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PROLOG

Wir leben in der besten aller Welten. Unser Heimatplanet kreist in einer habitablen Zone um einen mittelgroßen, energiespendenden Stern. Nicht zu nah am Fusionsfeuerwerk, sodass Wasser nicht verdampft, nicht zu weit entfernt, sodass das kostbare Nass nicht zu einem Eispanzer gefriert. Beste Voraussetzung für das Phänomen »Leben«, das nach Jahrmilliarden langer Evolution auch uns, den Homo sapiens, hervorgebracht hat.

In der allerbesten aller Welten haben sich rund 1 Milliarde dieser Menschen eingerichtet. Die sogenannte »Erste Welt« erstreckt sich überwiegend auf der Nordhalbkugel und zeichnet sich durch Frieden, Freiheit und Wohlstand aus. Nach zwei fürchterlichen Weltkriegen haben die Völker dieser Region offensichtlich dazugelernt. Nicht ganz so paradiesisch sieht es für 6,5 Milliarden Mitbewohner des Planeten aus, die in der »Dritten Welt« oder den Schwellenländern geboren wurden.

Hunger und Existenznot sind für viele tägliche Herausforderung.

Die Menschen teilen die Erde mit Milliarden anderer Lebewesen, Tiere und Pflanzen. Alle sind Überlebende, also Sieger im »Survival of the Fittest«-Wettbewerb der vergangenen Zeitalter. Diese Gemeinschaft der Überlebenden sowie deren Lebensraum werden durch die Menschen bedroht. Sie zerstören die Biodiversität, heizen die Atmosphäre auf, verunreinigen das Wasser, plündern die Bodenschätze, vergiften den fruchtbaren Boden und führen Kriege.

Die Erde braucht uns Menschen nicht. Es ist sogar höchst wahrscheinlich, dass sie nicht auf uns gewartet hat. Offensichtlich hat es ja auch 2–3 Milliarden Jahre gedauert, bis sich auf dem mausetoten dritten Felsplaneten eines Sonnensystems so etwas wie Leben aus anorganischer Materie regte. Anfangs waren es wohl schlichte Einzeller, die sich mit anderen zu komplexeren Kollektiven organisierten. Zuerst im Wasser, dann an Land und in der Luft. Dieses Phänomen Leben entfaltete sich wie der Regenbogenschweif eines paarungsbereiten Pfaus zu einer ungeheuer einfallsreichen Pracht und Vielfalt. Die Faust aufs schillernde Pfauenauge war dann vor 300 000 Jahren der Homo sapiens, auf zwei Beinen aufrecht gehend und mit einem leistungsstarken Gehirn zwischen seinen Ohren.

Genau dieses Organ sollte ihn auf der einen Seite sehr erfolgreich machen, ihn aber anderseits in ungeahnte Schwierigkeiten bringen. Das trifft insbesondere auf einen Teil dieses unter der Schädeldecke bestens geschützten Neuronenhaufens zu, das Großhirn. Stamm- und Zwischenhirn finden sich auch bei der Lebensform der Tiere, mit denen sich der Homo den Planeten Erde teilt, wobei die zwei- bis achtbeinigen Kreaturen zweifellos die Arschkarte gezogen haben.

Aber auch für den Menschen selbst ist das Potenzial dieser Speicher- und Schaltzentrale ein zweischneidiges Schwert. »Mit dem menschlichen Gehirn ist der Evolution ihr Meisterstück gelungen«, sagt der Biologe und Nobelpreisträger Susumu Tonegawa, der am Picower-Institut des Massachusetts Institute of Technology (MIT) bei Boston forscht. Es gebe nichts Komplexeres und Geheimnisvolleres auf Erden als dieses Anderthalb-Kilogramm-Gewebe. Doch gerade darin liege die große Tragik. »Unser Gehirn befähigt uns, Großes zu vollbringen«, so Tonegawa weiter, »doch wir können damit auch Unheil und Schrecken über die Welt bringen.«

Wir fingen schon früh damit an.

Nachdem unser Vorfahre dem Säbelzahntiger den Zahn gezogen hatte, gab es für sein Hegemoniestreben kein Halten mehr. Über Jahrzehntausende arbeitete er zielstrebig daran, sich Tier- und Umwelt untertan zu machen. Sein exklusives Großhirn leistete ihm dabei hervorragende Dienste. Zu so praktischen Dingen wie Faustkeil, Speer sowie Pfeil und Bogen kamen später die Erfindung des Rades, der Schrift samt Buchdruck, das Fernsehen und die Atombombe hinzu.

Nach dieser Zeitraffer-Achterbahn durch die beeindruckende Evolutionsgeschichte – wobei einige atemberaubende Loopings auf der Strecke blieben – stellt sich sofort die Frage: War das denn wirklich so? Die Antwort ist wichtig für die Standortbestimmung des Menschen auf dem Planeten Erde, den gerade 7,5 Milliarden dieser Spezies dabei sind zu plündern und zu verwüsten.

Diese Frage stellt das menschliche Bewusstsein, das im Großhirn beheimatet zu sein scheint und das uns – zumindest hier auf Erden – so einmalig macht.

Geht man von den Lehren der gerade vorherrschenden Naturwissenschaften aus, erscheint die Idee eines 13,7 Milliarden Jahre zurückliegenden Urknalls, der ein beeindruckendes Universum hervorbrachte samt der Evolution des Lebens mit dem Survival of the Fittest, als gut begründet. Das ist pragmatischer Materialismus, mit dem sich auch das Hier und Heute sowie die Zukunft gestalten lässt. Wobei mit kreativer Zuversicht alles machbar erscheint und Wachstum samt Welt vermeintlich grenzenlos sind.

In dieser Konsequenz gedacht, scheint die Sache einen Haken zu haben.

Status 2017:

 Wir – die gesamte Menschheit – verbrauchen gerade 1, 6 Erden.

 Würden alle so leben wie die 82 Millionen Bundesdeutschen, dann wären das hochgerechnet 2,6 Erden!

 Der Lebensstandard der USA würde 4 Planeten Erde voraussetzen.

Zur Erinnerung: Die Erde ist eine Kugel mit einem Durchmesser von 12 576 Kilometern, die mit rasanten 106 000 Stundenkilometern um ihren Heimatstern, die Sonne, unterwegs ist. Sie ist zu zwei Dritteln mit Ozeanen (Salzwasser) bedeckt. Dazu verteilen sich auf fünf Kontinenten Gebirge, Wald, Savannen und Wüsten. Im Boden lagern jahrmillionenalte Schätze, die sich bestens verheizen und verschmelzen lassen. Das lebenswichtige Süßwasser macht gerade einmal einen Tropfen mit 550 Kilometern Durchmesser aus. Der passt locker zwischen München und Köln. Bisher kamen Pflanzen, Tiere und Menschen damit über die Runden. Round the World, wohlverstanden.

Über den Planeten spannt sich eine erschreckend dünne Luftschicht, die dem deutschen Astronauten Alexander Gerst beim Blick aus der Weltraumstation ISS so erschien, als ob man sie einfach wegpusten könne.

Schon ein halbes Jahrhundert zuvor hatte sich Richard Buckminster Fuller eine neue Selbstwahrnehmung des Menschen ausgedacht. Der Architekt, Erfinder, Autor und exzentrische Außenseiter meinte: »Wir leben auf dem Raumschiff Erde, machen unsere 67 000 Meilen pro Stunde um die Sonne, ohne jeden Lärm und ohne Erschütterung. Die vernünftigste Art und Weise, über die ganze Menschheit heute nachzudenken, besteht darin, sie als Mannschaft auf einem einzigen Raumschiff anzusehen. Auf ihm machen wir alle unsere Pilgerfahrt durch die Unendlichkeit – mit einer bemerkenswerten Kombination aus Sicherheit und Verwundbarkeit.

Unser Planet ist nicht viel mehr als die Kapsel, in der wir als menschliche Wesen leben müssen, falls wir überleben auf der Reise durch den riesigen Weltraum, auf der wir uns seit Jahrtausenden befinden – ohne jedoch unsere Lage wahrzunehmen.«

Den Astronauten und Kosmonauten des folgenden Raumzeitalters erschloss sich dieses Bewusstsein offensichtlich sehr schnell. Der nötige Abstand machte den Zusammenhang klarer. »Wir sind alle Kinder der Erde und sie ist für uns die Mutter«, beschrieb der russische Kosmonaut Alexander Alexandrow seine Gefühle aus dem Orbit.

Von noch weiter weg, ganze 450 000 Kilometer, ging für die Besatzung von Apollo 8 beim Flug um den Mond am 24. Dezember 1968 am Horizont die Erde auf. Verletzlich und einzigartig schwebte die Blue Marble in der unendlichen Schwärze des Weltalls. Während einer Live-Fernsehübertragung lasen die drei Astronauten aus der Schöpfungsgeschichte der Bibel, eine bis heute einmalige Weihnachtsbotschaft an alle Menschen auf der Erde. Kommandant Frank Bormann schloss mit den Worten: »Gott segne euch alle – euch alle auf der guten Erde.«

Deshalb sollte uns dringend klar werden:

WIR SIND ALLE ASTRONAUTEN.

DABEI GIBT ES KEINE PASSAGIERE.

WIR SIND ALLE CREW.

Und: Fallschirme sind keine an Bord.

Niemand kann aussteigen!

Der feine Unterschied zwischen zahlenden Mitreisenden und der Besatzung: Verantwortung. Während sich Passagiere entspannt zurücklehnen, muss die Crew mit Pflichtgefühl, Know-how und Engagement bei der Sache sein. Unsere Reise um die Sonne ist keine All-inclusive-Gruppentour, die bei einem himmlischen Reisebüro im Katalog angeboten wird und als Schnäppchen zu buchen wäre.

Weil das so ist, stellt sich Ihnen nun unweigerlich die Gretchen- Frage: Wie halte ich es mit meinem ethisch, ökonomisch, ökologisch verantwortlichen Dasein? Kurz: Bin ich ein halbwegs passables Crew-Mitglied?

Zur Hölle mit uns Menschen

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