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3.1.3Vorbehalt des Gesetzes

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30Der Vorbehalt des Gesetzes fordert, im Falle seiner Anwendbarkeit, dass eine Verwaltungsbehörde nur dann handeln darf, wenn dieses Handeln auf eine ermächtigende Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Dabei müssen die Eingriffsbefugnisse der Verwaltung gesetzlich nach Inhalt Zweck und Ausmaß so hinreichend bestimmt sein, dass für den Bürger die Beschränkungen vorhersehbar und berechenbar sind.38 Dem Normgeber ist es aber nicht verwehrt, unbestimmte Rechtsbegriffe vorzusehen und der Verwaltung Ermessensspielräume einzuräumen.

30aWar in der historischen Perspektive der Gesetzesvorbehalt auf die klassische Eingriffsverwaltung beschränkt, so ist die Reichweite dieses Prinzips heute umstritten. Der Spannungsbogen reicht vom sog. Totalvorbehalt (alle behördlichen Maßnahmen werden erfasst) bis zum sog. Teilvorbehalt (nur bestimmte behördlichen Maßnahmen werden erfasst).39 Unstrittig ist aber, dass er nicht mehr nur auf die klassische Eingriffsverwaltung begrenzt ist. Umstritten ist zudem die verfassungsrechtliche Verortung dieses Grundsatzes und ob der Vorbehalt sich auch auf die Form des Verwaltungshandels erstreckt. So ist insbesondere fraglich, ob der Gesetzesvorbehalt sich – über den Inhalt der Tätigkeit der Verwaltung hinaus – auch darauf erstreckt, auf welche Art und Weise die Verwaltung gegen den Bürger vorgehen darf, insb., ob sie sich der Handlungsart des Verwaltungsaktes bedienen darf (vgl. RdNr. 129 f.). Trotz dieser Unschärfen darf nicht übersehen werden, dass wesentliche Teile geklärt sind und dem Vorbehaltsgrundsatz eine zentrale Funktion beim Verwaltungshandeln zukommt.

Der Vorbehalt des Gesetzes wird im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Mit guten Gründen ist aber anzunehmen, dass er in dieser Vorschrift zumindest vorausgesetzt wird.40 Als Ermächtigungsgrundlage kommen ein (Parlaments-) Gesetz, eine Rechtsverordnung aber auch eine Satzung in Betracht. Die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt, dass die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber selbst getroffen werden müssen. Auch Grundrechtseingriffe erfordern nach heutiger Lesart, dass ein förmliches Gesetz erforderlich ist. Da Rechtsverordnungen und Satzungen auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführen sind, liegt eine lückenlose Legitimationskette vor und die untergesetzlichen Rechtsvorschriften können Grundlage für einen Rechtseingriff sein. Eine Verwaltungsvorschrift stellt dagegen keine ausreichende Grundlage dar. Fehlt es an der erforderlichen rechtlichen Grundlage, ist die Verwaltungsmaßnahme rechtswidrig.

31Nach der h. M. erstreckt sich der Vorbehalt des Gesetzes im Wesentlichen auf zwei Bereiche:

1. Jede belastende Maßnahme der Verwaltung bedarf einer Ermächtigungsgrundlage.

Hier ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG41 Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit schützt und damit jede Belastung des Bürgers einen Eingriff in dieses Grundrecht darstellt und dieser bedarf der gesetzlichen Grundlage. Insb. ein Eingriff in Freiheit und Eigentum des Bürgers setzt deshalb eine Rechtsnorm voraus, die den Eingriff zulässt.

2. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG verpflichtet, in grundlegenden normativen Bereichen, insb. im Bereich der Grundrechtsausübung, alle wesentlichen Entscheidungen, soweit sie durch Gesetz regelbar sind, selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen (sog. Wesentlichkeitstheorie).42

Beispiele:

a) Die zuständige Gewerbebehörde ordnet gegenüber dem Gebrauchtwagenhändler Max Schleich die Gewerbeuntersagung an, da Schleich als unzuverlässig im Sinne des Gewerberechts anzusehen ist. Sie greift mit dieser Maßnahme in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit (Art. 12 GG; u. U. auch in das Eigentumsrecht Art. 14 GG) ein. § 35 Abs. 1 GewO enthält eine entsprechende Ermächtigung. Die Maßnahme ist daher rechtmäßig. (sog. klassischer Eingriff)

b) Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen (z. B. zeitlich begrenzter Ausschluss vom Unterricht) der Schule sind für den Betroffenen belastende, in Grundrechtspositionen (Art. 2 I, ggfs. Art. 12 I GG) eingreifende Maßnahmen. Sie können daher nur aufgrund einer durch Rechtsnorm getroffenen Regelung festgesetzt werden.43 (sog. klassischer Eingriff)

c) Das Verbot für Lehrkräfte, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen, stellt eine solch wesentliche Entscheidung dar, dass sie vom Parlament getroffen werden muss. Das Parlament soll sicherstellen, dass Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassung auszubilden und zu vertreten und das Parlament dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären.44 (sog. Wesentlichkeitstheorie)

d) So hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Beihilfevorschriften des Bundes nicht den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügen. Die wesentlichen Entscheidungen über Leistungen an Beamte und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit sind vom Gesetzgeber zu treffen.45 (sog. Wesentlichkeitstheorie)

32Die Wesentlichkeitstheorie ist in ihrem Ansatz recht unbestimmt. Sie kann daher allenfalls nur Ausgangspunkt für eine weitere Konkretisierung sein. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Wesentlichkeitstheorie sich im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung zu einem brauchbaren Instrument entwickelt. Gegenwärtig herrscht aber eher noch der Eindruck vor, dass wesentlich das ist, was das Bundesverfassungsgericht dafür hält.

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ist bei folgenden Beispielen46 anerkannt worden: (1) Einführung des Sexualkundeunterrichts in den Schulen (2) Pressesubventionierung (3) Grundentscheidung für die friedliche Nutzung der Kernenergie (4) Einrichtung und Betrieb einer gentechnischen Anlagen (5) Zusammensetzung des Innen- und Justizministeriums in einem Bundesland (6) Gewährung von Beihilfen an Beamte. Abgelehnt wurde die Anwendung der Wesentlichkeitstheorie bei der Schließung eines Theaters.

33Spätestens mit dem sog. Strafvollzugsurteil des Bundesverfassungsgerichts47 ist anerkannt worden, dass der Vorbehalt des Gesetzes auch bei den besonderen Verwaltungsrechtsverhältnissen (z. B. Beamtenverhältnisse, Schulwesen) Anwendung findet.

34Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes erstreckt sich nicht auf die Gewährung von Vergünstigungen (Leistungen), sofern nicht Rechtsnormen die Verwaltung binden. So dürfen z. B. Steuern nur erlassen werden, wenn der Tatbestand des § 227 I AO erfüllt ist; das gilt grundsätzlich auch für andere Abgaben (gebundene Verwaltung). Nach § 31 SGB-AT gilt der Vorbehalt des Gesetzes in den Sozialleistungsbereichen auch für den Erlass begünstigender Verwaltungsakte. Damit hat die Klärung der Frage nach der Reichweite des Gesetzesvorbehalts in der Sozialverwaltung an Bedeutung verloren, da praktisch die meisten Bereiche gesetzlich geregelt sind (vgl. beispielsweise nur die entsprechenden Bücher des SGB; das Wohngeldgesetz, das BAföG).

Klärungsbedürftig ist aber weiterhin die Frage, ob über die gesetzlich gerechten Transferleistungen hinaus weitere staatliche Leistungen ohne gesetzliche Grundlage vergeben werden dürfen. Betroffen sind hier insbesondere Subventionszahlungen. Die h. M. verlangt für den Regelfall keine materiell-rechtliche Grundlage. Erforderlich ist aber eine parlamentarische Willensäußerung. So hat die Rechtsprechung48 herausgestellt, dass jede andere parlamentarische Willensäußerung, insbesondere die etatmäßige Bereitstellung der für die Subventionen er­forderlichen Mittel, ausreichend ist.49 Eine Grenze ist ausnahmsweise dort zu ­ziehen, wo durch die Subventionierung in die Grundrechtssphäre Dritter eingegriffen wird.

Beispiele:

a) Die Kommune stellt im Rahmen des jährlichen Haushaltes, der von der Vertretung verabschiedet wird, Fördermittel für den Einbau von Solaranlagen für Privathaushalte zur Verfügung. Hier liegt eine ausreichende parlamentarische Legitimation vor.

b) Unzulässig wird es dagegen wohl sein, wenn in einem Bundesland lediglich im Haushalt Mittel zur Förderung der Presselandschaft bereitgestellt werden und es allein der Exekutive obliegt, diese Mittel zu verteilen. Durch gezielte Subventionsverteilung könnte unzulässig in die verfassungsrechtliche garantierte Pressefreiheit eingegriffen werden. Erforderlich wäre hier eine gesetzliche Grundlage.

Rechtmäßiges und rechtswidriges Verhalten der Verwaltung

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