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Vorreden – Brief an F. A. Brockhaus in Leipzig

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Vorreden – Brief an F. A. Brockhaus in Leipzig

34, De Vere Gardens, 27. Mai 1890.

Mein lieber Freund!

Allwöchentlich schreiben mir eine Anzahl Deutsche und Österreicher, leider aber in ihrer eigenen Sprache, von der ich, zu meiner Schande sei's gesagt, kein Wort verstehe. Wenn ich erst mit einer gewissen schönen Dame verheiratet bin, werde ich, da sie eine fast ebenso große Linguistin ist wie Emin, besser imstande sein, die Gesinnungen der Briefschreiber zu würdigen; bis dahin muss ich mich damit begnügen, die deutschen Ergüsse in den Papierkorb zu werfen, ohne zu wissen, ob dieselben Segnungen oder Verwünschungen sind. Denn ich erliege tatsächlich der Last der täglich eintreffenden Briefe und den Scharen von Besuchern. Das Buch ist, Gott sei Dank, aus meinen Händen und ich würde gern eine nette Summe für ein Privilegium langen Schlafes bezahlen, den ich zu verdienen glaube. Ich brauche absolute Ruhe, denn von dem Tage, an welchem ich Emins wegen nach Afrika aufbrach, habe ich mich dieses süßen Balsams für den ermüdeten Körper, den ich so sehnlich zu erlangen wünschte, nicht erfreut. Hoffentlich ist meine geliebte Braut von kräftiger Disposition und trägt mich mit sich hinweg in die Gefilde träumerischen Glückes, wo die Verheirateten Ruhe finden sollen.

Carlyle pflegte zu sagen, die Deutschen seien ein philosophisches Volk, doch habe ich das nicht gefunden. Sie sind ebenso leicht erregbar und leidenschaftlich wie die Franzosen. Was waren die Deutschen beispielsweise in der Sache Emins diesem oder er ihnen, ehe er von uns aus dem Negerlande gebracht wurde? Emin war seiner Gesinnung nach Engländer, wenn auch seine Natur im Wesentlichen deutsch war. Er strebte danach, was er jetzt auch sein mag, in den Dienst Englands zu kommen, das beweisen seine Briefe an das Britische Auswärtige Amt. Allein was kümmerte das mich nach der einen oder anderen Richtung hin? Ich habe mich nicht aufgemacht, um einem Deutschen oder einem Engländer, sondern um einem idealen Gouverneur zu helfen, der sich in meiner Phantasie festgesetzt hatte als ein des Beistands ganz besonders würdiger Mann. Er war ein Statthalter von Gordon, war tief nach Äquatoria hineingeschickt worden und, wie ich glaubte, von den Mahdisten belagert. Mit etwas Munition hoffte ich ihn in den Stand zu setzen, auszuhalten, bis weitere Aufklärung über seine Lage einen noch allgemeineren Wunsch, ihm zu helfen, zur Folge gehabt hätte.

Sie erinnern sich wohl, welche albernen Ansichten über Livingstone herrschten.


David Livingstone – 1813 – 1873

Zu meiner Freude konnte ich bei meiner Rückkehr von ihm der Lesewelt ein anderes Bild von ihm geben, wie er sich als Mann, als Christ, als guter Kamerad und als Gentleman zeigte. Weshalb sollte ich nicht dasselbe für Emin tun, da ich doch mit einer vorgefassten Vorliebe und einem günstigen Vorurteil für ihn aufgebrochen war? Einfach, weil Emins Verhalten mir dies nicht gestattete. Es gelang ihm in der erstaunlichsten Weise, meine Zuneigung zu ihm zu zerstören. Nachstehend Einiges von ihm, was mir heute noch ebenso rätselhaft an ihm ist wie je. Nachdem ich ihn von unserm Kommen in Kenntnis gesetzt hatte, begreife ich nicht, weshalb er nicht auf dem See neun Stunden weiter nach Süden hätte dampfen sollen, um den Eingeborenen mitzuteilen, dass er uns erwarte. An demselben Tage, dem 25. März 1888, an welchem er so zuversichtlich an mich schrieb, schreibt er an Petermann: „Kommt Stanley nicht bald, so sind wir verloren.“ Als ich sechs Wochen später mit ihm zusammentreffe, sagt er mir nichts von allem diesen, und als ich mich von ihm trenne, um die Nachhut aufzusuchen, befinde ich mich in vollständiger Unkenntnis über seine wirkliche Lage, während ein wenig Offenheit viel hätte helfen können. Als ich neun Monate später zu ihm zurückkehre, ist er ein Gefangener. Wenn ich eine Seite an mir entdecken könnte, die in irgendeiner Weise, Gestalt oder Form in ihm Ärgernis erregen durfte, würde ich mit mir streng ins Gericht gehen, allein bis jemand mir dieselbe nachweist, muss ich mich damit begnügen, dies Rätsel ungelöst zu lassen. Ich war bei meinem ersten Besuche 26 Tage mit ihm zusammen und mein Tagebuch ist voll von angenehmen Dingen, fröhlichen Plaudereien am Ufer des Sees und wohltuender Ruhe. Es findet ein ziemlich reger Briefwechsel zwischen uns statt und jedes Schreiben kennzeichnet das gegenseitige Vergnügen aneinander. Je entgegengesetzter unsere Anschauungen über Menschen und Denkweise sind, umso mehr dient dies dazu, das Vergnügen, welches der eine an der Gesellschaft des anderen empfindet, zu steigern und ein herzliches Lachen beendet den Meinungsaustausch. Nichtsdestoweniger erregte manches den Argwohn in mir, dass an Emin etwas sehr seltsam sei, doch gehörte, was dies sei, zu den unentdeckten Dingen, bis ich mit der letzten Abteilung der Entsatz-Expedition zurückkehrte. Dann ist Emin aber Gefangener und es ist zu spät. Ich finde, dass das Geheimnis darin besteht, dass Emin weder eine wirkliche Regierung ausübte, noch eine Provinz besaß und nur von seinen rebellischen Offizieren geduldet gelebt hatte. Vermutlich hatte Stolz ihn schweigen lassen, allein es war ein Fehler, dass er nicht offen genug war, während noch etwas hätte geschehen können. Als er Gefangener war, blieb ihm nichts weiter übrig, als fortzugehen. Wie er fortgegangen ist, wird das Buch am besten schildern, das über die Ereignisse eines jeden Tages Aufklärung gibt. Ich muss jedoch der Wahrheit gemäß sagen, dass er mir von meinem Gesichtspunkte aus heute so unbegreiflich bleibt, wie damals im Lager von Kavalli. Jeder wird sich sein eigenes Urteil über ihn bilden, der eine ein freundliches, der andere ein strenges. Ich will nur das reflektierende Medium sein, und da ich mich bemüht habe, ihn in wohlwollender Weise zu schildern, werden die meisten Leser zu gleichgültig sein, um über die Sache weiter nachzudenken, und zufrieden, in Ruhe gelassen zu werden. Und sie werden weise daran tun.

Was nun Emins Eintritt in deutsche Dienste betrifft, so hat meiner Ansicht nach niemand ein Recht ihn zu tadeln. Ich hoffe, er wird reichen Erfolg erzielen, jedenfalls kann ihm nicht mehr Erfolg beschieden sein, als ich ihm wünsche. Allein die Art und Weise seines Eintritts ist mir ebenso unbegreiflich wie irgendein Teil seiner Geschichte. Ich vermag nicht zu verstehen, weshalb er sich nicht hätte nach Kairo begeben, dem Khedive danken, sein Entlassungsgesuch in gehöriger Form einreichen und nach Europa kommen können, um ebenso viele Festmahle in London wie in Berlin zu genießen und so viele goldene Medaillen zu erhalten, wie er nur weg zu stauen vermochte. Wenn er je den Wunsch nach Festmahlen oder Medaillen ausdrückt, werde ich mein Möglichstes tun, um ihm alles, was er wünscht, zu verschaffen. Er kann alle die meinigen bekommen, sobald er sie wünscht. Wahrscheinlich sind nur seine krankhafte Empfindlichkeit und sein Stolz bei dieser wie bei anderen Gelegenheiten sein größtes Hindernis gewesen. Jedenfalls hat sein Sturz in Bagamoyo jegliche Theorie, die ich mir je über ihn gebildet hatte, über den Haufen geworfen. Als er ins Hospital kam, trat zwischen ihn und mich ein Schatten so dichter und handgreiflicher Art, dass die angenehmen Beziehungen, welche, wie ich glaubte, beständig zwischen uns herrschen sollten, vollständig verdunkelt wurden. Alle unsere Offiziere – und selbst Casati – sind verblüfft, und keiner von uns wagt es, sich eine Ansicht über die Ursache zu bilden.

Über die Bestrebungen der Deutschen in Ost- und Zentralafrika möchte ich nicht viel sagen. Ich habe kein materielles, aber ein ziemlich starkes Gefühlsinteresse an der Angelegenheit. Während ich den Wunsch hege, dass die Deutschen das ernstliche Bestreben zeigen möchten, in ihrem ungeheuren wertvollen Gebiet zwischen den drei Seen, dem Victoria, Tanganjika und Njassa, Gutes zu schaffen, ist es nicht meines Amtes, eine Beschränkung ihres Ehrgeizes zu versuchen, wenn es ihnen belieben sollte, den ganzen Kontinent zu annektieren. Mir ist es keinen Pfifferling wert, wer Afrika gewinnt, aber da ich zahlreiche Freunde bei der Britisch-Ostafrikanischen Gesellschaft besitze, kann ich nicht untätig zuschauen, wenn sie bei den Versuchen, mit dem Deutschen Reiche zu rivalisieren, ihre Tausende nutzlos ausgeben. Ich habe ihnen gesagt, dass sie bis zur Feststellung der Grenzen ihres Gebiets das Geld einfach vergeuden auf Aussendung von Expeditionen, solange sie nicht wissen, wie bald sie in einem Anfall von Überdruss die Deutschen auffordern werden, ihnen das Ganze abzunehmen. Die bei ihnen anzuwendenden Argumente sind auch bei den Deutschen anwendbar. Wenn die Kolonialfreunde in Deutschland der Meinung sind, mehr Geld verdienen zu können, wenn sie die Engländer erst aus Afrika vertreiben, befinden sie sich in einem großen Irrtum. Die gesunde Rivalität zwischen den beiden Nationen ist es, die Ostafrika Wert verleiht.

Wenn die Engländer sich im Überdruss aus Afrika zurückziehen, wird das deutsche Interesse an dem Kontinent untergehen, und wenn die Deutschen infolge irgend eines Zufalles aus einem ähnlichen Grunde Afrika verlassen müssten, würde das britische Interesse daran absterben. Ich würde mich freuen, beide Nationen zu einer gerechten und ehrenhaften Verständigung gelangen zu sehen, dann würden beide prosperieren und ihre beiderseitigen Gebiete nutzbringend machen. Erwägen Sie selbst diesen Gedanken sorgfältig und Sie werden zu demselben Schlusse kommen. Ganz Afrika ist für Großbritannien nicht das wert, was ein Streit mit Deutschland ihm kosten würde, noch wiegt der Kontinent für Deutschland die Kosten eines Bruches mit England auf. Um daher ein gesundes, eifriges Interesse an Afrika anzuregen, sollten beide Nationen sich über ihre Grenzen verständigen; der Reibungsprozess des Einen am Anderen würde hervorbringen, was ich, als Verehrer Afrikas, von ganzem Herzen zu sehen wünsche. England kümmert sich beispielsweise nicht im geringsten mehr um den Kongostaat, weil es keinen Teil daran hat und haben kann; es wird sich, wenn es aus Ostafrika vertrieben wird, auch darum nicht mehr kümmern, und auch die Deutschen werden dann das rege Interesse verlieren, welches ihr Stolz, ihre Eigenliebe usw. jetzt an Ostafrika in der Nachbarschaft einer reichen, starken und unternehmenden Macht nimmt.

Ihr ergebener

Henry M. Stanley.

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Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika

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