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|16| II. Der lange Weg vom Rand in die Mitte: das Wort agapē
ОглавлениеWörter haben ihre Geschichte. Sie sind im Werden und sind irgendwann ein selbstverständlicher Begriff in der Alltagssprache. Martin Luther kannte noch keinen «Arbeitsmarkt», Hildegard von Bingen kein «Pensionsalter», Johann Sebastian Bach keine «Alzheimer-Krankheit». Ebenso können Wörter in einem langsamen Prozess vergehen, weil sie immer weniger gebraucht werden. Vom «Bader», dem Knecht in den mittelalterlichen Badestuben, spricht heute niemand mehr. Keiner kämpft mehr «ritterlich». Man zückt zwar noch den «Geldbeutel», weiss jedoch, dass dieser altertümliche Ausdruck längst nicht mehr zutreffend ist. Wörter kommen und gehen. Dass sie uns vertraut sind, heisst nicht, dass sie immer schon da waren.
So ist es mit dem Leitwort von 1. Korinther 13: Liebe. Paulus, der seine Briefe alle auf Griechisch, der damaligen Verkehrssprache des Mittelmeerraumes, schrieb, spricht von agapē; im griechischen Lebensalltag wurde es kaum verwendet, nur im Judentum war es zu einem wichtigen Begriff geworden. Es war (neben Johannes) vor allem Paulus, der es in seinen Briefen in die Mitte der Aufmerksamkeit holte, und so wurde agapē zum Schlüsselbegriff des Christentums. Der Weg dahin war allerdings lang.