Читать книгу ZEITmagazin - Das war meine Rettung - Herlinde Koelbl - Страница 5

FERRAN ADRIÀ »Mit siebzehn Jahren
war ich weg«

Оглавление

FERRAN ADRIÀ, EINER DER BERÜHMTESTENKÖCHE DER WELT, ÜBER SEINEN FRÜHEN AUSZUG VONZU HAUSE UND SEINE BERUFLICHE PAUSE

29. September 2011

Das Gespräch führte Louis Lewitan

Herr Adrià, Sie haben drei Michelin-Sterne und zählen zu den weltweit besten Köchen. Was haben Sie als Kind gern gegessen?

Pommes!

Das hört sich ganz normal an.

Ich war ein ganz normales Kind mit einer normalen Familie und führte ein normales Leben. Sie werden nichts Seltsames in meiner Kindheit finden. Ich habe meinen Eltern keine Probleme bereitet, auch nicht in der Pubertät. Und mit siebzehn Jahren war ich weg.

Warum sind Sie so früh ausgezogen?

Weil ich Urlaub auf Ibiza machen wollte. Dafür brauchte ich Geld und fand Arbeit als Tellerwäscher. So habe ich in der Gastronomie angefangen und war zum ersten Mal frei. Das ist doch der Traum von jedem Jugendlichen.

Sie brachen damals die Schule ab. Warum?

Ich war ein guter Schüler, aber zu dieser Zeit war die Freiheit für mich wichtiger. Es war auch nie mein Traum, irgendeine Lehre zu machen. Manchmal ist das Leben doch viel leichter, als man sich das so vorstellt.

Bereuen Sie, die Schule nicht abgeschlossen zu haben?

Über das, was du nicht mehr ändern kannst, sollst du dich nicht ärgern. Wenn meine Eltern sich stur gestellt hätten und gesagt hätten, du musst weiter auf die Schule gehen, dann würden wir jetzt nicht zusammensitzen und sprechen.

Waren Ihre Eltern derart liberal, dass Sie machen konnten, was Sie wollten?

Meine Eltern waren weder konservativ noch liberal. Ihre Haltung, dass ein Siebzehnjähriger tun kann, was er will, war für Spanien 1980 allerdings ungewöhnlich. Sie war aber grundlegend für meine Karriere.

Haben Sie schon als Jugendlicher nach den Sternen gegriffen?

Nein, es kam einfach so, ich habe nicht danach gesucht. Ich konnte vielleicht davon träumen, ein guter Koch zu werden, aber das war schon das höchste der Gefühle.

Hatten Sie kein Idol?

Mein Idol war Johan Cruyff, ein Fußballer. Aber ich hatte natürlich viele Referenzen, und ich war frei, konnte meine Kreativität ausleben. Kreativität bedeutet für mich einfach nur, etwas zu tun, es ist nichts Mystisches daran.

Untertreiben Sie nicht?

Aber nein. Ich habe nie danach gestrebt, eine Revolution zu starten. Ich habe zunächst Nouvelle Cuisine gemacht. Dann habe ich von 1987 bis 1993 ein bisschen experimentiert, wie eine Nouvelle Cuisine mit spanischem, katalanischem Touch aussehen könnte. Aber dann sagte ich mir, wie langweilig, immer nur das Gleiche zu tun, und fing an, eine neue Sprache zu entwickeln, die kein Mensch verstand und für die sich anfangs nur wenige interessierten. Provokation und Humor gab es in Verbindung mit Essen nicht. Im Gegenteil, man sagte, mit dem Essen spielt man nicht.

Kennen Sie Ihre Grenzen?

Diese Sichtweise interessiert mich nicht.

Wie definieren Sie Erfolg?

Glücklich zu sein. Ich stehe am Morgen auf und denke mir, ich habe schon alles erreicht, was ich erreichen konnte.

Auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere haben Sie im vorigen Jahr verkündet, zwei Jahre zu pausieren und das elBulli später als Stiftung weiterzuführen. Warum?

Um nachzudenken. Das elBulli hat es mir nicht erlaubt. Ich hatte fünfundzwanzig Jahre lang keine Pause. Wenn der Stress so groß ist, dass man nicht mehr merkt, dass man Stress hat, hat man ein Riesen-problem. Sieben Tage die Woche arbeiten, das ist verrückt, einfach zu viel.

Ist die Umwandlung des elBulli in eine Stiftung eine Art Rettung für Sie?

Ja, meine Frau hat mich unterstützt, das war sehr wichtig für mich. Sie hat zu mir gesagt, wenn du das elBulli sterben lässt, dann bist du feige. Es wäre das Leichteste gewesen. Ich habe keine Kinder, die das Restaurant hätten übernehmen können, aber durch die Stiftung kann der Geist des elBulli weiterleben. Sie wird 2014 als kreative Denkschmiede, als interdisziplinäres Versuchslabor ihre Pforten öffnen.

Welchen Geist wollen Sie weitergeben?

Die Leidenschaft für das, was man tut. Die Bereitschaft, Risiken einzugehen, aber auch mit anderen zu teilen, wenn man genug erreicht hat. Die Stiftung wird privat finanziert, mit unserem Geld. Ich hätte mir mit dem Geld natürlich auch Ferraris kaufen können.

Warum haben Sie das nicht getan?

Weil sie mir nicht gefallen, weil ich nicht materialistisch bin. Ich reise sehr gerne, übernachte in den besten Hotels, esse in den besten Restaurants, aber das muss ja nicht wirklich sehr teuer sein. Das Wichtigste für mein Team und mich ist nicht das Geld, sondern unser Talent. Wenn wir das weiterentwickeln, dann können wir Arbeitsplätze für andere schaffen, die wiederum unsere Idee weiterentwickeln.


FERRAN ADRIÀ geb. 1962, ist Koch und Gastronom. Er zählt zu den einflussreichsten Köchen der Gegenwart und gilt als Mitbegründer der Molekularküche. 1984 eröffnete er an der Costa Brava das Restaurant elBulli. Bei Phaidon/Edel erschien 2011 sein aktuelles Kochbuch Das Familienessen Seit 2010 betreibt er mit seinem Bruder Albert die Tapas-Bar Tickets in Barcelona. 2014 soll die Privatstiftung elBulli Foundation als kreative Denkfabrik ihre Arbeit aufnehmen.

ZEITmagazin - Das war meine Rettung

Подняться наверх