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Die zweite Station

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Gibt’s im Land koa Liebe mehr, stirbt die Quell, der Brunnen leer. Wir stehen vor dem Brunnen, und er ist leer – noch so ein Umstand, der der Gruppe hätte zu denken geben müssen. Tut er aber nicht. Meine Schäfchen stehen nur da und machen ah und oh.

Ich keuche derweil. Ich bin ja nicht von hier, komme aus dem norddeutschen Flachland, wohne erst seit einer Woche im Posthotel drüben in Achenkirch und habe in dieser Zeit nichts anderes getan, als viermal am Tag zu essen – Frühstück, Lunch, Kuchentafel, Abendessen. Meine Hose spannt, und die Lungen pfeifen. Ich hätte mehr sporteln sollen, aber diese Erkenntnis kommt jetzt zu spät. Hier war eigentlich gar kein Halt vorgesehen, aber ich muss erst mal zu Atem kommen. Um die Gruppe zu beschäftigen, zitiere ich ein Besinnungsgedicht. Auch aus dem Faltblatt. „Warum ist der Brunnen leer? Warum fließt kein Wasser mehr? Wenn jeder nur noch an sich selber denkt, dem andern keine Liebe schenkt, versiegt auf Erden jede Quelle und in den Menschen alles Helle.“ Ich schaue auf und improvisiere auf Teufel komm raus. „Die heilige Notburga kann uns da ein Vorbild sein. Sie hat ihre Liebe immer großzügig anderen zukommen lassen. Deswegen wurde sie ja auch heiliggesprochen, die Gute. In diesem Jahr feiern wir übrigens 700 Jahre Notburga mit zahlreichen Veranstaltungen und Feierlichkeiten. Der Höhepunkt ist im September, die Notburga-Prozession.“

Ich frage mich, wer von meinen Schäfchen das noch erleben wird … „Was wäre die Welt ohne Liebe. Wir sollten alle mehr Liebe verströmen“, flöte ich. Plattitüden kann ich gut.

Apropos Liebe … Ich zwinkere dem gut aussehenden Mann im pastellfarbenen Polohemd zu. Dabei sind Pastelltöne bei Männern eigentlich ein Deal Breaker für mich, aber die Auswahl in der Gruppe ist nicht berückend.

Mehr Liebe für die Welt, da sind sich alle einig. Die Gruppenköpfe nicken synchron, der Bommelmützenmann schießt mit seiner Hochleistungskamera ein Foto vom leeren Brunnen. Dann scharren aber schon alle ungeduldig mit den Hufen. Das Besinnen ist aus der Mode gekommen, und oben auf der Hütte wartet der Imbiss auf uns.

„Wo Herrmann nur bleibt?“, fragt die Frau des Numismatikers und schaut den Weg zurück, den wir gekommen sind.

Weit und breit kein Herrmann.

„Der holt uns schon noch ein“, beruhige ich sie. „Und wir gehen weiter.“

Nur der See sah zu

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