Читать книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz - Страница 57
Viertes Kapitel.
ОглавлениеFür Macko und Zbyszko, die schon unter Witold gekämpft und demzufolge genugsam Kriegsleute aus Samogitien und Litauen gesehen hatten, bot der Anblick eines Lagers nichts Neues. Der Böhme dagegen schaute voll Spannung umher, indem er bei sich überlegte, was wohl von diesen Mannen in der Schlacht zu erwarten sei, und ob sie der deutschen und polnischen Ritterschaft gleichgestellt werden könnten. Das Lager, welches sich auf einer von Nadelwäldern und Sümpfen umschlossenen Ebene befand, war dadurch vor jedem Ueberfall gedeckt, denn kein zweites Kriegsheer konnte so leicht die trügerischen Moräste überschreiten. Sogar der Grund und Boden, auf dem die Feldhütten standen, war seicht und sumpfig, allein die Leute hatten ihn so dicht mit kreuzweis geschichteten Tannen-und Fichtenzweigen bedeckt, daß sie sich ebenso sicher darauf zur Ruhe legen konnten wie auf dem trockensten Erdreich. Für den Fürsten Skirwoillo war in aller Eile eine » numa«, eine Hütte errichtet worden, wie man sie in den litauischen Ansiedelungen aus Erde und rohen Baumstämmen zu bauen pflegte, Hütten aus Zweigen hergestellt dienten den hervorragenderen Mannen zur Unterkunft, während die gewöhnlichen Krieger unter offenem Himmel um das Feuer lagerten und gegen die Unbill des Wetters nur durch Felle und Schafpelze geschützt wurden, die sie auf dem nackten Leibe trugen. In dem Lager schlief noch niemand, hatten doch die Mannen tagsüber der Ruhe pflegen können, da seit der letzten Niederlage kein neuer Angriff unternommen worden war. Etliche lagen oder saßen um die hellen Feuer, die mittelst dürrem Reisig und Wacholderzweigen unterhalten wurden, andere schürten die halberloschene, von Asche bedeckte Glut auf, aus welcher der Geruch gebratener Rüben, der Hauptnahrung der Litauer, sowie der schlechte Dunst angebrannten Fleisches emporstiegen. Auf den freien Plätzen inmitten der Feuer lagen ganze Haufen von Waffen so geschickt aufgetürmt, daß im Falle der Not ein jeder der Mannen leicht nach der eigenen Waffe greifen konnte. Hlawa betrachtete voll Neugierde die Speere mit ihren langen, schmalen, aus hartem Eisen geschmiedeten Spitzen, die aus jungen Eichstämmen gefertigten Keulen, in die Feuersteine oder Nägel getrieben worden waren, die kurzstieligen, den polnischen Streitäxten ähnlichen Beile, deren sich das Reitervolk zu bedienen pflegte, sowie die Streitäxte mit Stielen, die so lang wie Hellebarden waren und mit welchen das Fußvolk im Kampfe focht. Streitäxte aus Erz waren auch vorhanden, wohl aus jenen alten Zeiten stammend, da das Eisen in den entlegeneren Gegenden noch nicht viel gebraucht ward, ja es fanden sich sogar Schwerter aus Erz vor, wenn schon die meisten aus gutem, aus Nowogrod eingeführtem Stahl gearbeitet waren. Der Böhme nahm die Speere, die Schwerter, die Streitäxte, die in Teer getränkten und im Feuer gebrannten Bogen zur Hand und prüfte sie beim Scheine des Lagerfeuers. Nur eine kleine Zahl von Pferden befand sich innerhalb des Lagers, die Mehrzahl der Tiere weidete in den nahe gelegenen Wäldern und auf den Wiesen unter der Obhut wachsamer Pferdeknechte. Da die namhaftesten Bojaren ihre türkischen Renner in nächster Nähe haben wollten, wurden verschiedene dieser edlen Rosse in dem Lager von den Pferdeknechten aus der Hand gefüttert. Diese Renner mit ihren kräftigen Hälsen waren ganz ungewöhnlich klein, allein nicht nur darüber staunte Hlawa, sondern auch über deren zottigen Körper, wodurch sie den Rittern aus dem Westen weit eher als seltsame wilde Tiere, weit eher als Einhörner, denn als edle Pferde erschienen.
»Die großen Streithengste dienen hier zu nichts,« bemerkte der erfahrene Macko, indem er seiner früheren Feldzüge unter Witold gedachte, »denn ein schweres Roß wird sofort in den Morästen einsinken, während diese kleinen, unansehnlichen Pferdchen ebensoleicht allenthalben durchkommen werden, wie ein Mensch.«
»In der Schlacht aber,« sagte Hlawa, »können diese kleinen Pferde den starken, deutschen Streitrossen keinen Widerstand leisten.«
»Wahrlich, das vermögen sie nicht. Dagegen versucht der Deutsche umsonst, vor dem Samogitier zu fliehen und niemals wird jener im stande sein, diesen Feind einzuholen, der noch rascher zu reiten versteht, als ein Tatar.«
»Gar seltsam ist dies. Die Tataren, welche ich als Kriegsgefangene bei dem Ritter Zych aus Zgorzelic gesehen habe, waren alle so klein, daß jedes Pferd sie getragen hätte, die Samogitier jedoch sind kräftige, hochgewachsene Krieger.«
Die Mannen zeichneten sich auch tatsächlich durch ihren hohen Wuchs aus, und beim Scheine des Feuers ließ sich bei einem jeden die breite Brust, die kräftigen Schultern unter den Fellen und den Schafspelzen erkennen. Alle waren groß, starkknochig, wenn auch eher hager wie dick. Die meisten hatten eine kräftigere Gestalt als die Bewohner der andern litauischen Gebiete, saßen sie doch auf besserer, fruchtbarerer Erde und wurden dadurch weniger von Hungersnot geplagt, als das sonstige Litauen. Der Hofhalt des Großfürsten befand sich in Wilna. In Wilna stellten sich daher Fürsten aus dem Osten und aus dem Westen ein, Gesandtschaften wurden dahin abgeschickt, fremde Kaufleute strömten dort zusammen. Natürlicherweise kamen demzufolge die Bewohner Wilnas und der angrenzenden Gebiete mit Fremden in Berührung. In Samogitien hingegen zeigte sich das Fremde nur in Gestalt eines Kreuzritters oder eines Ritters des Schwertordens, welche die stillen Waldansiedlungen durch Feuer, Knechtung und Bluttaufen heimsuchten. War es daher zu verwundern, daß die Menschen hier sich ungeschlachter, roher gebärdeten, fest an dem Althergebrachten hingen, alles Neue von sich wiesen, daß sie die alten Gebräuche, die alte Kriegsführung und das Heidentum gerade deshalb hochhielten, weil ihnen der Glaube an das Kreuz nicht durch einen milden Verkündiger des Christentums, nicht mit der Liebe eines Apostels gelehrt ward?
Skirwoillo und die angesehenen Knäsen und Bojaren hatten sich schon, dem Beispiele Jagiellos und Witolds folgend, zum Christentum bekehrt. Die andern aber, ja, sogar die ungezügeltsten und wildesten Krieger sagten sich insgeheim, der Untergang und das Ende der alten Welt, des alten Glaubens seien gekommen und waren bereit, das Haupt vor dem Kreuze zu beugen, nur sollte es kein Kreuz sein, das durch die Kreuzritter ausgerichtet worden war. »Wir sehnen uns nach der Taufe,« so klang ihr Klageruf zu allen Fürsten und zu allen Völkern, »doch bedenkt, daß wir Menschen, nicht aber wilde Tiere sind, welche verschenkt, gekauft und verkauft werden können.« Da ihnen aber der neue Glaube durch Gewalt aufgezwungen ward, da sie sahen, wie der alte Glaube erlosch wie das Feuer erlischt, auf das kein Holz geworfen wird, ergriff sie unsagbarer Schmerz, tiefes Weh um die entschwundenen alten Zeiten. Der Böhme, der inmitten eines frohen, kriegerischen Treibens aufgewachsen war, inmitten eines Treibens, wo Gesang und klingende Musik fast nie verstummten, sah nun zum erstenmale in seinem Leben ein Lager, in dem solche Stille, solche Trauer herrschte. Höchstens da und dort an den Feuern, vor der entfernt gelegenen Hütte Skirwoillos ertönte eine Querpfeife oder eine Rohrpfeife, nur da und dort vernahm man undeutlich die Worte eines Liedes, das ein » burtinikas« leise vor sich hinsang. Gebeugten Hauptes, den
Blick unverweilt auf die flammenden Holzscheite gerichtet, lauschten die Kriegsleute diesen Tönen. Manche saßen zusammengekauert vor den Feuern, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, das Antlitz in die Hände verborgen, und ähnelten, von Fellen und Schafspelzen eingehüllt, den wilden Tieren des Waldes. Schauten sie indessen empor, warfen sie einen Blick auf die vorübergehenden Ritter, dann sah man in dem Scheine der Flammen nicht finstere, wilde, nein, blauäugige, milde Gesichter, auf denen sich der Kummer bedrängter Kinder spiegelte. Am äußersten Ende des Lagers ruhten auf weichem Moose die Verwundeten, welche man aus der letzten Schlacht hatte hierherbringen können. Zauberer, sogenannte » labarysy« und » sejtanawie« saßen bei den Schmerz und Pein geduldig Leidenden, sprachen ihre Beschwörungsformeln über sie oder untersuchten ihre Wunden, auf die sie heilende Kräuter legten. Aus der Tiefe des Waldes, aus Feldern und Wiesen ertönte zeitweise der Pfiff der Pferdeknechte, dann und wann erhob sich ein Windstoß, trieb Rauchwolken über das Lager hin und rief ein Rauschen in den dunkeln Gehölzen hervor. Doch es wurde später und später in der Nacht. Die Feuer glimmten zum Teil nur noch, zum Teil waren sie vollständig erloschen, und die nun eintretende tiefe Stille vervollständigte noch mehr das Bild von Trauer und Bedrückung.
Nachdem Zbyszko seinen Mannen, denen er sich leicht verständlich machen konnte, befanden sich doch etliche Leute aus Plock unter ihnen, die nötigen Befehle erteilt hatte, wandte er sich zu seinem Knappen und sagte: »Du hast nun genug gesehen. Kehren wir in das Zelt zurück.«
»Wahrlich, ich habe genug gesehen,« antwortete Hlawa. »Doch nichts Erfreuliches ist mir zu Gesicht gekommen, denn schon im ersten Augenblicke zeigt sich’s klar, daß diese Leute geschlagen worden sind.«
»Zweimal sogar. Vor vier Tagen nahe der Burg, vor drei Tagen aus der Flucht. Und nun will Skirwoillo zum drittenmale den Angriff wagen und sich zum drittenmale schlagen lassen.«
»Weshalb begreift er nicht, daß mit solchen Kriegsleuten nichts gegen die Deutschen auszurichten ist? Der Ritter Macko hat mir dies sofort gesagt, und ich habe mich nun auch davon überzeugt. Nein, das sind keine Mannen für den Krieg.«
»Darin täuschest Du Dich. Solch tapfere Kriegsleute wie diese hier giebt es nur wenige auf Erden. Doch sie kämpfen in festgeschlossenen Scharen, während die Deutschen in Reihen vorzugehen pflegen. Wird jedoch die Reihe der Deutschen durchbrochen, dann streckt ein Samogitier rascher einen Deutschen darnieder, als der Deutsche den Samogitier. Traun, den Deutschen ist dies nur zu wohl bekannt, wie zu einer Mauer schließen sie sich daher stets fest aneinander.«
»An die Erstürmung der Burgen ist wohl nicht zu denken,« bemerkte Hlawa.
»Es mangelt uns an den Hilfsmitteln dazu,« erwiderte Zbyszko, »Fürst Witold freilich verfügt über alles Nötige, doch bevor er eintrifft, kommt keine Burg in unsere Hände, es sei denn durch Zufall, durch Verrat.«
Unter solchem Gedankenaustausch kehrten sie in das Zelt zurück, vor dem ein großes Feuer von den Knechten unterhalten ward, und in dem der Dampf des für das Mahl zu bereitenden Fleisches emporstieg. Da es jedoch kalt und feucht in dem Zelte war, ließen sich die beiden Ritter und mit ihnen Hlawa auf Fellen an dem Feuer nieder. Nachdem sie sich mit Trank und Speise erquickt hatten, versuchten sie zu schlafen, allein der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Macko wandte sich beständig von einer Seite auf die andere, und kaum bemerkte er, daß Zbyszko, die Hände um die Knie geschlungen, aufrecht beim Feuer saß, so fragte er: »Höre mich! Weshalb gabst Du den Rat gegen Ragneta zu ziehen, da doch die Burg in gar weiter Ferne liegt, und nicht gegen Gotteswerder, gegen die in der Nähe gelegene Burg? Aus welchem Grunde thatest Du diesen Vorschlag?«
»Weil eine innere Stimme mir sagt, Danusia befinde sich in Ragneta – und zudem ist man dort weit weniger auf der Hut als hier.«
»Es gebrach an Zeit, uns eingehend zu besprechen, denn ich selbst war müde, und Du mußtest nach der Niederlage die Mannen in den Wäldern wieder sammeln. Nun aber sag’ mir offen: willst Du noch immer nach jenem Mägdlein suchen?«
»Nach welchem Mägdlein? Nach meinem Eheweibe suche ich.«
Diesen Worten folgte ein langes Schweigen, denn was sollte Macko darauf erwidern? Wäre Danusia nur in ihrer Eigenschaft als Jurands Tochter in Betracht gekommen, dann hätte sich der alte Ritter nicht gescheut, den Bruderssohn von jedem weiteren Forschen abzuhalten, durch das heilige Sakrament der Ehe jedoch war dies für Zbyszko nun zur Pflicht geworden. Niemals würde auch Macko eine solche Frage gethan haben, wenn er Zeuge des Verlöbnisses, der Trauung gewesen wäre. Da dies aber nicht der Fall war, betrachtete er Jurands Tochter immer noch als ein Mägdlein.
»Traun,« Hub Macko nach geraumer Zeit wieder an, »traun, was ich diese zwei Tage hindurch nur fragen konnte, das habe ich gefragt, Du aber antwortest stets, Du wissest nichts.«
»Ich weiß auch nur das eine, daß Gottes Zorn über mir ist.«
Jetzt richtete sich Hlawa von seinem Bärenfelle empor, setzte sich und horchte aufmerksam auf das sich nun entspinnende Gespräch.
»Da sich der Schlaf doch nicht einzustellen scheint,« ergriff Macko von neuem das Wort, »so sprich: was sahst Du, was thatest Du, was führtest Du in Marienburg aus?«
Zbyszko strich sein Haar, das seit längerer Zeit über der Stirn nicht geschnitten worden war und ihm daher fast über die Brauen reichte, langsam zurück, schaute einige Sekunden sinnend vor sich hin und ließ sich also vernehmen: »Wollte Gott, daß ich soviel von meiner Danusia zu berichten hätte, wie von Marienburg! Ihr fragt mich, was ich dort gesehen habe? Ich überzeugte mich von der unermeßlichen Macht der Kreuzritter, denen alle Könige, alle Völker verbündet sind, von einer Macht, die so groß ist, daß sie wohl kein Mensch auf Erden zu brechen vermag. Ich sah eine Burg, wie sie wohl kaum der römische Kaiser besitzt, ich sah Schätze, die jeder Beschreibung spotten, ich sah Waffen, ich sah gewappnete Mönche, Ritter und Kriegsknechte, in solch großer Schar wie ein Ameisenhaufen, ich sah so zahlreiche Reliquien, wie nur der heilige Vater in Rom sie haben kann. Hei, ich sage Euch, alles bäumte sich in mir auf bei dem Gedanken: wer kann den Angriff gegen diesen Orden wagen, wer kann sie besiegen, wer kann es auch nur mit ihnen aufnehmen, wo ist das Volk, das diese Kreuzritter niederwerfen kann?«
»Wir wollen es versuchen! Fluch ihren Müttern!« rief nun Hlawa, unfähig sich länger zurückzuhalten.
Ueber Zbyszkos Worte höchst betroffen, unterbrach der alte Ritter seinen Bruderssohn ebenfalls in der Erzählung, trotzdem er gar gern alles genau gehört hätte, und fragte: »Hast Du denn des Kampfes bei Wilna vergessen? Haben wir denn so selten Mann gegen Mann, Schulter an Schulter mit ihnen gekämpft? Ist es Dir denn aus dem Sinn gekommen, wie wenig sie gegen uns ausgerichtet haben – wie sie sich über unsere Standhaftigkeit beklagten und meinten, es genüge nicht, Pferde zu Schanden zu reiten, Lanzen zu brechen, sondern man müsse den Gegner an der Kehle packen oder das eigene Leben lassen! Auch fremde Kämpen haben sich dort mit uns gemessen – doch schimpflich mußten sie abziehen. Weshalb bist Du so kleinmütig geworden?«
»Ich bin nicht kleinmütig, nein, ich habe in Marienburg gekämpft, wo es sich stets um Tod und Leben handelt. Allein Ihr kennt die gewaltige Macht der Kreuzritter nicht.«
»Kennst Du vielleicht die ganze Stärke der Polen?« ließ sich nun Macko ärgerlich vernehmen. »Hast Du jemals unsere Banner vereinigt gesehen? Nein, niemals. Auf was beruht denn die Macht des Ordens? Auf Ungerechtigkeit, auf Verrätern, denn nicht eine Spanne des Landes, in dem sie jetzt Hausen, gehört ihnen zu eigen. Unsere Fürsten haben sie bei sich aufgenommen, wie man einen Bettler ins Haus nimmt – damit man ihn mit Gaben beschenke. Was thaten aber jene? Kaum waren sie erstarkt, so bissen sie ihren Wohlthätern gleich wütenden Hunden in die Hand. Gewaltsam rissen sie die Lande an sich, durch Hinterlist bemächtigten sie sich der Städte, darin liegt ihre Kraft! Doch selbst wenn alle Könige der Erde ihnen zu Hilfe eilten – der Tag des Gerichtes, der Tag der Rache ist nahe.«
»Ihr drängtet mich, Euch zu erzählen, was ich sah,« ergriff Zbyszko jetzt das Wort, »und nunmehr seid Ihr ärgerlich darob. Besser wäre es daher für mich, ich schwiege.«
Macko schnaubte förmlich geraume Zeit vor Zorn, nach und nach beruhigte er sich indessen wieder und fuhr fort: »Höre nun, wie ich die Sache betrachte. Es kommt doch vor, daß Du im Walde vor einem turmhohen Fichtenbaume stehst und bei Dir denkst: ›Der Baum wird in alle Ewigkeit dem Sturme trotzen‹. Erteilst Du ihm aber mit dem Rücken der Axt einen tüchtigen Schlag, dann klingt der Baum ganz hohl und morsches Holz fällt von ihm ab. Das Gleiche gilt auch von der Macht der Kreuzritter. Ich wollte von Dir wissen, was Du bei ihnen unternommen, was Du bei ihnen ausgerichtet hast. Kämpftest Du auf Tod und Leben, sprich?«
»Auf Tod und Leben habe ich gekämpft. Rücksichtslos und voller Hochmut begegnete man mir anfänglich, denn allen war mein Kampf mit Rotgier wohl bekannt. Gar Schlimmes wäre mir sicherlich widerfahren, hätte mich der Brief des Fürsten Janusz nicht davor bewahrt! Zudem wußte mich auch Herr de Lorche, dem sie große Ehre erwiesen, vor ihrer Wut zu schützen. Aber als dann später Feste und Turniere abgehalten wurden, da verlieh mir der Herr Jesus seinen Segen. Ihr hörtet doch, daß mich Ulryk, der Bruder des Großmeisters, in sein Herz geschlossen hat und mir den schriftlichen Befehl des letztern verschaffte, Danusia in meine Hände auszuliefern.«
»Die Sattelgurt soll ihm gerissen sein, so sagten uns die Leute,« bemerkte Macko, »Du aber habest nicht mehr zugestoßen, nachdem Dir dieses klar geworden sei.«
»Ich richtete die Lanze in die Höhe und von dem Augenblicke an gewann ich seine Zuneigung. Hei, bei Gott, er gab mir gewichtige Briefe, mit denen ich von Burg zu Burg ziehen und suchen konnte. Mich dünkte, mein Kummer, meine Sorgen seien nun zu Ende – ratlos sitze ich jedoch nunmehr hier, inmitten dieser wilden Gegend, und Tag für Tag wächst meine Qual, wächst meine Pein.«
In kurzes Schweigen versinkend, warf er plötzlich mit solcher Wucht ein Scheit Holz in das Feuer, daß die Funken aufsprühten, und die Flamme hoch emporloderte.
»Wahrlich,« hub er hieraus wieder an, »wenn die Beklagenswerte in irgend einer Burg schmachtet, wird sie gewiß den Glauben hegen, ich habe ihrer’ längst vergessen. Und ist dem so, dann mag ein jäher Tod mich bald ereilen.«
Aber und abermals schleuderte er Holzscheite in das Feuer, gerade als ob er damit all die Kümmernisse von sich werfen wolle, die ihn im innersten Mark verzehrten. Staunend beobachteten dies Macko und Hlawa, die sich eigentlich jetzt erst davon überzeugten, wie unendlich Danusia von Zbyszko geliebt ward.
»Beruhige Dich!« rief daher Macko. »Sind Dir die Geleitsbriefe nicht von Nutzen gewesen? Haben die Komture dem Großmeister keinen Gehorsam geleistet?«
»Beruhigt Euch, o Herr,« ergriff nun auch Hlawa das Wort. »Gott wird Euch Trost gewähren – bald, vielleicht sehr bald.«
Thränen glänzten in Zbyszkos Augen, als er, mit aller Macht sich bezwingend, von neuem begann: »Die Schurken öffneten mir Burgen und Kerker. Ich zog von Ort zu Ort, ich suchte allenthalben! Da mit einem Male brach der Krieg aus und in Gierdawy erklärte mir der Vogt von Heideck, im Kriege herrschten andere Gesetze, die in Friedenszeiten ausgestellten Geleitsbriefe hätten keinen Wert. Ich zog ihn wohl sofort zur Rechenschaft er aber wollte sich mir nicht stellen, nein er erteilte den Befehl, mich aus der Burg zu weisen.«
»Und in den andern Burgen?« fragte Macko.
»Ueberall erhielt ich die gleiche Antwort. In Krolewiec weigerte sich der Komtur, welcher über dem Vogte von Gierdawy steht, sogar mir einen Blick in das Schreiben des Großmeisters zu thun. Krieg sei Krieg, erklärte er, ich möge vor allem dafür sorgen, daß ich mit heiler Haut davon käme. Und wohin ich mich auch wandte – den gleichen Bescheid erhielt ich allerorts.«
»Nunmehr begreife ich alles,« ließ sich der alte Ritter jetzt vernehmen. »Da Du nichts auszurichten vermagst, bist Du hierher gekommen, um wenigstens Rache nehmen zu können.«
»So ist es in der That,« entgegnete Zbyszko. »Ich glaubte. Gefangene machen, ich hoffte, mich einiger Burgen bemächtigen zu können, doch diese Mannen hier können keine Burgen stürmen.«
»Hei! Laß nur erst den Fürsten Witold kommen, dann wird alles anders werden.«
»Gott gebe, daß er zu uns stoße!«
»Er wird kommen. An dem masovischen Hofe ward mir dies gesagt. Vielleicht trifft auch der König selbst ein und mit ihm die ganze polnische Streitmacht.«
Schon wollte Zbyszko eine Antwort geben, als dies durch Skirwoillo vereitelt ward, der ganz unerwartet mit den Worten aus der Dunkelheit trat:
»Wir brechen auf.«
Macko, Zbyszko und der Böhme sprangen empor, Skirwoills aber kam dicht zu ihnen und sagte in leisem Tone:
»Es ist uns Kunde geworden, daß Verstärkungen und Zufuhren nach Neu-Kowno unterwegs sind. Ein Zug von Kriegsleuten soll unter der Anführung von zwei Kreuzrittern Vieh und allerlei Nahrungsmittel dahin bringen, das müssen wir vereiteln.«
»Ueberschreiten wir den Niemen?« fragte Zbyszko.
»Ja, wir kennen eine Furt.«
»Weiß man in der Burg von jener Absicht?«
»Gewiß. Eine ganze Schar wird den Ankömmlingen entgegen ziehen. Auf diese Schar müßt Ihr Euch Werfen.«
Eingehend erklärte er ihnen hierauf, wo sie sich zu verbergen hätten, um unerwartet die aus der Burg Ziehenden überfallen zu können. Seinem Plan nach sollten gleichzeitig zwei Angriffe unternommen werden, um die erlittene Niederlage zu rächen, ein Plan, der sich vielleicht um so leichter ausführen ließ, weil sich der Feind nach dem Siege völlig sicher fühlte. Ganz genau gab er auch die Zeit an, in der sie losschlagen mußten, und bezeichnete die Richtung, die sie dann einzuhalten hatten. Alles Uebrige jedoch überließ er ihrer Tapferkeit, ihrer Umsicht. Freude und Stolz schwellten ihre Herzen bei der Erkenntnis, daß er sie als bewährte, umsichtige Krieger betrachtete. Auf seine Aufforderung hin begleiteten sie ihn schließlich in seine Hütte, wo ihn Knäsen und Bojaren, die Führer der Abteilungen erwarteten. Nachdem er hier seine Befehle wiederholt und neue erteilt hatte, setzte er eine aus Wolfsknochen gearbeitete Pfeife an die Lippen und ließ einen so lauten, schrillen Pfiff ertönen, daß er von einem Ende des Lagers bis zu dem andern schallte.
Sofort regte es sich allenthalben an den erloschenen Feuerstätten; da und dort sprühten Funken auf, da und dort stiegen vereinzelte Flämmchen empor, die mit jedem Augenblick zahlreicher und heller wurden und deren Schein auf die Gestalten wilder Krieger fiel, die sich mit ihren Waffen um die Feuer sammelten. Wie auf einen Schlag war der Wald aus dem Schlafe erwacht, denn auch aus der Tiefe des Dickichts drangen nun die Rufe der Pferdeknechte, welche die Rosse in das Lager trieben.