Читать книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz - Страница 44
Fünftes Kapitel.
ОглавлениеDer Fürst widersetzte sich dem Zweikampfe nicht. Der herrschenden Sitte gemäß lag dies auch gar nicht in seiner Macht. Dagegen forderte er, daß Rotgier an den Meister und an Zygfryd ein Schreiben des Inhalts sende, er selbst habe zuerst dem masovischen Ritter den Handschuh vor die Füße geworfen. Daraufhin sei es zum Kampfe mit dem Ehegemahl von Jurands Tochter gekommen, der ihm übrigens schon viel früher eine Herausforderung geschickt habe. In diesem Briefe gab der Kreuzritter dem Großmeister auch die Erklärung ab, er stelle sich nur deshalb ohne vorherige Erlaubnis zum Zweikampfe, weil es sich um die Unterdrückung eines widerlichen Verdachtes handle, der Schimpf und Schande auf den Orden häufen würde. Für die Ehre des Ordens sei aber er, Rotgier, jederzeit bereit, sein Blut zu opfern. Dieser Brief wurde sofort durch einen Knecht des Ordensritters an die Grenze geschickt, von wo er dann weiter nach Marienburg mit der Post befördert ward, welche die Kreuzritter schon viele Jahre in ihrem Gebiete eingerichtet hatten.
Mittlerweile wurde in dem Burghofe der Schnee festgetreten und mit Asche bestreut, damit die Füße der Kämpfenden nicht einsinken oder auf der glatten Oberfläche ausgleiten konnten. In der ganzen Burg herrschte eine ungewöhnliche Lebendigkeit. Eine solche Erregung hatte sich der Ritter und des Hofes bemächtigt, daß in der, dem Kampfe vorangehenden Nacht kein Auge den Schlaf fand. Man wurde nicht müde, sich gegenseitig zu versichern, daß ein Kampf zu Pferde mit Lanze oder Schwert fast stets Verwundungen herbeiführe, ein Kampf zu Fuß, der zudem mit der fürchterlichen Streitaxt ausgefochten werden sollte, immer einen tödlichen Ausgang nehme.
Die Herzen aller waren auf der Seite von Zbyszko. Aber gerade wegen der großen Vorliebe eines jeden für ihn oder für Danusia gedachten auch die meisten voll banger Sorge der Berühmtheit und Gewandtheit des Kreuzritters. Viele der Frauen verbrachten die Nacht in der Kirche, wo Zbyszko vor dem Zweikampfe bei Pater Wyszoniek die Beichte ablegte. Beim Anblick der fast knabenhaften Züge des jungen Ritters sprach eine zu der andern: »Das ist ja noch ein wahres Kind – weshalb soll sein jugendliches Haupt unter den deutschen Schwertstreichen fallen!« Und mit noch tieferer Inbrunst beteten sie um Schutz für ihn. Als er sich indessen bei Anbruch der Morgendämmerung von seinen Knien erhob und durch die Kapelle schritt, um sich in der Rüstkammer zu wappnen, da faßten die Frauen wieder frischen Mut. Denn wenn auch Zbyszko ein knabenhaftes Antlitz hatte, zeichnete er sich doch durch einen weit über das gewöhnliche Maß hinausgehenden, hohen, kräftigen Wuchs aus und machte dadurch den Eindruck eines geradezu vor Kraft strotzenden Jünglings, der es mit jedem aufzunehmen vermochte.
Der Kampf sollte in dem von einer Säulenhalle umgebenen Burghofe ausgefochten werden.
Kaum tagte es völlig, so erschienen der Fürst und die Fürstin mit den Kindern. Sie nahmen in der Mitte der Säulenhalle Platz, da man von hier aus den ganzen Vorhof am besten überblicken konnte. Ihnen zur Seite ließen sich die Vornehmsten des Hofes nieder, die Edelfrauen und die Ritter. Allmählich füllte sich jeglicher Winkel der Halle. Hinter einem von Schnee aufgeworfenen Walle stellte sich der größte Teil des Gesindes auf. Etliche kletterten sogar auf die Fenstergesimse oder auf das Dach.
»Gebe Gott, daß sich der Unsrige nicht ergeben muß!« flüsterten diese einfachen Leute einander zu.
Der Tag war feucht, kalt, aber klar. Ein Schwarm von Dohlen, die unter den Dachfirsten und in den Zinnen der Türme nisteten und von dem ungewöhnlichen Lärm aufgescheucht worden waren, flogen wild mit den Flügeln schlagend über der Burg hin und her. So groß war die Erregung von all den hier Versammelten, daß sie die herrschende Kälte durchaus nicht empfanden. Als aber nun gar der erste Trompetenstoß ertönte, der das Nahen der Kämpfer verkündete, da klopften die Herzen aller zum Zerspringen. Jene hingegen betraten von zwei entgegengesetzten Seiten die Schranken und blieben innerhalb der ihnen bestimmten Grenzen stehen. Den Zuschauern stockte der Atem in der Brust. Ein jeder sagte sich: »In nicht allzuferner Zeit werden vielleicht zwei Seelen vor dem Richterstuhle Gottes stehen, werden vielleicht zwei Leichname auf dem Schnee liegen.« Die Lippen, die Wangen der Frauen erbleichten bei diesem Gedanken, die Männer hingegen hielten die Blicke unverwandt fest auf die Widersacher gerichtet, hofften sie doch nach deren Erscheinung und Ausrüstung voraussagen zu können, auf wessen Seite sich der Sieg neigen werde.
Der Kreuzritter trug einen glänzenden, bläulich schimmernden Harnisch, das gleiche Hüftblech und einen ebensolchen Helm mit offenem Visier und mit einem prächtigen Pfauenfederbusche als Helmzier. Zbyszko erschien in der wunderbar schönen mailändischen Rüstung, die er seinerzeit von den Friesen erbeutet hatte. Sein Haupt schützte er durch einen schmucklosen, mit einer breiten Kante versehenen Helm, dessen Visier gleichfalls offen war. Mit der linken Hand hielten beide Ritter ihren mit Wappen versehenen Schild. Den Schild des Kreuzritters zierten oben Schachfelder, unten drei Löwen, die auf den Hinterbeinen standen. Auf dem Schilde Zbyszkos befand sich ein stumpfes Hufeisen. Die Rechte umfaßte die breite scharfe Streitaxt, deren eichener, schwarzgewordener Stil an Länge den Arm eines Mannes überragte. Hinter den Rittern schritten deren Knappen einher. Hlawa, von Zbyszko Glowacz genannt, und van Krist, die mit dunkeln Harnischen aus Eisenblech bekleidet, mit Axt und Schild bewaffnet waren. Van Krist führte einen Ginsterstrauch im Wappen, das Wappen des Böhmen ähnelte dem Wappen, das »Pamian« genannt wurde, nur daß statt der Axt, die den Stierkopf spaltete, ein kurzes Schwert bis zur Hälfte in dessen Auge steckte.
Ein zweiter Trompetenstoß erscholl. Beim dritten sollte, der Uebereinkunft gemäß, der Angriff beginnen. Kein allzu großer, mit Asche bestreuter Platz trennte die Gegner, über diesem Raum aber schwebte, gleich einem Unheil verkündenden Vogel – der Tod. Ehe indessen das dritte Zeichen gegeben ward, näherte sich Rotgier den Säulen, zwischen denen das Fürstenpaar saß, neigte sein behelmtes Haupt und sprach mit einer so lauten Stimme, daß man ihn in allen Winkeln der Säulenhalle verstehen konnte: »Ich nehme Gott, Euch, erhabene Frau, und die ganze Ritterschaft dieses Landes zu Zeugen, daß ich schuldlos bin an dem Blute, welches vergossen werden wird.«
Bei diesen Worten des Kreuzritters, die Zeugnis dafür ablegten, wie sicher sich dieser seines Sieges fühlte, krampften sich aller Herzen aufs neue vor Schrecken zusammen. Zbyszko aber wandte sich in seiner schlichten Art unverweilt zu dem Böhmen und sagte: »Widerlich mutet mich der Hochmut des Kreuzritters an, der wohl nach meinem Tode berechtigt wäre, nicht aber solange ich lebe. Jener Prahlhans aber trägt zudem Pfauenbüsche auf dem Helme, und ich habe nicht nur gelobt, mich dreier solcher zu bemächtigen, sondern so vieler als ich Finger an den Händen habe. Gott gebe seinen Segen dazu!«
»O Herr!« ließ sich hierauf Hlawa fragend vernehmen, während er sich niederbeugte und ein wenig von der auf den Schnee gestreuten Asche in die Hände nahm, damit ihm das Schwert nicht so leicht entgleite, »o Herr, kann es nicht Christus gewähren, daß ich rasch mit diesem preußischen Klepper fertig werde? Und steht es mir dann nicht frei, diesem Kreuzritter, wenn ich ihn vielleicht auch nicht angreifen darf, den Stiel der Streitaxt zwischen die Beine zu stoßen und ihn dadurch zu Falle zu bringen?«
»Gott schütze Dich!« rief Zbyszko lebhaft, »mit Schande würdest Du mich und Dich bedecken!«
Jetzt erklang der dritte Trompetenstoß. Kaum hatten ihn die Knappen vernommen, so eilten sie voll wildem Eifer aufeinander zu, die Ritter jedoch traten sich langsam und bedächtig entgegen, gerade als ob ihnen für den ersten Zusammenprall Würde und Anstand ganz besonders ans Herz gelegt worden wäre.
Nur wenige achteten auf die Knappen, die aber von den erfahrenen Mannen und von dem Gesinde, welche auf jene schauten, begriffen sofort, daß sich in diesem Kampfe die Wagschale zu Gunsten Hlawas neigen werde. Nur mühsam führte der Deutsche die Streitaxt, und die Art, wie er seinen Schild gebrauchte, hatte etwas Schlaffes. Unter dem runden Schilde kamen seine langen aber dünnen Beine zum Vorschein, während die kraftvollen Beine des Böhmen durch die enganschließende Gewandung so recht in die Augen fielen. Hlawa ging auch so ungestüm vor, daß van Krist vom ersten Augenblicke an zurückweichen mußte. Die Beobachter verstanden sofort, daß der eine von diesen Widersachern den andern wie ein Sturmwind, wie ein Blitzstrahl mit uneindämmbarem Feuereifer überfalle, und daß dieser andere nur kämpfe, um solange wie möglich den gefürchteten Augenblick von sich fernzuhalten, der ihm, seinem eigenen Gefühle nach, den Tod bringen mußte. Und so war es auch in der That, der Prahlhans, welcher sich überhaupt nur zum Kampfe stellte, wenn er ihm nicht ausweichen konnte, erkannte gleich, daß die kecken, unbedachtsamen Worte ihm einen Gegner zugeführt hatten, dessen Streiche Verderben bedeuteten. Sein Mut sank daher immer mehr, denn von einem jeden Schlag fürchtete er, zu Tode getroffen zu werden. Umsonst rief er es sich ins Gedächtnis zurück, daß es nicht genüge, die Hiebe mit dem Schilde aufzufangen, daß man Hiebe austeilen müsse. Beständig sah er die Streitaxt über seinem Haupte blinken, stets glaubte er, nun sei es mit ihm zu Ende. Den Schild vorhaltend, blinzelte er unwillkürlich mit den Augen voll Angst und Verzweiflung, ob er sie noch öffnen könne. Dann und wann holte er auch selbst zu einem Schlage aus, ohne indessen die Hoffnung zu hegen, seinen Widersacher zu treffen, und immer höher und höher hielt er den Schild in dem Glauben empor, sich dadurch besser schützen zu können.
Schließlich ward er matter und matter, und der Böhme schlug immer kräftiger auf ihn ein. Aehnlich wie von einem Fichtenstamme unter der Axt des Bauern mächtige Späne abspringen, so lösten sich unter den Streichen des Böhmen Plättchen auf Plättchen von der Rüstung des deutschen Knappen ab. Der breite Rand des Schildes bog sich und wurde brüchig, das Schulterblech am rechten Arme fiel zusammen mit dem durchhauenen und ganz mit Blut getränkten Lederwerk zur Erde. Van Krists Haare sträubten sich auf dem Haupte – Todesangst erfaßte ihn. Ein-, zweimal schlug er noch mit Aufbietung all seiner Kraft auf des Böhmen Schild. Schließlich jedoch sah er entsetzt ein, daß er gegen die erstaunliche Stärke seines Widersachers nicht aufzukommen vermöge, daß er sich nur durch irgend eine außergewöhnliche That retten könne, und so warf er sich plötzlich in seiner ganzen Schwere gegen die Beine von Hlawa.
Sofort stürzten beide zu Boden. In dem Bestreben eines jeden, die Oberhand über den andern zu gewinnen, umfaßten sie sich und wälzten sich auf dem Schnee. Nach geraumer Zeit gelang es indessen dem Böhmen, seinen Oberkörper freizumachen. Wohl ward er noch eine Weile lang durch die verzweiflungsvollen Anstrengungen seines Gegners darnieder gehalten, dann aber setzte er das Knie auf dessen mit einem Panzerhemd bedeckten Leib und riß das kurze, dreikantige Misericordia aus dem Gürtel.
»Gnade!« flüsterte van Krist leise, indem er die Augen zu dem Böhmen erhob.
Ohne indessen eine Antwort zu erteilen, beugte sich jener über den Besiegten, damit er leichter dessen Hals erreichen konnte, zerschnitt hierauf den Lederriemen des Helmes unter dem Kinn und stieß dem Gegner den unheilbringenden Dolch zweimal so tief in die Kehle, daß die nach unten gerichtete Spitze sogar in die Brust eindrang.
Van Krists Augen sanken tief in die Höhlen. Mit Armen und Beinen schlug er auf den Schnee, als ob er diesen von der Asche reinigen wolle, dann zuckte sein ganzer Körper zusammen und noch war keine Minute vergangen, so lag er unbeweglich, starr dahingestreckt auf der weißen Decke. Rotgefärbter Schaum trat auf seine Lippen, er war über und über mit Blut befleckt.
Nun erhob sich der Böhme. Er reinigte das Misericordia an der Gewandung des Deutschen, ergriff seine Streitaxt und sich darauf stützend beobachtete er unverwandt den erbitterten und hartnäckigen Kampf seines Ritters mit Bruder Rotgier.
Die Ritter aus dem Westen waren schon längst an ein bequemes, üppiges Leben gewöhnt, während die »Erben« in Kleinpolen und Großpolen, sowie in Masovien noch immer ein hartes, schweres Dasein führten, infolgedessen freilich aber auch ihre Körperkraft und ihre Ausdauer im Ertragen aller Art von Fährlichkeiten bei Fremden, ja sogar bei Uebelwollenden Bewunderung erregte. So zeigte es sich zwar auch jetzt, daß Zbyszko ebenso sehr den Kreuzritter an Kraft überragte, wie dies bei dem Böhmen dem Knappen van Krist gegenüber der Fall gewesen war, allein es erwies sich gleichzeitig, daß der junge Kämpe nicht nur an Alter, sondern auch in den ritterlichen Uebungen hinter dem Ordensbruder zurückstand.
Für Zbyszko war es daher gewissermaßen günstig, daß der Kampf mit der Streitaxt geführt ward, da von Entfaltung einer Fechtkunst mit dieser Waffe nicht die Rede sein konnte. Hätte er mit dem kurzen oder mit dem langen Schwerte kämpfen müssen, wobei es hauptsächlich darauf ankam, jeden Ausfall, jeden Stoß zu berechnen, jeden Hieb abzuweisen, würde der Deutsche ein erhebliches Uebergewicht über ihn gewonnen haben. Aber auch die Art, wie der Ordensbruder sich jetzt bewegte, wie er den Schild handhabte, machte es nicht nur Zbyszko selbst, sondern auch den Zuschauern klar, daß sie einen erfahrenen, nicht zu verachtenden Streiter vor sich hatten, der offenbar nicht zum erstenmale in solcher Weise kämpfte. Sobald Zbyszko zum Schlage ausholte, hielt Rotgier den Schild vor, im Augenblicke des Zuschlagens aber zog er ihn durch eine kleine Schwenkung unmerklich zurück. Dadurch verloren selbst die wuchtigsten Hiebe an Kraft, dadurch vermochten sie weder den Schild zu zertrümmern, noch dessen glatte Oberfläche zu zermalmen. Bald zog sich der Kreuzritter zurück, bald ging er vor, das eine Mal that er dies aber mit einer solchen Ruhe, das andere Mal wieder so rasch, daß das Auge seinen Bewegungen kaum zu folgen vermochte. Des Fürsten Herz ward allmählich von Angst um Zbyszko erfüllt, die Gesichtszüge der Mannen verdüsterten sich, dünkte doch allen, der Deutsche treibe ein absichtliches Spiel mit seinem Gegner. Oft hielt er den Schild gar nicht mehr vor, sobald indessen Zbyszko zuschlug, sprang er in der Weise zur Seite, daß die Schneide des Beiles in die Luft fuhr. Dies war um so gefährlicher, weil Zbyszko dabei leicht das Gleichgewicht verlieren und stürzen konnte, wodurch er unrettbar verloren gewesen wäre. All dies beobachtete der Böhme, an der Leiche van Krists stehend, sehr wohl. Voll Schrecken dachte er daher bei sich: »Gott schütze mich, wenn mein Herr stürzt, schlage ich dem Deutschen mit dem Beile zwischen die Schulterblätter und bringe ihn auch zu Fall.«
Zbyszko kam indessen nicht zu Fall. Er besaß eine solche Kraft in den Beinen, die er weit ausgespreizt hielt, daß er trotz der Schwere seines Körpers, trotz der fortwährenden Schwankungen fest standhielt.
Rotgier ward dies sofort klar, und die Zuschauer irrten sich in ihrer Annahme, er achte seinen Gegner gering. Im Gegenteile, gleich nach den ersten Hieben, als ihm, trotz der großen Geschicklichkeit in der Handhabung des Schildes, der rechte Arm fast steif wurde, wußte er, welch schweren Stand er diesem jungen Ritter gegenüber haben werde, und daß der Kampf, wenn es ihm nicht gelingen sollte, durch eine plötzliche und unerwartete Wendung jenen zu Fall zu bringen, ein langer, hartnäckiger werden würde. Er hatte darauf gerechnet, daß Zbyszko nach einem der vergeblichen Schläge auf dem Schnee ausgleiten werde, als er sich aber darin getäuscht sah, da bemächtigte sich seiner eine gewisse Unruhe. Nur zu gut gewahrte er unter dem geöffneten Visiere die eingezogenen Nasenlöcher, die zusammengepreßten Lippen, die zeitweise blitzenden Augen des Widersachers, und er hoffte nun darauf, Zbyszko lasse sich von seinem Feuereifer fortreißen, vergesse alles um sich her, verliere den Kopf und denke schließlich in seiner Verblendung nur mehr daran, Streiche auszuteilen, als sich zu schützen. Allein auch darin irrte sich der Kreuzritter. Zbyszko verstand es zwar nicht, die in die Luft geführten Hiebe zu vermeiden, trotzdem jedoch vergaß er nicht des Schildes und wußte sich, sobald er mit der Streitaxt zum Schlage ausholte, soweit zu decken, als es nötig war. Seine Wachsamkeit verdoppelte sich offenbar; augenscheinlich beurteilte auch er die Erfahrung und die Gewandtheit seines Gegners ganz richtig, den er vergaß sich keinen Augenblick, blieb stets Herr seiner selbst und ging immer vorsichtiger zu Werke. In seinen Angriffen zeigte sich eine gewisse Bedachtsamkeit, wie sie nicht unüberlegter Eifer, sondern nur kalte Berechnung hervorzubringen vermag.
Rotgier, der schon viele Einzelkämpfe bestanden, der schon manche Schlachten angeführt hatte, wußte aus Erfahrung, daß es Menschen gab, die, gleich den Raubvögeln, zum Kampfe geschaffen und von der Natur mit besonderen Eigenschaften dazu ausgestattet sind, Menschen, welche von vornherein all die Eigenschaften besitzen, die sich andere Jahre hindurch mühsam erringen müssen. Einem solchen Menschen aber stand er jetzt gegenüber, das bezweifelte er keinen Augenblick. Vom ersten Zusammenstoße an wußte er, daß dieser junge Ritter dem Reiher glich, der in dem Gegner nur die Beute sieht und an nichts anderes denkt, als sie zwischen seine Klauen zu bekommen. Ungeachtet der gewaltigen eigenen Kraft konnte er sich darin doch nicht mit Zbyszko messen. Wenn aber nun auch noch gar diese Kraft erlahmte, bevor er den entscheidenden Streich geführt hatte? Das würde sein Verderben bedeuten, zu Grunde gehen würde er in dem Kampfe mit diesem zwar unerfahrenen, aber furchtbaren jungen Streiter. Dies erwägend, schonte er seine Kräfte jetzt mehr. Fest hielt er den Schild nun an sich, eine jede seiner Bewegungen berechnete er. Weit weniger als früher ging er vor, um gleich darauf wieder zurückzuweichen, nur auf eines hielt er sein Augenmerk gerichtet. Unentwegt harrte er auf einen günstigen Moment, um den entscheidenden Streich führen zu können.
Der entsetzliche Kampf zog sich über die Maßen in die Länge. In der Säulenhalle herrschte eine tödliche Stille. Nur zeitweise war ein Klirren, ein dumpfer Klang zu vernehmen, wenn die Streitäxte auf die Schilde aufschlugen. Weder dem Fürstenpaare, noch den Rittern oder dem Hofstaate war ein solches Schauspiel fremd, nichtsdestoweniger aber preßte eine entsetzliche Angst die Herzen aller Zuschauer zusammen. Ein jeder begriff, daß es sich hier nicht darum handelte, Kraft, Gewandtheit und Mannhaftigkeit zu entfalten, sondern daß der Kampf mit der größten Wut, mit der größten Verzweiflung, mit unversöhnlichem Haß und glühendstem Rachedurst geführt ward. Auf der einen Seite stritt man erlittener Kränkung wegen, aus Liebe, aus grenzenlosem Herzeleid in diesem Gottesgerichte, auf der andern Seite zur Ehre des Ordens, aus grenzenloser Feindschaft.
Allmählich erhellte sich der kalte, düstere Tag. Die grauen Nebelschleier zerteilten sich, in dem Glanze der Sonne blinkten der Harnisch des Kreuzritters, die silberne mailändische Rüstung Zbyszkos. In der Kapelle wurde die Terz eingeläutet. Kaum erklangen indessen die Glocken, so flatterte ein neuer Schwarm Dohlen so heftig mit den Flügeln schlagend und so laut krächzend unter den Dachfirsten der Burg hervor, als ob sie ihrer Freude Ausdruck verleihen wollten über das vergossene Blut und über den Leichnam, der so unbeweglich auf dem Schnee lag. Rotgiers Blick schweifte während des Kampfes ein oder zweimal über jenen hin, und stets ergriff ihn dabei das Gefühl unendlicher Vereinsamung. Wohl ruhten die Augen gar vieler auf ihm, aber Feindschaft leuchtete aus diesen Augen. Nur für Zbyszko beteten die Frauen, nur ihm galten all die guten Wünsche. Außerdem erweckte auch die Anwesenheit des Knappen ein Gefühl der Unbehaglichkeit in dem Kreuzritter. Nur zu gut wußte ja letzterer, daß ihn der Böhme nicht meuchlings im Rücken überfallen werde, allein trotzdem erfüllte ihn die Nähe der mächtigen Erscheinung mit der Unruhe, welche die Menschen beim Anblick eines Wolfes, eines Bären, eines Büffels empfinden, ohne von diesen Tieren durch ein Gitter getrennt zu sein. Und um so weniger konnte Bruder Rotgier diese Unruhe bemeistern, als der Böhme, von dem Wunsche beseelt, den Verlauf des Kampfes genau zu verfolgen, sich fortwährend hin und her bewegte, den Platz wechselte. Bald von der Seite, bald von hinten, bald von vorn nahte er sich dem Kämpfenden und warf ihm, den Kopf neigend, entweder durch die Oeffnungen des Visieres hindurch Unheil verkündende Blicke zu, oder er öffnete dasselbe zeitweise, um die Wirkung dieser Blicke noch zu verschärfen.
Eine gewisse Erschöpfung bemächtigte sich allgemach des Kreuzritters. Trotzdem fiel Schlag auf Schlag. Zweimal holte Rotgier zu gewaltigen Schlägen aus, mit denen er den rechten Arm Zbyszkos zu treffen hoffte, allein dieser stieß sie mit dem Schilde so kräftig zurück, daß die Streitaxt in der Hand seines Gegners schwankte, dieser selbst sich aber fortwährend zurückziehen mußte, um nicht zu stürzen. Und von diesem Augenblicke an gab es nur noch ein Zurückweichen für ihn. Allein nicht nur seiner Kraft ging er verlustig, er büßte auch seine Kaltblütigkeit, seine Ruhe ein. Voll Grimm, voll Verzweiflung vernahm er die vereinzelten Freudenrufe der Zuschauer über seinen Rückzug. Dichter und dichter folgten die Hiebe auf einander. Große Schweißtropfen rannen über die Stirn der Streitenden, keuchend rang sich ihr Atem zwischen den zusammengepreßten Zähnen hervor. Die Erregung der Zuschauer wuchs beständig, mit der bisher bewahrten Ruhe war es vorbei. Bald erschollen die Rufe der Mannen, bald die der Frauen: »Schlag zu! Auf ihn! Das ist ein Gottesgericht! Das ist Gottes Strafe! Gott steht Dir bei!« Umsonst winkte der Fürst, zum Zeichen, daß sich die Zuschauer ruhig verhalten sollten, er vermochte nichts auszurichten. Der Lärm wurde immer lauter, denn da und dort brachen Kinder in heftiges Weinen aus, während sogar rings um das Fürstenpaar jugendliche weibliche Stimmen schluchzend die Worte ausstießen: »Für Danuska, Zbyszko, für Danuska!«
Um Danusias willen kämpfte ja Zbyszko diesen Kampf. Keinen Augenblick zweifelte er daran, daß der Kreuzritter bei ihrer Entführung die Hand mit im Spiele gehabt hatte, und als er sich gegen ihn stellte, da geschah es der schweren Kränkungen halber, die ihr angethan worden waren. Doch er war jung und kampfeslustig. Kaum stand er daher seinem Gegner gegenüber, so dachte er nur noch an den Kampf selbst. Da plötzlich tönten jene Rufe an sein Ohr und erinnerten ihn an den Raub seines jungen Weibes, an dessen qualvolles Leid; Liebe, Schmerz und Rachedurst jagten ihm das Blut wie Feuer durch die Adern. Vor Ingrimm krampfte sich sein Herz zusammen und eine geradezu rasende Wut ergriff ihn. Den furchtbaren Schlägen seiner Streitaxt, die wie Donnerkeile niederfielen, vermochte der Kreuzritter nicht länger Widerstand zu leisten, und Zbyszko stieß schließlich seinen Schild mit solch übermenschlicher Gewalt gegen den Schild des Deutschen, daß dessen rechter Arm plötzlich, wie erlahmt, kraftlos darniedersank. Voll Schrecken und Angst wich nun dieser abermals zurück, indem er sich nach hinten beugte, um den Streichen zu entgehen, da sauste ihm die blinkende Axt vor den Augen und fiel wie der Blitz auf seine rechte Schulter nieder.
Den Lippen der Zuschauer entrang sich der herzzerreißende Aufschrei: »Jesus!« dann wich Rotgier noch einen Schritt zurück und stürzte rücklings zu Boden.
Nun wogte und schwirrte es in der Säulenhalle wie in einem Bienenstocke, aus welchem die Bienen, von der Sonne erwärmt, summend ausschwärmen. Geradezu scharenweise eilten die Ritter die Stufen hinab, während die Knechte von den Schneewällen herabsprangen, um die zu Tode Getroffenen in der Nähe zu betrachten. Allenthalben ertönte der Ruf: »Das ist Gottes Gericht! … Er ist der würdige Erbe Jurands! Lob ihm und Preis!« Andere wieder riefen: »Schauet her und staunt! Selbst Jurand hätte es nicht besser machen können!« Ein Kreis von Neugierigen sammelte sich allgemach um den erschlagenen Rotgier. Mit fahlem Antlitz, mit weit geöffnetem Munde lag er auf dem Rücken. Der blutüberströmte rechte Arm hing nur noch mit wenigen Fasern an der Schulter, von der er durch den wuchtigen Axthieb fast völlig getrennt worden war. Bei diesem Anblick meinten wieder etliche: »Schaut her. Voll Leben war er, voll Hochmut schritt er dahin, und jetzt rührt er keinen Finger mehr!« Und während einer mir dem andern in solcher Weise seine Gedanken austauschte, bewunderten alle erstens die Größe des Kreuzritters, der fast die ganze Länge des Kampfplatzes einnahm und im Tode einen womöglich noch gewaltigeren Eindruck als im Leben machte, zweitens staunten sie die auf dem Schnee in allen Farben schillernden Pfauenfedern an und drittens die Rüstung und die Waffen, welche an Wert einem großen Dorfe gleichgeachtet werden konnten. Da sich aber nun Hlawa, der Böhme, zusammen mit zwei Mannen Zbyszkos, dem Erschlagenen näherte, um ihm Rüstung und Waffen abzunehmen, umringten die Neugierigen Zbyszko selbst, indem sie ihn laut priesen und bis zum Himmel erhoben, dünkte es sie doch, daß sein Ruhm auch zum Ruhme des ganzen masovischen und polnischen Ritterstandes gereiche. Um es ihm leichter zu machen, wurde ihm Schild und Streitaxt abgenommen, ja, Mrokota aus Mocarzewa löste ihm den Helm, bedeckte aber seine schweißtriefenden Haare mit einer Mütze aus roter Seide. Gleichsam versteinert stand der junge Kämpe anfänglich da. Nur die noch in wildem Feuer glänzenden Augen in dem vor Erschöpfung und Erregung totenbleichen Antlitz zeugten dafür, daß er noch lebte. Plötzlich aber lief ein Zittern durch seine Glieder und er atmete tief aus. Unverweilt ergriff man ihn nun bei den Händen und führte ihn vor das Fürstenpaar, welches in einem erwärmten Gemache am Kamine seiner harrte. Zbyszko kniete nieder, und nachdem Pater Wyszoniek den Segen über ihn gesprochen und für die ewige Ruhe des Erschlagenen gebetet hatte, umarmte der Fürst den jungen Sieger und sprach also: »Gott der Allmächtige hat zwischen Euch gerichtet und Dir seinen Schutz verliehen, wofür sein Name gepriesen sei. Amen!«
Nach diesen Worten wandte er sich zu Herrn de Lorche und zu den andern Rittern, indem er hinzufügte: »Dich, fremder Ritter, und Euch alle, die Ihr hier nicht einheimisch seid, rufe ich zu Zeugen dafür auf, wie ich es auch selbst bezeuge, daß der Kampf nach Recht und Sitte ausgefochten ward, und daß auch hier, wie bei allen Kämpfen das Gottesgericht entschieden hat.«
Die anwesenden Wojwoden gaben im Chore ihre Zustimmung kund, während Herr de Lorche, dem die Worte des Fürsten verdolmetscht wurden, sich erhob und erklärte, er werde nicht nur bezeugen, daß sich alles nach ritterlichem und göttlichem Gesetze vollzogen habe, sondern auch einen jeden, der daran zweifle, sei es nun in Marienburg, sei es an irgend einem andern fürstlichen Hofe, vor die Schranken zum Kampfe zu Roß oder zu Fuß fordern. Diese Herausforderung aber werde er, de Lorche, nicht nur an gewöhnliche Ritter ergehen lassen, sondern auch an Riesen und Schwarzkünstler, ja, sogar an den allmächtigen Zauberer Merlin.
Die Fürstin Anna Danuta aber beugte sich in dem Augenblicke, in dem Zbyszko ihre Knie umfaßte, zu diesem nieder und sagte: »Weshalb bist Du nicht frohgestimmt? Freue Dich und danke Gott, denn wenn Gott Dich in seiner Barmherzigkeit aus dieser Gefahr errettete, dann wird er Dich auch nicht länger vereinsamt lassen, nein, er wird Dir Glück gewähren.«
Da antwortete Zbyszko: »Wie kann ich mich freuen, wohledle Frau? Gott verlieh mir zwar den Sieg, ich durfte Rache an jenem Kreuzritter nehmen, aber Danusia ist mir noch immer fern – nicht mehr weiß ich von ihr als wie zuvor.«
»Die grimmigsten Widersacher, Danveld, Godfryd und Rotgier sind aus dem Leben geschieden,« warf die Fürstin ein, »von Zygfryd aber sagen alle, daß er wohl grausam, doch gerecht sei. Lob und Preis sei dem allgütigen Gott auch dafür. Außerdem hat sich Herr de Lorche auch längst dahin ausgesprochen, daß, wenn der Kreuzritter falle, er selbst dessen Leiche fortführen werde. Dadurch komme er nach Marienburg und sei im stande, in eigener Person Danusia dem Großmeister in die Erinnerung zurückzurufen. Der Großmeister jedoch wird sich Gehör zu verschaffen wissen.«
»Gott verleihe dem Herrn de Lorche ein langes Leben!« entgegnete Zbyszko. »Ich ziehe mit ihm nach Marienburg.«
Diese Worte versetzten die Fürstin in tiefen Schrecken, hätte doch Zbyszko nichts Gefährlicheres unternehmen können, wenn er erklärt haben würde, er folge wehrlos den Spuren der Wölfe, die sich des Winters rudelweise in den dichten Wäldern Masoviens umhertrieben.
»Wozu?« rief sie daher. »Um einem sichern Verderben entgegenzugehen? Jetzt gleich nach dem Kampfe schützt Dich weder die Aussage des Herrn de Lorche, noch der Brief, den Rotgier vor dem Zusammentreffen geschrieben hat. Du erlangst damit nichts, Du bringst Dich nur selbst in Gefahr.«
Der junge Kämpe aber erhob sich und sagte, die Hände kreuzweis zusammenfaltend: »So wahr mir Gott helfe, ich ziehe nach Marienburg, und wenn es auch mein Tod wäre. So wahr mir Christus gnädig sein möge, werde ich Danusia bis zu meinem letzten Atemzuge suchen und nicht davon abstehen, bis sich meine Augen im Tode schließen. Leichter ist es doch, sich mit den Deutschen zu schlagen, sich mit ihnen zu messen, als einsam, wie mein junges Weib, in einem unterirdischen Kerker zu schmachten. O, weit leichter, weit leichter ist dies!«
Und wie immer, wenn er Danusias gedachte, erfaßte ihn auch jetzt wieder eine solche Erregung, ein solch grenzenloser Schmerz, daß er die Worte nur stoßweise hervorbrachte, gerade als ob ihm die Kehle zugeschnürt sei. Die Fürstin gab es auf, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Wer ihn zurückhalten wollte, das sah sie nur zu gut ein, der mußte ihn in einem unterirdischen Kerker festschmieden lassen.
Zbyszko konnte indessen nicht sofort aufbrechen. Wohl stand es den damaligen Rittern frei, sich alles aus dem Wege zu räumen, was ihren Plänen hindernd im Wege stand, aber es war ihnen nicht gestattet, die ritterliche Sitte außer acht zu lassen, kraft derer der Sieger im Zweikampfe einen ganzen Tag, ja, bis gen Mitternacht auf der Wahlstatt ausharren mußte. Dies galt als Beweis, daß er das Feld behauptet hatte, sowie als Zeichen, daß er zu jedem neuen Kampfe bereit war, zu dem ihn irgend ein Verwandter oder ein Freund des Besiegten fordern würde. Diese Sitte beobachteten sogar ganze Kriegsheere und gingen dadurch der Beute oftmals verlustig, die sie sich durch Verfolgung des Feindes hätten erringen können. Zbyszko versuchte es auch gar nicht, gegen diese feststehende Sitte anzukämpfen. Nachdem er eine kleine Stärkung zu sich genommen und sich aufs neue gewappnet hatte, verweilte er bis gen Mitternacht in dem Vorhofe der Burg unter dem dunkeln, winterlichen Himmel, auf das fragliche Erscheinen eines Feindes harrend. Erst nach Mitternacht und nachdem die Herolde seinen Sieg durch laute Trompetenstöße endgültig verkündet hatten, entbot ihn Mikolaj aus Dlugolas zur Abendmahlzeit, gleichzeitig aber auch zu einer Beratung mit dem Fürsten.