Читать книгу Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948 - Heribert Treiß - Страница 8

Оглавление

Erste Seebeine – eine Saison auf dem Kreuzfahrtschiff

Es könnte mal losgehen, denkt Rudi in seiner dritten Woche auf dem Passagierdampfer ‚GENERAL VON STEUBEN‘, der immer noch in Bremerhaven liegt. Die beiden Uniformen sind angeschafft, das Sparkonto auf der Bank eingerichtet. Rudi wundert sich selbst über sein schmuckes Äußeres und über den gepflegten Umgang, der in der Assistentenmesse herrscht. In großer Uniform müssen sie zum Essen erscheinen, der weiße Kragen, der Schlips und auch die tägliche Rasur sind obligatorisch. „Wat es nit all gitt“ versucht er sich auf Niederdeutsch. First Class Bedienung durch Messejungen und eine sagenhafte Karriere „vom dreckigen Chauffeur zum Unteroffizier der Handelsmarine“ (Brief 2/36). Viel Geld wird er verdienen eines Tages, wenn es so weiter steil nach oben geht. Der Zweite Ingenieur, das hat er in Erfahrung gebracht, verdient immerhin 450 Mark im Monat. „Das ist Sache!“ (Brief 2/36), aber davon kann er vorerst nur träumen und muss vor allem viel lernen. Die guten Ratschläge an seinen kleinen Bruder lauten dann auch: Schön auf das Gymnasium gehen, zu Hause bleiben und dort etwas werden.


Besatzung auf dem Passagierdampfer ‚GENERAL VON STEUBEN‘

So ganz wohl ist ihm noch immer nicht hier im hohen Norden an Bord, bei aller Prahlerei. Viel zu tun gibt es: Die Feuerlöschventile, die Pumpen ausbauen, neue Ventile einschleifen, den Not-Dynamo bedienen – und dann ist es auch schon wieder Samstag. Es geht aber immer weiter mit den Reparaturen und Wartungsarbeiten. Die vierte und auch die fünfte Woche. Rudi bereitet sich auf seine erste Saison vor. Das mit seiner SA-Mitgliedschaft glaubt er jetzt endgültig geregelt zu haben: „An die SA habe ich ein Austrittsgesuch gerichtet. Es hat ja doch keinen Zweck mehr; denn Bordstürme gibt’s hier nicht und den Beitrag umsonst bezahlen kommt nicht in Frage.“ Bei so viel Prinzipientreue in Geldangelegenheiten, da bleibt einem die Spucke weg. Seine Eltern weist er an: „Wenn einer kommt von der SA und will die Uniform holen, gebt ihm nur ja nichts. Man kann nie wissen, wie man’s braucht.“ Wohl wahr – vor allem hat er das khakibraune Zeug ja aus eigener Tasche bezahlt. In die Kirche geht er sonntags auf Geheiß der Mutter, auch wenn das katholische Gotteshaus in dieser norddeutschen Diaspora ganz weit draußen liegt (Brief 3/36).

So entschlossen und gestärkt sticht dann Rudi in der zweiten Februarwoche in See zu einem Kurztrip über den Kanal nach London. Ob dann denn auch alles klappt zum Saisonauftakt, bevor die erste Runde der Mittelmeerreisen beginnt? Nach einer Woche inklusive Stadtbesichtigung London per Bus sind Schiff, Passagiere und Mannschaft wieder in Bremerhaven.

Seit der letzten Saison 1935 wird die ‚GENERAL VON STEUBEN‘ nur noch für Kreuzfahrten eingesetzt, nicht mehr im Liniendienst nach New York. Fast 500 Kreuzfahrtpassagiere werden von einer Mannschaft so um die 350 auf dem Mittelmeer hin und her geschippert.


Drei Ingenieur-Assistenten der ‚STEUBEN’

Wird denn Rudi als Binnenländer überhaupt nicht seekrank, das erste Mal so auf hoher See? Kein Wort darüber, man wird‘s oder auch nicht! In Lissabon ist Karneval, so wie in Köln, und das Wetter ist noch prächtig (Brief 4/36). Ganz im Gegensatz zu dem „schrecklichen Sturm“ (Brief 6/36) vor Gibraltar. Bei diesem Orkan in den Hafen zu kommen ist unmöglich. Nur ein Boot muss unbedingt zu Wasser gelassen werden, um die Post zu holen. Nicht umsonst betitelt sich die ‚STEUBEN‘ auf der Rückseite ihrer Bordkarte als „Doppelschrauben-Postdampfer“. Außer der Bootsbesatzung muss auch immer einer von der Maschine mitfahren, um den Motor zu bedienen. Warum sich gerade Rudi freiwillig meldet, ist unerfindlich. Von oben sehen die Wellen eben viel niedriger und beinahe harmlos aus. Er berichtet seinen Eltern: „Ich habe mich gemeldet. Aber das Boot war noch nicht unten, da hat es mich schon gereut, so was habe ich noch nicht erlebt. Haushohe Wellen warfen das Boot durcheinander…“ (Brief 6/36).

Die Passagiere und auch die Besatzung wohnen diesem Spektakel bei. Neugierig-mitleidig, aber auch sensationslüstern, schauen sie von der sicheren Reling aus. Jetzt hat Rudi eine ‚große Nummer‘ beim Ersten Offizier, der ihm 10 Zigarren als Anerkennung spendiert. Als Belohnung für „sein tapferes Verhalten vor dem Feinde“ – sprich der stürmischen See – darf er dann von Palermo aus an einem Auto-Ausflug der Passagiere nach Segesta teilnehmen und die antiken Tempel Siziliens bewundern. Wohl dem, der ‚Seebeine‘ hat!

Über Neapel geht es nach Genua, wo die erste Reise dann endet und die Passagiere das Schiff verlassen und mit dem Zug ins kalte Deutschland zurückfahren.


Viele Stationen und Landgänge – Lissabon, Madeira, Casablanca, Malaga, Sizilien, Neapel hat er gesehen und mitgemacht. Die Liegezeiten auf einem Kreuzfahrer sind eben ausführlich. Das alles das erste Mal – die weite Welt.


Will er die Eltern, den jüngeren Bruder lediglich trösten, wenn er immer ein Haar in der Suppe finden will? „Heiß ist es hier durchaus nicht. Es ist noch richtig Winter.“ (Brief 6/36) Die Fotos zeigen „zwei kölsche Seemänner“ und ihre aufgekrempelten Hemdärmel in Casablanca. Die heimwehgetränkte Perspektive verengt sich in der Ferne: „Rosenmontag waren wir in Madeira, dort war der Karneval ganz groß“ (Brief 6/36).


Dann kommt er zu einem krassen Urteil: „Um landschaftliche Schönheit braucht Ihr mich gar nicht zu beneiden, denn schön ist es hier gar nicht.“ (Brief 6/36) Das Heimweh überkommt ihn wieder, und der 22jährige möchte wieder das „Rudimännchen“ seines Vaters sein, der stets auf ihn aufgepasst hat (Brief 5/36). „Am schönsten ist es doch in Deutschland“ (Brief 6/36). Dieses wird er aber so schnell nicht wiedersehen, denn die zweite Reise geht ins östliche Mittelmeer, ebenso wie die dritte.

Abreise-, Ankunfthafen ist stets Genua oder auf der anderen Seite Venedig, wo die Passagiere mit Sonderzügen aus Deutschland eintreffen oder dorthin fahren. Ab RM 250, das absolute Sonderangebot – so werden die Lloyd-Reisen nach dem Süden auf Plakaten beworben (Dirk J. Peters, S. 52). Weit über dem durchschnittlichen Monatslohn. Eine märchenhafte Sonne beleuchtet die Karte des gesamten Mittelmeers. Eine Gruppe von romantisch gewandeten Arabern verleiht dem Ensemble die exotische Würze.

Insgesamt fünf dreiwöchige Mittelmeer-Fahrten wird Rudi in diesem Frühjahr 1936 absolvieren, bis er Anfang Juni nach Bremerhaven zurückkehren darf. Ausgereist war er am 18. Februar. Seekrankheit war nie ein Thema, aber ein „kleines Heimweh“ (Brief 5/36) hatte ihn nie verlassen während dieser vier Monate.

Literatur: Dirk J. Peters, Der Norddeutsche Lloyd, Von Bremen in die Welt“, „Global Player der Schifffahrtsgeschichte, Bremen 2007


Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948

Подняться наверх