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VORWORT »Das war meine
Rettung«
ОглавлениеDie letzte Seite eines Magazins umgibt etwas Magisches: Denn obwohl sie ganz hinten versteckt liegt, ist sie für viele Leser der wahre Einstieg, die erste Seite, die sie aufschlagen. Erst die Titelseite anschauen, dann das Heft von hinten aufblättern und rückwärts lesen – hobbypsychologisch betrachtet kann man sagen: nicht obwohl, sondern weil die letzte Seite so versteckt liegt, ist sie so beliebt.
Als wir im Frühjahr 2007 das ZEITmagazin nach mehreren Jahren Pause wiederaufleben ließen, starteten wir auf der letzten Seite die Interviewreihe »Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt«. Jede Woche befragte ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo den ZEIT-Herausgeber Helmut Schmidt zu aktuellen und persönlichen Themen. Die Serie war schnell so beliebt, dass sie mehrfach verlängert und schließlich auch als Buch ein Bestseller wurde. Anschließend führte der Journalist und Schriftsteller Roger Willemsen, der als Interviewer der legendären Fernsehsendung »0137« in den neunziger Jahren bekannt geworden war, Gespräche mit interessanten Zeitgenossen. Als auch diese Reihe auslief, waren wir ratlos: Was sollte jetzt noch kommen?
Das war der Anlass zu einem gemeinsamen Mittagessen im Berliner Café Einstein mit mehreren Kollegen. Tanja Stelzer, Matthias Kalle, Wolfgang Büscher, Stephan Lebert und ich saßen also zusammen und dachten bei Wiener Schnitzel und Salat gemeinsam nach. Über ein paar Dinge waren wir uns schnell einig: Es sollten weiterhin Interviews geführt werden, vielleicht von mehreren Interviewern. Persönliche Themen sollten der Leitfaden sein, man sollte etwas über den Interviewten erfahren, was man noch nicht wusste – und im Idealfall Anregungen bekommen für das eigene Leben. Aber mit welchem Zugang? Es wurde ein langes Mittagessen, bis irgendwann der Satz fiel: »Das war meine Rettung«. Ja, jubelten wir, das ist es. Frau Kellnerin, die Rechnung bitte.
In den folgenden Tagen gewannen wir drei exzellente Autoren für die Reihe. Herlinde Koelbl, die als Fotografin ebenso bekannt ist wie für ihre Gespräche, etwa durch ihr Buch »Spuren der Macht«, Louis Lewitan, den Coach und Psychologen, der gerade einen Gesprächsband veröffentlicht hatte, sowie Ijoma Mangold, den Kollegen aus dem Feuilleton, der in diesen Tagen von der »Süddeutschen Zeitung« zur ZEIT gewechselt war und dessen Interviews wir seit langem schätzten. Was sollte jetzt noch schief gehen? So ziemlich alles.
Die drei Autoren, unterstützt von den ZEITmagazin-Redakteuren Christine Meffert und Jörg Burger, bekamen von möglichen Gesprächspartnern eine Absage nach der nächsten: »Zu persönlich« sei dieses Thema, hieß es, die Rettung, die man erlebt habe, sei »zu heikel«, um wirklich darüber zu reden. Wir waren so verzweifelt, dass wir sogar kurzzeitig überlegten, den Titel der Reihe zu ändern. Dann sagte auch noch ein berühmter Schriftsteller aus Süddeutschland, der sich gerne in der »Bunten« interviewen lässt, ab – mit der Begründung, das Thema sei ihm »zu nahe an Bunte«.
Es ist der Geduld und Zähigkeit von Herlinde Koelbl, Louis Lewitan und Ijoma Mangold sowie dem Fotografen Stefan Nimmesgern und der Kollegin Lara Fritzsche zu verdanken, dass Sie, lieber Leser, heute dieses Buch in den Händen halten.
Nun ist das Erfinden von Kolumnen und Serien im Journalismus eine merkwürdige Sache. Vor Veröffentlichung eines neuen Formats weiß man nie, ob es auf Dauer funktioniert. Wie oft gibt es scheinbar geniale Ideen, die nach wenigen Folgen öde werden, ohne dass es jemand vorausgesehen hätte. »Das war meine Rettung« gehört zur zweiten Kategorie: Eine schwere Geburt mit einem langen Leben, nun auch als Buch, dass ich Ihnen hier präsentieren darf. Auch nach drei Jahren schlagen viele ZEITmagazin-Leser die magische letzte Seite zuerst auf, um zu erfahren, wer gerettet wurde – und wie. Und ich bin ziemlich sicher, dass auch der Schriftsteller aus Süddeutschland zu diesen Lesern gehört.
CHRISTOPH AMEND
ZEITmagazin-Chefredakteur, im August 2012