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Vorwort von Reinhard Kardinal Marx

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„Der Einsatz des Christen in der Welt hat in der 2000-jährigen Geschichte verschiedene Ausdrucksweisen und Wege gefunden. Einer davon ist die aktive Teilnahme in der Politik.“ Mit diesen Worten beginnt die Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben, die vor zehn Jahren, am 24. November 2002, von der Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlicht worden ist. Mit dieser Note hat die Glaubenskongregation unter ihrem damaligen Präfekten Joseph Kardinal Ratzinger zu verschiedenen Herausforderungen des Engagements von gläubigen Laien in der Politik Stellung bezogen.

Das politische Engagement von Christen ist aber nicht nur irgendeine Option christlichen Handelns. Der christliche Glaube fordert vielmehr dazu heraus, sich an der Gestaltung der Geschicke der Welt zu beteiligen. Christen können nicht gleichgültig bleiben gegenüber den Entwicklungen ihres persönlichen Umfelds und der Gesellschaft. Weil der Mensch als Person nach christlichem Verständnis nicht nur Individuum, sondern immer auf ein Gegenüber und die Gemeinschaft angewiesen ist, trägt er auch Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern für seine Umgebung und die Gesellschaft. Deshalb nehmen Christen Anteil an den gesellschaftlichen Diskussionen und an den politischen Fragen. Das Evangelium macht den Gläubigen sensibel für die Nöte des Nächsten, für gesellschaftliche Ungerechtigkeit und für den Einsatz für den Frieden. Deshalb heißt Christsein politisch sein.

Dies muss deutlich unterstrichen werden in einer Zeit, in der es immer mehr als unschicklich gilt, sich in der Politik vermeintlich „die Finger schmutzig zu machen“. Denn in den komplexen Zusammenhängen der Politik können Ideen und Konzepte oft nicht in Reinform realisiert werden. Politik braucht nicht nur Visionen, sondern auch Pragmatismus und Kompromiss. Denn die Demokratie setzt die Suche nach Mehrheiten und damit den Kompromiss voraus.

Das demokratische Mehrheitsprinzip hat auch Papst Benedikt XVI. in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011 unterstrichen: „In einem Großteil der rechtlich zu regelnden Materien kann die Mehrheit ein genügendes Kriterium sein. Aber dass in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausreicht, ist offenkundig: Jeder Verantwortliche muss sich bei der Rechtsbildung die Kriterien seiner Orientierung suchen.“

Gerade deshalb ist es wichtig, dass sich die Christen in die gesellschaftliche Diskussion einmischen und auf Grundlage des christlichen Verständnisses vom Menschen Politik gestalten. Daher freue ich mich, wenn ein vielfältig in Kirche, Staat und Gesellschaft engagierter Katholik wie Hermann Kues aus christlicher Verantwortung seine Überlegungen zur Gestaltung der Gesellschaft vorlegt.

Denn das politische Engagement ist nicht nur eine Frage der verfassten Kirche, sondern fordert in erster Linie die Laien heraus. Die Lehrmäßige Note aus dem Jahr 2002 formuliert dazu: „Gerade weil es nicht Aufgabe der Kirche ist, konkrete Lösungen – oder gar ausschließliche Lösungen – für zeitliche Fragen zu entwickeln, die Gott dem freien und verantwortlichen Urteil eines jeden überlassen hat, bedarf es umso mehr des engagierten Einsatzes der einzelnen Christen in der Gesellschaft.“

Der christliche Glaube hat zwar eine gesellschaftlich wirksame Dimension, kann aber nicht im Sinne eines politischen Programms verstanden werden. So hat auch Papst Benedikt XVI. vor dem Deutschen Bundestag betont, dass sich im Gegensatz zu anderen großen Religionen das Christentum bewusst dagegen entschieden hat, aus der Offenbarung selbst ein staatliches und gesetzgeberisches Programm zu machen.

Allerdings gibt die Katholische Soziallehre, die immer vom Menschen ausgeht, einen Kompass für das politische Handeln. So soll auch die Politik nach dem suchen, was dem Menschen gemäß ist.

Dies stellt uns immer wieder neu vor Herausforderungen: Heute geht es um die Zukunft unserer Demokratie angesichts neuer und veränderter Partizipationsmöglichkeiten. Es geht im sozialen und wirtschaftlichen Bereich um die Realisierung einer chancengerechten Gesellschaft, die jedem unabhängig von seiner sozialen Herkunft Möglichkeiten zur Teilhabe, etwa an gesellschaftlichen Prozessen, zum Aufstieg und zur Lebensentfaltung eröffnet. Wie die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die Ökologische Krise zeigen, geht es um die Gestaltung einer gerechten globalen Ordnung, die auf ein Weltgemeinwohl abzielt und damit die Armen in der Welt und die nachfolgenden Generationen nicht aus dem Blick verliert. Und schließlich geht es um die Fortsetzung des Europäischen Einigungswerks, dessen Brüchigkeit, aber auch Notwendigkeit die Schuldenkrise vor Augen führt.

All diese Herausforderungen verdeutlichen, wie sehr die Gesellschaft heute und in Zukunft das Engagement von Christen braucht, die sich um des Menschen willen für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen.

Und so danke ich Hermann Kues und mit ihm allen Politikerinnen und Politikern, die sich im Geist der Katholischen Soziallehre engagieren und so versuchen, unsere Welt etwas gerechter und menschenfreundlicher zu machen.

Reinhard Kardinal Marx ist Erzbischof von München und Freising, Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) und Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz

Was Kirche und Gesellschaft zusammenhält

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