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KAPITEL 6

KNOCKOUT IN LETZTER MINUTE

In der letzten Augustwoche musste ich am Dienstag zum vorläufig letzten Mal zur BCG-Therapie-Installation bei meinem Urologen in Ulzburg. Am Samstag, Goethes Geburtstag, wollte ich mir noch die Heimpremiere gegen Hoffenheim ansehen. Ich bekam gegen Abend hohes Fieber. Gegen Mitternacht war mein St.-Pauli-Schlaf-T-Shirt so durchgeschwitzt, als hätte ich es unter der Dusche getragen. Ich wusste nicht, wie ich durch die Nacht kommen sollte. Als der Morgen graute, fühlte ich mich, als sei ich halbtot. Dabei sollte ich am Mittwochabend auf einer Veranstaltung des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger eine Podiumsdiskussion moderieren. Ich blieb zum ersten Mal in meinem gesamten 44-jährigen Arbeitsleben ganz einfach im Bett liegen und stand nur auf, wenn ich zur Toilette musste. Erst kurz vor Mittag fühlte ich mich wieder in der Lage, unter die Dusche zu gehen. Dann zog ich mich an und fuhr zu der Veranstaltung.

Nach der Podiumsdiskussion des VDZ in einem Konferenzsaal des Empire Riverside Hotels machte ich mich sofort wieder auf den Weg nach Hause, weil ich spürte, dass das Fieber erneut kam. Auch am Donnerstag war ich noch völlig groggy von der Therapie. Aber vielleicht ging das Fieber deshalb nicht weg, weil ich seit langer Zeit, von ein paar Wochen einmal abgesehen, nachts nicht mehr durchgeschlafen hatte. Erst am Freitag ging es mir etwas besser.

Nun freute ich mich auf das erste Spiel der Saison am Millerntor und den sicheren Sieg gegen die zusammengekaufte Startruppe aus dem „Dorf“ Hoffenheim bei Heidelberg. Und ich war sehr sicher, dass wir 3:0 gewinnen würden. Kai, Henning und Jasper wollten mit mir fahren.

Bei Kai angekommen, erfuhr ich, dass Henning nicht mitkommen würde, weil er früher zurück zum Dienst musste. So zockelten Kai, Jasper und ich alleine los. Es gab im Daimler die übliche Kritik an der von mir aufgelegten CD. Nebenbei fanden sie, während wir durch Eppendorf fuhren, Gefallen daran, das Outfit der vor den Läden aufund abflanierenden Damen jeglichen Alters zu kommentieren.

Nach langer Zeit sah ich die Wirtin April im „Shamrock“ wieder. April war so bezaubernd und nett, dass sie statt „April“ eigentlich „May“ hätte heißen müssen. Ich mochte sie. Sie schenkte mir zwei Guinness-Gläser aus einer speziellen Serie. Wir setzten uns draußen an den Tisch unter den Sonnenschirm. Alles, das gesamte Interieur der Kneipe, war irgendwie aufgemöbelt worden, wirkte jetzt zu Saisonbeginn freundlicher und gemütlicher. Die Sonne begann ein bisschen zu scheinen. Meine Geschäftsfreunde kamen gegen fünf Uhr im „Shamrock“ an, und wenig später dann noch Sascha Soost, der König der Eismacher in Deutschland mit Standort in Rhen.

So gegen halb sechs gingen wir zum Stadion. Der Gast, den wir eingeladen hatten, Uwe Zeyn, outete sich vor dem Spiel als HSV- Anhänger.

Kein Wunder, der Mann hatte früher bei einem Monopolverlag gearbeitet. Wie hätte er da für den FC St. Pauli sein können? Schon nach fünf Minuten war zu sehen, dass das Spiel von Taktik bestimmt sein würde. Keines der Teams spielte Harakiri-Fußball. Die Truppe des SAP-Milliardärs aus Nordbaden begann mit sieben bis acht Abwehrspielern auf einer Linie, deren körperliche Durchschnittsgröße gefühlte 1,95 Meter betrug. Dagegen wirkten außer Fabian Boll alle unsere Kicker wie Zwerge.

Nur unsere Abwehr stand sicher: Im Kampfeswillen den blauweißen Starspielern mehr als ebenbürtig. Boller setzte wuchtig einen Kopfball an die Latte. Nur einmal sah Matthias Hain etwas unsicher aus, als er einen Schuss nicht zur Ecke lenkte, sondern direkt vor die Füße eines TSG-Kickers faustete. Der aber versagte beim Torschuss.

Unterm Strich war nach 45 Minuten kaum ein Unterschied zwischen beiden Mannschaften zu erkennen. Wir hielten mit. TSG Hoffenheim: Die wirkten wie eine Truppe ohne Seele und inneren Zusammenhalt.

In der zweiten Halbzeit kam Hoffenheim zunächst etwas auf. Das Angenehme an dieser Mannschaft und ihren Anhängern war, dass es weder Fouls auf dem Rasen noch Randale auf der Tribüne gab.

Der Einzige, der mir, dem notorischen Schiedsrichterkritiker, seit Beginn des Spiels auffiel, war der Schiedsrichter Manuel Gräfe. Seinen besonderen Ehrgeiz schien er in diesem Spiel darauf zu konzentrieren, keinen Hoffenheimer Spieler mit Gelb zu verwarnen, nahezu jeden Freistoß für Hoffenheim zu pfeifen und den FC St. Pauli in allen Situationen zu benachteiligen.

Es kam, wie es kommen musste. Matthias Hain hat die Eigenschaft, grundsätzlich nicht einzugreifen, wenn eine Ecke in seinen Fünf-Meter-Raum kommt. An diesen Grundsatz hielt er sich auch in der 88. Minute. Und damit hatten wir das Spiel 0:1 verloren. Ich hätte ausrasten oder eine Gewalttat vollbringen können, so zornig war ich. Aber ich sagte nichts mehr. Ich war bedient. Ich war so fertig, dass ich den Grossisten Uwe Zeyn und meinen Mitarbeiter Jörg Westerkamp allein ließ und ins „Shamrock“ ging, um dort Kai und Jasper wieder abzuholen. Aber nur Kai kam mit zurück. Jasper wurde von seiner Freundin Johanna abgeholt, eine hübsche Lehrerin, die aussah wie die ältere Schwester von Hanna Grade. Wieder einmal merkte ich, wie alt ich war, und zum ersten Mal freute ich mich an diesem Abend. Für Jasper.

Am Sonntagmorgen kaufte ich „MOPO“, „Bild am Sonntag“ und die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Keiner der Spielberichte wurde dem tatsächlichen Hergang des Spiels gerecht. Niemand schrieb, dass wir mit Bene Pliquett oder Thomas Kessler wahrscheinlich gewonnen hätten, und niemand schrieb über das, was Manuel Gräfe gepfiffen hatte. Aber vielleicht blickte ich es ja nicht mehr so ganz.

Wir kommen wieder!

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