Читать книгу Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948 - Heribert Treiß - Страница 10

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Drei Polarforscher in Spitzbergen

Ein Kollege hatte Anfang des Jahres mächtig geflucht, als ihm mitgeteilt wurde, dass er als Ingenieur-Assistent dem Flaggschiff des Lloyd, der ‚BREMEN‘, zugeteilt worden war. Warum das? „…auf den Schnelldampfern fährt niemand gern. Es ist immer dasselbe, Bremen – New York und zurück.“ (Brief 3/36) Immer nur den Nordatlantik, wie öd! Und die Liegezeiten in New York sind kurz genug. Mit der ‚GENERAL VON STEUBEN‘, da hat Rudi schon einen Trumpf gezogen: ein Kreuzfahrer. Besichtigung der schönsten Orte rund um das Mittelmeer mit den klangvollen Namen.

Im Hochsommer in die entgegengesetzte Richtung, nach Norden. Höhepunkt der Kreuzfahrtsaison die sündhaft teure ‚Polarfahrt‘ des Lloyd. Etwas für Leute mit reichlich Einkommen. Da wird dem Normalverdiener ganz schwindlig. Die rund 350 Mann der Besatzung sind sozusagen unerlässliche Zaungäste, notwendig zur Bedienung des Schiffs und für den übrigen Service. So ganz nebenbei eine exklusive Reise bis fast zum Nordpol und die Heuer obendrauf. Gewiss, Maschinenwache gehen auf See ist angesagt, aber das ist ja das reinste Vergnügen gegenüber den Mittelmeerfahrten vor Afrika im Sommer. „In der Maschine hatten wir nur 50 Grad“, und ein flotter Spruch gegenüber seinem ‚kleinen‘ Bruder Karlheinz, den er liebevoll als ‚Heinzelmännchen‘ anredet, folgt auf dem Fuß: „Da war man noch zu faul umzufallen, sonst wären wir alle eingeschlafen.“ (Brief 10/36)


Auf der Polar-Kreuzfahrt im Juli/August des Sommers 1936 hingegen herrschen wohltemperierte Verhältnisse. Es ist schnuckelig warm im Maschinenraum, im Gegensatz zur windigen Nordsee vor Edinburgh.


Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth

Passagiere und Besatzung bestaunen die bizarr geformte Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth und fotografieren auch eifrig. Weiter geht es auf den Nordatlantik hinaus nach Kirkwall auf den Orkneys und Thorshaven auf den Färöer, winzige Flecken im kühlen Nordmeer auf dem halben Weg nach Island. Der Archipel der Westmänner-Inseln taucht etwa 30 km vorher auf, ein seltsamer Name, der daran erinnert, dass ihre frühen norwegischen Besiedler Sklavenjäger waren und ihre Opfer auf den britischen Inseln einfingen. Eben die Westmänner im Gegensatz zu den Nordmännern.

Eine Gegend, bestaunt, bewundert und auch zuweilen gefürchtet wegen ihrer aktiven Lava speienden Vulkane. Nach Reykjavik, dem letzten städtischen Zivilisationsposten auf Island, den ganzen Weg an der ca. 650 km nordöstlich gelegenen Insel Jan Mayen vorbei. Gletscher und Vulkane in trauter Eintracht, Feuer und Eis, die gesamte Region ein Hotspot des Vulkanismus. Hier herrscht im mildesten Monat August eine Mitteltemperatur von 5° Celsius.

Und weiter in nördlicher Richtung auf die Inseln von Spitzbergen zu. Von hier aus sind es lediglich 1.000 km bis zum Nordpol. Die letzten ständig besiedelten Flecken im Grönlandmeer. Kohle wird in Ny-Alesund gefördert, einem der beiden zu nennenden Orte. In der Königsbucht geht das Schiff vor Anker, und schaulustige Passagiere und Crewmitglieder betreten den lavaschwarzen Geröllstrand. Dies ist der Ausgangspunkt für zahlreiche Nordpol-Expeditionen. In den 1920ern soll endlich der Nordpol von Spitzbergen nach Alaska im Flug erobert werden. 1909, so behauptete Robert Peary, habe er den Nordpol erreicht, aber das glaubte fast keiner.


Ankunft in Spitzbergen


Jetzt versucht Roald Amundsen, der Bezwinger des Südpols, auch der Erste am Nordpol zu sein. Er scheitert aber mit seiner Dornier-Flugboot-Expedition 1925. Dann bittet er den Luftschiff-Pionier Umberto Nobile um Hilfe.


Fußspuren auf dem Gletscher sprechen eine deutliche Sprache: Schneematsch



Als ‚N 1-Norge‘ wird das halbstarre Luftschiff, in Italien erbaut, auf der Nordpol-Überquerung am 11./12. Mai 1926 eingesetzt. Gesteuert von einer 16köpfigen Besatzung, darunter Nobile und Amundsen sowie Lincoln Ellsworth, ein US-amerikanischer Millionär, der Hauptfinanzier der Expedition ist. Eine dramatische Fahrt, gebeutelt durch die Wetterkapriolen der Arktis. Sie waren die ersten, die zweifelsfrei den Nordpol erreichten. Ein historisches Datum in der Chronik der Entdeckungen (vgl. Wikipedia: ‚Norge‘, ‚Umberto Nobile‘).

Da sitzt Rudi zehn Jahre später vor den Überresten von Nobiles Luftschiffhalle. Die seitliche Holzbeplankung der nach oben offenen Konstruktion ist verschwunden, aber die halbrunden Metallbögen zu jeder Seite sind noch vorhanden.


Der Zweck dieses Hangars war es, das Luftschiff vor den zerstörerischen Stürmen der Polarregion zu schützen. Der Bug des fragilen Gefährts war an einem Ankermast vertäut. Die ganze Geschichte der ‚Norge‘ und auch die der ‚Italia‘ zwei Jahre später im Mai 1928 ist den Ingenieur-Assistenten wohl vertraut. Das Scheitern der zweiten Expedition und die anschließenden dramatischen Rettungsbemühungen, bei denen Amundsen unter ungeklärten Umständen ums Leben kam, waren Titelstorys der Presse über Wochen. 1929 war gar ein Hörspiel im deutschen Rundfunk ‚SOS … rao rao … Foyn – „Krassin rettet Italia“ ausgestrahlt worden. Eine rege Buchproduktion hatte ebenfalls eingesetzt. Titel wie ‚Sieben Wochen auf der Eisscholle‘ oder ‚SOS in der Arktis – die Rettungsexpedition der ‚Krassin‘ legen Zeugnis davon ab (vgl. Wikipedia: ‚Nobile‘).

Weiter geht’s zur Magdalenenbucht, dem Highlight einer jeden Polarfahrt. Gletscher ragen von allen Seiten bis ins Meer. Wie die ‚3 von der Tankstelle‘ vor wenigen Monaten in Casablanca, stellen sich nun die ‚3 Polarforscher‘ in Pose. Sie kamen zwar erst um 18 Uhr dort an, aber das steht einem Landausflug nicht im Wege. Hell ist es auch noch um Mitternacht, als das Schiff wieder ablegt. Die Temperaturen sind Ende Juli/Anfang August recht angenehm über Null. Die Fußspuren auf dem Gletscher sprechen eine deutliche Sprache: Schneematsch.

Dann geht es nur noch nach Süden. In 1 ½ Tagen die 700 km bis zum Nordkap. Für die einen der letzte Außenposten Europas, für den von Norden Kommenden das Einfallstor zur Zivilisation. Wie die Postdampfer der legendären ‚Hurtigruten‘ fährt die ‚GENERAL VON STEUBEN‘ in einer achttägigen Fahrt alle Sehenswürdigkeiten der nord-norwegischen Küste an. Bis weit in den Süden, nach Bergen. Da sind sie schon im Machtbereich der mittelalterlichen Hanse. Da kann dann Bremen und Bremerhaven nicht mehr weit sein. Und schon winkt wieder das blaue Mittelmeer.


Innerhalb von 14 Tagen wird Rudi in der Altstadt von Casablanca (25.08.) und Algier (28.08.) stehen. Er schaut den verhüllten Einheimischen beim Einkaufen im Basar mit der Kamera über die Schulter. Im Oktober, auf seiner abschließenden Sommer/Herbstreise ins Mittelmeer, finden sich Spuren von Rudi dann wieder auf einem Ausflug nach Tétouan (Marokko), vor der Sommerresidenz des Königs in den Bergen.



Casablanca Markt

Die gemischte Passagier/Crew-Ausflugsgruppe steht vor dem Haupttor in Busstärke. Einheimische Guides begleiten die in Anzüge gewandeten Deutschen. Zum Teil tragen sie Dreiteiler mit Weste. Hat nicht einer von ihnen sogar das Eiserne Kreuz am schwarzen Rock?

Rudi jedenfalls, der Weitgefahrene, außen links, an Körpergröße und Brille zu identifizieren, trägt lässig den hellen Trenchcoat über die rechte Schulter geschlagen. Wohlan – ein Mann von Welt.


Ausflug nach Tétouan (Marokko)


Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948

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