Читать книгу Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz - Holger Weidemann - Страница 23
3.2.3Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht – Abgrenzung73
Оглавление44Das Verwaltungsrecht regelt einen Teilbereich des öffentlichen Rechts. Dem allgemeinen Verwaltungsrecht werden dabei diejenigen Regelungen zugeordnet, die grundsätzlich für alle Bereiche des Verwaltungsrechts gelten. Verfügungen, Entscheidungen oder andere hoheitliche Maßnahmen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf die unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, kommen sowohl im Abfallrecht, Beamtenrecht, Gewerberecht, Kommunalverfassungsrecht, Umweltrecht und Zwangsvollstreckungsrecht vor. Im Interesse einer Entlastung der Fachgesetzgebung und zur Herausbildung einheitlicher Begrifflichkeiten ist daher im Verwaltungsverfahrensgesetz der Begriff des Verwaltungsakts – als zentrale Handlungsform der Verwaltung – einheitlich definiert worden (§ 35 Satz 1 VwVfG). Die Entlastungsfunktion und die Vereinheitlichung von Verfahrensabläufen sind starke Motoren für die Kodifizierung des allgemeinen Verwaltungsrechts gewesen. So finden sich im allgemeinen Verwaltungsrecht74 Aussagen über die Handlungsformen der Verwaltung (siehe auch Verwaltungsvertrag in § 54 ff. VwVfG), über die für eine Entscheidung zu beachtenden Verfahrens- und Formvorgaben, Vorgaben über bestimmte Verfahrensarten (z. B. Planfeststellungsverfahren in §§ 72 ff. VwVfG), die (Verwaltungs-) Kontrolle (Widerspruchsverfahren in §§ 79 f. VwVfG) und den Vollzug von Verwaltungsentscheidungen (Zwangsmitteleinsatz).
Traditionell zählen zum Bereich des allgemeinen Verwaltungsrechts die nachfolgend genannten drei Bundesgesetze. Zunächst zu nennen ist das Verwaltungsverfahrensgesetz. Weitere Verfahrensregelungen enthalten die Verwaltungsvollstreckungsgesetze und das Verwaltungszustellungsgesetz. Da nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes in der Regel die Bundesländer für den Vollzug der (Bundes- und Landes-) Gesetze zuständig sind (siehe RdNr. 44 ff.), haben diese eigene verfahrensrechtliche Vorschriften erlassen.75 Dabei gibt es eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den bundesrechtlichen und landesrechtlichen Regelungen.
Gesellschaftliche Veränderungen und die damit verbundenen neuen Anforderungen an die Erbringung von Verwaltungsleistungen sowie die dynamische technische Entwicklung begründen zusätzliche Regelungsbedarfe. Gerade die neuen technischen Möglichkeiten fordern rechtliche Rahmungen. Der Gesetzgeber hat nun mit unterschiedlichen Gesetzen diesem Regelungsbedürfnis Rechnung getragen. Zu nennen sind beispielsweise das E-Government-Gesetz (siehe dazu Rdnr. 81a ff); das De-Mail-Gesetz (siehe dazu Rdnr. 81d) und das Onlinezugangsgesetz (siehe dazu Rdnr. 81e). Es handelt sich um Rechtsvorschriften, die allgemeine Vorgaben zur Abwicklung von Verwaltungsverfahren enthalten. Zu nennen sind beispielsweise
– der Elektronische Zugang zur Verwaltung (§ 2 E-Government-Gesetz)
– die Elektronische Aktenführung und die Akteneinsicht (§§ 6 ff. E-Government-Gesetz)
– die DE-Mail-Dienste (§§ 1 ff. De-Mail-Gesetz); sowie die Verzahnung mit dem VwVfG (§ 3a II 4) sowie mit dem VwZG (§§ 5, 5a)
– der Portalverbund für digitale Verwaltungsleistungen (§ 1 Onlinezugangsgesetz)
Damit können auch diese Gesetze dem allgemeinen Verwaltungsrecht zugeordnet werden.
Es liegt jedoch keine vollständige Kodifikation des allgemeinen Verwaltungsrechts vor. So fehlt es beispielsweise an allgemeinen Bestimmungen über sog. Realakte der Verwaltung, den Erlass von Verwaltungsvorschriften und über die Rechtsnachfolge im öffentlichen Recht.
Wohl auch zum allgemeinen Verwaltungsrecht wird man die Informationsfreiheitsgesetzes, die vom Bund und den meisten Bundesländern erlassen worden sind76, zählen dürfen. Sie vermitteln einen umfassenden Informationsanspruch, der sich – im Rahmen des Geltungsbereichs des jeweiligen Gesetzes – auf alle Verwaltungsbereiche erstreckt. Es handelt sich, anders als bei § 29 VwVfG, gerade nicht um einen verfahrensbezogenen Informationsanspruch.
Das besondere Verwaltungsrecht umfasst das Recht der einzelnen Tätigkeitsbereiche der Verwaltung. Es enthält das Fachrecht zur inhaltlichen Bewältigung der anstehenden Aufgaben und Probleme. Zu nennen sind beispielsweise das Schulrecht, das Recht der Gefahrenabwehr, das Infrastrukturrecht, das Waffenrecht, das Hochschulrecht (siehe ferner Rdnr. 44a). Die Regelungsdichte in den einzelnen Bereichen ist unterschiedlich. Ist etwa im Bereich des Immissionsschutzes eine tief gestaffelte Normstruktur zu erkennen, so kann dies für das Gewerberecht so nicht gesagt werden. Obgleich auch hier eine große Zahl von Vorschriften vorhanden ist, können doch weite Bereiche der Gewerbeausübung ohne jede behördliche Zulassung aufgenommen und ausgeübt werden. Grundlegendes Bauprinzip des verwaltungsrechtlichen Systems ist die Wechselbeziehung von allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht.77 So gewinnt das allgemeine Verwaltungsrecht aus dem Vollzug des besonderen Verwaltungsrechts die Materialien, aus denen sich nach Abstreifung des Besonderen das Allgemeine herausschälen lässt. Dagegen erhält das besondere Verwaltungsrecht durch die Vorgaben des allgemeinen Verwaltungsrechts eine gewisse Stabilität und durchgehende Strukturen. So lässt sich auch vermeiden, dass einzelnen Bereiche des besonderen Verwaltungsrechts in eine „Exotenecke“ abdriften.
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