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STANDORTBESTIMMUNG

Ein erster, gewichtiger Standpunkt für einen Blick auf das Dasein des Menschen auf seinem Heimatplaneten war der Glaube an einen Schöpfer. Hier haben sich die Religionen versammelt.

Am besten setzt man sich auf Wolke sieben und schaut sich das irdische Treiben von oben an. Ganz so, wie es wohl die olympischen Götter der alten Griechen getan haben. Die hatten eindeutig menschliche Züge, was sie vorstellbar und sympathisch machte. Vor ihnen hatte sich schon eine Reihe machtbewusster Herrscher über sehr irdische Reiche mit jenseitigen Kräften verbündet. Das lässt sich eindrücklich bei den Hochkulturen an Euphrat, Tigris und am Nil erkennen. Ganz pfiffig waren die ägyptischen Pharaonen, die ihr auserwähltes Menschsein gleich mit dem Göttlichen verschmolzen. Sie waren mit Aton als praktisch seinesgleichen auf Du und Du. So ließ es sich trefflich regieren.

Noch weiter zurück in der Menschheitsgeschichte weisen die Höhlenmalereien steinzeitlicher Jäger auf ein jenseitiges Sehnen des Homo sapiens hin, der sich Hilfe und Trost von Geistern und Dämonen erhoffte. Das Dasein hatte damit zwei Dimensionen, was ja zweifellos von Vorteil sein kann.

Das Jenseits war dann auch für die Verfasser des Alten Testaments eine aufregende Ergänzung zur irdischen Bühne. Das Neue dabei war die Idee des »einen Gottes«. Aus und vorbei war es mit dem bunten, überirdischen Treiben. Ob Jahwe, Christengott oder Allah, diese monotheistischen Leitfiguren beanspruchen bis heute Exklusivität. Zumindest trifft das auf ihre jeweiligen Religionsgemeinschaften und deren Führungspersonal zu, das auf Alleinvertretungsanspruch pocht. Die heute rund 3 Milliarden Anhänger dieser Glaubensgemeinschaften gehen von einem Schöpfergott aus, der sich das Universum und uns Menschen ausgedacht und ins Werk gesetzt hat. Ihm werden naheliegenderweise beeindruckende Eigenschaften wie Allmacht, Allwissenheit, aber auch Barmherzigkeit zugeschrieben. Der an ihn Glaubende ist sein Geschöpf. Das gilt auch für alles andere Leben sowie die unbelebte Natur. All das gilt es pfleglich zu behandeln und zu schützen. Sonst: Ab in die HÖLLE.

Die zweite Standortbestimmung als Mensch und Crew-Mitglied des Raumschiffs Erde stellt sich für einen Atheisten ganz anders dar. Ohne Religion keine Sanktionen durch eine höhere Instanz. Der gottlose Ursprung findet sich in der Renaissance, als der Mensch den Blick aus jenseitigen Sphären wieder auf sich und die ihn umgebende Natur wandte – wie es ihm eigentlich schon die Denker der griechischen Antike vor 2000 Jahren vorgemacht hatten. Physik, Mathematik und Philosophie übernahmen wieder das Ruder.

Dem Materialismus in seinen Ausformungen Naturwissenschaft, Forschung, Technik und Wirtschaft zur Seite standen die Geisteswissenschaften, die seine harten Kanten mit Ethik und Moral abmilderten. Hier werden Gerechtigkeit, die Rechte des Menschen, seine Würde und Freiheit sowie deren Unantastbarkeit verortet. Bestens eingebettet ist dabei auch der Humanismus, der der Selbsterhaltung des Homo sapiens dient. Ihm werden alles andere Leben und sogar die tote Natur untergeordnet. »Humanity first! « Ein großer Irrtum, wie heute die Folgen der dramatischen Eingriffe in die Biodiversität bei Vegetation und Tierwelt zeigen.

Diese Standortbestimmungen der ungläubigen Materialisten sowie der leider oft auch materialistischen Gottgläubigen im Schnelldurchlauf helfen, den Blick zu schärfen. Gilt es doch für jeden von uns, sich in seinem Denken und Handeln zu erkennen: Wo stehe ich im Anthropozän, in das ich hineingeboren wurde? Ein erdgeschichtliches Zeitalter in einer 4 Milliarden Jahre umspannenden Abfolge auf unserem Planeten. Im heutigen »Zeitalter des Menschen« wirken wir zum ersten Mal gravierend auf die bisher natürliche Entwicklung der Erde ein.

Fürs Grobe waren bislang Meteoriten-Einschläge, der heiße Kern des Planeten mit der Plattentektonik samt Erdbeben und Supervulkanausbrüchen zuständig. Auch der Wechsel von Warm- und Eiszeiten sorgte für einschneidende Veränderungen. Man denke nur an einen 100 Meter hohen Gletscher über dem heutigen München. Schlappe 15 000 Jahre ist das her.

Selbst die Geologen, die es gewohnt sind, in langen Zeiträumen zu forschen und einzuteilen, konnten sich jetzt auf das neue Zeitalter nach dem seit 12 000 Jahren laufenden Holozän einigen. Ja, wir leben im Anthropozän. Ja, wir greifen in das Erdgeschehen ein. Und das zu Lande, Luft und Wasser.

Wie halte ich – als einer von jetzt 7,5 Milliarden Menschen – es mit dieser Tatsache und Herausforderung? Bin ich mir ihrer bewusst? Verdränge ich sie? Oder empfinde ich Verantwortung gegenüber meinen Mitmenschen und folgenden Generationen? Bin ich gar »enkeltauglich«? Wie gehe ich mit anderen Lebensformen, also den Tieren und Pflanzen, um?

Der Klimawandel steht heute im Brennpunkt der wachsenden Erkenntnis, dass im Hintergrund unser aller Alltagsumtriebigkeiten und Befindlichkeiten ein bedrohlicher Prozess abläuft, der unseren Lebensraum Erde gefährdet. 2 Grad Celsius mehr sind zu einem Menetekel geworden.

2 Grad Celsius weniger hatten die Welt samt Menschen bereits vor 400 Jahren aus den Angeln gehoben.

Das ist auch der Titel eines bemerkenswerten Buches von Philipp Blom: Die Welt aus den Angeln – Eine Geschichte der Kleinen Eiszeit von 1570 bis 1700. Eine Klimaveränderung in Europa hatte zu Missernten, Hunger und Kriegen geführt.

»Im 17. Jahrhundert wurde der Klimawandel noch nicht als globales Ereignis verstanden, und selbst wenn es der Fall gewesen wäre, so hätten die Gesellschaften Europas kaum effektiver reagiert, denn die wissenschaftliche Methode war noch nicht allgemein anerkannt, die Machtverhältnisse zu lokalisiert und die etablierten politischen Einflüsse zu stark, um zu handeln.

Heute wissen wir, dass der uns bevorstehende Klimawandel seinen Ursprung in unserer industriellen Entwicklung hat, und wir verstehen, dass wir seine noch nicht abschätzbaren Folgen zumindest weniger katastrophal machen könnten, wenn wir rasch und entschieden darauf reagieren würden. Wir sind die erste Generation der Menschheitsgeschichte, die eine relativ klare Konzeption davon hat, was ihr Erbe an die Zukunft sein wird.«

Diese Chance sind wir dabei, in selbstzerstörerischem Leichtsinn zu verspielen. Philipp Blom weiter: »Wir reagieren auf den Klimawandel kaum effizienter als unsere Vorfahren, die ihn nicht verstanden: chaotisch, improvisierend, getrieben von immer häufiger katastrophalen Ereignissen und immer kontrolliert von dem absoluten Nahziel, dass unsere Wirtschaft wachsen muss. Wir sind uns dabei kaum bewusst, dass wir uns wie alle Organismen an unsere natürliche Umgebung anpassen müssen, insbesondere wenn in einigen Gebieten die Nahrungsmittelversorgung zusammenbricht, und dass im Zuge dieser Anpassung weitere Transformationen stattfinden werden, die in alle Bereiche unseres Lebens und Denkens hineinreichen, dass wir gut beraten wären, unser evolutionäres Privileg, die Fähigkeit zu planen, auf die uns bevorstehenden Umwälzungen anzuwenden.«

Zu einer globalen Orientierung im Krisenmodus haben sich die Vereinten Nationen bereits im September 2015 im Rahmen der »Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung« aufgerafft. Diese wurde immerhin von 193 Mitgliedsstaaten verabschiedet. Neben sozialen Problemfeldern wie Armut, Hunger, Geschlechterungleichheit, Gesundheit, gewaltsame Konflikte und Flüchtlingsströme liegt der Fokus auch auf den schwerwiegenden Einwirkungen der Menschheit auf ihren Lebensraum: »Die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und die nachteiligen Auswirkungen der Umweltzerstörung, darunter Wüstenbildung, Dürre, Landverödung, Süßwasserknappheit und Verlust der Biodiversität, haben eine immer länger werdende Liste sich verschärfender Menschheitsprobleme zur Folge.

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Er untergräbt die Fähigkeit aller Länder, eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Der globale Temperaturanstieg, der Anstieg des Meeresspiegels, die Versauerung der Ozeane haben schwerwiegende Folgen für die Küstengebiete und tiefer liegende Küstenstaaten sowie kleine Inseln. Das Überleben vieler Gesellschaften und der biologischen Unterstützungssysteme der Erde ist in Gefahr.«

Im Kern der Agenda werden weiter 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung sowie 169 zugehörige Zielvorgaben formuliert. Das Ganze bis 2030! Donnerwetter!

Neben diesem kollektiven Weckruf der Völker- und Staatengemeinschaft wurden, wie bei so vielen politischen Manifestationen, konkrete Maßnahmen sowie deren Kontrolle und Sanktion vermieden. Ansonsten wäre die Agenda sicher gar nicht zustande gekommen. Zu widersprüchlich sind die Interessen der Ersten und Dritten Welt. Von den aufstrebenden Entwicklungs- oder Schwellenländern dazwischen ganz zu schweigen.

Zur Erinnerung (Wiederholung stärkt die Synapsen):

WIR VERBRAUCHEN GERADE 1,6 PLANETEN.

Wir leben bereits seit Jahren weit über unsere Verhältnisse – zumindest wir

1 Milliarde auf der satten Nordhalbkugel.

Bereits vor über 50 Jahren war das emsige Treiben des Menschen einigen Wissenschaftlern, Denkern und Autoren aufgefallen. Den ersten Markstein stellte die Veröffentlichung des Club of Rome 1972 dar, die ein neues Denken auf den Weg brachte: Grenzen des Wachstums. Zum ersten Mal wurde einer breiten Öffentlichkeit mitgeteilt, dass es kein unendliches »Weiter so« geben kann. Zumindest konnte ab diesem Zeitpunkt derjenige hören und wissen, der bereit war, zuzuhören und mitzudenken.

Die Mitglieder des Clubs, einer losen Verbindung von Wissenschaftlern der unterschiedlichsten Fachbereiche, begleiten die Entwicklung seither mit jeweils aktuellen Erkenntnissen und Publikationen. So einer seiner heutigen Präsidenten, Ernst Ulrich von Weizsäcker mit seinem Buch Come on sowie die beiden Zukunftsforscher und Ökonomen Jorgen Randers und Graeme Maxton in ihrem Bericht Ein Prozent an den Club of Rome:

»Unsere gegenwärtige Wirtschaftsstruktur vermehrt die Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und Armut.

Sie hinterlässt verwüstete Landschaften. Eine Gesellschaft der Zu- kunft sollte gerecht sein und jeder sollte gleichermaßen mit Respekt behandelt werden. Das größte Hindernis auf dem Weg in eine solche Gesellschaft ist nicht wirtschaftlicher, sondern politischer Natur.«

Von einer gerechten Welt als Voraussetzung für eine ökologische Zukunft spricht auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato si!: »Um die Grundfragen in Angriff zu nehmen, die nicht durch Maßnahmen einzelner Länder gelöst werden können, ist ein weltweiter Konsens unerlässlich. Das Ziel: eine nachhaltige, vielgestaltige Landwirtschaft, erneuerbare, umweltfreundliche Energieformen zu entwickeln und eine größere Energieeffizienz zu fördern. Eine angemessene Verwaltung der Ressourcen Wald und Meer sowie der Bodenschätze gilt es voranzutreiben. Für alle muss der Zugang zu Nahrung und Trinkwasser gesichert werden.«

Stephen Hawking, ehemaliger Inhaber des Lucasischen Lehrstuhls der Universität Cambridge und Bestsellerautor, schrieb: »Wir haben die Technologien entwickelt, die den Planeten, auf dem wir leben, nach und nach zerstören, aber noch nicht die Fähigkeit, der Erde zu entkommen. In einigen Jahrhunderten werden wir möglicherweise menschliche Kolonien im All haben, aber derzeit haben wir nur diesen einen Planeten, und wir müssen alle daran arbeiten, ihn zu bewahren. Dazu müssen wir die Schranken innerhalb und zwischen den Nationen abbauen und nicht noch verstärken. Wenn wir uns die letzten Chancen dazu bewahren wollen, bleibt den Entscheidungsträgern dieser Welt nichts anderes übrig, als anzuerkennen, dass sie versagt und die Menschheit im Stich gelassen haben.«

Wie wenig gut gemeinte Appelle bisher gefruchtet haben, zeigt ein Blick zurück. 1975 erschien das Buch Ein Planet wird geplündert – Eine Schreckensbilanz unserer Politik. Autor war Herbert Gruhl, CDU- Bundestagsabgeordneter, dann Mitglied GAZ/Die Grünen sowie der ÖDP und Vorsitzender des BUND. Seine aufrüttelnde Einsicht und Botschaft: »Nicht nur der Mensch bestimmt den Fortgang der Geschichte, sondern es sind die Grenzen des Planeten Erde. Diese legen alle Bedingungen fest für das, was noch möglich ist. Diese totale Wendung bedeutet, dass der Mensch nicht mehr nur von seinem Standpunkt aus handeln kann, sondern von den Grenzen unserer Erde ausgehend denken und handeln muss. Wir nennen diese radikale Umkehr DIE PLANETARISCHE WENDE.«

Die Bestandsaufnahme der übriggebliebenen Möglichkeiten ist die dringende Aufgabe unserer Zeit.«

Merke auf, oh geneigter Leser: Der Mann schrieb das vor über 40 Jahren! Hat sich in dieser »unserer Zeit« eine planetarische Wende auch nur angedeutet? Haben wir unseren anthropozentrischen Standpunkt der hemmungslosen Unterwerfung und Ausbeutung der Erde nur um ein Jota verändert?

Hans-Peter Dürr, Träger des alternativen Nobelpreises sowie mehrfaches Direktoriumsmitglied des Max-Planck-Instituts für Physik und Nachfolger von Werner Heisenberg, formulierte das so: »Wir Menschen sind wie Bankräuber. Wir schweißen einen Tresor auf, räumen ihn aus und ziehen dann weiter zum nächsten Geldschrank.«

Für alle Freunde eines bildhaften Vergleiches:

Ein Floß treibt mit einer bunt zusammengewürfelten Besatzung ruhig den Niagara-Fluss hinunter. Nur zwischendurch legen sich einige Ruderer ins Zeug, um einigen kleineren Klippen und Strudeln auszuweichen. Andere beobachten gelassen die Ufer. Wieder andere flüstern miteinander und schauen manchmal etwas sorgenvoll voraus. In Fahrtrichtung färben sich Wasser und Himmel weiß.

Die Strömung wird stärker und beschleunigt das Floß. Ein drohendes Grollen wird lauter. Einige der Ruderer halten inne, andere werfen sich kraftvoll in die Riemen. Das Donnern der Niagara-Fälle kommt näher.

Sind Sie einer der Ruderer, die das Ruder sinken lassen? Oder stemmen Sie sich gegen die drohende Gefahr? Schauen Sie lieber weiter auf das vorüberziehende Ufer?

Auf unser Thema übersetzt: Was tun Sie für unseren Lebensraum Erde?

Jetzt hilft die vorausgegangene Standortbestimmung. Wir erinnern uns.

Leicht fällt die Antwort, wenn ich an einen Gott glaube. So werde ich doch einen Teufel tun, dessen Schöpfung – dazu darf man wohl die Erde als Ganzes zählen – zu plündern, zu versauen oder zu zerstören. Das Bibel-Wort »Macht euch die Erde untertan« ist dann wohl eher mit »Nutzt sie, hegt und pflegt sie aber auch« richtig zu verstehen. Aus- und übernutzen ist damit, nach Aussagen des evangelischen Kirchenführers Heinrich Bedford-Strohm, nicht gemeint. Auch in der Geheimen Botschaft des Johannes (NT) heißt es: »Fügt dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zu!«

Bei aller Umsicht und Weisheit des Verfassers der Zehn Gebote – immerhin so etwas wie das jüdisch-christliche Grundgesetz – wurden von der höchsten göttlichen Instanz zwei wichtige Regeln vergessen (kaum vorstellbar). Sie sind wohl eher im Trubel der Jahrtausende verloren gegangen.

11.Gebot:Du sollst die Erde lieben wie dich selbst.
12.Gebot:Du sollst Tiere und Pflanzen lieben wie dich selbst.

Das überlieferte Gesetzeswerk ist zweifellos zu »menschenlastig« und bedarf einer Ergänzung. Grundsätzlich muss gelten:

Wer als Glaubender gegen Gottes Schöpfung wütet, rafft oder konsumiert, fährt in die HÖLLE. Alles klar!

Schwieriger wird es für den Atheisten, den Anhänger des reinen Materialismus. Der – sollte er sich überhaupt für die Welt um ihn herum interessieren – weiß zwar viel über Atome und deren Bestandteile, die Formel E = mc2, über Quantenmechanik und die heisenbergsche Unschärferelation. Er weiß auch, wie ein Laser, sein Smartphone und die 8 Zylinder seines PS-Boliden funktionieren. Aber wie hält er es mit dem Planeten?

Ein kluger Materialist wird vielleicht sagen: Die Erde ist ein biologisches System, das alle Voraussetzungen für mein Leben, das meiner Familie sowie der mir lieben Mitmenschen bietet. Ich nehme, was so geht. Ja, auch die paar Milliarden anderen sollen leben, müssen aber schon selber schauen, wie sie klarkommen. Natürlich denke ich zwischendurch auch an nachfolgende Generationen. Aber auch die müssen halt schauen, wie sie in 50 bis 100 Jahren leben können. Alles klar.

Ein guter Materialist denkt: Ich weiß, dass alles hier auf Erden – also auch ich selbst – endlich ist. Nach dem Tod ist sowieso alles aus. Somit kann ich nichts mitnehmen. Ich habe Kant gelesen und sein kategorischer Imperativ leuchtet mir ein. Also versuche ich, mein Streben nach Geld und gesellschaftlicher Stellung zu zügeln und sogar meine Frau von exzessivem Shopping abzuhalten, was meist nur Ärger macht. Auch alles klar.

Der nicht so gute Materialist postuliert: Ich wurde auf diesem Planeten geboren. Das heißt: Er gehört mir. Das gilt doch genauso wie der Grundbucheintrag für mein Haus oder der Kaufvertrag für die Yacht. Viel und weit reisen und Golf spielen. Gut essen sowieso. Ich lasse es mir gut gehen. Nach mir die Sintflut. Kleiner Einschub, weil es hier passt: »Wir sind die Sintflut« (Georg Schramm, Kabarett-Altmeister).

Das ist zwar auch eine klare Ansage, aber damit fährt der Kerl (nicht der Schramm) samt Haus und Yacht in die HÖLLE.

Bevor wir uns jetzt um die ganz praktischen Dinge kümmern, noch eine Überlegung zu uns als Spezies.

Nein, wir wurden nicht – von welchem Gott auch immer – geschaffen (Kreationisten dürfen das Buch jetzt in die Ecke werfen). Es deutet alles darauf hin, dass unsere Primaten-Vorfahren vor 300 000–400 000 Jahren in Afrika von den Bäumen gestiegen sind. Wir gehören als Säugetiere zur Gattung der Trockennasenaffen. Diese Vergangenheit belastet uns noch heute genetisch und auch im Gehirn – den einen mehr, den anderen weniger. Nach einigen Erfahrungen haben wir uns zuerst in der Horde oder Sippe, später dann in Stämmen und Staaten im Miteinander geübt und sogar so etwas wie Kultur entwickelt. Vor Kurzem mündete diese Entwicklung in den Kernpunkt »Humanität«, der Gleichheit und Brüderlichkeit überstrahlt. Zur Freiheit kommen wir gleich auch noch. (Sie erinnern sich: Aufklärung und Französische Revolution.)

Im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Anthropozän hat »Humanität« eine helle, aber auch eine dunkle Seite. Stellt sie doch den Menschen, sein Überleben und seine Interessen ohne Wenn und Aber in den Mittelpunkt. Dieses anthropozentrische Denken ist die Triebfeder aller Schandtaten gegenüber anderen Lebensformen und der Natur, also dem Planeten.

Der amerikanische Präsident John F. Kennedy rief einmal seinem Volk entgegen: »Frag nicht, was dein Land für dich tun kann – frag, was du für dein Land tun kannst«. Genau das gilt heute für die Menschheit, zumindest für die Gesegneten in einer satten Ersten Welt. Leicht abgewandelt, heißt es jetzt:

»Frage nicht, was der Planet für dich tun kann, sondern frage immer zuerst, was du für den Planeten tun kannst.«

Wobei der Eigennutz in keiner Weise zu kurz kommt. Schließlich ist die Erde unser Lebensraum. Der einzige!

Jetzt noch ein Wort zur »Freiheit«. Sie endet da, wo die Freiheit des anderen beginnt. Die Grenzen sind nicht immer ganz klar, müssen aber kundgetan und möglichst ohne Fäuste und Baseballschläger verhandelt werden. Gegenüber dem Planeten ist die Freiheit des Verbrauchens und Zerstörens durch Verantwortung eingeschränkt. Es gilt:

Verschwendung ist kein Kavaliersdelikt. Niemand hat das Recht, sich mehr zu nehmen, als er braucht. Weiter ist Nachhaltigkeit im Handeln oberstes Gebot. Es schränkt alle Handlungen rigoros ein – auch dann, wenn alle möglichen technischen und finanziellen Optionen bestehen, die Erde auf immer neue Art auszubeuten.

So weit, so gut. Viele stimmen jetzt wohl zu.

Nur handeln wir – Standpunktbestimmung hin oder her, Gottgläubiger oder Materialist – nicht danach. Ein klarer Fall von kognitiver Dissonanz.

Ein gravierender Programmierfehler unserer Software.

Wir sind gefangen im Framing, den gerahmten, begrenzten Mustern, die sich über die lange Evolution, die genetische Ausstattung, aber auch durch die eigenen Lebenserfahrungen in unserer Persönlichkeit gebildet und verfestigt haben. Unser Gehirn ist gegenüber Neuem grundsätzlich eher ablehnend eingestellt. Es will seine Ressourcen schonen und läuft auf Autopilot. Weitermachen wie bisher scheint ökonomischer zu sein. Kollidiert das Neue sogar noch mit lieb gewonnenen Gewohnheiten, Wohlleben, Eitelkeiten, mangelndem Mut, mangelndem Selbstwertgefühl und Empathie sowie einer vertrauten Routine, helfen meist nur gut gemeinte, mitunter auch nervende Wiederholungen oder drastische Schock- und Schmerzmomente.

Je weiter eine Bedrohung räumlich und zeitlich entfernt liegt, desto leichter fällt uns das Verdrängen und desto geringer ist die individuelle Motivation zum Handeln. Die Gleichgültigkeit ist furchtbar. Ihre Opfer sagen sich, sie können sowieso nichts machen. Sie hoffen, dass am nächsten Tag noch alles halbwegs in Ordnung ist, und nebenbei wollen sie das Leben genießen. Sie wollen in Ruhe gelassen werden.

Da wir Menschen schwach, fehlerhaft und fürchterlich bequeme Querschädel sind, die darüber hinaus uneinsichtig unter latenter Rechthaberei leiden, passt folgende Selbstgeißelung des Zeit- Autors Sebastian Dalkowski:

ICH WILL VERBOTE!

»Haut mir endlich jemand auf die Finger! Lieber Staat, liebe EU, liebe Weltregierung, ich fordere euch hiermit auf: Verbietet mir, was ich gerne haben möchte, aber besser nicht haben sollte. Anders ist die Welt nicht mehr zu retten.«

Vorsicht: Dem Universum und auch dem Planeten Erde, also der Natur, sind der flehende Konsument Dalkowski und der Rest der Menschheit – also Sie und ich – völlig egal. Die kamen und kommen bestens ohne uns aus.

Das heißt wohl: Wenn wir weiter so hirnlos handeln, dann:

ZUR HÖLLE MIT UNS MENSCHEN

KEINER WEINT UNS NACH.

REDEN WIR ÜBER VERÄNDERUNGEN.

ES GEHT UM ENKELTAUGLICHKEIT.

Vier Szenarien bieten sich an:

 KATASTROPHE

 REVOLUTION

 DISRUPTION

 TRANSFORMATION

Unter Erstgenanntem kann sich jeder seine eigene Apokalypse, sein ganz persönliches Armageddon vorstellen. Das Alte Testament war da bereits richtungsweisend, mit Sintflut und biblischen Plagen von Heuschreckenschwärmen, Seuchen bis hin zu Massentötungen von Erstgeborenen. Das Gemetzel ganzer Sippen, Stämme und Völkerschaften gehörte zum Ringen zwischen einem alttestamentarischen Gott und seinen Geschöpfen sowie deren Kämpfen untereinander. Die Opferzahlen hielten sich aus heutiger Sicht in Grenzen – außer bei der Sintflut –, waren doch in den Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung nur einige Zehn- bis Hunderttausende im Siedlungsbereich des Nahen und Mittleren Ostens einschließlich Ägyptens betroffen.

Bei einer im 14. Jahrhundert auf schätzungsweise 50 Millionen gestiegenen Bevölkerungszahl im Abendland sorgte der Schwarze Tod für eine Katastrophe. An die 20 Millionen Menschen raffte die Pest dahin.

Ein noch gravierenderes Massensterben ereignete sich ab Ende des 15. Jahrhunderts, als das christliche Abendland eine neue Welt entdeckte. Christoph Kolumbus und die nachdrängenden Konquistadoren eroberten einen riesigen Kontinent, auf dem rund 100 Millionen Ureinwohner lebten. Innerhalb weniger Jahrzehnte starben 80–90 Millionen »Indianer« in Nord-, Zentral- und Südamerika. Ursachen waren von den Weißen eingeschleppte Krankheitserreger, die Grippe, Pocken, Typhus, Masern, Malaria, Diphtherie und Keuchhusten auslösten.

Diese für die Menschen in der Neuen Welt katastrophalen Folgen wurden selbst von zwei Weltkriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht übertroffen. Es waren »nur« um die 50 Millionen Tote.

Für unsere heutige Zeit bieten sich weitere Katastrophenszenarien mit weit größeren Auswirkungen an. So globale Pandemien, die sich aufgrund der Besiedelungsdichte sowie regem kontinentalen Austausch von Mensch und Waren rasend schnell verbreiten. Das erinnert an die bereits beschriebene Eroberung der Neuen Welt, die eindrücklich zeigt, was »biologische Waffen« bewirken können.

Diese finden sich heute auch, industriell hergestellt, in den Arsenalen von Staaten, die damit ihr Abschreckungs- oder Bedrohungspotenzial abrunden. Sie ergänzen chemische, konventionelle und atomare Waffen, die allesamt geeignet sind, katastrophale Auswirkungen hervorzurufen.

Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen, Dürren, verheerende Stürme sowie Vulkanausbrüche (Supervulkane lauern unter dem Yellowstone-Nationalpark und dem Golf von Neapel) bedrohen weiterhin die Menschheit. Einschläge von Meteoriten finden zwar regelmäßig statt, verteilen sich aber auf ungefährlich kleine Portionen. Größere Brocken wie der Hoba vor 80 000 Jahren (sein 50-Tonnen-Eisenkern ist noch in Namibia zu besichtigen) und der Einschlag von Tscheljabinsk, 2013, sind selten. Die letzte wirklich verheerende Impactor-Katastrophe ereignete sich vor 65 Millionen Jahren vor der Küste von Yukatan und führte zum Aussterben der Dinosaurier.

Natürliche wie menschengemachte Ursachen (Überbevölkerung, Ausbeutung von Boden und Meer sowie Veränderung der Atmosphäre) können sich gegenseitig zu einer globalen Katastrophe verstärken.

Wer will das? Keiner!

Zur Hölle mit uns Menschen

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