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Folgerungen für die Praxis: Hyperkinetisches Verhalten und ADHS

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In Ergänzung eines biologischen Verstehens von hyperkinetischem Verhalten, ADS und ADHS betonen psychoanalytische Autoren soziale und psychologische Faktoren bei der Entstehung und Bewältigung dieses Syndroms. Neraal (2019) beschreibt die häufigen familiären Belastungen in Familien mit einem Kind mit ADHS – etwa heftige familiäre Konflikte, Suchterkrankungen oder das Fehlen eines Elternteils. Betroffene Kinder können als Indexpatienten eines überforderten Familiensystems gesehen werden. Ihr subjektives Erleben ist damit verbunden, sich »kein Gehör« verschaffen zu können und damit auf die Aufmerksamkeit der Umgebung zu »pochen«. Emotionale Inhalte werden gegenüber dem Lernen »priorisiert« und über eine motorische Abfuhr reguliert, so dass die Konzentration auf Lerninhalte nicht gelingt.

Mit ihrem störenden motorischen Verhalten bekommen diese Kinder dann zwar Beachtung. Die Aufmerksamkeit ist aber in der Regel von Verständnislosigkeit gegenüber ihren primären Wünschen und von Hilflosigkeit geprägt. Manchmal bekommt die Symptomatik des Kindes sekundär eine die Familie stabilisierende Funktion. Wichtige Bezugspersonen in Familie, Kita und Schule reagieren dann vorwiegend mit Eingrenzung, Bestrafung und Isolierung des Kindes – eine Affektregulation kann so nicht gelernt werden. Hyperaktivität ist so Ausdruck der Affektmotorik – z. B. bei Bedrohung des Selbstwertgefühls, Impulsivität Folge von Schwierigkeiten der Mentalisierung von Affekten. ADHS kann dann als eine Störung der interpersonellen Beziehungen betrachtet werden.

Aus sozialer Sicht müssen zu diesem Bild Veränderungen des Lebensstils von Kindern in den letzten 50 Jahren ergänzt werden. Körperliche Aktivitäten (z. B. im Arbeitsbereich) sind Kindern nicht mehr zugänglich, der Raum, der Kindern für eine selbständige motorische Aktivität zur Verfügung steht, hat sich dramatisch verkleinert, Sportunterricht an Schulen sinkt in seiner Bedeutung. Eine Affektregulation durch körperliche Aktivität und das Lernen körperlicher Kompetenzen tritt daher aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen immer mehr in den Hintergrund. Die Bestätigung des Selbstwerts über körperliche Aktivität gelingt nur noch wenigen betroffenen Kindern.

Freud beschreibt, dass es in der Latenzzeit zu einem Nachlassen sexueller Impulse komme. Er berücksichtigte aber bereits die Vielfalt der Entwicklungen in dieser Zeit – bei einigen Kindern bleibt die Sexualisierung und eine damit einhergehende sexuelle Betätigung während der Latenzzeit bestehen. Mertens (1996) diskutiert die unterschiedlichen Auffassungen zum Persistieren sexueller Betätigung in der Latenzzeit und die Infragestellung dieses Konzepts: Ist es gerechtfertigt, von einer Zeit der Latenz zu sprechen? Die Unterdrückung sexueller Aktivität bleibt unvollständig; fast alle Kinder in der Latenzzeit zeigen sexuelle Aktivitäten wie Masturbation und sexuelles Phantasieren. Auch diese Aktivitäten unterstützen die Regulation innerer Spannungen. Ein gewaltsames Verbieten oder strikte Unterbindungen können zu einer Einschränkung der Ich-Entwicklung führen.

Entwicklungspsychologische Grundlagen der Psychoanalyse

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