu begleiten, sie sich in gleicher Weise ausgezeichnet haben würden; denn eine Gruppe von jungen Leuten, die wie diese zu jeder Zeit, bei Nacht und bei Tage, erpicht auf Arbeit sind und dieselbe so lieben, wie Barttelot, Jameson, Stairs, Nelson, Jephson und Parke, ist selten zu finden. Müsste ich nochmals die Gründung eines Staates in Afrika unternehmen, dann würden solch unermüdliche, wackere Charaktere für mich geradezu unschätzbar sein. Die Unglücksfälle der Nachhut waren die Folge des am 17. August gefassten Beschlusses, zu bleiben und auf mich zu warten, und des Zusammentreffens mit den Arabern am nächsten Tage.

Was in diesem Werke von Emin Pascha berichtet ist, wird, wie ich hoffe, dem hohen Begriffe von unserm Ideal nicht im geringsten Abbruch tun. Wenn die Wirklichkeit etwas von demselben abweicht, so kann ihm deshalb keine Schuld beigemessen werden. Solange seine Leute ihm treu waren, stand er hinter dem Ideal nicht zurück; als seine Soldaten sich empörten, hörte seine Brauchbarkeit als Gouverneur auf, gerade wie ein Kunsttischler, welcher Werkzeug besitzt, vorzügliche Holzarbeiten herstellen, ohne Werkzeug aber nichts ausrichten kann. Wenn der Pascha keine solche riesenhafte Gestalt besitzt, wie wir angenommen hatten, so kann er dafür gewiss nicht verantwortlich gemacht werden, ebenso wenig wie für sein unmilitärisches Äußere. Wenn der Pascha imstande gewesen war, seine Provinz fünf Jahre lang zu behaupten, so kann er gerechterweise nicht für die Woge des Wahnsinns und die Epidemie des Aufruhrs verantwortlich gemacht werden, welche seine bisher getreuen Soldaten in Rebellen verwandelte. Sie werden in dieser Erzählung zwei besondere Stellen finden, in denen der Pascha beide male mit der strengsten Unparteilichkeit geschildert wird; seine Unglücksfälle vermindern nicht unsere Hochachtung vor ihm, wenn wir auch mit dem Überfluss an dem ihn beseelenden Gefühl für so unwürdige Subjekte wie geschworene Rebellen nicht einverstanden sein mögen. Als Verwaltungsbeamter hat er die schönsten Eigenschaften bewiesen; er war gerecht, taktvoll, treu und mild und liebte die Eingeborenen, welche sich unter seinen Schutz gestellt hatten, und man kann keinen schöneren und besseren Beweis für die Hochachtung, welche seine Soldaten für ihn hegten, wünschen, als die Tatsache, dass er dem Rufe, den er sich durch seine Gerechtigkeit und Milde erworben hatte, sein Leben verdankt. Kurz, jede Stunde, welche er dem Schlafe abdarbte, war vor seiner endgültigen Absetzung irgendeinem nützlichen Zweck gewidmet, der geeignet sein konnte, seine Kenntnis zu vermehren, die Lage der Menschheit zu verbessern und der Zivilisation neues Feld zu erobern. Sie dürfen dies nicht vergessen und es selbst dann nicht außer Betracht lassen, wenn Sie lesen, welche Eindrücke wir von ihm erhalten haben.

Ich muss glauben, dass Herr Mounteney Jephson den höchst wohlwollenden Bericht über die Ereignisse während der Gefangennahme und Haft des Paschas und seiner selbst aus reiner Ergebenheit, Sympathie und Mitgefühl für seinen Freund geschrieben hat. In der Tat tritt das Wohlwollen und die Sympathie, welche er für den Pascha hegt, so offen zu Tage, dass ich ihn scherzweise beschuldige, entweder Mahdist, Arabist oder Eminist zu sein, während man eigentlich unwillig sein könnte, wenn man in eine Falle gelockt wird mit der Aussicht, ein Sklavenleben in Khartum zu führen! Als dem Pascha die Briefe des Herrn Jephson vorgelegt wurden, bestätigte er, wie Sie sehen werden, deren Inhalt. Spätere Beobachtungen haben die Wahrheit der von Herrn Jephson gemachten Bemerkung auch bewiesen, welcher sagte: „Das Gefühl ist der schlimmste Feind des Paschas; Emin hält hier nichts zurück, als Emin selbst“. Was ich an Jephson am meisten bewundere, ist der offenbare Konflikt in ihm zwischen seiner Pflicht mir gegenüber als mein Vertreter und seiner Freundschaft für den Pascha.

Während wir natürlich bedauern müssen, dass Emin Pascha auf seine Truppen nicht den erforderlichen Einfluss besaß, der ihren vollständigen Gehorsam, ihre Zuverlässigkeit und ihre Treue veranlasst hätte, sie folgsam gegen die Gesetze und Gebräuche der Zivilisation gemacht, sie gezwungen hätte, die Eingeborenen als Mitgeschöpfe zu achten und zu Wächtern und Beschützern des Friedens, des Eigentums zu machen, ohne welche es keine Zivilisation gibt, werden viele der Ansicht sein, dass, da der Gouverneur hierzu nicht imstande war, es vielleicht ganz gut sei, dass die Ereignisse den jetzigen Verlauf genommen haben. Den afrikanischen Eingeborenen kann man nicht die Lehre beibringen, dass die Zivilisation ein Segen ist, wenn man gleichzeitig gestattet, dass sie von einer zügellosen Soldateska nach Belieben unterdrückt, in menschenunwürdiger Weise behandelt, beraubt und in die Sklaverei getrieben werden! Die Gewohnheit, die Eingeborenen für nicht besser als heidnische „Abid“ oder Sklaven zu halten, datiert von Ibrahim Pascha und muss vollständig abgeschafft werden, ehe man außerhalb der Militärniederlassungen irgendetwas wird sehen können, was Ähnlichkeit mit der Zivilisation hat. Wenn jedes Getreidekorn, jedes Stück Geflügel, jede Ziege, jedes Schaf und jede Kuh, welche die Truppen brauchen, mit gutem Gelde oder dessen Wert in Notwendigen Waren bezahlt wird, dann wird der Einfluss der Zivilisation unüberwindlich sein und dann kann sogar die christliche Lehre eingeführt werden; ohne unparteiische Rechtspflege sind aber beide unmöglich, und sie werden sicherlich niemals zur Einführung gelangen, wenn die Rechtspflege von Raub begleitet wird oder ihn im Gefolge hat, wie es nach meiner Befürchtung im Sudan nur zu allgemein Brauch gewesen ist.

Diejenigen, welche die wahre Gerechtigkeit hochhalten, mögen einigen Trost finden in dem Gedanken, dass, bevor die Zivilisation in ihrer wahren und wirklichen Form in Äquatoria eingeführt wird, die Eingeborenen jetzt einige Zeit Ruhe und Frieden haben werden, und dass, wie auch das Land ausgesehen haben mag, doch alles mit Ausnahme einiger Orangen- und Zitronenbäume unter höheren, besseren und dauernderen Auspizien innerhalb eines Monats ersetzt werden kann.

Wenn ich während der Expedition meiner wirklichen Freundschaft und Ergebenheit für Sie und meine Freunde vom Emin-Entsatz-Komitee nicht genügend Ausdruck gegeben habe, so schreiben Sie dies, bitte, dem Mangel an Gelegenheit und der Macht der Verhältnisse zu, nicht aber einer Lauheit und Unaufrichtigkeit meinerseits. Wenn Sie und meine Freunde aber etwa überzeugt sind, dass ich, soweit es in meiner Macht lag, die mir anvertraute Mission getreulich und loyal in demselben Sinne und zu demselben Zwecke erfüllt habe, wie Sie selbst es getan haben würden, wenn Sie physisch und moralisch imstande gewesen wären, uns zu begleiten, dann bin ich in der Tat zufrieden, und das höchste Lob würde meiner Ansicht nach nicht der einfachen Anerkennung gleichkommen, welche in den Worten liegen würde: „Es ist gut gemacht.“

Mein lieber Sir William, ein nobles, edelmütiges und treues Herz, wie das Ihrige, zu lieben, ist nur natürlich. Nehmen Sie die Versicherung meiner Liebe entgegen, die ich Ihnen seit langer Zeit voll und ganz zu eigen gegeben habe.

Henry M. Stanley.

Herrn Baron Sir William Mackinnon,

von Balinakill und Loup,

Grafschaft Argyleshire,

Vorsitzendem des Emin-Pascha-Entsatz-Komitee etc.


William Mackinnon (Mitte) mit HM Stanley und F. de Winton

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Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika

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