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Wie Lady Cassandra ihre Schuld einlöst

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»Uuund, wie lief es, Alter?«, fragte Flap aufgeregt und flatterte um Julius’ Kopf herum, als dieser aus dem Schulgebäude kam. Flap war eine kleine übergewichtige Fledermaus und nicht nur ein vorlautes Haustier, sondern auch der einzige Freund von Julius.

»Beschissen!«, knurrte Julius und stieß mit dem Fuß einen Stein in die Büsche, sodass kleine schimpfende Spinnen raschelnd davonsausten. »Der alte Blutsauger hat mich tatsächlich zum Schullegator ernannt und jetzt soll ich meine Ferien damit verschwenden, in irgendwelchen Käffern nach drei Jugendlichen zu suchen, und diese auf die blöde Monsterparty im neuen Schuljahr mitbringen. Kannst du dir das vorstellen?«

»Waaaas … duuu ein Legator??? Und dann noch auf die Monsterparty? Hahahahaa!« Flap lachte schallend und wäre dabei trotz seines Echolots fast gegen ein Straßenschild geflogen.

Julius kramte eine Dose Vamp-X aus seinem Rucksack, stellte sich den Geschmack von Cola mit Vanille vor und nippte daran. »Jaja, sehr witzig, du Flugratte. Aber Draco schickt mich sonst nach Schockzahn, wenn ich das nicht mache. Schockzahn!!!«

Flap hielt augenblicklich inne. »Oje, das sind üble Neuigkeiten, Bro«, murmelte er. »Mein Cousin Eugen musste da hin. Nach drei Jahren kam er heraus und war nie wieder der Alte. Er schielt nun und denkt, er sei eine Meerjungfrau. Echt schräges Zeug, Bruder!«

»Na danke«, knurrte Julius und schaute hoch zum wunderschönen Vollmond. »Meine Sommermondferien sind so was von im …«

»Na ja«, feixte Flap, »immerhin hast du ja mit mir schon einen Freund, den du mitbringen kannst!«

Julius seufzte und gab der pummeligen Fledermaus einen kleinen Schubser. »Ich weiß doch, Flap, aber sprechende Haustiere wird Lord Draco nicht durchgehen lassen.«

Flap verstummte und tat Julius für einen Moment leid. Doch dann quasselte er gleich wieder fröhlich los. »Noch ein Beweis dafür, dass meine Initiative zur Gleichberechtigung sprechender Haustiere mehr als berechtigt ist. Ich werde ganz viele um mich scharen und zusammen werden wir was bewegen und ganz Gruselheim, ach was red ich, ganz Immernacht zeigen, dass wir mehr sind als verfressene kleine Nervensäg… – oh, eine Sargmotte, lecker!« Sprach’s, flog schnurstracks auf das große Insekt zu und verschlang es mit einem genüsslichen Schmatzen.

Daheim in der Gruft wurde Julius schon von seiner Mutter erwartet. Natürlich hatte Lord Draco sie gleich angerufen. Sie seufzte und räumte nebenher Geschirr aus dem Schleck-O-Mat-Spüler. »Julius, so geht es nicht weiter. Trink halt mal ab und zu ein bisschen Blut. Du gewöhnst dich dran. Du siehst ja, wo dich Tomatensaft, Vamp-X und deine Verweigerungen hinbringen!« Sie hielt inne und eine Träne lief ihre Wange hinab. »Wenn sie mir dich noch wegnehmen, dann bin ich ganz allein. Tu mir das nicht an.«

Julius schluckte. Er dachte an seinen blutsüchtigen Vater, an den Ärger, den er seiner Mutter einbrockte, und senkte sein Gesicht in seine Arme. »Es tut mir leid, Mama. Du hast ja recht. Ich strenge mich mehr an. Nur Blut … das kann ich nicht. Ich versuche aber, mich anzupassen. Versprochen, Mama!« Er stand auf und nahm seine Mutter in den Arm.

»Na dann«, sagte Mama Ludmilla und lächelte wieder guten Mutes. »Lord Draco hat mir am Telefon von deiner Aufgabe erzählt und mir ein paar Infos per Iiih-Mail zukommen lassen. Ich bin froh, dass er dich so gut hat wegkommen lassen.«

Julius stierte auf den Alistair-Halupcok-Aufkleber am Kühlschrank und lächelte bitter.

»Ja, ganz toll, Mama. Ich verbringe nun meine vier Wochen Sommermondferien damit, andere Loser wie mich aufzutreiben, und soll die auch noch zu diesem absolut peinlichen Schulfest schleppen? Gaaanz großes Gruselkino.«

Ludmilla stupste ihn und lächelte. »Julius Schlotterbeck! Zu meiner Zeit an der Zitterbold war es eine Ehre, ein Legator zu sein. Man kam herum, hat neue Freunde gewonnen und tolle Dinge erlebt. Du kannst nicht dauernd vor der GraveStation sitzen oder dir im ScaryNet diesen gewalttätigen Rambot-Tsu-Blödsinn anschauen. Du musst auch mal raus, mein Sohn. Das Leben spielt sich nicht nur in der Schule oder hier in der Gruft ab. Weg da, Flap!« Sie schob Flap vom Kühlschrank weg. »Hast du dir schon Gedanken wegen dieser drei anderen Jugendlichen gemacht? Draco meinte, sie sollen außerhalb von Gruselheim herkommen. Sind das auch Legatoren an anderen Schulen? Wie willst du das angehen?«

»Ich hab echt keine Ahnung. Weit fliegen kann ich noch nicht und zudem habe ich keine Monatskarte, weil wir ja sparen müssen.« Julius nippte gedankenverloren an seinem Energydrink.

»Der alte Draco erwähnte einen Thalbion-Spiegel. Ich habe da vielleicht eine Idee!«, meinte seine Mutter plötzlich. Sie nahm ihr Handy, tippte eine Nummer und ging aus dem Zimmer. Julius konnte hören, wie sie sich angeregt mit jemandem unterhielt.

»Alles klar? Machen wir’s so? Bring den Thalbion mit, ja? Dann wären wir quitt, Cassandra! Bis gleich!«

Sie kam ins Zimmer zurück und strahlte.

»Was ist los, Mama?«, fragte Julius.

»Alles gut, mein kleiner Tomatensaftschlürfer!«, kicherte sie. »Ich habe dir einen Portalspiegel organisiert. Eine alte … äähm … Freundin ist mir noch einen Gefallen schuldig. Sie kommt – Moment – in 5, 4, 3, 2, 1!«

Plötzlich gab es einen lauten Knall und rosa Nebel waberte durch die Gruft. Ein süßlicher Duft von Parfüm breitete sich aus. Julius hatte vor Schreck seinen Energydrink fallen gelassen und Flap war gegen die Wand geflogen. Nur Julius’ Mama stand seelenruhig mit verschränkten Armen da und blickte in den duftenden rosafarbenen Nebel.

»Hallo, Cassandra. Schön, dass du es einrichten konntest«, sagte sie leise.

Julius sah, wie sich der Nebel verflüchtigte und den Blick auf eine hochgewachsene, schlanke Hexe freigab, die lässig an einem großen silbernen Spiegel lehnte. Sie hatte ein langes schwarzes Kleid an, trug einen typischen Hexenhut und eine schwarze Handtasche baumelte an ihrer Seite. Und sie war – bildhübsch! Die Hexen, die Julius sonst in Gruselheim sah, hatten Warzen, fettige Haare und krumme Rücken.

»Sie … Sie sind ja … gar nicht wie die anderen Hexen«, stammelte Julius.

»Sagt der kleine Vampir mit nur einem Zahn, der statt Blut Tomatensaft und irgendwelche Energydrinks säuft!«, kam es prompt zurück.

»Vorsichtig, Cassandra!«, mahnte Julius’ Mutter. »Du bist hier, um zu helfen, und nicht, um wieder Ärger zu machen!«

»Ist ja gut«, zischte Cassandra, schnippte den gaffenden Flap zur Seite und schwebte auf Julius zu. »Aaalso, was haben wir denn da? Trinkt kein Blut. Braucht dringend ein paar echte Freunde, meinen Thalbion-Spiegel und hat zudem einen hässlichen Flugnager als Haustier. Deine Mutter hat recht. Du brauchst dringend Hilfe. Ich kenne da jemanden in Schockzahn, vielleicht könnten wir ja …«

»Cassandra!!«, mahnte Julius’ Mutter. »Denk an unsere Abmachung!«

»Ist ja schon gut«, seufzte Cassandra gelangweilt. »Ihr Vampire seid immer so ernst und humorlos. Gut … ich hab da was für dich, Kleiner. Komm her und hör genau zu, denn ich wiederhole mich äußerst ungern!«

Julius setzte sich mit leichtem Unbehagen neben die Hexe und musterte misstrauisch den seltsamen Spiegel.

»Wie du sicherlich weißt, gibt es neben eurem kleinen Kaff Gruselheim in Immernacht noch viele Orte, Landstriche, ja selbst eigene Dimensionen. Manche kannst du bequem erreichen, manche dagegen liegen sehr versteckt oder sind mit einfachen Hilfsmitteln wie eurem Vampirflug und den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen.«

Julius hörte aufmerksam zu, obwohl ihm diese Tatsache natürlich bekannt war. Manche Bewohner von Immernacht zogen es vor, für sich zu bleiben. Die Zombie-Gemeinde zum Beispiel. Ab und zu konnte man einen Zombie in Gruselheim sehen, aber diese Typen waren ebenso schräg wie eklig und keiner konnte sie so richtig ausstehen. Beim Einkaufen hatte er in den Gruselheimer Spuk-Arkaden mal einem Zombie seinen abgefallenen Arm hinterhergetragen, worauf dieser nicht mal einen Dank übrig, sondern ihn nur mürrisch angeglotzt hatte.

»Mit diesem magischen Thalbion-Spiegel aber«, fuhr Cassandra fort, »ist es möglich, diese versteckten und manchmal gar verbotenen Orte aufzusuchen. Man braucht nur einen Gegenstand von dem Ort, den man besuchen möchte, bei sich zu tragen, durch den Spiegel zu schreiten und schon ist man da. Wichtig ist, dass du dir die Stelle merkst, an der du angekommen bist. Wenn du zurückwillst, stellst du dich an die gleiche Stelle, sprichst dein Zauberwort und du landest wieder dort, wo der Spiegel steht. Eigentlich ganz einfach – sogar für einen Vampir!« Cassandra grinste Julius neckisch an.

»Komm zum Punkt!«, mahnte Julius’ Mutter und schob Flap wieder vom Kühlschrank weg.

Cassandra rollte mit ihren dunklen Augen und fuhr fort: »Den Thalbion lasse ich euch leihweise da. Aber bedenkt: Wenn er unterwegs zu Schaden kommt, ist eine Rückkehr damit unmöglich. Es bräuchte dann einen anderen Spiegel und glaubt mir, die Dinger kauft man nicht einfach in den Spuk-Arkaden oder im Scary-Net. Wenn ihr nicht gerade in der hohen Kunst der Drachenjagd, des Exorzierens oder anderen wirklich heftigen und vor allem tödlichen Angelegenheiten bewandert seid, habt ihr eigentlich keine Chance.«

Julius musste schlucken.

»Lady Cassandra … darf ich fragen, woher Sie Ihren Spiegel haben?«, fragte er mit leiser Stimme.

»Sicher doch, mein Kleiner. Aber die Geschichte ist eigentlich nix für junge Vampire und deine Mutter wäre nicht so erpicht darauf, diese Geschichte – nun sagen wir mal – wieder zu hören.«

Es klirrte und Julius sah, wie seine Mutter einen zerbrochenen Teller vom Boden aufhob und sich mit wütendem Blick dem Abwasch zuwandte.

»Also, Kleiner, es gibt Regeln. Es sind drei an der Zahl, frag nicht wieso, das kommt von eurem Vampir-Obermacker!«

»Lord Draco«, murmelte Julius, »war ja klar. Der und seine dämliche Drei!«

»Regel Nummer eins«, sagte Cassandra mit lauter und fester Stimme, »trage immer einen Gegenstand des Zielortes am Leib! Regel Nummer zwei: Nimm niemanden durch den Spiegel mit, der nicht hindurch will, und wenn du jemanden mitnimmst, haltet dringend Körperkontakt! Regel Nummer drei und gleichzeitig die wichtigste Regel: Sprich beim Hindurchlaufen immer das Zauberwort aus. Immer! Wirklich immer, Kleiner. Das ist sehr wichtig.« Cassandra lächelte ausnahmsweise nicht und schaute Julius kurz besorgt an.

»Wieso, Lady Cassandra, was passiert denn sonst?«, quietschte Flap aufgeregt und nahm Julius damit die Frage ab.

Cassandra senkte kurz den Blick und sagte leise: »Sagen wir mal so: Das, was dann auf der anderen Seite ankommt, ist nicht das, was hineingegangen ist.« Sie fuhr sich über ihre Stupsnase und zupfte an ihrem schwarzen Kleid. »Aber ihr sagt einfach das Zauberwort und alles ist gut!«, flötete sie und lächelte. »Also, ihr Lieben. Hat Spaß gemacht. War schön, dich mal wiederzusehen, Ludmilla. Passt mir auf den Spiegel auf und viel Erfolg bei eurem magischen Roadtrip. Bis bald!«

Cassandra schien schon kurz vor ihrem Verschwindezauber zu stehen, als Julius rief: »Haaalt, wie lautet denn das Zauberwort???«

Cassandra schaute verblüfft drein. »Ach ja, stimmt. Also das ist noch mal eine besondere Angelegenheit für sich. Jeder Spiegelwanderer bekommt sein Zauberwort und eine magische Karte nur vom großen Lektor Donatus.«

»Donatus? Der Donatus?« Julius musste grinsen. »Der alte Motzknochen, der in der Bibliothek versauert?«

Da es ab und an notwendig war, für die Schule bestimmte Bücher zu leihen, kannte er den alten Donatus. Als ehemaliger Schreckritter und Veteran der alten Kriege hatte er es irgendwann mal geschafft, bei den Stadtoberen in Ungnade zu fallen. Nun leitete er die Gruselheimer Bibliothek, die er aufgrund eines Bannspruches nicht verlassen konnte. Um ihn rankten sich viele Gerüchte; er war nicht gerade für seine Freundlichkeit bekannt. Vor allem Kindern und Jugendlichen gegenüber.

»Genau der. Unterschätze ihn nicht, Kleiner. Er ist ein muffiger alter Zauberer, aber er ist auch der Meister der Worte und Zaubersprüche. Er hat immer noch die Aufsicht, was magische Portalreisen und Thalbion-Nutzungen angeht. Kurzum – willst du den Spiegel nutzen, musst du bei Meister Donatus vorsprechen.«

Julius schaute seine Mutter an und kratzte sich am Hinterkopf. »Aber … der Typ ist echt schräg und zudem ein kauziger Säufer. Gibt es keinen anderen Weg, den Spiegel zu nutzen?«

Cassandra seufzte. »Kleiner, keine Ahnung, was du ausgefressen hast, aber wenn der alte Draco und deine Mutter mich am selben Tag nerven, muss es wichtig sein. Wenn du den Trip machen willst – was ich dir aus mehreren Gründen raten würde –, dann ist dein erstes Ziel der alte Donatus!« Damit strich sie sich eine schwarze Strähne aus dem ebenholzfarbenen Gesicht. »Der alte Kastalius Anselm Donatus. Ja, er nippt mit Vorliebe an einem Gläschen Blutwein. Aber das kommt euch ja sicherlich bekannt vor, oder?«

Cassandra grinste frech zu Ludmilla, die das mit einem mehr als giftigen Blick quittierte. Julius war sich sicher: Wäre seine Mutter eine dieser gefürchteten Desparius-Hexen, wäre Cassandra in Sekundenschnelle in einer Staubwolke vergangen. Was war bloß zwischen den beiden Frauen vorgefallen? Bestimmt hatte es mit seinem Vater zu tun.

»Ihr findet Donatus in der Bibliothek in Gruselheim«, riss ihn Cassandras Stimme aus den Gedanken. »Aber sei gewarnt, Julius. Der alte Tunichtgut wird dir das Passwort nicht ohne Weiteres geben. Donatus liebt es, wenn man etwas dringend von ihm braucht, weil er dann seine blöden Spiele und Wetten mit einem machen kann. Sollte er dich abweisen, was höchstwahrscheinlich der Fall sein wird, sagst du ihm einfach, Lady Cassandra schickt dich. Er wird dich anhören, versprochen. Er schuldet mir noch einen Gefallen. Sollte er betrunken oder wütend oder im schlimmsten Fall beides sein, dann gibst du ihm das hier.«

Sie nahm einen silbern glänzenden Gegenstand aus ihrer schwarzen Samthandtasche und drückte ihn Julius in die Hand. Es war ein Armreif, der wie eine Schlange aussah. Der Kopf der Schlange biss in den Schwanz und bildete so das Schmuckstück, welches sich kalt und schwer anfühlte.

»Es wird dir helfen, ihn … sagen wir mal … zu überzeugen.« Cassandra giggelte.

»Ein … Armreif?«, murmelte Julius skeptisch und wog den silbernen Reif in seinen Händen.

»Es ist nicht nur irgendein Armreif, Dummerchen. Es ist MEIN Armreif. Ein Viperius-Armreif, den ich einst einem Schreckritter abgenommen habe, und er ist nicht nur dazu da, meine Erscheinung noch attraktiver zu gestalten.«

Julius’ Mutter rollte genervt mit den Augen und Julius steckte den Armreif in seinen magisch aufgepimpten Hoodie, der Unmengen an Zeugs in den Taschen aufnehmen konnte.

Cassandra blinzelte vergnügt. »Wie gesagt, ist nicht nur ein unglaublich schickes Accessoire, sondern hilft auch bei sturen Ex-Schreckrittern und …«, plötzlich bekamen Cassandras Augen einen seltsamen matten Glanz, »… auch in Situationen, in denen du bereits alle Hoffnung aufgegeben hast.« Der Glanz in ihren Augen verschwand und sie blinzelte. Dann drehte sie sich lächelnd um und ihr schwarzes Kleid flatterte. »Donatus tickt ganz einfach. Erfülle seine Aufgabe und du bekommt das Passwort eingebrannt. Erst dann wird es … ääähm … freigeschaltet und du kannst es nutzen.« Sie schob den Ärmel ihres schwarzen Kleids hoch und legte eine tattooartige Narbe frei, die in fremdartiger Schrift gehalten war. »So, jetzt muss ich aber los. Ich erwarte meine Schuhbestellung vom Scary-Net und hab später noch ’n Hexer-Date. Tschüssi, kleiner Vampir samt Mami! Meldet euch, wenn ihr den Spiegel nicht mehr braucht. Und«, sie wurde nochmals ernst, »vergiss das Zauberwort nicht und pass auf dich auf. Es ist keine harmlose Ferienreise, auf die du dich da begibst, Julius!« Damit verpuffte sie in einer großen rosa Wolke, die sich bis auf den Parfümduft sogleich verflüchtigte.

Julius schaute Flap verblüfft an. »Was meinte sie damit: keine harmlose Ferienreise?«

Flap saß auf Julius’ Schulter, sog den Duft von Cassandras Parfümwolke auf und schmachtete in Julius’ Ohr. »Keine Ahnung, Bro – aber ich liebe sie!«

Ludmilla kam aus der Küchenzeile und legte die Hand auf seine Schulter. »Der Thalbion-Spiegel ist hier gut aufgehoben«, sagte sie aufmunternd. »Geh ruhig zum großen Lektor nach Gruselheim.«

Julius seufzte.

»Und das nur wegen dieser blöden Strafe vom alten Draco.«

Seine Mutter stupste ihn und meinte ernst: »Du bist nun ein Legator. Das ist eine schöne und edle Sache, Julius, auch wenn du es jetzt lächerlich und nervig findest. Erfülle deine Aufgabe. Wir wollen beide nicht, dass Lord Draco seine Drohung wahr macht, glaub mir. Es würde mein Herz zerspringen lassen.«

Eine Träne kullerte über Ludmillas Gesicht und Julius nahm sie in den Arm.

»Keine Sorge, Mama. Ich zieh das durch. Vielleicht wird es ja auch witzig und außerdem habe ich Flap dabei!«

Flap, der mit irrem Blick dem Pendel der Totenkopf-Wohnzimmeruhr folgte, reagierte nicht im Geringsten.

»Na, dann brauch ich mir wirklich keine Sorgen zu machen«, lächelte Ludmilla und drückte Julius an sich.

»Ist o. k., Mama. Mal sehen, was der Alte so draufhat. Komm, Flap, auf nach Gruselheim.« Julius wollte gerade die Gruft verlassen, als seine Mutter ihm hinterhereilte.

»Pass gut auf dich auf, mein Junge. Donatus mag ein alter schrulliger Kauz sein, aber unterschätze den Alten nicht. Er ist neben Lord Draco einer der Ältesten hier in Gruselheim und hat vor sehr langer Zeit als Schreckritter gekämpft.«

Julius hatte im Geschichtsunterricht bei Herrn Lutz von den Schreckrittern gehört. Gnadenlose Kampfmagier, die nicht nur im Umgang mit der Seelenklaue, einem gefürchteten Spezialschwert, versiert waren, sondern auch Meister des Rambot-Tsu waren und die Magie der dunklen Künste beherrschten. Auch heute wurden noch vereinzelt Schreckritter ausgebildet und obwohl es keine Kriege mehr zu kämpfen gab, setzte man sie unter anderem bei den Spezialeinheiten der Immernachter Polizei ein.

»Pass auf dich auf, mein Schatz! Ich liebe dich.« Sie küsste ihn auf den Kopf und ging wieder in die Gruft.

Julius blickte seiner Mutter hinterher und schlenderte los.

»Ich dich auch, Mom«, murmelte Julius leise. »Auf geht’s, Flap. Tun wir was für unsere Bildung, gehen in die öde Bibliothek, holen uns das Zauberpasswort samt dieser magischen Karte und dann machen wir einen Roadtrip!«

Die Schlotterbeck-Chroniken

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