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3.9Digitalisierung der Verwaltung 3.9.1Allgemeine Rechtsentwicklung der Verwaltungsdigitalisierung

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72In der Vergangenheit war die öffentliche Verwaltung vorwiegend am Informationsträger Papier orientiert. Papier als dominierendes Medium prägte die Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung aber auch die Dokumentation der Informationen in der eigenen Verwaltung. Diese Feststellung schließt aber nicht aus, dass auch schon bisher Entwicklungen der Informationstechnologien Auswirkungen auf das Verwaltungsverfahren hatten. So konnten und können die Bürger auf unterschiedliche Kommunikationsmedien zurückgreifen. Zu nennen sind hier beispielsweise das Telegramm, das Fernschreiben, das Telefon und das FAX. Ein zunehmend dominierendes Gewicht erfährt heute die elektronische Kommunikation. Zu Recht wird in der Wandlung von der Papierverwaltung zur elektronischen Verwaltung von einem Kulturumbruch gesprochen.138

Stand bei der elektronischen Kommunikation noch der Dialog im Vordergrund, so begründet die Digitalisierung eine deutliche Weiterung elektronischer Prozesse. Die Digitalisierung wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Sie betrifft die Wirtschaft, die Gesellschaft und den Staat sowie die Kommunen. Dabei geht es nicht nur um die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, sondern auch um den vielschichtigen Bereich der Kommunikation. Neben der privaten Kommunikation werden in verstärktem Maße auch die geschäftliche ([zwei] Stichworte: Online-Banking; E-Rechnung) Kommunikation und die kommunikativen Beziehungen zu öffentlichen Stellen erfasst. Eine zunehmende Bedeutung erfährt die digitale Kommunikation zudem in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, der politischen Meinungsbildung und bei Wahlen.

Die Digitalisierung stellt die Verwaltung aber vor besondere Herausforderungen. Zunächst sind bestimmte Sicherheitsstandards zu beachten. Bürger und Verwaltung müssen sich bei der elektronischen Kommunikation (z. B. bei Antragsverfahren) darauf verlassen können, dass es keine Unsicherheiten über den Adressaten der Information gibt, dass gewährleistet wird, dass die Nachricht nicht durch Dritte verfälscht wird und es einen Schutz vor unbefugter Einsichtnahme gibt. Zudem hat es die öffentliche Verwaltung mit keiner homogenen Bürgerschaft zu tun. Neben digitalisierungs-affinen Bürgern gibt es – aus unterschiedlichen Gründen heraus – immer noch eine bestimmte Zahl von Bürgern, die den neuen Medien gegenüber nicht aufgeschlossen sind; geschweige über die erforderlichen technischen Voraussetzungen verfügen. Aber auch rechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung und den Abschluss von Verwaltungsprozessen begründen Hemmnisse für ein umfassendes digitales Angebot von Verwaltungsleistungen. An erster Stelle sind dabei die Vielzahl von rechtlich geforderten Schriftformerfordernissen des Bundes- und Landesrechts zu sehen. Der Versuch der elektronischen Signatur nach Maßgabe des Signaturgesetzes muss als gescheitert angesehen werden, da dieses Verfahren weder bei den Bürgern, den Unternehmen noch den (öffentlichen) Verwaltungen eine hinreichende Akzeptanz erfahren hat.139

Eine medienbruchfreie Verwaltung fordert, dass auch die eigenen Prozesse digital abgebildet werden. Elektronische Verwaltungsdienste können einen bedeutenden Beitrag zur Verwaltungsmodernisierung und zum Bürokratieabbau sowie zur Schonung der natürlichen Ressourcen leisten.140 Dabei geht es nicht nur um die Anlegung der digitalen Akte. Aber bereits dieses Erfordernis stellt einzelne Verwaltungen vor große Herausforderungen. Erforderlich ist vielmehr, dass vor einer Digitalisierung die Prozesse analysiert und gegebenenfalls neu strukturiert werden und nicht lediglich die Papierwelt elektronisch abgebildet wird.

Neben den technischen Möglichkeiten, die sich ständig weiterentwickeln und auch verändern werden, ist zu berücksichtigen, dass weite Bereiche der Bevölkerung erwarten, dass sie bei der Abwicklung von Verwaltungsverfahren medienbruchfrei mit der Verwaltung kommunizieren können. Ähnlich verhält es sich mit den Unternehmen. In einer global agierenden Wirtschaft darf die Verwaltung nicht zum Hemmschuh werden. Damit gibt es einen deutlichen gesellschaftlichen Druck, Verwaltungsmodernisierung voranzutreiben.

Gefordert sind damit die Gesetzgeber (Bund und Land), die rechtlichen Rahmenvorgaben zu setzen, damit einerseits eine sichere elektronische Kommunikation möglich ist und andererseits die Digitalisierung in den Verwaltungen voranschreitet. Zudem muss auch die dritte Gewalt (die Justiz) in der Lage sein, die neuen Medien zu nutzen. Gerade das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip fordern politische und gesetzgeberische Entscheidungen, um die Risiken der Digitalisierung zu minimieren.141

Aktuell befindet sich die Digitalisierung des öffentlichen Raumes (einschließlich der öffentlichen Verwaltung) in einer neuen Entwicklungsstufe. Ging es bisher um die Verwaltungsreform, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in den einzelnen Verwaltungsbereichen, so gewinnt die Verrechtlichung eine zunehmende Bedeutung. Neben der Definierung von Sicherheitsstandards, der rechtlichen Rahmung von medienbruchfreier Kommunikation, geht es zunehmend auch um die Geschwindigkeit, in der Verwaltungen verpflichtet werden, sich den neuen Medien zu öffnen. Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang das Onlinezugangsgesetz (OZG – siehe Rdnr. 72c), das E-Government-Gesetz (EGovG – siehe Rdnr. 72d) das DE-Mail-Gesetz (siehe Rdnr. 72e) und das Vertrauensdienstegesetz (VDG – siehe Rdnr. 72n).


72aPraktisch hat sich mit dem Recht der digitalen Verwaltung in den letzten Jahren ein neues Rechtsgebiet etabliert.142

Neben eher generellen rechtlichen Regelungen, wurden das Verwaltungsverfahrensgesetz, das Verwaltungszustellungsgesetz und die Prozessordnungen angepasst. Zudem sind Fachgesetze in vielfältiger Form geändert worden.


72bDurch die Einführung des Artikel 91c in das Grundgesetz und die Schaffung des IT-Planungsrates wurden die Voraussetzungen für eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb ihrer informationstechnischen Infrastruktur deutlich verbessert.143 Bei der konkreten Weiterentwicklung der Digitalisierungsstrategie der öffentlichen Verwaltung und der Implementierung der notwendigen (technischen) Systeme kommt heute dem IT-Planungs­rat eine gewichtige Rolle zu.144 Auf der Basis des Art. 91c GG haben Bund und Länder in einem Staatsvertrag die Einrichtung eines IT-Planungs­rates verabredet.145 Mit einer Vielzahl von Projekten begleitet der IT-Planungsrat die Weiterentwicklung der Digitalisierung in Deutschland.146 Neben der durch Art. 91c GG begründeten Kompetenz des Bundes, bestimmte rechtliche Regelungen zu setzen, verbleibt es bei der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Dies führt dazu, dass neben bundesrechtlichen Bestimmungen vergleichbare (eigenständige) Ländergesetze bestehen.147

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