Читать книгу Die Schlotterbeck-Chroniken - Herrn Mark Wamsler - Страница 12
ОглавлениеTutorial für Noobs und Willenlose
»ForkKnight? Was soll das denn bitte schön sein?«, blaffte Donatus.
Julius konnte es nicht fassen. SEIN Wunsch schwebte neben den anderen zwei Wörtern in der Tischmitte. Julius nahm seinen ganzen Mut zusammen.
»ForkKnight ist ein Videospiel. Derzeit das erfolgreichste Game auf dem Markt! Ich weiß, Sie hassen moderne Dinge, aber in diesem Spiel messen wir Jugendliche uns miteinander. So wie Sie das früher auf Ritterturnieren gemacht haben … oder … äääh … auf dem Schlachtfeld. In ForkKnight geht es darum, wer der beste Gabel-Ritter ist. Und … ich bin recht gut darin.« Julius machte eine Pause. »Wenn ich ehrlich bin, ist ForkKnight so ziemlich das Einzige, in dem ich richtig gut bin.«
Donatus rollte mit den Augen und stand auf. »Das war ja klar. Ich weiß nicht, was trauriger ist: Dass das Einzige, in dem du gut bist, ein blödes Videospiel ist, oder dass der ehrenwerte Arcadius tatsächlich diesen Mumpitz zugelassen hat. Vielleicht wird er doch tattrig auf seine alten Tage. Der sollte mal öfters aus seiner Flasche kommen!«
Ehe Julius antworten konnte, gab es ein lautes Zischen und aschgraue Wolken schossen aus der Flasche auf dem Tisch. Gleich darauf schwebte ein wütend dreinblickender Arcadius im Raum und hob drohend seinen Arm.
»Und du solltest weniger zur Flasche greifen, du selbstgefälliger, frustrierter alter Zauberer! Du trauriges Abziehbild eines Schreckritters! Ich alt und tattrig? Na warte!« Der pummelige Zauberer hatte sich vor Donatus aufgebaut und stemmte die kleinen Fäuste in die Hüfte. »Es wird Zeit, mal wieder ein bisschen Pepp in dein Leben zu bringen, großer Schreckritter. Ich habe mich entschieden und euer Wettstreit soll in dem Spiel des Jungen stattfinden!«
»WAS?«
»JA!«
Julius und Donatus riefen zeitgleich aus und nun grinste Arcadius wieder vergnügt.
»So soll es sein. Mögen die Spiele beginnen. Denkt an den Kodex und ehrt meine Spiele. Nun vernehmt den Spruch der Sprüche für die Spieler, Wettkämpfer, Sieger und Verlierer.« Arcadius schloss seine Augen und murmelte, während er mit den Händen wilde Gesten in die Luft zeichnete: »Arcadium Sol Estos Brenetarion! Nehmt an mein Spiel und gebt gut acht, denn nur w er spielt, lebt gut in Immernacht. Numa Kal Tarion! Ob ihr siegt oder auch nicht, über euch Spieler strahlt mein dunkles Licht. Beendet den Wettstreit und ehrt das Spiel, wer kneift, verliert und das sehr viel! Arcadium … Sol … Estos … Kasaaaaai, hihihihihihihihi!«
Es gab ein dumpfes Grollen und mit einem Blitz verschwand der Zauberer Arcadius wieder in seiner Flasche, die erst zischte und wackelte, dann aber regungslos auf dem Tisch liegen blieb.
»Wow … coole Show!«, murmelte Julius anerkennend und blickte zu Donatus.
»Jaja, bei euch ist alles immer cool, geil und chillig«, murmelte der große Lektor genervt. »Nun denn, mag das Spiel beginnen.« Donatus grinste nun wieder und schlenderte zur Tür. Julius blickte ihm verwundert nach.
»Kommst du, Kleiner? Wir sollten mit dem Wettstreit anfangen.«
»Aber Sie haben doch keine Ahnung von ForkKnight. Soll ich Ihnen nicht erst mal die Regeln erklären? Und überhaupt, wir brauchen Hardware, Konsolen, zweimal das Spiel. Ein paar Mitspieler wären übrigens auch nicht schlecht.« Julius hatte plötzlich Lampenfieber und obwohl er sich freute, dass sein Spiel den Vorschlägen des alten Donatus vorgezogen worden war, verspürte er nun noch mehr Aufregung.
»Ganz ruhig, kleiner Beißer. Man merkt, dass dies der erste magische Arcadius-Wettstreit für dich ist. Schau mal her!«
Donatus öffnete die Tür und schob Julius aus seinem Büro. Grinsend stellte er sich neben den Jungen, der mit offenem Mund stehen geblieben war.
»Das … das gibt’s doch nicht!«, stammelte Julius.
Der große Vorraum vor Donatus’ Büro hatte sich verändert. Durch die Arcadius-Magie waren die Bücherregale an die Wand gerückt worden und die Tische standen ähnlich wie in den Klassenzimmern der Zitterbolt-Schule. Doch noch etwas hatte sich verändert.
Die Bücherei-Computer waren verschwunden und nur die Monitore waren auf den Tischen geblieben. An jedem Monitor konnte Julius eine GraveStation 4 erkennen und er begriff plötzlich, dass in jeder Konsole ein Exemplar von ForkKnight steckte. Eine Sache verwunderte Julius am meisten. An jedem Tisch stand ein Bibliotheksbesucher und stierte ins Leere. Julius konnte das adrett gekleidete Skelett erkennen. Auch die Sumpfhexe, die nach Rezepten gesucht hatte. Der Ghoul, welcher Zeitungsartikel sortiert hatte. Sechs an der Zahl. Sie alle standen mit leicht geöffneten Mündern und einem unheimlichen blauen Glimmen in den Augen an ihren Spielstationen und hatten Game Controller in der Hand.
»Also, DAS … ist echt schräg. Die Besucher der Bibliothek sind unsere Mitspieler?«
Julius lief langsam in den Raum hinein und betrachtete die Besucher, die regungslos an ihren Tischen standen.
»Hey, es ist dein Spiel, aber es sind meine Regeln, Kleiner. Und wir brauchen doch Mitspieler, sonst ist es öde. Deswegen habe ich dem Arcadius-Zauber noch eine kleine Prise von meiner Magie hinzugefügt!« Donatus grinste breit und steuerte auf einen der zwei freien Tische zu. »Na los, setz dich. Lass uns dieses dämliche ForkKnight spielen. Ich besiege dich schnell, der Eid ist erfüllt und dann habe ich endlich wieder meine Ruhe.«
Julius konnte es nicht fassen. »Aber Sie haben doch keine Ahnung von Videospielen. Hatten Sie jemals einen Controller in der Hand?«
Eigentlich sollte es Julius egal sein; immerhin war der alte Donatus sehr schroff und abweisend zu ihm und verdiente eine Abreibung.
»Kleiner, mach dir um mich keine Sorgen. Die Arcadius-Magie hat nicht nur für das Spielfeld gesorgt, sie hat mir auch die Regeln und das Drumherum um dieses ganze Videospielzeugs offenbart. Ich bin Kastalius Anselm Donatus, der große Lektor. Ich war einst ein gefürchteter Schreckritter. Ich bin der Jäger und der Sucher. Ich bin Meister des Rambot-Tsu. Ich habe gegen Drachen gekämpft, Desparius-Hexen gejagt und Menschen den Glauben an die Magie genommen. Glaubst du ernsthaft, ich würde in diesem lächerlichen Kinderspiel gegen dich verlieren?« Donatus lachte schallend, baute sich mitten im Raum auf und hob beide Arme in die Luft.
Plötzlich drehten sich alle Besucher zu dem Lektor und starrten ihn mit ihren leblosen, blau schimmernden Augen an.
»Meine lieben Besucher!«, dröhnte Donatus. »Ich weiß, eigentlich wolltet ihr nur in die Bibliothek, um in Ruhe zu lesen, zu entspannen oder euch eins der vielen wertvollen Bücher auszuleihen. Doch nun brauch ich eure Hilfe. Wie so oft in diesen Tagen haben wir hier einen nervigen Teenager, der unsere Zeit und unsere Nerven beansprucht. Aufgrund einer Vereinbarung, die euch natürlich nichts angeht und zum großen Teil mit einer launischen Furia-Hexe zu tun hat, bin ich leider gezwungen, diesem jungen Vampir mehr Zeit zuzugestehen, als er es eigentlich verdient hat.«
Julius verdrehte die Augen und seufzte. Die willenlosen Besucher lauschten gebannt.
»Also, Freunde, dank meines Zaubers und eurer glücklicherweise recht begrenzten magischen Widerstandsfähigkeiten werdet ihr jetzt Teil meines Spiels und helft mir dabei, den Teenager loszuwerden. Wir werden gleich das Videospiel ForkKnight spielen und ich werde euch nun das Spiel und die Regeln erklären.«
Julius musste grinsen. Er war gespannt darauf, wie der alte Donatus den Besuchern ein Videospiel erklärte.
»ForkKnight, meine geschätzten willenlosen Schergen«, begann der alte Lektor sogleich, »ist ein Spiel, nach dem unsere Jugendlichen in Immernacht geradezu süchtig sind. Jeder Spieler verkörpert einen sogenannten Gabel-Ritter. Ja, richtig. Anstatt effektiven Rambot-Tsu-Techniken samt einem blutrünstigen Rambot oder gar einer Seelenklaue hat man in dem Spiel nur eine große Gabel. Klingt lächerlich und glaubt mir, ist es auch. Nun schwebt jeder … seufz … Gabel-Ritter zu Beginn des Spiels mit einem kleinen Luftschiff über die Spiellandschaft. Sobald ihr es für richtig haltet, springt ihr aus eurem Luftschiff ab und landet auf dem Spielgebiet. Nun habt ihr nur eine Aufgabe: Überall auf dem Spielgebiet sind Schätze verteilt. Diese gilt es zu finden und zu horten. Doch dazu müsst ihr mit eurer Gabel auch eine Burg bauen. Denn nur dort könnt ihr eure Schätze sicher aufbewahren. Am Ende des Spiels gewinnt natürlich das Team oder derjenige Spieler mit dem größten Schatz. Mit eurer Gabel könnt ihr Rohstoffe farm… ähm, sammeln, um euch eine Burg zu bauen. Dies sollte euer erstes Ziel sein. Sucht euch dazu einen guten Platz auf der Karte.« Donatus blickte in die Runde der unfreiwilligen Mitspieler und fuhr dann fort: »Doch seid gewarnt, meine marionettenhaften Knechte: Es wird in ForkKnight auch gekämpft und obwohl es eine Schande ist, dieses Gabel-Gefuchtel einen Kampf zu nennen, werdet ihr eure Gabeln auch als Waffen gegen andere Gabel-Ritter einsetzen. Über jedem Gabel-Ritter schwebt ein glücklicher kleiner Totenkopf. Bei jedem Treffer wird sein Lächeln geringer und wenn er sich auflöst, explodiert euer Gabel-Ritter und für euch ist das Spiel vorbei.«
»Donatus, vergesst die Einhörner nicht!«, rief Julius dazwischen und während die willenlosen Besucher weiterhin Donatus anstarrten, funkelte dieser ihn böse an.
»Kopf zu, Kleiner. Ich mag es nicht, unterbrochen zu werden. Aaah ja, die Einhörner!«, wandte sich Donatus wieder den anderen Mitspielern zu. »Es kann sein, dass euch im Spiel zufällig ein Einhorn über den Weg läuft. Ihr wisst schon: edles weißes Pferd, langes Horn, jeder liebt sie, blablabla. In ForkKnight sind sie für Verbesserungen zuständig. Wenn ihr ein Einhorn seht, habt ihr drei Möglichkeiten! Möglichkeit 1: Ihr streichelt das Einhorn, es verpufft und ihr bekommt ein Goldstück für euren Schatz. Möglichkeit 2: Ihr steigt auf das Einhorn und könnt euch so kurzzeitig schneller über die Karte bewegen. Möglichkeit 3 und gleichzeitig meine liebste Wahl: Ihr zieht mit eurer Gabel dem blöden Vieh eins über die Rübe und es hinterlässt euch vorübergehend eine magische Waffe.«
Donatus hielt inne und grinste. Er schien mittlerweile fast so was wie Gefallen an dem Spiel zu finden und Julius wusste nicht, ob das nun gut oder schlecht war.
»Das wären die Regeln im Großen und Ganzen, Herrschaften. Denkt daran, es gewinnt der Gabel-Ritter mit dem größten Schatz am Spielende oder derjenige, der als Einziger übrig bleibt.«
Donatus nahm grummelnd hinter seiner GraveStation4 Platz und auch die willenlosen Besucher setzten sich wie in Trance und erhoben die Game Controller. Julius folgte ihrem Beispiel und wollte gerade das Headset aufsetzen, als Donatus nochmals aufstand und hämisch grinsend in den Raum brüllte: »Ach ja, da wäre noch eine Kleinigkeit. Wir spielen in zwei Teams. Meine ebenso motivierten wie manipulierten Mitspieler und ich … gegen die kleine VampirNervensäge!«
Julius schluckte und kniff die Augen zusammen. »Meister Donatus, ist das nicht ein bisschen unfair? Normalerweise spielt man ForkKnight jeder gegen jeden oder in ausgeglichenen Teams. Aber alle gegen mich?«
Donatus lächelte und sagte leise: »Dein Spiel, meine Regeln. Dachtest du wirklich, du hättest eine Chance?« Damit setzte er sich, nahm den Controller und legte sein Headset an. »Dann los, das Spiel startet gleich. Machen wir den kleinen Gruftschlurchi platt und dann können wir alle wieder diesen wunderbaren Mond-Tag genießen!«
Julius schloss die Augen, als er die vertraute Titelmelodie seines Lieblingsspiels vernahm. Er öffnete die Augen wieder und blickte entschlossen auf den Bildschirm. Ja, es war in der Tat unfair. Der alte Donatus und sechs andere Spieler gegen ihn allein. Doch Donatus hätte lieber noch mehr Besucher verzaubern sollen, damit er eine Chance gegen Julius hatte. Julius lächelte und drückte den Startknopf. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.
Auch der alte Donatus lächelte hinter seinem Bildschirm. Leise murmelte er fremdartige Zaubersprüche in seinen Bart hinein und die Bildschirme der Spieler strahlten plötzlich in einem unheimlichen Blau. Er drückte den Startknopf. Das Spiel begann.