Читать книгу Die Schlotterbeck-Chroniken - Herrn Mark Wamsler - Страница 14

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Ein feuriger Tanz

Die Inferno-Grotte war bei ForkKnight-Spielern ebenso beliebt wie berüchtigt. Neben seltenen Rohstoffen lockten dort vor allem unglaublich viele Schätze. Die Grotte auf der Map zu finden, war nicht besonders schwer. Das Problem bestand vielmehr darin, die Schätze der Grotte zu heben und sicher herauszuschaffen. Denn die sengende Hitze nagte konstant an der Energieleiste des Spielers und man musste sich nicht nur gut in der verwinkelten Höhle auskennen, sondern brauchte auch ausreichend Heiltränke im Inventar, um seine Energieleiste wieder auffüllen zu können. Julius hatte den Schädelwald hinter sich gelassen und stand nun vor dem dampfenden und zischenden Eingang der Grotte.

Er musste schlucken. Ein kurzer Blick auf sein Inventar zeigte, dass er nur zwei Heiltränke mit sich führte. Er könnte leicht in dem kleinen Bootshaus am Kristallsee weiter nördlich noch zwei Tränke finden, der Weg dorthin würde ihn aber wertvolle Zeit kosten. Julius checkte noch mal seine Statusanzeigen im Helm. Ihm fiel auf, dass sich die Energieanzeigen des orangenen und des türkisfarbenen Ritters langsam leerten, während ihre Schatzanzeigen nach oben kletterten. Beide Spieler waren mittlerweile bei über 60 Prozent; mit hoher Wahrscheinlichkeit machten sie sich gerade schon über die Schätze der Inferno-Grotte her.

Donatus hatte bekanntlich einen Zauber über die unbedarften Bibliotheksbesucher gelegt und somit waren es willenlose Spieler, die dem Spiel und dessen Regeln zwar folgten, aber nicht die Fähigkeiten von erfahrenen ForkKnight-Spielern aufwiesen. Dies war Julius anhand der ungestümen Kampftaktiken der zwei besiegten Gegner bewusst geworden und auch jetzt war zu erkennen, dass sich die zwei Gegner ohne große Hintergedanken in die Inferno-Grotte gewagt hatten.

»Hauptsache, schnelles Geld, was?«, feixte Julius und betrat die Höhle. Eine Hitzewelle schlug ihm entgegen. Julius war fasziniert, wie der Zauber des großen Lektoren das Spiel zum Leben erweckt hatte. Er konnte es immer noch kaum glauben, dass er sich tatsächlich im beliebtesten Videospiel von Immernacht befand.

Während sich Julius nun mit gezücktem Gabelschwert weiter in die Grotte vorwagte, wechselte er regelmäßig seinen Blick von der Umgebung zu den Statusanzeigen. Der türkisfarbene Ritter hatte schon 63 Prozent bei der Schatzanzeige, aber dafür war seine Energie unter die Hälfte gesunken.

Julius folgte einem schmalen steilen Weg nach unten, welcher ihn in eine große Höhle führte. Brodelnde Lava zischte beinahe bösartig und Julius war wachsam, während er sein Ziel ansteuerte. Die Goldmünzen und Schätze lagen zwar offen in der Grotte herum, aber man musste sehr auf den Weg sowie auf die Flammenfontänen achten, wollte man nicht mit einem Schlag alles verlieren.

Julius stieg auf einen engen Steinsteg und duckte sich unter einem Flammenstoß weg. Plötzlich erblickte er vor sich den orangefarbenen Ritter, welcher gerade sein Gabelschwert in die Höhe reckte, um Münzen einzusammeln. Julius verlor keine Zeit und rannte los. Er sprang über zwei Lücken der Steinbrücke und wich weiteren fauchenden Flammenstößen aus. Kurz bevor er den orangefarbenen Ritter erreichte, nahm dieser sein Schwert herunter und ging in eine Abwehrhaltung. Julius eröffnete den Kampf und als sein Stich pariert wurde, nahm Julius den Schwung auf und drehte sich mit einem Schlag in die Seite des Gegners.

Zufrieden blickte Julius auf die gesunkene Energieanzeige seines Gegners, wobei er seine eigene nicht aus den Augen verlor. Die Hitze nagte unentwegt an seiner Lebensenergie und Julius musste trotz der vermeintlich unbedarften Gegner aufpassen, nicht selbst leichtsinnig zu werden. Der orangefarbene Ritter ging auf ihn los und trat Julius eine schwere Schatztruhe entgegen. Julius wich dem schweren Geschoss nicht aus, sondern rannte auf die Truhe zu und hüpfte aus vollem Lauf auf sie drauf. Er stieß sich von der Truhe ab, drehte sich in eine Pirouette und lud im Sprung die Münzen aus ihrem Inneren in sein Gabelschwert. Der gegnerische Ritter konnte gerade noch sein Gabelschwert zum Block hochreißen, als Julius seine Landung mit einem nach unten gezogenen Schwerthieb beendete.

Metall rieb auf Metall und feine Pixelfunken stoben davon, als sich die Klingen der beiden Gabel-Ritter verkeilten. Julius erkannte bösartige, blau leuchtende Augen hinter dem Visier und fragte sich, welcher der einst harmlosen Bibliotheksbesucher hier so verbissen mit ihm kämpfte.

»Du bist ganz schön krass drauf, Agent Orange!«, keuchte Julius. »Wir sollten Gamertags austauschen und mal öfters miteinander spielen. Vielleicht können wir ja einen Clan gründen. Oh, mein Fehler – bist bestimmt eine harmlose Haushalts-Hexe oder ein schnöseliger Büro-Vampir und machst das hier nur, weil dieser alte Stinkstiefel dich verhext hat!«

Julius verpasste dem Gegner einen krachenden Kopfstoß und wollte dem strauchelnden Ritter gerade den finalen Hieb versetzen, als er einen schweren Schlag in den Rücken bekam. Mit einem Mal sank Julius’ Energieanzeige um fast die Hälfte. Er blickte sich erstaunt um und erkannte den türkisfarbenen Ritter, der ihm hinterhältig in den Rücken gefallen war.

»Ganz schön ehrlos, mir einfach in den Rücken zu ballern!«, knurrte Julius und nahm eine neue Kampfstellung ein.

Jetzt stand er zwischen zwei Gegnern und musste zudem auf seine Energieanzeige achten, die nach wie vor bedrohlich sank. Es war Zeit, einen Heiltrank einzunehmen, aber dies würden seine Gegner nicht zulassen. Beide Gabel-Ritter griffen ihn nun zeitgleich an.

Julius wich dem Schlag des türkisfarbenen Ritters aus und parierte den Stich des anderen Gegners. Ein wilder Kampf entbrannte. Zu seinem Glück waren die Gegner unkoordiniert und hitzig bei ihren Angriffen. Gegen erfahrene Spieler oder gar einem Clan hätte Julius in so einer Situation schlechte Karten gehabt. So aber parierte er die ungelenken Hiebe und verlagerte den Kampf immer mehr in die Mitte der kleinen Steinbrücke.

Als der orangefarbene Ritter zu einem Sprungkick ansetzte, sah Julius seine Chance. Mit einer leichten Drehung wich er dem Angriff aus und während der orangefarbene Ritter aufsetzte, schlug ihm Julius mit dem Knauf seines Gabelschwertes auf den Helm, um ihn dann mit einem Drehkick in die brodelnde Lava zu befördern. Es folgte eine grelle Pixelexplosion, doch Julius hatte keine Zeit, die Münzen zu sammeln. Er stand nun dem verbleibenden türkisfarbenen Ritter gegenüber. Flammen loderten hoch und zischten, als sich beide Ritter mit erhobenen Gabelschwertern auf der Steinbrücke anblickten.

»Gar nicht so schlecht, Kleiner. Wenn du auch im echten Leben so kämpfen könntest, hättest du fast das Zeug zum Schreckritter.« Donatus’ Stimme dröhnte in Julius’ Helm und Julius erkannte beinahe eine Spur von Anerkennung in dem sonst so schnippischen Tonfall des großen Lektoren. Doch ehe er sichs versah, legte Donatus nach: »Wie dem auch sei, wird Zeit, das Ganze bisschen aufzupeppen.«

Julius blickte auf die Statusanzeigen, ohne den türkisfarbenen Ritter aus den Augen zu lassen. Der rote Ritter, also Donatus, war mittlerweile bei 78 Prozent. Was hatte der alte Haudegen vor?

»Zeit für ein – wie sagt ihr Kids dazu gleich – Upgrade?«, hörte Julius plötzlich in seinem Helm.

Julius kam nicht mehr dazu, den großen Lektor zu fragen, was er meinte. Mit einem dumpfen Grollen begann die Lava neben Julius zu brodeln. Der türkisfarbene Ritter stapfte währenddessen unbeeindruckt auf Julius zu, um den Kampf fortzuführen. Julius behielt ihn im Auge, blickte aber fassungslos vor sich zu der Stelle, wo die Lava nun wie wild kochte und zischte.

»Was zum Dunkelmond geht denn jetzt …«

Weiter kam Julius nicht, denn ein flammender Speer flog ihm zischend entgegen und Julius konnte sich gerade noch zur Seite wegdrehen. Der türkisfarbene Ritter, welcher fast hinter Julius angelangt war, hatte diese Reflexe jedoch nicht. Der Flammenspeer traf ihn mitten in seine Brustplatte. Der türkisfarbene Gabelritter verpuffte in einer Pixelexplosion und noch ehe Julius sich über den Umstand freuen konnte, traf ihn ein harter Schlag in die Seite. Julius flog zu seinem Glück nicht seitwärts in die Lava, sondern wurde durch die Wucht des Schlages nach hinten zum Anfang der Steinbrücke geschleudert. 14 Prozent. Julius nahm die rot blinkende Statusanzeige wahr, als er sich ächzend aufrappelte.

»Donatus … Sie … verdammter … Cheater!«

Fassungslos starrte Julius auf die Quelle des Speerwurfs. Ein mächtiger Flammen-Golem hatte sich grollend aus der Lava erhoben, auf der Brücke aufgebaut und schlug sich provozierend mit seiner riesigen Faust auf den feurigen Brustpanzer. Julius schätzte den Flammen-Golem um drei Köpfe größer als herkömmliche Gabel-Ritter. Nun war klar, was der alte Donatus mit Upgrade gemeint hatte.

»Echt jetzt? Erst ein ganzes Team gegen mich allein und nun ein Flammen-Golem? Das Wort Fairness scheint in Ihrem Wortschatz wohl nicht vorzukommen, oder?«

Julius bewegte sich langsam rückwärts und drückte sich in eine Nische. Flammen leckten nach ihm und Julius presste sich enger an den Fels.

»Fairness? Kleiner, ich hatte einen relativ guten Tag, bis du und deine Furia-Hexe in meiner Bibliothek auftauchten. War es etwa fair von euch, mich beim Arbeiten zu stören und mich in eure Angelegenheiten hineinzuziehen?« Donatus’ Stimme hallte wütend in Julius’ Helm.

»Arbeiten? Sie gammeln den ganzen Tag in Ihrem Büro herum und betrinken sich.«

Julius beobachtete den Golem, der langsam in seine Richtung stapfte. Mit einem leichten Nicken wählte Julius einen Heiltrank und schlagartig war seine Energieleiste wieder bei 86 Prozent.

»Soso, willst mich also ablenken. Netter Versuch, Kleiner!«

Ehe Julius darauf antworten konnte, sprintete der Golem los. Mit einer für seine Größe unglaublichen Geschwindigkeit war das Ungetüm bei Julius angelangt und stieß ihn mit der gepanzerten Schulter in die Nische. Beide krachten in einer Wolke aus Pixelschutt durch die Wand und fielen in die Tiefe, wo Julius und der Flammen-Golem in einer großen Halle aufschlugen. Julius konnte gerade noch zurückweichen, als der Golem unmittelbar nach dem Aufprall mit seinem Flammenschwert nach ihm hieb. Die Rempel-Attacke des Golems sowie der Sturz hatten Julius’ Energieanzeige wieder auf 56 Prozent reduziert.

»Von mir aus, Meister Donatus. Sie schicken mir also einen Zwischengegner? Herausforderung akzeptiert.«

Julius betrachtete die Halle. Riesige Feuersäulen loderten um sie herum und bildeten eine brennende Arena. Der Flammen-Golem setzte sich in Bewegung, seine zuckende Flammenklinge zum Schlag erhoben. Julius nickte ihm zu und umschloss fest den Griff seines Gabel-Schwertes.

»Na dann … en garde, du Mistkerl!«

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