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1.2Begriff und Wesen der Verwaltung

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6Die vollziehende Gewalt lässt sich, ausgehend von dem Grundsatz der Gewaltentrennung, negativ dahin bestimmen, dass sie die Tätigkeit des Staates umfasst, die weder Gesetzgebung noch Rechtsprechung ist. In dieser – wenig aussagekräftigen und deshalb nicht befriedigenden – Definition ist die Regierung enthalten, von der die Verwaltung (im engeren Sinne) abzugrenzen ist. Die eigentliche Regierungstätigkeit besteht insbesondere darin, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen die politischen Ziele des staatlichen Handelns sowie die Maßnahmen festzulegen, die dazu dienen, die allgemeinen Staatsziele zu verwirklichen, die auswärtigen Beziehungen zu pflegen und den Staat nach außen zu vertreten.

7Eine positive, umfassende Bestimmung des Begriffs „Verwaltung“ wurde bisher nicht gefunden. Vielmehr wird die Auffassung vertreten, dass sich die Verwaltung wegen ihrer vielfältigen Erscheinungsformen und der ihr obliegenden umfangreichen Aufgaben nicht definieren, sondern nur beschreiben lasse.3

8Die Verwaltung als eigenständige Form der Staatsgewalt hat innerhalb der von der Regierung gegebenen Richtlinien den staatlichen Willen praktisch zu verwirklichen. Zu diesem Zweck wird sie auf weiten Bereichen des Gemeinschaftslebens tätig. Sie versorgt die Bevölkerung mit Wasser und Energie, baut Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Museen usw. und schafft Einrichtungen, die der Entsorgung, insb. der Beseitigung von Abwässern und Abfällen, dienen. Darüber hinaus gewährt die Verwaltung Leistungen vielfältiger Art (z. B. Subventionen an bestimmte Wirtschaftszweige, Förderung der E-Mobilität, Sozialleistungen, Zuschüsse an die Rentenversicherungen, Wohnungsbau- und Sparprämien, Wohngeld), sorgt dafür, dass die öffentliche Sicherheit auf verschiedenen Gebieten aufrechterhalten wird, und plant in vielen Bereichen (z. B. Bauleitplanung, Straßenplanung, Energieplanung, Bildungsplanung), um den Anforderungen des Gemeinschaftslebens auch in Zukunft möglichst gerecht zu werden.

9Für die verschiedenen Bereiche der Verwaltung existieren, wie ein Blick in die Gesetzessammlungen zeigt, zahlreiche Gesetze und Verordnungen. Ihre Zahl hat in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Einige Zahlen mögen dies verdeutlichen: So umfasste das Bundesgesetzblatt I im Jahre 1960 genau 1091 Seiten. 1975 lag die Seitenzahl bereits bei 3186 Seiten um dann im Jahre 2006 auf ca. 4000 Seiten zu steigen.4 Es sind aber auch hier Schwankungen zu verzeichnen. So umfasst das Bundesgesetzblatt I 2018 „nur“ 2712 Seiten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass in jedem Jahr neue Rechtsvorschriften erlassen werden, ohne dass bisherige Vorschriften in nennenswertem Umfange gegenstandslos geworden wären. Der wesentliche Teil der Aufgaben der Verwaltung besteht deshalb heute darin, die von den gesetzgebenden Organen beschlossenen Gesetze sowie die Rechtsverordnungen der Regierungen und anderer Stellen zu vollziehen (vgl. auch Art. 1 III, 20 II GG: „vollziehende“ Gewalt). Verwaltung bedeutet aber nicht nur, durch Rechtsnormen festgelegte Aufgaben zu erfüllen; vollziehende Gewalt ist sie vielmehr auch dann, wenn sie von sich aus tätig wird, um Einfluss auf die Gestaltung des Gemeinschaftslebens zu nehmen.5

Beispiele:

a) Eine Kommune richtet einen Gewerbehof ein, um jungen Handwerkern eine Beschäftigungsmöglichkeit zu eröffnen. So soll ein Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit geleistet werden.

b) Die Gemeinde richtet in der gemeindeeigenen Bücherei Internetarbeitsplätze ein, die kostenlos genutzt werden können. So sollen neue Gruppen an ein modernes Kommunikationsmedium herangeführt werden.

c) Kommune versucht durch Gründung eigener Stadtwerke ihren Beitrag zur Regionalisierung des Energiemarktes zu leisten.

d) In erheblichem Umfange wandern Menschen aus anderen Ländern und Kontinenten nach Deutschland ein. Ein Faktor für diese Entwicklung sind die Krisenherde in der Welt (Wirtschaftsnöte, Kriegshandlungen, Folgen des Klimawandels). Diesen Menschen müssen Integrationsangebote unterbreitet werden, damit sie sich hier zurechtfinden und ein konfliktfreies Miteinander entstehen kann.

Aber auch bei Entscheidungen der Verwaltung, für die es keine bindenden gesetzlichen Regelungen gibt (insb. im kulturellen Bereich), kann sie nicht ganz frei gestalten; ihr Handeln ist durch Zuständigkeitsvorschriften, Bestimmungen des Haushaltsrechts und die Grundrechte begrenzt. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, auf den unter Tz. 3.1 näher eingegangen wird, bestimmt also das Verwaltungshandeln ganz wesentlich.

Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz

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