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3.8Informationsrechte der Bürger

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71aDie Frage nach der Transparenz des Verwaltungshandelns berührt die Grundpfeiler der Demokratie. Der mündige Bürger benötigt Informationen, um sich in (verwaltungs-) politische Entscheidungsprozesse einbringen oder aber die eigene Rechtsposition einschätzen zu können. Grundsätzlich bedarf der Informationsanspruch einer gesetzlichen Grundlage.124 Fehlt es an einer gesetzlichen Regelung zum Informationszugang, steht die Informationsgewährung im Ermessen der Behörde. Der Einzelne wird regelmäßig einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung haben, wenn er ein berechtigtes Interesse nachweisen kann.125

Traditionell gab es in Deutschland eher einen begrenzten Informations- und Akteneinsichtsanspruch gegenüber öffentlichen Stellen. Sichtbarer Ausdruck dieses Ansatzes ist § 29, der u. a. ein konkretes Verwaltungsverfahren voraussetzt. Vorgaben der EU einerseits126 und ein Wandel der politischen Einstellungen andererseits haben beim Zugang zu Informationen des öffentlichen Sektors einen Paradigmenwechsel eingeleitet.127 An die Stelle des Modells der begrenzten Aktenöffentlichkeit ist ein allgemeiner Informationsanspruch getreten.


71bIm Zentrum des verfahrensbezogenen Informationsanspruches steht § 29. Hiernach hat der Beteiligte das Recht auf Einsicht in die das Verfahren beteiligten Akten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung seiner rechtlichen Interessen erforderlich ist (§ 29 I 1). Erforderlich ist regelmäßig ein laufendes Verwaltungsverfahren.128 Begrenzt wird dieser Anspruch durch § 29 II. So ist die Behörde nicht zur Gewährung von Akteneinsicht verpflichtet, wenn die Gewährung die ordnungsgemäße Erfüllung der Verwaltungsaufgaben beeinträchtigt oder aber bestimmte Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. An welchem Ort die Akteneinsicht erfolgt, regelt § 29 III.

Daneben sind besonders geregelte Einsichtsrechte zu beachten. So begründen die Beamtengesetze einen Anspruch auf Akteneinsicht (z. B. § 110, BBG; § 91 NBG). Das Datenschutzrecht enthält für Betroffene ebenfalls einen eigenen Auskunftsanspruch (vgl. Art. 15 DSGV; § 51 NDSG).

71cMit dem Umweltinformationsgesetz, den Informationsfreiheitsgesetz(en) und dem Verbraucherinformationsgesetz sind Rechtsgrundlagen geschaffen worden, die den Rechtsanspruch des Bürgers auf Informationen von der individuellen Betroffenheit gelöst haben.129 Erforderlich ist aber, dass der jeweilige Anwendungsbereich der Informationsgesetze betroffen ist.

Beispiel:

Ein eingetragener Tierschutzverein verlangte von der zuständigen Behörde Informationen über die Ahndung zu Verstößen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen bei Transporten von Puten zu einer Geflügelschlachterei. Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, dass weder das Verbraucherinformationsgesetz noch das Umweltinformationsgesetz tierschutzrechtliche Belange erfasst.130

71dZweck des Umweltinformationsgesetzes (UIG131) ist es, den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen bei informationspflichtigen Stellen sowie für die Verbreitung dieser Umweltinformationen zu schaffen (§ 1 UIG). Nach § 3 I UIG hat jeder einen Anspruch auf Zugang zu Informationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. Wer zu diesen informationspflichtigen Stellen gehört, bestimmt § 2 I UIG. Nicht erforderlich ist, dass der informationsbegehrende Bürger ein besonderes rechtliches oder sonstiges Interesse geltend macht. Die Behörde muss regelmäßig dem Wunsch des Antragstellers über die Art des Zuganges entsprechen (§ 3 II UIG). Grenzen des Informationsanspruchs ergeben sich aus § 8 (Schutz öffentlicher Belange) und § 9 UIG (Schutz sonstiger Belange). Zu Umweltinformationen zählen z. B. Informationen über Strahlungen, Lärm, über den Zustand von Luft, Wasser, Böden aber auch Maßnahmen, die sich auf die Umwelt auswirken können.

71eWeiter reichen die Informationsansprüche des Einzelnen nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes (IFG132) und einzelner Bundesländer. Nach § 1 IFG hat jedermann gegenüber den Bundesbehörden einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Dieser Anspruch ist, anders als beim UIG, thematisch nicht begrenzt. Die Behörde kann zu diesem Zweck Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen (§ 1 II 1 IFG). Informationen im Sinne dieses Gesetzes sind amtliche Informationen; d. h. jede, amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art der Speicherung. Vom Informationsbegriff nicht erfasst werden dagegen Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen (§ 2 Nr. 1 IFG). Begrenzt wird der Informationsanspruch durch die §§ 3 bis 6 IFG. Zu beachten ist aber, dass es sich hier um Ausnahmen handelt und die Informationsgewährung der gesetzliche Regelfall ist. Gegenüber Landesbehörden besteht ein entsprechender Informationsanspruch nur, wenn und soweit ihn der Landesgesetzgeber eröffnet hat.133

Beispiel:

Auf der Basis des IFG gab es für das Bundeskanzleramt die Verpflichtung, dem Antragsteller Zugang zu der Gästeliste für eine im Kanzleramt ausgerichteten Feier zu verschaffen.134

71fDas Verbraucherinformationsgesetz (VIG) eröffnet dem Bürger im Lebensmittelbereich einen Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten.135

71gWird der Informationsanspruch verweigert, so ist der Rechtsschutz unterschiedlich ausgestaltet. Zwar stellt die Verweigerung der Akteneinsicht in einem laufenden Verfahren nach allgemeiner Ansicht einen Verwaltungsakt136 dar, gleichwohl ist ein eigenständiges Rechtsschutzverfahren im Hinblick auf § 44a VwGO nicht geboten. Anders sieht die Situation mit Blick auf das UIG und IFG aus. Hier handelt es sich um eigenständige Verwaltungsverfahren. Im Versagungsfall kann der Antragsteller unmittelbar Rechtsschutz begehren (vgl. auch § 9 IV IFG; § 6 UIG). In Betracht kommen Verpflichtungswiderspruch (§§ 68 ff. VwGO) und ggfs. die Verpflichtungsklage (§ 42 I VwGO).

71hDie Informationsrechte der Bürger erfassen weite Bereiche des Verwaltungshandelns. Es fehlt aber bisher an einem geschlossenen, von Systembrüchen freies Normensystem. Neben an konkrete Verfahren gekoppelte stehen voraussetzungsfreie Informationsansprüche. Zudem überschneiden sich die einzelnen Ansprüche, sodass Rechtskonkurrenzen entstehen. Im Bund-Länder-Verhältnis ist regelmäßig von Bedeutung, welche Behörde die gewünschte Information bereitstellen soll. Auf der Bundesebene normiert § 1 III IFG den grundsätzlichen Vorrang der in anderen Rechtsvorschriften137 getroffenen Bestimmungen über den Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber dem IFG. Etwas anderes gilt aber für Beteiligte im laufenden Verfahren im Hinblick auf § 29; d. h. das IFG bleibt in diesen Konstellationen anwendbar. Problematisch ist, dass das Recht auf Akteneinsicht in einem laufenden Verfahren nach § 29 höhere Hürden aufweist als nach dem UIG, IFG und VIG. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, für die notwendige Harmonisierung zu sorgen.

71iZudem gibt es, verteilt über verschiedene Gesetze, primär dem privaten Rechtsverkehr dienende, bereichsspezifische Auskunftsansprüche gegenüber öffentlichen Stelle: § 79 BGB für das Vereinsregister; § 1563 BGB für das Güterstandsregister; § 9 HGB; § 12 GBO (sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt).

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