Читать книгу Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948 - Heribert Treiß - Страница 18

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Verliebt, verlobt – verheiratet?

Alles eitler Sonnenschein zu Pfingsten. Seit 1½ Jahren hat Rudi seine Eltern nicht mehr gesehen. Auch der kleine Bruder ist richtig erwachsen. Das letzte Mal im Sommer 1936 in Bremerhaven trug er noch kurze Hose, jetzt tadellose dunkle Anzughose, weißes Hemd und gestreifte Krawatte. Ostern 1938 hat er Abitur gemacht. Schon kam der Arbeitsdienst um die Ecke und hielt ihn in der Eifel fest, aber er darf dann doch aus dem Lager in Tondorf-Stutz. Arbeitsmann auf Urlaub.

So gnädig verfahren die Inspektoren des Lloyd mit Rudi aber nicht. Seinen ursprünglich für Juni eingereichten Urlaub kann er vergessen. Mit der ‚BREMEN‘ hat er zwischen den USA und Europa zu pendeln. Bitter in zweierlei Hinsicht. Im Juni feiern seine Eltern Silberhochzeit. Hoch und heilig musste er seiner Mutter versprechen zu kommen – und was nun? Hingegen noch schwerer hängt an Rudi die Aussicht, dass er seine Freundin möglicherweise nicht sehen wird. Ausgerechnet in jenem Sommer hat Familie Than aus Baltimore einen längeren Europa-Trip geplant. Hilde in Köln, aber Rudi irgendwo auf See zwischen Bremerhaven und New York? Da kriegt er noch die Krise und wird ganz krank vor Sehnsucht.

Wenn er unabkömmlich auf der ‚BREMEN‘ festsitzt, so müssen die Eltern eben nach Bremerhaven kommen. 40 M überweist er ihnen als kleinen Beitrag für die „Reise an die Wasserkante.“ (Brief 3/38) So ganz genau auf die Stunde kann er die Ankunft in B’haven via Cherbourg und Southampton nun doch nicht angeben. Ein Schiff ist eben kein D-Zug und läuft auch nicht auf Gleisen. Es schwimmt im Wasser. Im Laufe des Vormittags, kündigt Rudi an, und es sind genau 12:30 Uhr, als sie an jenem Freitag vor Pfingsten (3. 6. 1938) anlegen. Da Feiertage bevorstehen, bleibt die ‚BREMEN‘ fünf Tage im Hafen.


Rudi holt seine Eltern und Karlheinz an der ‚Columbus-Pier‘ ab. Jetzt darf die ganze Familie an Bord.



Froh gelaunt sitzen sie zu viert auf der Persenning eines Rettungsfloßes: Rudi im schneeweißen Jackett in großer Paradeuniform als Vorzeigestück der Familie.


Ein bisschen sollen sie auch das echte ‚BREMEN‘-Feeling schnuppern. Im Windschatten der Aufbauten genießt Familie Treiß auf Deckstühlen, die Füße hochgelegt, den sonnigen Junitag. Luxus pur, fast wie im Märchen. Immer ist jemand von Rudis Kollegen bereit, auf den Auslöser der Agfa Billy zu drücken, um diese Idylle auf Rollfilm zu bannen.


Dann kommt die Stunde, in der Rudi ein wenig vorarbeiten darf, und das in Gegenwart der versammelten Familie. Jetzt hat der Bruder die Filmarbeit übernommen, fotografiert Rudi in Arbeitskleidung in den Rettungsbooten. Die Mechaniker an seiner Seite. Dass er hier Chef ist, zeigt seine weiße Uniformmütze. Zum Abschied nach Pfingsten eine winzige Dreiergruppe – Vater Josef, Mutter Anna und Rudi selbst in Zivil – vor dem mächtigen, hinter ihnen aufragenden Bug der ‚BREMEN‘.

Am folgenden Donnerstag geht es dann ab nach New York. Wieder ist Rudi gefragt in Familienangelegenheiten. Wie schon im Mai trifft er Hilde auf der ‚BREMEN‘. Im letzten Monat war sie in Begleitung ihres Bruders gekommen, aber jetzt im Juni (14./15. 6.) ist die gesamte Familie Than angetreten.


Schon die Ankunft der ‚BREMEN‘ in New York halten sie in einem großformatigen Foto fest.

Die Familie wird eine ausgedehnte Deutschlandreise in diesem Sommer 1938 unternehmen. Das Land ihrer Sympathie und die Heimat ihres zukünftigen Schwiegersohns, so glauben sie und wünschen es sehnlich für Hilde. „In New York war die ganze Familie Than auf der ‚BREMEN‘. Ich habe mich mit Hilde verlobt, und sie wird bald als glückliche Braut bei Euch erscheinen. Die alten Thans waren sehr gerührt.“ (Brief 3/38) Der Kritik seiner tief katholischen Mutter, die auf ihrem Nachttischchen die Fotos ihrer eiflerischen Eltern und an der Wand ein Bild des Heiligen Vaters hängen hat, versucht er den Wind aus den Segeln zu nehmen. So schreibt er dann ins Blaue: „Vielleicht wird das Mädel auch katholisch werden.“ Bei dem auch anstehenden Besuch in Köln im elterlichen Hause kann das Thema ruhig angeschnitten werden. „Mutter kann ja mal vorsichtig auf den Busch klopfen.“ Wie oft schon hat er versichert: „Mein liebes Mütterlein, in die Kirche gehe ich immer so oft ich Gelegenheit habe.“ (Brief 2/38) Ob das auch stimmt? Im Geiste hört er sie mit unverfälschtem eiflerischen Einschlag sagen: „Nä, nä, dä Rudi … Das hat man davon, wenn man die Jungen von Hause weglässt.“

So ganz schlimm mit der Mutter, respektive vermeintlicher Schwiegermutter, kann es denn doch nicht gewesen sein. Natürlich hat es der Familie Than bei ihrem Besuch im elterlichen Haus trotz der Abwesenheit von Rudi sehr gut gefallen (Brief 5/38). Hilde schreibt etwas später an ihn: Papa Treiß hätte sehr viel Spaß mit ihr gehabt. Alle haben sich prächtig verstanden und in ihrer gemeinsamen Muttersprache palavert – eben deutsch. Auch an Kh. (Karlheinz) schickt Hilde einen Brief, an den Arbeitsmann in der kühlen Eifel. Redet ihn mit „lieber kleiner Bruder“ an. Ja, warum verlobt man sich, wenn nicht um zu heiraten? Denkt Hilde und umarmt schon mal die ganze Verwandtschaft.

Da hält Rudi dann auch nichts mehr auf der ‚BREMEN‘. Er kriegt die Krise und muss von Bord: „Ich muss unbedingt mal ausspannen. Das macht einen verrückt hier.“ (Brief 5/38) Geht ihm die Transatlantik-Wettrennerei so an die Nerven oder ist es der Gedanke, dass seine Braut durch Deutschland gondelt und er in New York etwas verpasst? Rudi ganz im Stil der Zeit prescht vor, fährt eine Attacke, versucht im Handstreich: „Heute nämlich heute Morgen kurzerhand und mit Heldenmut meinen Urlaub beantragt.“ Da toben die Inspektoren ob dieses Ansinnens. „Das gab vielleicht ein Geschrei.“ Egal, Augen zu und durch. „Der Urlaub ist beantragt für nächste Reise, so dass ich am 29. Juli bei Euch Lieben in Köln sein kann.“

Den nächsten Satz – „ist Euch das recht“ – kleidet er dem Schein nach zwar in Frageform, lässt aber verräterischer Weise das Fragezeichen weg. Hilde ist auch verständigt und steht auf dem Sprung, gemeinsam mit Rudi in der Heidemannstraße 157 für 14 Tage zu logieren.


Ihre Eltern werden ihre Sightseeing-Tour durch Good Old Germany, durch Deutschland, währenddessen fortsetzen. Zurzeit weilen sie in der ‚Stadt der Reichsparteitage‘ – Nürnberg. Die „liebe Mutti“ umschmeichelt er, denn Hilde kann ihr ja im Haushalt helfen, und serviert dann portionsweise zuckersüß: „Liebes Muttichen! bald hast Du Deinen großen Jungen wieder für 14 Tage und noch dazu eine Tochter.“ Hat man da Worte?

Leichtsinnig fügt der Frechdachs dann noch an: „Wenn Ihr uns nicht mehr wollt, so könnt Ihr uns ja rausschmeißen.“ Große Worte, ob das keine Konsequenzen hat?


Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948

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