Читать книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz - Страница 48

Zweites Kapitel.

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Inhaltsverzeichnis

Macko rüstete sich für die Fahrt. Während zweier Tage ließ sich Jagienka nicht in Bogdaniec sehen, hatte sie doch beständig Beratungen mit dem Böhmen. Erst am dritten Tage, an einem Sonntag, traf der alte Ritter auf dem Wege zur Kirche mit ihr zusammen. Mit ihrem Bruder Jasko und mit einem beträchtlichen Gefolge bewaffneter Knechte begab sie sich nach Krzesnia, denn sie fürchtete, Cztan und Wilk, die wohl wieder gesund sein mochten, könnten vielleicht einen Ueberfall auf sie planen.

»Ich wollte Euch nach der Messe in Bogdaniec aufsuchen,« erklärte Jagienka, Macko begrüßend, »denn ich möchte etwas mit Euch bereden, allein wir können auch jetzt gleich darüber sprechen.«

Nach diesen Worten schickte sie das Gefolge voraus, offenbar damit die Knechte das Gespräch nicht mitanhören sollten, und sich Macko nähernd, fragte sie: »Es ist also gewiß, daß Ihr Euch auf die Fahrt macht?«

»Ja, und zwar schon morgen, nicht später, Gott gebe dies.«

»Und Ihr zieht nach Marienburg?«

»Nach Marienburg oder wohin mich das Geschick führt.«

»So hört nun auch mich. Gar lange schon habe ich überlegt, was mir zu thun obliegt, und jetzt möchte ich von Euch einen Rat haben. Früher freilich, als der Vater noch lebte und der Abt noch bei Kräften war, da lag alles anders. Außerdem hielten sich Cztan und Wilk, so lange sie glaubten, ich würde einen von ihnen wählen, gegenseitig im Zaume. Jetzt aber stehe ich schutzlos da. Wie in einem Gefängnis muß ich innerhalb der Pfähle von Zgorzelic bleiben, wenn ich mich nicht allen möglichen Kränkungen aussetzen will. Sagt selbst, ob das nicht so ist?«

»Traun,« erwiderte Macko, »das alles ist mir auch schon in den Sinn gekommen.«

»Und habt Ihr einen Ausweg gefunden?«

»Nein. Eins mußt Du aber doch bedenken: wir sind in Polen, also in einem Lande, in dem Gewaltthaten gegen ein Mägdlein schwer geahndet werden.«

»Das ist wohl der Fall, allein über die Grenze ist’s nur ein Sprung. Schlesien liegt ja auch im polnischen Gebiete, das weiß ich ganz gut, trotzdem aber greifen sich dort die Fürsten fortwährend an und bekämpfen sich gegenseitig. Mein geliebtes Väterchen lebte noch, wenn dies nicht der Fall wäre. Die Deutschen, die dort eingedrungen sind, stiften gar viel Unruhe, verüben gar viele Unthaten, wer sich daher verbergen will, der schlägt sich einfach zu ihnen. Weder Wilk noch Cztan würden leichtes Spiel mit mir haben, dessen bin ich gewiß, allein es handelt sich dabei auch um meine Brüder. Entferne ich mich von hier, dann wird Ruhe herrschen, bleibe ich indessen in Zgorzelic, weiß Gott allein, was sich noch ereignen mag. Angriffe, Kämpfe werden unausbleiblich sein. Jasko ist schon vierzehn Jahre alt und durch keine Macht der Welt, geschweige denn durch mich, wird er sich zurückhalten lassen. Das letzte Mal, als Ihr uns zu Hilfe eiltet, da war er immer voraus, ja, es hätte nicht viel gefehlt, und Cztan hätte ihn mit der Keule, mit der er auf unsere Leute einschlug, an den Kopf getroffen. Jasko hat den Knechten schon erklärt, er werde jene beiden zum Kampfe auf festgetretener Erde fordern. Nicht einen Tag wird Frieden herrschen, das sage ich Euch. Gar Schlimmes kann daher den Bürschlein begegnen.«

»Bei meiner Treu, Cztan und Wilk sind freilich Hundskerle,« rief Macko eifrig, »allein gegen Kinder werden sie ihre Hände nicht erheben.«

»Gegen Kinder werden sie ihre Hände freilich nicht erheben, doch im Getümmel, bei einer Feuersbrunst, die Gott verhüten möge, können sich allerlei Zufälle ereignen. Doch wozu lange darüber reden? Die alte Cieciechowa liebt meine Brüder wie ihre eigenen Kinder, in ihrer Obhut wird es ihnen an nichts gebrechen, und ohne mich sind sie weit sicherer als in meiner Anwesenheit.«

»Das kann wohl sein!« bemerkte Macko, dann schaute er Jagienka prüfend an und fragte: »Was ist Dein Begehr?«

Da antwortete diese leise: »Nehmt mich mit Euch!«

Obwohl Macko dies vorausgesehen, that er doch sehr verwundert, hielt sein Pferd an und rief: »Da sei Gott vor, Jagienka.«

Die Maid aber senkte das Haupt und erwiderte mutlos, ja traurig: »Wie Ihr nur seid! Was mich betrifft, ich sage stets alles aufrichtig, ich verschweige nichts! Ihr beide, Ihr sowohl wie Hlawa, habt gesagt, Zbyszko werde jene andere niemals wiederfinden, ja, Hlawa sieht noch weit Schlimmeres voraus. Gott ist nun mein Zeuge, daß ich ihr nichts Böses wünsche, nein, die Mutter Gottes möge der Bedauernswerten beistehen und sie beschützen, denn wenn sie auch dem Herzen Zbyszkos weit näher steht als ich, so ist dies eben mein Los, an dem sich nichts mehr ändern läßt. Aber, seht Ihr, bevor Zbyszko sie gefunden hat, oder ehe es sicher ist, daß er sie niemals finden wird, wie Ihr annehmt, so – so –«

»So – was?« fragte Macko, als er bemerkte, daß Jagienka immer verlegener und verwirrter wurde.

»So werde ich weder das Weib von Cztan, noch von Wilk, noch von irgend einem anderen.«

Macko atmete befriedigt auf, dann warf er ein: »Ich dachte nie anders, als daß Du schon gewählt habest!«

»Hei!« ließ sie sich noch trauriger als zuvor vernehmen.

»Doch nun, was willst Du eigentlich? Kann ich Dich vielleicht zu den Kreuzrittern mitnehmen?«

»Zu den Kreuzrittern gerade nicht. Am liebsten möchte ich jetzt zu dem Abte gehen, der in Sieradz krank darnieder liegt. Er hat sicherlich keine einzige liebende Seele um sich, denn die Spielleute trinken gewiß mehr als ihnen gut ist. Er aber ist doch mein Taufpate, mein Wohlthäter. Wenn er nur gesund wäre, dann würde ich ihn um seinen Schutz bitten, wird er doch von allen Leuten gefürchtet.«

»Dagegen habe ich nichts einzuwenden,« erklärte Macko, der im Grunde genommen über den Entschluß Jagienkas sehr erfreut war, kannte er doch die Kreuzritter genugsam, um sich der festen Ueberzeugung hinzugeben, Danusia werde nicht lebend aus deren Händen entkommen.

»Ich möchte nur noch eins betonen,« fügte er schließlich hinzu, »man hat seine liebe Not mit einem Mägdlein auf der Fahrt.«

»Das mag bei jeder andern zutreffen, aber nicht bei mir. Wohl habe ich bis jetzt noch nicht gekämpft, allein es ist nichts Neues für mich, den Bogen zu spannen oder die Beschwerden der Jagd zu ertragen. Fürchtet nichts, was nötig ist, das wird geschehen. Ich werde Jaskos Kleider anlegen, meine Haare in ein Netz thun und mich mit einem Schwerte gegürtet, auf den Weg machen. Jasko ist zwar jünger, aber gerade so groß als ich, und wir gleichen uns so sehr, daß mein verstorbenes Väterchen uns nicht zu unterscheiden vermochte, als wir uns zu Fastnacht verkleideten. Weder der Abt noch irgend ein anderer wird mich daher erkennen, das müßt Ihr doch einsehen.«

»Wie ist es aber dann mit Zbyszko?«

»Wenn ich mit ihm zusammentreffe –«

Macko schaute einen Augenblick nachdenklich vor sich hin, dann lachte er plötzlich laut auf und sagte: »Aber Wilk aus Brzozowa und Cztan aus Rogow, die werden schön wild werden!«

»Mögen sie so wütend werden wie sie wollen! Schlimmer wäre es, wenn sie uns folgen würden.«

»Ei, ich fürchte mich nicht. Wohl bin ich alt, aber es wäre besser für sie, nicht unter meine Fäuste zu kommen, deren Kraft meinem Geschlechte nur Ehre macht. Zbyszko hat ihnen schon eine Probe davon gegeben.«

So sprechend gelangten sie nach Krzesnia. In der Kirche trafen sie mit dem alten Wilk aus Brzozowa zusammen, der von Zeit zu Zeit Macko grimmige Blicke zuwarf. Letzterer beachtete dies jedoch nicht weiter, sondern machte sich nach der Messe leichten Herzens mit Jagienka auf den Heimweg. Kaum hatte er sich indessen von dem Mägdlein an dem Kreuzwege getrennt, kaum befand er sich allein in Bogdaniec, so kamen ihm weniger erfreuliche Gedanken in den Sinn. Daß weder Zgorzelic, noch die Angehörigen Jagienkas während deren Abwesenheit bedroht werden würden, dessen war er gewiß. »Sie suchen das Mägdlein zu gewinnen,« sagte er sich, »das ist aber etwas ganz anderes. Gegen Waisen und deren Eigentum wird weder Wilk noch Cztan einen Finger rühren, denn damit würden sich beide mit schimpflicher Unehre bedecken und jeder Lebende würde sie gleich wirklichen Wölfen bekämpfen. Bogdaniec jedoch bleibt der Gnade Gottes anheimgegeben. Man wird die Gräben zuschütten, das Vieh forttreiben, die Bauern hinweglocken! Gott allein weiß, ob ich nach meiner Rückkehr alles wieder in stand zu setzen vermag. Vielleicht muß ich meine Zuflucht zum Gericht nehmen, nicht nur die Faust, sondern auch das Gesetz regiert bei uns. Ob ich indessen zurückkehre? Und wann werde ich zurückkehren? Gegen mich sind sie von Haß erfüllt, bin ich doch zwischen sie und Jagienka getreten. Wie grimmig wird aber ihr Haß erst entflammen, wenn die Maid mit mir zieht!«

Schwere Sorgen drückten den alten Ritter darnieder. In trefflichster Weise hatte er Bogdaniec wieder bewirtschaftet, allein er zweifelte keinen Augenblick daran, daß nun seine Mühen umsonst gewesen, daß er nach seiner Rückkehr den Herrenhof verwüstet, verödet vorfinden werde.

»Traun,« dachte Macko bei sich, »dagegen muß sich doch ein Mittel finden lassen!«

Nach dem Mittagsmahle befahl er, sein Pferd zu satteln. Unverweilt stieg er auf und ritt geradewegs nach Brzozowa. Mit einbrechender Dämmerung langte er dort an. Der alte Wilk saß in einer nach vorn gelegenen Stube bei einem Kruge Met, der junge Wilk hingegen, dem Cztan übel mitgespielt hatte, lag auf einer mit Fellen bedeckten Bank und trank auch. Unbemerkt trat Macko ein. Ganz nahe der Schwelle blieb er stehen, hoch aufgerichtet, mit ernstem, fast finsterem Gesichte, aber ohne eine Waffe in den Händen; nur ein mächtiges Schwert trug er an der Seite. Da der helle Schein des Feuers die hagere Erscheinung grell beleuchtete, erkannten ihn Vater und Sohn sofort, sprangen wie der Blitz auf ihre Füße, rannten an die Wand und griffen zu der ersten besten Wehr, deren sie habhaft werden konnten.

Der alte erfahrene Macko aber kannte seine Leute durch und durch. So war er denn auch nicht im geringsten beunruhigt, ja, er griff nicht einmal nach seinem Schwert, sondern fragte, die Hände in die Seite stemmend, in festem, etwas spöttischem Tone: »Was soll dies heißen? Ist das die berühmte Gastfreundschaft in Brzozowa?«

Auf diese Worte hin ließen die also Angeredeten sofort die Hände sinken, so daß gleich darauf das Schwert des Alten, die Lanze des Jungen klirrend zu Boden fielen. Beide schauten mit vorgestrecktem Halse und noch immer Böses prophezeihendem Blicke auf Macko, bald aber spiegelte sich Staunen und Scham aus ihren Gesichtern.

Mackos Lippen jedoch umspielte ein Lächeln, als er sagte: »Gelobt sei Jesus Christus!«

»Von Ewigkeit zu Ewigkeit!« antwortete Wilk und dessen Sohn.

»Und der heilige Georg!«

»Dem wir dienen!«

»Gern bin ich zu den Nachbarn gekommen.«

»Gern begrüßen wir Euch! Heilig ist uns der Gast!«

Nach diesen Worten eilte der alte Wilk, gefolgt von seinem Sohne, auf Macko zu. Beide schüttelten ihm kräftig die Hand und geleiteten ihn hierauf zum Ehrensitze am Tische. Schon nach wenigen Minuten waren Holzscheite im Kamine aufgeschichtet, der Tisch ward mit einer Matte belegt; Schüsseln mit allerlei Gerichten, sowie Schläuche mit Bier und Krüge mit Met wurden aufgetragen, und die drei begannen zu essen und zu trinken. Zeitweise warf der junge Wilk dem Gaste eigentümliche Blicke zu, die deutlich bewiesen, wie in ihm die widerstreitendsten Gefühle – Ehrfurcht und Haß – miteinander kämpften. Dabei bediente er aber jenen so geschäftig, daß er vor Anstrengung erbleichte, war er doch verwundet und dadurch seiner gewöhnlichen Kraft beraubt. Sowohl Vater wie Sohn brannten vor Neugierde zu erfahren, weshalb Macko sich bei ihnen eingestellt hatte, trotzdem hütete sich aber ein jeder, irgend etwas zu fragen, sondern harrte geduldig des Augenblickes, in dem Macko selbst davon zu sprechen beginnen werde.

Letzterer jedoch pries indessen, als ein Mann von guter Gesittung, zuvörderst die Gastfreundschaft, Speise und Trank, und erst, nachdem er sich sattsam gestärkt hatte, hub er mit würdevoller Stimme also an: »Nur zu häufig, traun, herrscht Streit, herrscht Kampf zwischen den Menschen, und doch sollte unter Nachbarn stets Frieden sein.«

»Es giebt kein köstlicheres Gut, als Frieden!« entgegnete Wilk mit gleicher Würde.

»Es ereignet sich auch gar zu oft,« fuhr Macko fort, »daß ein Mann, der mit irgend einem Menschen in Unfrieden gelebt hat und sich plötzlich auf eine lange Reise vorbereiten muß, nur sehr ungern von jenem Menschen scheidet und sich nicht auf die Fahrt machen will, ohne ihm Lebewohl gesagt zu haben.«

»Der Herr lohne Euch die Freundschaftsworte.«

»Ich brauche nicht nur Worte, sondern ich bethätige sie auch, kam ich doch hierher.«

»Von ganzer Seele freuen wir uns darob. Wenn Ihr nur täglich bei uns vorsprechen würdet.«

»Wollte Gott, ich könnte Euch in Bogdaniec die Ehre erweisen, welche denen gebührt, die auf ritterliche Sitte halten, allein ich muß ungesäumt von dannen ziehen.«

»In den Krieg oder an irgend einen heiligen Ort?«

»Eines oder das andere wäre mir weit gemäßer, denn, schlimm genug, zu den Kreuzrittern mache ich mich auf die Fahrt.«

»Zu den Kreuzrittern?« riefen Vater und Sohn fast in einem Atem.

»Ja,« antwortete Macko. »Wer aber zu ihnen zieht, ohne mit ihnen in Freundschaft verbunden zu sein, der thut gut daran, mit Gott und den Menschen Frieden zu schließen, sonst würde er vielleicht mit dem Leben auch die ewige Seligkeit verlieren.«

»Es ist gar seltsam,« meinte der alte Wilk, »allein bis jetzt ist mir noch kein Mensch zu Gesicht gekommen, der unter ihnen geweilt hätte, ohne Bedrückung erdulden zu müssen.«

»Und steht es nicht ebenso mit unserm ganzen Königreiche!« fügte Macko hinzu. »Weder durch die Litauer, bevor sie die heilige Taufe empfangen haben, noch durch die Tataren ist es jemals schlimmer bedrückt worden, als durch jene Weißmäntel.«

»Das ist die reine Wahrheit, aber wißt Ihr was: wohl haben sie nicht gerastet und nicht geruht, bis sie alles in ihrer Gewalt hatten, jetzt aber kommt die Zeit der Vergeltung.«

Leichthin spie der alte Wilk nach diesen Worten in die Hände, während sein Sohn hinzufügte: »Es kann gar nicht anders sein.«

»So wird es kommen, das ist gewiß. Aber wann? Nicht von uns hängt dies ab, sondern von dem König. Vielleicht kommt alles früher, als wir denken – vielleicht aber auch viel später – Gott allem weiß es. Inzwischen muß ich mich zu den Kreuzrittern begeben.«

»Wohl mit dem Lösegeld für Zbyszko?«

Als der junge Wilk den Namen Zbyszkos von seinem Vater nennen hörte, ward er bleich vor Haß und Ingrimm.

Macko jedoch entgegnete ruhig: »Vielleicht nehme ich Lösegeld mit mir, allein es wird nicht für Zbyszko sein.«

Diese Worte erregten die Neugierde von Vater und Sohn so sehr, daß schließlich der alte Wilk, der sich nicht länger im Zaume zu halten vermochte, bemerkte: »Es steht Euch ja frei, mir zu antworten oder nicht. Weshalb zieht Ihr dahin?«

»Ihr sollt gleich alles erfahren, Ihr sollt gleich alles erfahren,« erklärte Macko mit dem Kopfe nickend, »doch zuvor muß ich von etwas anderm reden. Seht Ihr, wenn ich von dannen ziehe, bleibt Bogdaniec dem Schutze Gottes überlassen. Früherhin, als ich zusammen mit Zbyszko unter Fürst Witold in den Krieg zog, da hatte nicht nur der Abt ein wachsames Auge auf unser Besitztum, sondern auch Zych aus Zgorzelic. Jetzt aber kann weder der eine noch der andere dafür sorgen. Gar peinlich ist es für jeden Menschen, denken zu müssen, daß er sich umsonst abgemüht und abgearbeitet hat. Doch Ihr wißt ja selbst, wie dies zu gehen pflegt. Man wird mir meine Bauern abspenstig machen, die Grenze verrücken. Ein jeder wird von meinem Vieh so viel stehlen, als er nur vermag, und so der Herr Jesus mich ungefährdet zurückkehren läßt, werde ich eine Wüstenei antreffen. Ich komme daher zu Euch, als zu meinen Nachbarn, mit der Bitte, Bogdaniec Euern Schutz angedeihen zu lassen und nicht zu gestatten, daß ich von irgend jemand beraubt werde.«

Als der alte Wilk diese Bitte vernahm, blickte er auf den jungen Wilk, und der junge Wilk blickte auf den alten Wilk, und beide verwunderten sich über die Maßen. Ein kurzes Schweigen trat ein, denn keiner von ihnen fand sogleich eine Antwort. Macko führte indessen die Trinkschale mit Met an die Lippen, trank sie aus und fuhr dann so behaglich und vertraulich fort, als ob er mit seinen besten Freunden spräche: »Ich will Euch nun aufrichtig sagen, wer mir sicherlich am meisten schaden wird. Kein anderer wie Cztan aus Rogow. Vor Euch hätte ich keine Furcht, selbst wenn wir uns in Unfrieden trennen würden, denn Ihr seid ritterlich gesinnte Männer, die jedem Feind kühn ins Antlitz schauen, niemals aber hinter dessen Rücken schamlose Rache üben. Hei! mit Euch ist das etwas ganz anderes. Ein Ritter ist eben ein Ritter! Cztan jedoch ist ein einfältiger Tropf; von einem einfältigen Tropf aber kann ich um so weniger Gutes erwarten, als er mir, wie Ihr wißt, sehr aufsässig ist, weil ich störend zwischen ihn und Jagienka, die Tochter von Zych, getreten bin.«

»Die Ihr Eurem Bruderssohn geben wollt!« brach nun der junge Wilk los.

Macko warf dem Sprechenden einen scharfen, kalten Blick zu, dann wandte er sich wieder zu dem alten Wilk, indem er ruhig erklärte: »Wißt, mein Bruderssohn hat sich mit einer jungen Erbin aus Masovien vermählt, die ihm einen beträchtlichen Brautschatz mitgebracht hat.«

Ein noch tieferes Schweigen als zuvor trat nun ein. Eine ganze Weile starrten Vater und Sohn offenen Mundes auf Macko, bis sich endlich der alte Wilk also vernehmen ließ: »Hei, was soll dies sein? Es geht ja die Rede … Nun, erzählt doch!«

Ohne indessen auf diese Worte zu achten, fuhr Macko weiter fort: »Dies ist auch der Grund, weshalb ich eine Fahrt antreten muß. Ich bitte Euch daher nochmals, haltet von Zeit zu Zeit Umschau in Bogdaniec, verhütet, daß mein Besitztum von irgend jemand geschädigt werde, und schützt mich vor allem als gute, treue Nachbarn gegen Cztans Ueberfälle.«

Für den jungen Wilk, der einen ziemlich scharfen Verstand besaß, unterlag es keinem Zweifel mehr, daß es für ihn, nach der Verheiratung von Zbyszko, von unendlichem Werte war, sich mit Macko gut zu stellen, da Jagienka großes Vertrauen in diesen setzte und in allem dessen Rat befolgte. Vor den Blicken des jungen Heißsporns öffneten sich plötzlich ganz neue Aussichten. »Es genügt jetzt nicht mehr, mich mit Macko zu vertragen,« sagte er sich, »ich muß ihn für mich einzunehmen suchen.« Obwohl er schon etwas angetrunken war, streckte er daher rasch seine Hand unter dem Tische aus, umfaßte seines Vaters Knie und drückte es zum Zeichen, daß dieser nichts Ungehöriges sagen möge.

»Habt nur keine Angst vor Cztan!« wandte er sich hierauf zu Macko. »Oho, er soll es nur einmal versuchen! Er hat mich zwar ein wenig verhauen, das ist wahr, ich habe ihm aber in einer Weise auf seine zottige Schnauze gegeben, daß seine eigene Mutter ihn wohl kaum erkannt haben würde. Befürchtet nichts, macht Euch nur ruhig auf die Fahrt. Keine Hand soll an Bogdaniec rühren.«

»Ihr seid ehrbare Männer, das sehe ich. Schwört Ihr es mir?«

»Wir schwören es!« riefen beide.

»Auf Euer Wappen?«

»Auf unser Wappen, ja, wenn Ihr wollt, auf das Kreuz! So wahr uns Gott helfe!«

Macko lächelte zufrieden vor sich hin, dann hub er von neuem an: »Nun, das und nichts anderes habe ich von Euch erwartet. Und weil das so ist, will ich Euch noch etwas sagen. Zych hat mich, wie Ihr wohl wißt, zum Schützer seiner Kinder bestellt. Deshalb trat ich auch Euch, Dir, jungen Bürschlein und Cztan entgegen, als Ihr gewaltsam in Zgorzelic einzufallen suchtet. Bin ich aber erst in Marienburg oder Gott weiß wo sonst, wird mein Schutz den armen Kindern wenig nützen. Gott hält zwar seine schirmende Hand über alle Waisen, und wer solchen Uebles thut, der hat nicht nur seinen Kopf verwirkt, sondern wird auch ehrlos erklärt. Allein trotzdem fällt es mir schwer zu gehen, furchtbar schwer. Gebt mir daher auch Euer Wort, daß Ihr weder selbst Zychs Waisen behelligen wollt, noch dulden werdet, daß sie von andern Unrecht leiden.«

»Wir schwören, wir schwören!«

»Auf Eure ritterliche Ehre und auf Euer Wappen?«

»Auf unsere ritterliche Ehre und auf unser Wappen!«

»Wie auch auf das Kreuz?«

»Ja, auch auf das Kreuz.«

»Gott ist unser Zeuge, Amen!« fügte Macko schließlich hinzu, indem er erleichtert aufatmete, war er doch nun gewiß, daß die beiden selbst dann ihrem Eid treu bleiben würden, wenn ihnen Zorn und Grimm die Kehle zuzuschnüren drohten. So wollte er sich denn auch sofort verabschieden, allein er ward fast mit Gewalt von Vater und Sohn zurückgehalten. Er mußte mit dem alten Will Brüderschaft trinken, während der junge Wilk, der gewöhnlich Händel suchte, sobald er seiner Sinne nicht mehr ganz mächtig war, sich damit begnügte, entsetzliche Drohungen gegen Cztan auszustoßen. Dabei bemühte er sich aber so eifrig um Mackos Gunst, als ob ihm dieser schon am folgenden Tage Jagienka zuführen werde. Noch ehe Mitternacht anbrach, war er indessen dermaßen erschöpft, daß ihn eine Ohnmacht anwandelte, und nachdem er wieder zu sich gebracht worden war, fiel er in einen bleiernen Schlaf. Der Vater folgte gar bald dem Beispiele des Sohnes, und beide machten den Eindruck von Leblosen, als Macko sie verließ.

Da dieser aber sehr viel ertragen konnte, war er selbst keineswegs betrunken, sondern nur etwas angeheitert. Voll Freude rief er sich daher auf dem Heimwege all das in das Gedächtnis zurück, was er erreicht hatte.

»Traun,« sagte er sich, »Bogdaniec ist nun ebensowenig gefährdet wie Zgorzelic. Wohl werden jene wüten, wenn sie hören, daß Jagienka fort ist, allein deren Eigentum ist jetzt ebenso sicher vor ihnen wie das meine. Dazu haben sie sich verpflichtet. Von dem Herrn Jesus ist dem Menschen Verstand verliehen worden. Wo man daher mit den Fäusten nichts auszurichten vermag, da muß man die Klugheit walten lassen. Wenn ich zurückkehre, wird mich der Alte zum Kampfe fordern, doch was liegt daran! Gott gebe nur, daß ich auch bei den Kreuzrittern meinen Zweck erreichen werde. Vielleicht steht mir aber die heilige Mutter Gottes bei, und ich kann für Zbyszko ebenso günstig wirken, wie ich dies für die Kinder Zychs und für Bogdaniec gethan habe.«

Plötzlich schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, das Mägdlein müsse ja gar nicht von dannen ziehen, der alte und der junge Wilk würden es sicherlich wie den eigenen Augapfel behüten, gleich darauf verwarf er aber wieder diese Idee. »Wohl werden jene über die Maid wachen, Cztan wird aber trotzdem nicht von seinen Ueberfällen abstehen,« sagte er sich von neuem. »Gott allein weiß, wer dann den Sieg davon tragen würde, sicherlich käme es zu fortwährenden Angriffen und Kämpfen, unter denen Zychs Söhne, Zgorzelic, ja sogar das Mägdlein zu leiden hätten. Weit leichter läßt sich Bogdaniec beschützen; für Jagienka ist es indessen jedenfalls ratsamer, fern von den beiden Raufbolden und in der Nähe des reichen Abtes zu sein.«

Da Macko schon lange nicht mehr glaubte, Danusia könne lebend aus den Händen der Kreuzritter entkommen, nährte er stets die Hoffnung in sich, Zbyszko werde, wenn er verwitwet zurückkehre, dies als eine Fügung Gottes betrachten und Jagienka heimführen.

»Hei, allmächtiger Gott und Herr!« dachte er bei sich, »wenn Zbyszko, der doch nun im Besitze von Spychow ist, sich mit Jagienka vermählen würde und dadurch Moczydoly und all das in Besitz bekäme, was ihr der Abt hinterläßt, hei, dann wollte ich es nicht an Wachs für Kerzen fehlen lassen.«

Von solchen Gedanken und Betrachtungen erfüllt, erschien Macko der Heimweg aus Brzozowa weit kürzer als dies in Wirklichkeit der Fall war, denn erst spät in der Nacht langte er an Ort und Stelle an. Voll Verwunderung nahm er daher den hellen Lichtschein wahr, der durch das ölgetränkte Papier der Fenster fiel. Die Bediensteten schliefen noch nicht, und kaum ritt er in Bogdaniec ein, so eilte ihm ein Knecht entgegen.

»Sind Gäste hier?« fragte Macko, vom Pferde steigend.

»Ja, der junge Herr aus Zgorzelic mit dem Böhmen.«

Macko staunte über diesen Besuch. Jagienka hatte versprochen, sich vor Tagesanbruch einzustellen, dann wollten sie sich sofort auf den Weg machen. Weshalb war daher Jasko gekommen und noch dazu zu einer so späten Stunde? Der alte Ritter glaubte nicht anders, als daß sich irgend etwas in Zgorzelic ereignet habe. Voll Angst und Sorge eilte er ins Haus.

In der großen Vorderstube brannten in dem thönernen Kamine, das überall in dem Gehöfte die gewöhnlich in der Mitte der Gelasse befindlichen Feuerherde ersetzte, lustig prasselnd mächtige Scheite aus Tannenholz, während zwei von eisernen Ringen über dem Tische festgehaltene Fackeln noch mehr Licht verbreiteten. Macko erblickte auch sofort Jasko, den Böhmen Hlawa und noch einen jungen Burschen mit Wangen so rot wie ein Apfel.

»Wie steht’s mit Dir, Jasko, und was ist mit Jagienka?« fragte der alte Ritter.

»Jagienka befahl mir, Euch zu sagen,« antwortete der Gefragte, indem er Macko die Hand küßte, »sie habe nach reiflichem Ueberlegen beschlossen, zu Hause zu bleiben.«

»Da sei Gott vor! Und warum denn, weshalb denn? Was ist ihr denn plötzlich in den Sinn gekommen?«

Seine blauen Augen fest auf Macko richtend, brach der junge Bursche mit einem Male in lautes Lachen aus.

»Was soll dieses Gelächter bedeuten?«

Doch das Lachen verstummte nicht, nein, Hlawa und der andere junge Bursche stimmten fröhlich darin ein.

»Was sagt Ihr nun!« rief der vermeintliche Jasko. »Wenn Ihr mich nicht erkennt, wer soll mich denn sonst erkennen?«

Jetzt blickte Macko prüfend auf die anmutende Erscheinung und rief dann sofort:

»Im Namen des Vaters und des Sohnes! Die reinste Fastnacht! Doch weshalb bist Du hier, Du Irrwisch?«

»Traun, weshalb? Wer eine Fahrt unternehmen will, der muß sich zeitig auf den Weg machen.«

»Doch Du solltest ja erst morgen mit Tagesanbruch hierher kommen.«

»Wo denkt Ihr hin! Morgen, bei Tagesanbruch, damit mich ein jeder sehen kann! Morgen werden sie in Zgorzelic denken, daß ich bei Euch zu Gast sei, und erst übermorgen wird man Nachforschungen anstellen. Sieciechowa und Jasko wissen zudem alles, und Jasko hat mir auf seine ritterliche Ehre einen Eid geleistet, daß er nur dann die Wahrheit enthüllen werde, wenn sich meine Leute beunruhigen sollten. Ihr habt mich also wirklich nicht erkannt?«

Nun brach auch Macko in Lachen aus.

»Laß Dich einmal anschauen! Hei, ein ganzer Kerl bist Du, etwas ganz Besonderes! Bei meiner Treu, wenn ich nicht schon so alt wäre – doch ich sage Dir, Mägdlein, nimm Dich in acht, nimm Dich in acht. Wenn wir uns zu oft sehen, dann …«

Lachend drohte er Jagienka mit dem Finger, während er sie mit stets wachsender Bewunderung betrachtete, hatte er doch noch nie zuvor einen solch hübschen Burschen gesehen. Sie trug ein rotseidenes Netz über den Haaren, ein grünes Tuchwams, Beinkleider, von denen die eine Hälfte die Farbe des Netzes hatte, die andere gestreift war, und welche sich an den Hüften weit aufbauschten, gegen die Knöchel zu aber eng und anschließend wurden. Ein kostbares Schwert prangte an dem Gürtel der Maid, ihr Antlitz aber war so sonnig und strahlend wie die Morgenröte, ihre Schönheit so anziehend, daß man kein Auge von ihr verwenden konnte.

»So wahr mir Gott helfe,« ergriff schließlich Macko fröhlich das Wort, »man weiß in der That nicht, ob Du irgend ein feines Herrlein oder eine holde Blume bist. Doch wer ist das hier?« fuhr er fragend fort. »Gewiß irgend ein rechter Taugenichts.«

»Das ist ja die Tochter der Sieciechowa,« antwortete Jagienka. »Gar einsam würde ich mich bei Euch fühlen, wäre ich allein. Wie könnte dies auch anders sein? So nahm ich denn Anielka mit mir, dann ist’s lustig, und ich habe sowohl Gesellschaft wie Hülfe. Sie wird ebensowenig erkannt werden wie ich.«

»Das ist nun wieder eine wahre Lust für Dich, Du Schalk! An einer war es nicht genug, es müssen gleich zwei sein.«

»Verspottet mich nicht!«

»Ich spotte doch nicht! Sobald indessen der Tag anbricht, wird man Dich und sie erkennen.«

»Ach was! Woran denn?«

»Weil Deine Knie sich einwärts biegen und die ihren auch.«

»Ei, laßt mich in Frieden!«

»Vor mir hast Du Ruhe, denn ich bin über dies Alter hinaus. Ob Dich aber Cztan und Wilk in Frieden lassen werden, das weiß Gott allein. Doch rate einmal, Du wilde Hummel, woher ich komme? Nirgends anders her als von dem alten Wilk.«

»Gerechter Gott! Was sagt Ihr?«

»Die Wahrheit, wie es auch die Wahrheit ist, daß der alte und der junge Wilk sich verpflichtet haben, Bogdaniec und Zgorzelic gegen Cztan zu verteidigen. Einen Feind herauszufordern oder mit ihm zu kämpfen, dazu gehört nicht viel, wer aber den Feind zum Wächter des eigenen Besitztums zu bestellen versteht, der kann kein Tölpel sein.« Nun schilderte Macko seinen Besuch bei dem alten und dem jungen Wilk und erzählte ausführlich, wie er allmählich die beiden in ihrer eigenen Schlinge zu fangen gewußt hatte. Voll Spannung lauschte Jagienka der Erzählung, schließlich aber erklärte sie: »Der Herr Jesus hat es bei Euch nicht an Schlauheit fehlen lassen. Zweifellos wird alles so geschehen, wie Ihr es wünscht.«

Da senkte Macko das Haupt, als ob er gar betrübt wäre, indem er sagte: »Hei, Mägdlein, wenn alles so ginge, wie ich wünsche, dann würdest Du längst die Herrin in Bogdaniec sein.«

Jagienka schaute den Sprechenden mit ihren blauen Augen zuerst groß an, dann beugte sie sich auf seine Hand und drückte einen Kuß darauf.

»Was soll das heißen?« fragte der alte Ritter.

»O nichts, nichts … Ich will Euch nur ›Gute Nacht‹ sagen, denn es ist schon spät, und wir müssen uns vor Tagesanbruch auf den Weg machen.«

Nach diesen Worten entfernte sie sich mit Anielka, während sich Macko mit Hlawa in eine Nebenstube begab, wo die beiden, auf Büffelfellen ruhend, bald in tiefen, festen Schlaf fielen.

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