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3.2Rechtsquellen 3.2.1Arten

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36Das Verwaltungsrecht regelt die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden und das dabei entstehende Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung. Es ist Teil des öffentlichen Rechts. Das öffentliche Recht und das Verwaltungsrecht als Teilgebiet des öffentlichen Rechts besteht aus einer Mehrzahl verschiedenartiger Rechtsquellen50. Die fünf wichtigsten Arten sind Verfassungsrecht, Gesetze im formellen Sinne, Rechtsverordnungen, Satzungen und Gewohnheitsrecht. Bei den zunächst genannten vier Arten handelt es sich um geschriebene Rechtssätze (gesetztes Recht); Gewohnheitsrecht ist eine ungeschriebene Rechtsquelle.

37Verfassungen regeln die Grundlagen des staatlichen Zusammenlebens und heben sich von sonstigen formellen Gesetzen dadurch besonders ab, dass sie nur mit qualifizierter Mehrheit geändert werden können (Art. 79 GG). Vom Verfassungsbegriff werden neben dem Grundgesetz auch die Verfassungen der Bundesländer erfasst.

38Gesetz im formellen Sinne (formelles Gesetz) ist jeder in einem verfassungsmäßigen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommene Willensakt der Gesetzgebungsorgane ohne Rücksicht auf seinen Inhalt (sog. Parlamentsgesetze). Es ­besitzt den „Rang und [das] Prädikat einer demokratischem Mehrheitsentscheidung“51.

39Rechtsverordnungen sind Rechtsquellen, die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung (vgl. Art. 80 GG) erlassen worden sind. Soweit durch Bundesgesetz oder aufgrund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder auch zu einer Regelung durch Gesetz befugt (Art. 80 IV GG). Art. 80 I GG regelt die Zulässigkeit aber auch die Grenzen einer Rechtsetzung durch Verordnungen. Aus der Verordnungsermächtigung des Parlaments müssen sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung ergeben (Art. 80 I 2 GG). Damit scheidet eine Generalermächtigung aus. Die Landesverfassungen enthalten für den Landesbereich durchweg vergleichbare Regelungen (z. B. Art. 43 I 2 Nds. Verf).

Von formellen Gesetzen unterscheiden sich Rechtsverordnungen nur hinsichtlich des Normgebers, nicht dagegen durch die Bindungswirkung oder aber dem Inhalt. Im modernen Staat dient das Regelungsinstrument Rechtsverordnung der Entlastung des Gesetzgebers und ist unverzichtbar.52 Rechtsverordnungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie begründen keine echte Durchbrechung des Gewaltenteilungsprinzips, da sie nur aufgrund einer Ermächtigung durch ein formelles Gesetz erlassen werden dürfen. Während das Parlament die wesentlichen Entscheidungen selber zu treffen hat, obliegt der Exekutive die Regelung von Detailfragen im Rahmen des gesetzgeberischen Programms.53

Beispiele:

a) Nach § 63 LBauO Rheinland-Pfalz – Parlamentsgesetz – müssen die Bauherren für geplante Bauvorhaben aussagekräftige Bauvorlagen einreichen. In der Bauvorlagenverordnung ist detailliert geregelt, welche Bauvorlagen im Einzelnen vorzulegen sind. § 87 II LBauO ermächtigt das zuständige Ministerium eine Rechtsverordnung zu erlassen.

b) § 4 I BImSchG unterwirft bestimmte Anlagen der Genehmigungspflicht nach Maßgabe des BImSchG. Die Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) regelt nun sehr eingehend, welche Anlagen konkret einer Genehmigungspflicht unterliegen.

c) Eine sehr weitreichende – und in den praktischen Auswirkungen auch sehr folgenreiche – VO-Ermächtigung enthält das Straßenverkehrsrecht (§ 6 StVG). Bedeutende Rechtsverordnungen des Straßenverkehrsrechts sind: StVO, FeV, FZV, Bußgeldkatalog-Verordnung.

Gesetzesvertretende Verordnungen sind Verordnungen mit Gesetzeskraft. Solche Verordnungen („Notverordnungen“) dürfen z. B. nach Art. 44 I Nds. Verf. erlassen werden, um die öffentliche Sicherheit aufrecht zu erhalten oder einen Notstand zu beseitigen.

40Satzungen sind Rechtsquellen, die juristische Personen des öffentlichen Rechts (außer Bund und Länder), insbesondere kommunale Gebiets- und Personenkörperschaften54, Sparkassen, Hochschulen, Sozialversicherungsträger, zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten in einem dafür vorgeschriebenen förmlichen Verfahren erlassen. Eine Kommune ist an eine von ihr erlassene Satzung wie an ein Gesetz gebunden; sie darf deshalb eine Satzung, die sie wegen Verstoßes gegen eine höherrangige Rechtsnorm für unwirksam hält, bei einer Einzelfallentscheidung nicht außeracht lassen.55 Von Rechtsverordnungen unterscheiden sich Satzungen dadurch, dass sie aus einer vom Staat eingeräumten eigenen Rechtsetzungsgewalt der juristischen Person des öffentlichen Rechts hervorgehen, während Rechtsverordnungen auf delegierter staatlicher Rechtsetzungsgewalt beruhen. Für Satzungen gilt Art. 80 I 2 GG nicht. Die Satzungsautonomie ist aber nicht schrankenlos. So fordert der Gesetzesvorbehalt, dass der Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen, insbesondere die grundrechtsbeschränkenden Regelungen selber zu treffen hat.56

Beispiel:

§ 10 I NKomVG ermächtigt die Kommunen in Niedersachsen, durch Satzungen ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Wegen seiner abstrakten Formulierung vermag diese Satzungsermächtigung keine Eingriffe in grundrechtlich geschützte Sphären des Bürgers durch oder aufgrund von Satzungen zu rechtfertigen. Der Landesgesetzgeber hat daher spezielle Ermächtigungen für Satzungen mit Eingriffscharakter vorgesehen (vgl. § 13 NKomVG der Bestimmungen zum Anschluss- und Benutzungszwang enthält; §§ 1 f. NKAG, die die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von kommunalen Abgabensatzungen bilden).

41Gewohnheitsrecht entsteht durch regelmäßige und allgemeine lang dauernde Übung (objektives Merkmal). Zum anderen ist erforderlich, dass alle Beteiligten der Überzeugung sind, dass die angewandte Übung wirklich Recht ist (subjektives Merkmal). Schließlich muss sich eine bestimmte Norm herausgebildet haben; ein bestimmtes Brauchtum, eine Gewohnheit oder eine Verkehrssitte genügt nicht, die Materie muss vielmehr durch Gewohnheit gesetzesgleich geregelt worden sein, also als Rechtssatz formulierbar sein (formales Merkmal).

Gewohnheitsrecht kann sich auf allen Rechtsgebieten bilden und steht dabei den geschriebenen Rechtsquellen gleich. Der Umfang der gewohnheitsrechtlichen Regelungen sinkt aber zunehmend. Gewisse Bedeutung hat es heute aber noch im allgemeinen Verwaltungsrecht. So wird beispielsweise die Anstaltsgewalt in den Fällen, in denen eine geschriebene Rechtsquelle, z. B. eine als Satzung erlassene Benutzungsordnung, eine Ermächtigungsgrundlage nicht enthält, als Ermächtigungsgrundlage für Verwaltungsakte herangezogen, die gegenüber dem Benutzer einer Anstalt, z. B. einer Bücherei, getroffen werden, um den Anstaltszweck zu ermöglichen, zu verwirklichen oder ihn zumindest zu fördern.57

Weitere Beispiele: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit58 (sofern nicht eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dieses Grundsatzes erfolgt ist; vgl. z. B. § 4 NPOG); Rechtssatz, dass die spätere Norm die frühere verdrängt.59

42Erheblich größere praktische Bedeutung als das Gewohnheitsrecht hat heute das sog. Richterrecht (Entscheidungen der Gerichte, insb. der Obergerichte). Es greift ein, wenn keine Rechtsnormen vorhanden sind oder wenn sie ein Rechtsproblem nicht regeln. Umstritten ist, ob das Richterrecht über die Rechtsanwendung im Einzelfall hinaus in den Fällen, in denen dies nicht gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (§§ 31 II BVerfGG, § 47 V 2 VwGO), allgemein verbindliche Rechtsetzung und damit Rechtsquelle sein kann.

Weder die Gerichte selbst noch Behörden oder Bürger sind an die von der Rechtsprechung entwickelten, häufig rechtssatzmäßig formulierten Grundsätze („Leitsätze“) wie nach Art. 20 III GG an Gesetze und sonstige Rechtsquellen gebunden. Dadurch, dass sich Gerichte, Behörden und Bürger an einschlägigen Entscheidungen insb. der obersten Gerichte (höchstrichterliche Rechtsprechung) orientieren, erlangen diese Entscheidungen aber einen den Rechtsquellen ähnlichen Charakter, wirken also faktisch wie ein Gesetz. Die praktische Bedeutung der richterlichen Rechtsfortbildung darf also nicht unterschätzt werden.

Beispiel:

Der Gewerbegriff spielt im Gewerberecht eine zentrale Rolle (vgl. nur §§ 1, 15 II, 33i, 35 GewO). Der Gesetzgeber hat es aber, im Hinblick auf die dynamische Entwicklung des Gewerbesektors, unterlassen, eine Legaldefinition zu verfassen. Es ist ausdrücklich den Gerichten vorbehalten, diesen unbestimmten Rechtsbegriff auszulegen. Nach gefestigter Rspr. ist Gewerbe jede erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete, selbstständige, dauerhaft ausgeübte Tätigkeit, die nicht Urproduktion, freier Beruf oder Verwaltung eigenen Vermögens ist.60

Richterrecht kann aber nur gesetzeskonkretisierend und gesetzesergänzend, nicht dagegen gesetzeskorrigierend sein.61 In weiten Teilen auf richterliche Rechtsfortbildung des BAG beruhen die Regelungen des Arbeitskampfrechts in Deutschland.62 In bestimmten Fällen sind Gerichtsentscheidungen zur Fortbildung des Rechts – im Sinne einer Weiterbildung durch Rechtsergänzung – ausdrücklich vorgesehen (§§ 11 IV, 12 I VwGO, 132 IV GVG).63

43Keine von den oben beschriebenen Arten zu unterscheidende Rechtsquelle ist das Gesetz im materiellen Sinne („materielles Gesetz“). Gesetze im materiellen Sinne sind alle abstrakt-generellen Regelungen, die Verpflichtungen oder Berechtigungen begründen oder sonst unmittelbar oder mittelbar beeinflussen. Die meisten der vorstehend aufgeführten Rechtsquellen sind daher Gesetze im materiellen Sinne.

Beispiele:

a) Das vom Bundestag beschlossene BImSchG, das Ansprüche oder Verpflichtungen von Betreibern bestimmter Anlagen und der zuständigen Behörden begründet, ist nicht nur ein formelles sondern zugleich auch ein materielles Gesetz.

b) § 46 I 1 FeV ist, obgleich er weitgehend mit § 3 I 1 StVG übereinstimmt, nur ein materielles Gesetz, denn es handelt sich bei der FeV formell nur um eine Rechtsverordnung.64

Die meisten formellen Gesetze sind auch materielle Gesetze. Das Haushaltsgesetz z. B. eines Landes ist dagegen, soweit es den Haushaltsplan feststellt, Gesetz im formellen Sinne, denn dadurch werden Ansprüche und Verbindlichkeiten Dritter weder begründet noch aufgehoben.65 Gesetze im nur materiellen Sinne sind z. B. Rechtsverordnungen und Satzungen. Auch das Gewohnheitsrecht ist Gesetz im materiellen Sinne.


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