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3.4Rangordnung der Rechtsquellen

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49Bei der Rechtsanwendung können sich aus unterschiedlichen Gründen heraus Probleme ergeben. So kann mitunter bei der Normenflut zweifelhaft sein, welche von mehreren konkret in Betracht kommenden Regelungen tatsächlich heranzuziehen ist. Auch ist nicht auszuschließen, dass in unterschiedlichen Rechtsquellen einander widersprechende Bestimmungen vorhanden sind. Es haben sich nun verschiedene (verbindliche) Grundsätze herausgebildet, um diese Konflikte zu lösen.

50So bestimmt der Anwendungsvorrang, dass grundsätzlich die rangniedrigste Vorschrift heranzuziehen ist, wenn die streitige Frage in Rechtsquellen unterschiedlicher Rangstufe (RdNr. 53) widerspruchsfrei geregelt ist.83

Beispiele:

Das Kommunalverfassungsrecht bestimmt, dass Mitglieder der Vertretungskörperschaft gewählt werden. In Niedersachsen eröffnet § 7 NKWG (= Parlamentsgesetz) unter bestimmten Voraussetzungen die Einrichtung von Wahlbereichen. Bei der Abgrenzung von Wahlbereichen sind auch die örtlichen Verhältnisse zu beachten. Die maßgebliche Rechtsverordnung (§§ 3 ff. NKWO) enthält nun detaillierte Vorgaben für die Wahlbereichseinteilung. Die NKWO ist nun vorrangig vor den NKWG anzuwenden.84

51Treffen dagegen Normen mit (inhaltlich) widersprechenden Regelungen aufeinander, so muss geklärt werden, welche Norm vorrangig ist (sog. Geltungsvorrang). Nachfolgende Kollisionsregelungen helfen, die Konflikte zu lösen:

– Bundesrecht bricht Landesrecht (Art. 31 GG). Dabei ist es unerheblich, um welche Art der Rechtsquelle es sich handelt. Damit geht beispielsweise eine Bundesrechtsverordnung einer abweichenden Bestimmung eines formellen Landesgesetzes oder gar einer Landesverfassung vor.

– Die ranghöhere Norm derselben juristischen Person des öffentlichen Rechts geht der rangniedrigeren Norm vor. Die widersprechende rangniedrigere Norm ist nichtig.

– Bei widersprechenden Normen gleicher Rangstufe verdrängt die später erlassene Norm die ältere Vorschrift.85

– Eine besondere Funktion kommt dem Spezialitätsgrundsatz zu. Die spezielle Regelung verdrängt das allgemeine Gesetz.

Beispiele:

a) Ein ehemaliger Polizist ist gewerbsmäßig als Grundstücksmakler tätig. Er beschäftigt in seinem Betrieb zwei Mitarbeiter. Es fehlt für diesen Betrieb aber die nach § 34c GewO erforderliche Erlaubnis. Um diesen ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen, kann die zuständige Behörde nach § 15 II 1 GewO die Schließung der Einrichtung anordnen. Damit werden (mögliche) Eingriffsnormen des allgemeinen Ordnungsrechts verdrängt.

b) Die Überprüfung eines genehmigten Bewachungsgewerbes (§ 34a GewO) ergab, dass der Gewerbetreibende eine unzuverlässige Person mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben beauftragt hat. Die zuständige Behörde kann die Beschäftigung dieser unzuverlässigen Person untersagen (§ 34a IV GewO).

51aDie Einordnung einer Rechtsquelle in das System der Rangordnung hat auch prozessuale Auswirkungen. So kann nach § 137 I Nr. 1 VwGO die Revision regelmäßig nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht.86 Dagegen ist ein sog. abstraktes Normenkontrollverfahren – neben bestimmten Satzungen (vgl. § 47 I 1 Nr. 1 VwGO) nur bei Rechtsvorschriften zulässig, die unter dem Rang eines Landesgesetzes stehen und wenn dies das Landesrecht vorsieht (§ 47 I 1 Nr. 2 VwGO87).

Eine gewisse Relativierung erfahren die vorstehenden Kollisionsregelungen durch Art. 72 III und Art. 80 IV GG. So berechtigt das Grundgesetz im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder, in ausgewählten Rechtsbereichen Regelungen zu erlassen, die vom Bundesrecht abweichen. Soweit durch Bundesgesetz oder aufgrund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder auch zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

Ändert der Gesetzgeber eine Rechtsverordnung durch ein Parlamentsgesetz, so erlangt die geänderte Rechtsverordnung keinen Gesetzesrang.88

52Eine zunehmend gewichtigere Funktion kommt dem Recht der EU zu. Von besonderer Bedeutung ist die Frage, in welchem Verhältnis das Recht der europäischen Union zum nationalen Recht steht. Die Grundregel für das Rangverhältnis wurde bereits 1964 vom EuGH entwickelt. Danach genießt das Unionsrecht Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht.89 Das Gemeinschaftsrecht entfaltet damit gegenüber dem nationalen Recht rangunabhängig eine Sperrwirkung. Soweit deutsches Recht unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht ist, kommt es im Einzelfall nicht zur Anwendung. Diese Kollision begründet aber keine Nichtigkeit des nationalen Rechts.90

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