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3.2.2Exkurs: Rechtsquellen der Europäischen Union
Оглавление43aNeben dem nationalen Recht spielt das Europäische Recht eine zunehmend wichtigere Rolle. Dabei ist das Recht der Europäischen Union nicht nur auf Randbereiche staatlichen Handelns beschränkt. Es beeinflusst in zunehmendem Maße das Handeln der nationalen Behörden. Zudem wird der Gesetzgeber angehalten, Vorgaben der Union in nationales Recht umzusetzen. Anschaulich ist dies bei der EU-Dienstleistungsrichtlinie zu sehen. Die Vorgaben dieser Richtlinie haben dazu geführt, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz an zentralen Stellen eine grundlegende Revision erfahren hat.66 Bei den Quellen des EU-Rechts wird unterschieden zwischen dem sog. Primär- und Sekundärrecht.67 Das sog. Primärrecht besteht aus den Gründungsverträgen von 1951 und 1956 sowie deren Weiterentwicklung durch eine Reihe weiterer Verträge. Von besonderer Bedeutung sind heute der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der Fassung des Lissaboner Vertrages vom 13.12.2007.68 Auch die Charta der Grundrechte der EU (EU-Grundrechtscharta) wird dem Primärrecht zugerechnet. Zum sekundären Unionsrecht zählen die Rechtsakte, die von den Organen der EU aufgrund des primären Unionsrechts erlassen worden sind. Die unterschiedlichen Typen dieser Rechtsakte sind in Art. 288 AEUV aufgeführt.
43bDas sekundäre Unionsrecht69 unterscheidet folgende Rechtsakte:
– Verordnungen (Art. 288 II AEUV)
Sie entfaltet unmittelbare Wirkungen in allen Mitgliedsstaaten und ist daher für Bürger, Behörden und Gerichte verbindlich. Sie stellt im nationalen Rahmen ein Gesetz im materiellen Sinne dar.
– Richtlinien (Art. 288 III AEUV)
Adressat der Richtlinie können einzelne oder aber alle Mitgliedsstatten der EU sein. Diese sind verpflichtet, die in der Richtlinie vorgegebenen Ziele innerhalb der vorgegebenen Zeit in innerstaatliches Recht umzusetzen.
Beispiel:
Richtlinie 85/337 über die Umweltverträglichkeitsprüfung; diese wurde durch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung umgesetzt.
Wird die Richtlinie nicht, nicht fristgerecht oder aber unvollständig umgesetzt, kann dies zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen. Die Europäische Kommission oder aber andere Mitgliedsstaaten können ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren70 einleiten. U. U. kann ein negativ betroffener Bürger einen Staatshaftungsanspruch gegenüber der Bundesrepublik als säumigen Staat geltend machen. Zwar richtet sich die Richtlinie primär nur an die Mitgliedsstaaten, unter bestimmten, engen Voraussetzungen kann eine nicht in nationales Recht umgesetzte Richtlinie auch unmittelbare Rechtswirkungen entfalten. So kann sich der Einzelne gegenüber dem durch die Richtlinie verpflichteten Staat auf die Einhaltung deren Bestimmungen berufen,
a) wenn die Richtlinie, trotz Fristablauf, nicht oder aber nur unvollständig in nationales Recht umgesetzt wurde und
b) der Inhalt der Richtlinie unbedingt und hinreichend klar bestimmt ist.71
– Beschlüsse (Art. 288 IV AEUV)
Sie richten sich nur an bestimmte Adressaten und sind für diese verbindlich. Bei den Adressaten kann es sich um Einzelpersonen oder aber Mitgliedsstaaten handeln.
– Empfehlungen und Stellungnahmen (Art. 288 V, 292 AEUV)
Sie entfalten den Charakter einer offiziellen Verlautbarung. Ihnen kommt zwar keine rechtliche Verbindlichkeit zu, gleichwohl darf die politische Wirkung nicht unterschätzt werden.
Dann gibt es noch sog. Durchführungsakte (Art. 291 AEVU). Sie enthalten nähere Bestimmungen zur Durchführung verbindlicher Rechtsakte aufgrund besonderer Ermächtigungen. Sie werden dem sog. tertiären Unionsrecht zugerechnet.72