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Archäologen und Architekten

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Es ist oft strittig, wann es sich bei der Rekonstruktion von Sinnzusammenhängen um eine Annäherung daran handelt, wie etwas tatsächlich gewesen ist, und wann es sich um eine »konstruktivistische« Sinnstiftung handelt. Aus konstruktivistischer Sicht kommt es vor allem auf die Kohärenz an, den in sich logischen, sinnstiftenden Zusammenhang einer sich entwickelnden Geschichte – nicht auf die Annäherung an eine mehr oder weniger objektive Wahrheit. Die »rekonstruktive« Sichtweise geht davon aus, sich der Wirklichkeit anzunähern: z. B. mit einem »Ich bin für Trennungen anfällig und muss solche Situationen sorgfältig handhaben; dies hängt damit zusammen, dass meine Mutter nach dem Tod meines Vaters depressiv war und ich mich in Situationen, die mich daran erinnern, hilflos und verlassen fühle, wie damals«. Eine mit dieser Sichtweise verbundene therapeutische Haltung wird mit der des »Archäologen« verglichen.

Aus konstruktivistischer Perspektive kann es darum gehen, innerhalb einer diagnostischen oder therapeutischen Beziehung gemeinsam eine konsistente Geschichte zu konstruieren – eine Geschichte, mit der ein Patient in besserer Weise als zuvor zurechtkommt. So kann im Laufe einer Therapie aus einem »Ich bin ein Opfer meiner Eltern, die mich verlassen haben und kaum für mich da waren« etwas entstehen wie »Ich bin jemand, der Härten überstehen konnte«. Eine therapeutische Haltung, die nach »Nützlichkeit und Funktion« statt nach »Wahrheit« fragt, wird mit der eines »Architekten« verglichen.

Entwicklungspsychologische Grundlagen der Psychoanalyse

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