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Das kosmopolitische Korinth: Prototyp der multireligiösen Weltstadt

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Um den Hintergrund des Briefes an die Korinther und somit Paulus’ Aussagen über die Liebe verstehen zu können, ist es nötig, uns die antike Hafen- und Weltstadt Korinth – den Lebensraum der Gemeinde – vor Augen zu führen. Zunächst muss betont werden, dass es sich um eine Stadt handelt, denn der Graben zwischen Stadt- und Landbevölkerung war damals weitaus tiefer als in unserer Zeit. In der Stadt sprach man die Universalsprache Griechisch, ausserhalb wäre man damit, angesichts der Vielzahl der lokalen Dialekte, kaum von allen verstanden worden; ähnlich kann es einem noch heute mit Englisch ergehen. Das Stadtleben beeinflusst einen Menschen auf vielfältige Weise: in seinem Konsumverhalten, in seiner kulturellen Bildung, in seinen Begegnungen mit Menschen |31| anderer Herkunft und anderer Prägung, in seiner Kenntnis von Neuigkeiten und Ereignissen.

Korinth gehörte damals zu den grossen und bedeutenden Städten des Mittelmeerraumes, die in wenigen Jahrzehnten eine regelrechte Bevölkerungsexplosion erlebt hatte. Der Handel und die Schifffahrt an der Schnittstelle von Orient und Okzident liessen sie reich werden. Der eine Hafen war nach Italien, der andere nach Asien ausgerichtet. Neben dem regen Hafenbetrieb gab es das Handwerk, für das Korinth ebenso berühmt war: Töpfereien, Keramikbetriebe, die Vasen und Tonziegel herstellten, Teppichwebereien und Metallbetriebe. Manch ein wandernder Handwerker schlug hier für eine Weile seine Werkstatt auf, so auch Paulus als Zeltmacher (Apostelgeschichte 18,3). Das Gespräch mit der Kundschaft war, wie man sich vorstellen kann, ein wichtiger Faktor bei der Verbreitung von Nachrichten, Ideen und religiösem Denken. Der private Lebensraum war für die meisten äusserst beengt; das Leben spielte sich darum hauptsächlich auf Plätzen und Strassen ab. «Ein fahrender Händler mit Kupferpfannen und Zauberamuletten, mit Horoskopen oder irgendeiner Offenbarung konnte sich darauf verlassen, dass sich die Nachricht von diesen Wunderdingen – war der anfängliche Kontakt erst einmal hergestellt – rasch herumsprechen würde» (Wayne A. Meeks, 64). Die wirtschaftliche Blüte gab der Stadt ein starkes internationales Flair. Hier trafen sich viele Sprachen, Gebräuche – und auch Religionen. Korinth war «ein Ort zahlreicher Kulte und Tempel, sozusagen ein Modellfall des antiken Synkretismus. Gottheiten und Kulte des alten Griechenland waren ebenso vertreten wie die ägyptischen Mysterienreligionen und die Institutionen des Kaiserkults» (Wolfgang Schrage, 1, 27). Auch eine jüdische Gemeinde war vertreten; man schätzt, |32| dass ihr Bevölkerungsanteil in Städten dieser Grösse bei zehn bis fünfzehn Prozent lag. Hier gab es nichts, was es nicht gab. «Dieses tolerante, multireligiöse Klima war einerseits für die Ausbreitung des Christentums günstig, brachte andererseits aber auch die Gefahr einer pluralistischen Einebnung mit sich» (Helmut Merklein, 1, 28).

Der Ruf der Stadt war – wie oft bei grossen Hafenstädten – denkbar schlecht. Im Gegensatz zum traditionsbewussten Athen sagte man den Korinthern Laxheit und Genusssucht nach. «Das ausschweifende und lasterhafte Leben dieser Hafengrossstadt war sprichwörtlich» (Wolfgang Schrage, 1, 29). Eine entsprechende Wortschöpfung dieser Zeit belegt das: Man sprach griechisch von korinthiazesthai, zu übersetzen etwa mit «herumkorinthern», wenn jemand ein sexuell ausschweifendes Leben führte. In der Tat war neben dem Handel und den alle zwei Jahre hier stattfindenden Isthmischen Spielen die Prostitution die Haupteinnahmequelle der Stadt.

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