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Wo Zusteller überall zustellen

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In der Regel sind die Häuser, in denen unsere Kunden wohnen, Ein- oder Mehrfamilienhäuser, die man über normale Fahrstraßen erreichen kann. In der Regel. Doch eben nicht immer. Hier eine kleine Sammlung von Orten, die für einen Zusteller auch nicht alltäglich sind.

Schwabach, A6, Rastplatz Kammersteiner Land. Der Rastplatz ist nur über die Autobahn anzufahren, liegt aber so, dass man nach dem Ausliefern der Pakete bis zur nächsten Ausfahrt nach Neuendettelsau fahren muss und danach wieder zurück nach Schwabach. Dies ist eine Fahrstrecke von rund 40 Kilometern – oftmals für nur ein Paket.

Michelfeld, Asamweg. Ein ehemaliges Kloster, das man erreicht, indem man durch zwei sehr enge Stadttore fahren muss, durch die das Auto geradeso durchpasst. An der Pforte arbeitet noch immer eine Schwester in Klostertracht, die mir bei einem Gespräch erzählt, dass sie die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs hier im Kloster miterlebt hat.

Auerbach, Nitzlbuch. Einige Häuser am Ende des Dorfes befinden sich hinter einem Schild mit folgender Aufschrift: Militärischer Sicherheitsbereich, Vorsicht: Schusswaffengebrauch.

Neuhaus an der Pegnitz, Burgstraße. Um zum Burgrestaurant zu kommen, muss man den Burgberg hochlaufen, durch das Burgtor und dann durch die Ruine gefühlte zehn Minuten bei einer Steigung von mindestens zwölf Prozent bis zum Gasthaus laufen, um dort seine Pakete abzugeben. Einfahrmöglichkeiten sind nicht vorhanden – zumindest nicht für Paketfahrer.

Plech, Freizeitpark. Die meisten Pakete, die für den Freizeitpark bestimmt sind, kann man im Büro neben dem Eingang oder direkt am Eingang abgeben. Wurden sie von Schaustellern bestellt, darf man auf Erkundungstour durch den Freizeitpark gehen.

Spies, Baustelle der Wasserwerke. Diese befindet sich nicht etwa im Ort, sondern im Wald. Dazu muss man ca. einen Kilometer einen Schotterweg entlangfahren, ehe man auf einer Lichtung ein Haus findet, in dem gearbeitet wird. Meistens. Ausgeschildert ist natürlich nichts.

Betzenstein, Campingplatz. Im Sommer ist meist jemand da, im Winter allerdings nicht. Wenn man Pakete loswerden möchte, irrt man bisweilen rufenderweise minutenlang über den Campingplatz.

Pottenstein, Kletterwald. Bei gutem Wetter ist hier Betrieb, bei schlechtem nicht. Doch Pakete richten sich nun mal nicht nach dem Wetter. Glücklicherweise liegt der Kletterwald am Waldrand, sodass ich nicht noch ewig durch den Wald fahren oder gar laufen muss.

Pottenstein, Burgstraße. Wenn der Freiherr, der noch immer die Burg bewohnt, ein Paket bekommt, dann wird einem das Burgtor durch einen Summer geöffnet – so modern ist man bereits. Danach muss ich dann ca. 100 Stufen nach oben zum Büro des Herrn von und zu steigen, denn entgegen kommt einem niemand.

Pottenstein, Teufelshöhle. Eine Attraktion in der Fränkischen Schweiz. Direkt daneben befindet sich eine Gaststätte, und die bekommt von Zeit zu Zeit eine Menge Pakete, um die Kunden wieder mit Kaffee zu versorgen. Diese Pakete kann ich nun entweder 115 Stufen nach oben wuchten, wobei ich meist acht bis zehn Pakete habe, also mindestens viermal laufen müsste, oder ich nehme den Wanderweg, den ich zumindest mit meiner Sackkarre entlanglaufen kann. So fällt das Geschleppe weg und eine schöne Wanderung von ca. fünf Minuten gibt es kostenlos dazu.

Hohenmirsberg, Steinbruch. Wie man sich Pakete in einen Steinbruch schicken lassen kann, ist und wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben. Wenn ich großes Glück habe, ist der Chef vor Ort, meist sind nur Laster da, die Steine hinaustransportieren. Natürlich liegt der Steinbruch mitten in der Pampa, Nachbarn gibt es also nicht.

Pottenstein, Rupprechtshöhe. Ein Kaff bestehend aus fünf Häusern, wobei das fünfte Haus etwa zwei Kilometer weit von den anderen entfernt steht und nur über einen Schotterweg zu erreichen ist.

Pottenstein, Pullendorf. Eine Ortschaft, die man erreicht, indem man einer schmalen Straße ca. drei Kilometer folgt, diese teilweise durch Wald führt und oft sehr steil den Berg hinunter. Unten ist dann der Ort mit seinen acht Häusern zu finden. Das Besondere: Hier ist Dead End. Eine Sackgasse, aus der es keinen anderen Weg hinaus gibt.

Langweilig wird es so auf jeden Fall nicht. Und in Einfamilien- oder Mehrfamilienhäusern, die über befestigte Straßen direkt erreichbar sind, kann ja wohl jeder zustellen.

Sie kommen heute aber spät!

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