Читать книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz - Страница 58

Fünftes Kapitel.

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Inhaltsverzeichnis

Früh am Morgen wurde die Niewiaza erreicht und überschritten. Etliche setzten auf Pferden darüber, andere, indem sie sich an den Schwänzen der Pferde hielten, andere wieder auf Bündeln von Birkenruten. Der Uebergang bewerkstelligte sich so rasch, daß Macko, Zbyszko, Hlawa und jene Masuren, die freiwillig Heeresfolge leisteten, die behende Gewandtheit der Samogitier aufs höchste bewunderten und zum erstenmale vollständig begriffen, weshalb weder Wälder, noch Sümpfe, noch Flüsse die Litauer in ihren Kriegszügen aufhalten konnten. Trotzdem alle durchnäßt aus dem Wasser kamen, legte doch keiner seine Gewandung – den Schafspelz oder den Wolfspelz ab, nein, ein jeder der Krieger stellte sich so lange mit dem Rücken gegen die Sonne, bis wie aus einer Pechhütte der Dampf aus seinem Körper aufstieg, und schon nach ganz kurzer Rast zog man dann weiter gen Norden. Es dunkelte bereits, als man an dem Niemen anlangte, der durch das Steigen der Gewässer zur Frühlingszeit stark angeschwollen war. Der Uebergang bot daher noch größere Schwierigkeiten. Die Skirwoillo bekannte Furt hatte sich stellenweise in tiefe Wassertümpel verwandelt, durch welche die Pferde schwimmen mußten. Zwei der Mannen wurden von Zbyszkos und Hlawas Seite hinweggerissen. Umsonst versuchten diese die Bedrohten zu retten, in der Dunkelheit verschwanden sie in dem wilden Strome. Kein Hilferuf war laut geworden, hatte doch der Anführer den Befehl erteilt, der Fluß müsse in tiefster Stille überschritten werden. Alle andern erreichten jedoch glücklich das jenseitige Ufer, an dem sie die Nacht verbrachten, ohne sich an einem Feuer wärmen zu können.

Bei Tagesanbruch wurde die ganze Kriegsschar in zwei Teile geschieden. Mit der einen Abteilung zog Skirwoillo jenen Rittern und Kreuzrittern entgegen, welche Nahrungsmittel nach Gotteswerder bringen sollten, die andere Abteilung führte Zbyszko abermals gegen die Insel, um der Schar den Weg zu verlegen, welche von der Burg aus den Ankömmlingen entgegenrücken sollte. Der Tag schien schön zu werden. Glänzend und hell stand die Sonne am Firmamente, nur über den Wäldern, den Wiesen und den Gesträuchen lag noch dichter, weißer Nebel, der alles verhüllte. Dies gereichte Zbyszko und seinen Mannen zu großem Vorteil, war es doch kaum anzunehmen, daß die Deutschen, deren Blicken sie verborgen blieben, durch einen Rückzug den Zusammenstoß vereitelten. Voll Freude darüber wandte sich der junge Ritter zu Macko, der neben ihm ritt und sagte: »Bei einem solchen Nebel können wir sie überfallen, ehe sie uns gewahr werden. Gott gebe nur, daß es bis Mittag so bleibt.«

Nach diesen Worten sprengte er zu den bei der Vorhut sich befindenden Anführern, um ihnen verschiedene Befehle zu erteilen, kehrte aber dann rasch wieder zu dem Ohm zurück.

»Bald gelangen wir an einen Weg,« erklärte er letzterem, »welcher die zu der Insel führende Furt mit dem Innern des Landes verbindet. Dort wollen wir uns in dem Dickicht verbergen und die Deutschen erwarten.«

»Durch wen hast Du von dem Wege gehört?« fragte Macko.

»Durch etliche meiner Mannen, die hierzulande geboren sind, und die uns als Führer dienen.«

»In welcher Entfernung von der Burg und von der Insel soll der Angriff stattfinden?«

»In einer Entfernung von fünf Meilen.«

»Da thust Du gut daran, denn würde dies näher bei der Burg geschehen, so könnte ihnen von dort aus Beistand geleistet werden. Nun aber ist dies kaum zu befürchten, wird doch nicht ein Laut in die Burg dringen.«

»Ihr seht, ich habe dies wohl bedacht.«

»Das eine hast Du wohl bedacht, doch noch gar manches muß überlegt werden. Wenn man auf die Mannen, die hier geboren sind, Vertrauen setzen darf, so sende zwei oder drei von ihnen auf Kundschaft, damit sie uns sofort berichten können, wenn die Deutschen im Anzug sind.«

»Das habe ich schon gethan.«

»Dann will ich Dir noch einen Rat geben. Suche ein oder zweihundert Deiner Kriegsleute aus und erteile ihnen den Befehl, sich vom Kampfe fern zu halten, damit sie gleich bei Beginn desselben forteilen und den Deutschen den Rückweg auf die Insel abschneiden können.«

»Das ist ja das Wichtigste,« erklärte Zbyszko, »dieser Befehl ist daher längst erteilt. Die Deutschen werden in die Schlinge geraten.«

Glücklich darüber, daß sich Zbyszko trotz seiner jungen Jahre so erfahren in der Kriegskunst zeigte, blickte Macko von Stolz erfüllt auf seinen Bruderssohn, indem er lächelnd vor sich hin murmelte: »Tüchtig erweist sich unser Blut!«

Der Knappe Hlawa aber ward noch freudiger gestimmt als Macko, denn ihm ging eine Schlacht über alles in der Welt.

»Wohl weiß ich nicht,« ergriff er das Wort, »wie sich unsere Mannen schlagen werden, sie gehen jedoch ruhig, in bester Ordnung und voll Kampfeslust vor. Wenn jener Skirwoillo alles klug ausgedacht hat, wird der Feind kein gesundes Glied aus dem Kampfe tragen.«

»Gott gebe, daß uns nur wenige entrinnen,« ließ sich jetzt Zbyszko vernehmen. »Doch habe ich Befehl erteilt, so viele Gefangene wie möglich zu machen und ja keinen Kreuzritter, keinen Ordensbruder zu töten.«

»Aus welchem Grunde, o Herr?« fragte der Böhme.

Da erwiderte Zbyszko: »Sieh auch Du zu, daß meine Befehle ausgeführt werden. Ein jeder Ritter, der aus fremdem Lande stammt, hat schon viele Städte besucht, ist schon in vielen Burgen gewesen. Ist es daher zu verwundern, daß er bei seinem Zusammentreffen mit allerlei Menschen manch Neues vernommen hat? Und gar noch ein Ordensritter! Der weiß stets mehr, als wir uns träumen lassen. Doch um Gott die Wahrheit zu geben, es liegt mir auch deshalb viel daran, einen namhaften Ritter in meine Gewalt zu bekommen, um ihn dann auswechseln zu können. Was gilt mir mehr, als die Heißgeliebte? Ach, daß sie noch am Leben wäre!«

Nach diesen Worten gab er seinem Pferde die Sporen und sprengte an die Spitze der Abteilung, einesteils um noch etliche Anordnungen zu geben, andernteils um die schweren Gedanken von sich abzuschütteln, denen er sich jetzt nicht hingeben durfte. Das Ziel war nicht mehr fern, der Angriff mußte bald erfolgen.

»Aus welchem Grunde glaubt der junge Herr, sein Eheweib sei noch am Leben und befinde sich in dieser Gegend?« fragte nun Hlawa den alten Ritter.

»Weil Danusia nicht sofort von Zygfryd getötet worden ist,« entgegnete Macko, »deshalb darf er die Hoffnung hegen, daß sie ihm erhalten geblieben ist. Wenn sie ermordet worden wäre, hätte der Priester in Szczytno nicht den Bericht erteilen können, den auch Zbyszko vernommen hat. Selbst der grausamste Mensch wird nicht so leicht die Hand gegen ein schutzloses Weib – nein, bei meiner Treu – gegen ein unschuldiges Kind erheben.«

»Habt Ihr der Kinder des Fürsten Witold vergessen?«

»Grausam sind die Kreuzritter, das ist wahr. Doch es ist erwiesen, daß Danusia nicht getötet, sondern von Szczytno in diese Gegend verbracht worden ist. In irgend einer dieser Burgen wird sie wohl schmachten.«

»Hei! Das wäre herrlich, wenn wir dies Eiland und diese Burg in unsere Gewalt bekommen könnten!«

»Betrachte Dir diese Krieger einmal genau!« meinte nun Macko.

»Da habt Ihr recht, da habt Ihr recht! Doch es ist mir ein Gedanke gekommen, den ich meinem jungen Gebieter mitteilen will.«

»Was nützen hier Pläne und Gedanken! Kannst Du vielleicht Mauern mit Wurfspießen zertrümmern?«

So sprechend deutete Macko auf die Speere, mit denen die Mehrzahl der Kriegsleute bewaffnet war, und fragte dann: »Hast Du jemals eine solche Kriegsschar gesehen?«

Der Böhme hatte in der That noch niemals etwas Aehnliches erschaut. In völliger Auflösung, ohne jede Ordnung, zog das Kriegsvolk dahin, denn in dem Dickicht, zwischen den Baumstämmen und Gesträuchen mußte man sich durchschlagen, so gut es eben ging. Fußvolk und Reiterei waren nicht mehr getrennt – wo nur ein Reiter sein Roß zwischen den Fichten hindurchtrieb, da hielt sich der oder jener des Fußvolks an der Mähne, an dem Schwanze oder an dem Sattel des Pferdes fest, um rascher vorwärts zu kommen. Mit den Fellen von Wölfen, Bären und Panthern über den Schultern, mit den auf ihren Köpfen emporragenden Eberhauern, Hirschgeweihen und borstigen Ohren der grimmigsten Bestien hätten all diese Krieger ohne die in die Höhe starrenden Waffen, ohne die in Teer getränkten Bogen, ohne die Köcher auf ihrem Rücken in dem morgendlichen Nebel jedem Beschauer wie wilde Tiere erscheinen müssen, die, von Hunger und Blutgier getrieben, sich aus der Tiefe des bergenden Waldes hervorgewagt hatten. Es war das ein solch schreckenerregender, ungewöhnlicher Anblick, daß er sich nur mit jenem seltsamen Vorgang – » gomon« genannt – vergleichen ließ, bei dem das schlichte Volk sagte, wilde Tiere jagten in rasender Eile dahin, Steinblöcke und Bäume mit sich fortreißend.

Einer jener Edelleute aus Lekawica, die mit dem Böhmen gekommen waren, näherte sich diesem, bekreuzte sich und sagte: »Im Namen des Vaters und des Sohnes! Nicht mit menschlichen Wesen, nein, mit einem Rudel Wölfen ziehen wir dahin.«

Obwohl nun Hlawa noch niemals ein ähnliches Kriegsheer gesehen hatte, erwiderte er doch als ein erfahrener Mann, der alles kennt, den nichts in Erstaunen setzt: »Wölfe laufen zur Winterszeit in Rudeln zusammen, das Blut der Kreuzritter übt jedoch auch im Frühling seine Anziehungskraft.«

Und in der That, der Mai war gekommen, es war Frühling geworden. An den Haselnußsträuchen im Walde keimte das junge Grün. Aus dem weichen, zarten Moose, über das der Fuß der Kriegsleute lautlos glitt, sproßten Blumen, Blüten und zackige Farrenkräuter hervor. Die von den beständig niedergegangenen Regenschauern durchfeuchteten Bäume verbreiteten den Geruch ihrer nassen Rinde, und aus dem Waldesgrunde stieg der starke Duft gefallener Nadeln und morschen Holzes empor. Der helle Glanz der leuchtenden Sonne zauberte die Regenbogenfarben auf die von Tautropfen glitzernden Blättchen, und fröhlich erklang das Gezwitscher der Vögel.

In immer wachsender Eile bewegte sich die Kriegsschar vorwärts, denn Zbyszko trieb sie beständig an. Allein schon nach kurzer Zeit kehrte er zu der Nachhut zurück, mit der Macko, Hlawa und die freiwillig in den Krieg gezogenen Masuren ritten. Die Aussicht auf einen siegreichen Kampf schien ihn offenbar neubelebt zu haben, denn der kummervolle Ausdruck war aus seinem Antlitz geschwunden, seine Augen blitzten wie in früherer Zeit.

»Auf!« rief er, »uns ziemt es, an der Spitze zu reiten, nicht aber bei der Nachhut. Und nun merkt auf das, was ich Euch sage,« fuhr er fort, nachdem seiner Aufforderung Folge geleistet worden war, »hört mich. Möglicherweise gelingt es uns, die Deutschen unerwartet zu überfallen, sollten sie uns jedoch früh genug gewahr werden, um sich in Schlachtordnung aufstellen zu können, dann müssen wir uns als Erste auf sie werfen, denn wir sind am besten gewappnet, wir führen die schärfsten Schwerter.«

»Das soll geschehen!« erklärte Macko.

Schon setzten sich die Mannen fester in die Sättel, gerade als ob es im nächsten Augenblicke losgehen werde, schon holte der und jener tief Atem, während er prüfte, ob sein Schwert leicht aus der Scheide gehe. Abermals wiederholte Zbyszko den Befehl, jeden Ritter in weißem Mantel, welcher sich unter dem Fußvolke befinde, zu verschonen, ihn nicht zu töten, sondern ihn nur zum Gefangenen zu machen, dann sprengte er wieder zu den Anführern und gleich darauf machte die Kriegsschar Halt. Sie hatte den Weg erreicht, der zu der Furt führte. Tatsächlich konnte er jedoch keine Straße, sondern nur ein breiter Pfad genannt werden, und erst vor ganz kurzer Zeit war der Wald so weit ausgeholzt worden, daß ein Kriegsheer, ja sogar Wagen, ungefährdet hindurchzukommen vermochten. Auf beiden Seiten des Pfades ragten hohe Fichtenbäume empor, da und dort lagen die mächtigen Stämme, die gefällt worden waren. An manchen Stellen standen die Haselnußsträuche so dicht, daß kein Auge hindurchzudringen vermochte. Mit kundigem Blicke suchte Zbyszko diese geeigneten Plätze für seine Kriegsschar aus. Damit die Deutschen sie nicht schon von ferne wahrnehmen und sich dann zurückziehen oder in Schlachtordnung aufstellen konnten, hieß er seine Mannen sich auf beiden Seiten des Pfades in den Hinterhalt legen und hier den Feind erwarten.

Die Samogitier, welche an das Leben in den Wäldern, an die Kriegführung inmitten einer Wildnis gewohnt waren, bargen sich so rasch hinter Bäumen und gefällten Stämmen, hinter Haselnußsträuchen und jungen Tannen, als ob die Erde sie verschlungen hätte. Keiner von ihnen gab einen Laut von sich, kein Pferd ließ auch nur ein Schnauben hören. Von Zeit zu Zeit lief das oder jenes wilde Tier auf die auf der Lauer liegenden Leute zu, ein jedes rannte aber erschreckt in den tiefen Wald zurück, sobald es eines Menschen ansichtig wurde. Zuweilen erhob sich ein Windstoß, sodaß plötzlich ein mächtiges Brausen durch den Wald fuhr, dem jedoch sofort wieder lautlose Stille folgte. Nur aus der Ferne ertönte in kurzen Zwischenräumen der Ruf des Kuckucks, und in der Nähe erklang dann und wann das Hämmern des Spechtes.

Freudig horchten die Samogitier auf dieses Hämmern, galt ihnen doch der Vogel als Bringer froher Kunde. Zahllose Spechte schienen hier zu nisten, denn allmählich erklang ein so durchdringendes, starkes Hämmern von allen Seiten, wie wenn es von Menschenhänden herrühre. Es war, als ob jene Vögel eine Schmiede im Walde errichtet hätten und seit frühem Morgen an strenger Arbeit wären. Macko und die Masuren dünkte es, sie hörten Zimmerleute, welche das Gebälk eines neuen Hauses aufschlugen, und sie glaubten, in die Heimat versetzt zu sein.

Doch die Zeit verstrich und noch immer war nichts zu vernehmen, als die Stimmen der Vögel, als das Brausen des Waldes. Der Nebel schwand mehr und mehr, die wärmende Sonne brach völlig durch. Doch lautlos harrten die Krieger auf ihren Posten aus. Schließlich wandte sich Hlawa, dem das Schweigen und die Spannung unerträglich geworden waren, zu Zbyszko und flüsterte: »O Herr, wenn Gott keinen der Weißmäntel lebend davonkommen läßt, könnten wir nicht zur Nachtzeit über den Fluß setzen, die Burg überrumpeln und in unsere Gewalt bringen?«

»Glaubst Du denn nicht, daß sie Boote ausgesetzt und der Bemannung ein Losungswort erteilt haben?«

»Das haben sie sicherlich. Doch ebenso gewiß werden auch die mit dem Schwerte bedrohten Gefangenen das Losungswort nicht nur verraten, sondern es sogar auf deutsch der Wache zurufen. Wenn wir nur einmal auf der Insel sind, dann wird die Burg –«

Er konnte nicht weiter reden, Zbyszko legte ihm plötzlich die Hand auf den Mund, denn von dem Wege her ertönte das Krächzen eines Raben.

»Schweig!« rief der junge Ritter, »das ist ein Zeichen.«

Und noch ehe man zwei Vaterunser hätte sprechen können, sprengte ein Samogitier auf seinem kleinen zottigen Pferde daher, dessen Hufe fürsorglich mit Schafsfellen umwickelt waren, damit kein Geräusch hörbar, keine Spur hinterlassen werde.

Scharf blickte der Reiter nach allen Seiten aus, und kaum hörte er aus dem Dickicht die Antwort auf das Krächzen, so drang er so rasch in den Wald ein, daß er sich schon nach wenigen Sekunden neben Zbyszko befand.

»Sie kommen!« sagte er hierauf leise.

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