Читать книгу Sie kommen heute aber spät! - Holger Schossig - Страница 12
Tag 4 – Der Politeur in der Fuzo
ОглавлениеNun, dann wollen wir mal wieder. Ich finde das Depot nach meinem ersten Tag und dem anschließenden Wochenende gleich wieder! Komme sogar ohne Probleme auf das Gelände. Sie lachen vielleicht, aber das ist gar nicht so einfach, denn am Eingang ist eine Schranke. Die ist immer zu. Außer jemand fährt mit dem Auto rein, dann ist sie natürlich offen. Wäre ja auch blöd, weil der Verschleiß an Schranken sonst viel zu hoch wäre. Ich fahre also mit meinem Auto auf das Gelände – durch die offene Schranke, weil gerade vor mir ebenfalls ein Wagen hineinfährt – und finde sogar einen Parkplatz. Den Weg zu meiner Box finde ich auch. Dann kann ja nix mehr schiefgehen.
Weil ich in die Halle will, quetsche ich mich, wie am Freitag gelernt, zwischen offener hinterer Autotür (die Tourbusse stehen immer über Nacht dort) und gummierter Wand durch und stehe vor einer verschlossenen Hallentür. Prima! Na dann setz ich mich eben ins Auto und warte. Oder soll ich mich wieder durch den Spalt nach draußen quetschen? Ich könnte aber auch einen Reifen wechseln …
Wie ich da so im Auto sitze und warte, bewegt sich eine Nebelbank auf mich beziehungsweise den Wagen zu. Zuerst denke ich, ich habe etwas mit den Augen, so einen Schleier davor oder was auch immer. Aber wenig später merke ich, dass das mein rauchender Chef mit noch jemandem im Schlepptau ist, der, respektive die, ebenfalls raucht. Die Frau stellt sich als seine Frau heraus, also meine Chefin, und sie heißt Sabine. Und noch einen Mitarbeiter haben die beiden dabei, einen Russen mit Namen Dimitri. Ingo und Sabine sind also die Unternehmer, die beim Logistikbetrieb als Selbstständige beschäftigt werden. Ich wiederum bin bei meinem Unternehmer angestellt. Ich bekomme 1200 Euro im Monat. Ingo, mein Chef, bekommt für eine Tour 3600 Euro, so hat er auch ein bisschen was an mir verdient. Ob er wirklich so viel bekommt, weiß ich nicht. Wenn ich mir aber ihn und die anderen Unternehmer so anschaue und sehe, was sie für Autos fahren, wie viel sie rauchen und so weiter, dann muss man die Summe wohl noch nach oben korrigieren.
Meine Tour ist nicht die einzige in Schwabach. Es sind insgesamt drei Touren, die von meinem Unternehmer abgedeckt werden. Eine soll in Zukunft ich alleine fahren, eine fährt Dimitri und eine entweder Sabine oder Ingo, je nachdem, wer gerade Lust hat. Heute scheint Sabine Lust zu haben, nachdem sie gestern keine hatte und ihre Tour von einem Kollegen gefahren wurde. Ich will dann noch wissen, was ich denn machen müsse, wenn ich mal keine Lust haben sollte. Eine Antwort bleibt man mir schuldig.
Heute, am zweiten Tag, kenne ich mich schon richtig gut aus in meinem Gebiet in Schwabach. Ja wirklich. Ich finde das McDonald’s problemlos und auch die Autobahnauffahrt. Sogar in die Fußgängerzone hätte ich ganz alleine gefunden. Apropos Fußgängerzone: Weil wir ja die Läden anfahren müssen, führt nichts daran vorbei, dass wir auch direkt in die Fuzo fahren. Da gibt es aber einige Besonderheiten, wie mir Ingo erklärt. Zum einen läuft hier immer ein besonders netter Mitarbeiter der Stadt herum und verteilt Strafzettel. Da wir eigentlich um 10 Uhr die Fußgängerzone wieder verlassen müssen, dies aber nicht immer möglich ist, trifft man immer wieder auf die männliche Politesse. – Wie heißt eigentlich eine männliche Politesse? Politesserich? Polyp? Politeur? Egal! – Um ihm aus dem Weg zu gehen und nicht diskutieren zu müssen, sollte man entweder bis 10 Uhr die Fuzo verlassen haben, oder wenn man ihn sieht, Vollgas geben.
Eine zweite Besonderheit ist einmal im Monat der Markt. Durch die gesamte Fußgängerzone schlängeln sich dann Verkaufsstände, die zumindest noch so viel Platz lassen, dass man mit dem großen Tourbus durchkommt. Meistens. Sagt mein Chef. Wenn’s mal zu eng werden sollte, dann muss man sich Platz schaffen. Wie er das denn dann mache, will ich wissen. „Aussteigen und das Zeug, das im Weg steht, zur Seite stellen. Und wenn jemand meckert, ignorieren.“ Na das kann ja heiter werden. Ich und jemanden, der mich blöd von der Seite anquatscht, ignorieren? Wenigstens rennt der Politeur nicht herum, wenn Markt ist. Ein Lichtblick.
Weitere Lichtblicke habe ich heute nicht mehr. Aber das wird schon.