Читать книгу Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz - Holger Weidemann - Страница 17
2.3Privatisierungen
Оглавление20Die Verwaltung ist in gewissem Umfange berechtigt, bei der Bewältigung bestimmter Aufgaben die Gestaltungsformen des Privatrechts zu wählen.
Beispiel:
Die niedersächsische Gemeinde Wagenfeld betreibt ein sog. Dorfgemeinschaftshaus als öffentliche Einrichtung (§ 30 NKomVG) in eigener Regie. Die Räumlichkeiten dieses Gebäudes können Vereine aber auch Einwohner der Gemeinde für Veranstaltungen nutzen. Zur Gestaltung der Rechtsbeziehungen greift die Kommune auf öffentlich-rechtliche (Zulassung mittels VA) und privatrechtliche (Ausgestaltung mittels Mietvertrag) Gestaltungsformen zurück.
Andererseits kann die Kommune auch juristische Personen des Privatrechts (GmbH oder AG) gründen, um ihr dann die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben zu übertragen.
Beispiele:
Kommunales Krankenhaus wird in eine GmbH umgewandelt, kommunale Verkehrsbetriebe als AG; Stadtentwicklungsgesellschaft als GmbH
21Die Finanzkrise des Staates führt dazu, dass auf allen staatlichen und kommunalen Ebenen Privatisierungsmaßnahmen forciert werden. Die Privatisierungsformen sind sehr vielgestaltig. Die Bandbreite bewegt sich zwischen der reinen Organisationsprivatisierung (siehe obige Beispiele) bis hin zur Aufgabenprivatisierung (der Staat entledigt sich der gesamten Aufgabe24).25 Die „Flucht ins Privatrecht“26 ist aber nicht in jedem Falle von Vorteil für die jeweilige Gebietskörperschaft. Sachgerechte Entscheidungen erfordern eine eingehende Betrachtung der Vor- und Nachteile entsprechender Rechtsformänderungen.27
21aDie öffentliche Hand kann aber nicht schrankenlos die ihr zugewiesen öffentlichen Aufgaben privatisieren. Sofern es sich um absolute hoheitliche Kernaufgaben handelt, ist eine Übertragung auf private Dritte unzulässig (z. B. Kernbereiche der Justiz und der Polizei). Geht es darum, außerhalb dieses – unantastbaren – Kernbereichs, die Erledigung hoheitlicher Aufgaben auf private Dritte zu übertragen, bedarf es einer ausdrücklichen parlamentarischen Legitimation.28
Beispiel:
Die Stadt Kassel hat die Überwachung des fließenden und ruhenden Verkehrs Mitarbeitern nach dem AÜG übertragen. Diese Mitarbeiter haben für unerlaubtes Parken im uneingeschränkten Halteverbot Verwarngelder ausgesprochen. Dies ist unzulässig, da die Überwachung des fließenden Verkehrs Kernaufgabe des Staates ist. Sie ist eine hoheitliche Aufgabe, die unmittelbar aus dem Gewaltmonopol folgt und ausschließlich Hoheitsträgern, die in einem Treueverhältnis zum Staat stehen, übertragen ist.29
22Strikt zu unterscheiden ist zwischen den sog. Beliehenen einerseits und den privatrechtlich organisierten Verwaltungsträgern andererseits. Während sog. Beliehene in gewissem Umfange auch hoheitlich tätig werden können, sind von der öffentlichen Hand beherrschte juristische Personen des Privatrechts allein auf die Handlungs- und Gestaltungsformen des Privatrechts beschränkt.