Читать книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Оноре де'Бальзак, Honoré de Balzac, Balzac - Страница 29

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Die­se Ar­ti­kel er­quick­ten die See­le Gau­diss­arts, der sich mit den Zei­tun­gen be­waff­ne­te, um die Vor­ur­tei­le zu zer­streu­en, und der auf die Pro­vinz das losließ, was die Spe­ku­lan­ten seit­dem nach ihm eine »vol­le La­dung« nen­nen. Zu die­ser Zeit be­herrsch­ten die Pa­ri­ser Zei­tun­gen die De­par­te­ments, die »noch ohne Or­ga­ne« wa­ren, die Un­glück­li­chen! Die Jour­na­le wur­den da­her hier ernst­haft durch­stu­diert, vom Kopf bis zum Na­men des Druckers, bis zu der Stel­le, wo sich der Spott der ver­folg­ten po­li­ti­schen An­sich­ten ver­ste­cken konn­te. Ge­stützt auf die Pres­se, hat­te Gau­diss­art schon in den ers­ten Städ­ten, wo er sein Mund­werk losließ, einen glän­zen­den Er­folg. Alle La­den­händ­ler woll­ten ein­ge­rahm­te An­kün­di­gun­gen mit dem Bil­de von Hero und Le­an­der ha­ben. Fi­not hat­te über das Ma­cassar­öl eine rei­zen­de Par­odie ver­faßt, die in den Fu­n­am­bu­les große Hei­ter­keit er­reg­te, wenn Pier­rot einen al­ten Haar­be­sen nimmt, der nur noch Lö­cher hat, Ma­cassar­öl dar­auf gießt und ihn dann dicht be­laubt wie einen Wald vor­zeigt. Die­se Iro­nie er­reg­te all­ge­mei­nes Ge­läch­ter. Fi­not er­zähl­te spä­ter mit Ver­gnü­gen, daß er da­mals ohne die tau­send Ta­ler vor Elend und Kum­mer ge­stor­ben wäre. Die tau­send Ta­ler be­deu­te­ten für ihn ein Ver­mö­gen. Bei die­sem Feld­zug ahn­te er als ers­ter die Macht der An­zei­ge, von der er einen so großen und so ge­schick­ten Ge­brauch mach­te. Drei Mo­na­te spä­ter war er Che­fre­dak­teur ei­ner klei­nen Zei­tung, die er schließ­lich an­kauf­te und die der Grund­stein sei­nes Ver­mö­gens wur­de. Eben­so wie die vol­le La­dung, die der be­rühm­te Gau­diss­art, der Mu­rat der Rei­sen­den, auf die De­par­te­ments und die Grenz­ge­bie­te ab­ge­schos­sen hat­te, dem Hau­se A. Po­pi­not kauf­män­nisch zum Sie­ge ver­half, so sieg­te es auch in der öf­fent­li­chen Mei­nung durch die star­ke Be­tei­li­gung der Zei­tun­gen, die das all­ge­mei­ne Be­kannt­wer­den der Bra­si­lia­ni­schen Mix­tur und der Pas­te Re­gnauld ver­an­laßt hat­te. Beim ers­ten Auf­tre­ten ließ die­se im Sturm er­folg­te Erobe­rung der öf­fent­li­chen Mei­nung drei­fa­chen Er­folg und drei­fa­ches Ver­mö­gen er­zie­len und mach­te den Weg frei für den Zustrom von tau­send­fa­chen nach Er­folg rin­gen­den An­sprü­chen, die seit­dem in ge­schlos­se­nen Ba­tail­lo­nen in die Are­na des Zei­tungs­we­sens hin­ab­ge­stie­gen sind, wo sie mit der be­zahl­ten An­zei­ge eine un­ge­heu­re Re­vo­lu­ti­on her­vor­ge­ru­fen ha­ben! In die­sem Au­gen­blick mach­te sich die Fir­ma A. Po­pi­not & Co. an al­len Mau­ern und in al­len Schau­fens­tern breit. Au­ßer­stan­de, die Wich­tig­keit ei­ner sol­chen Pub­li­zi­tät rich­tig ein­zu­schät­zen, be­gnüg­te sich Bi­rot­teau da­mit, zu Cäsa­ri­ne zu sa­gen: »Der klei­ne Po­pi­not tritt in mei­ne Fuß­tap­fen!«, ohne den Un­ter­schied der Zei­ten zu be­grei­fen und ohne die Be­deu­tung des neu­en Ver­fah­rens zu wür­di­gen, des­sen ra­pi­de Aus­brei­tung viel schnel­ler als in frü­he­ren Zei­ten die Han­dels­welt er­ober­te. Seit dem Bal­le hat­te Bi­rot­teau noch kei­nen Fuß in sei­ne Fa­brik ge­setzt: er hat­te da­her kei­ne Ah­nung, wel­chen Ei­fer und wel­che Tä­tig­keit Po­pi­not hier ent­wi­ckel­te. An­selm hat­te sämt­li­che Ar­bei­ter Bi­rot­te­aus mit Be­schlag be­legt und brach­te selbst die Nacht hier zu; auf al­len Kis­ten, al­len Pa­ke­ten, al­len Rech­nun­gen sah er Cäsa­ri­nes Bild; »sie wird mein Weib wer­den!« sag­te er zu sich, wenn er ohne Rock, mit auf­ge­krem­pel­ten Hemds­är­meln, ent­schlos­sen die Kis­ten selbst zu­na­gel­te, weil sei­ne Kom­mis Be­sor­gun­gen ma­chen muß­ten.

Nach­dem er die gan­ze Nacht al­les über­legt hat­te, was er ei­nem großen Man­ne der Hoch­fi­nanz sa­gen und nicht sa­gen sol­le, ging Cäsar am nächs­ten Tage nach der Rue du Houssaye und be­trat, nicht ohne schau­der­haf­tes Herz­klop­fen, das Haus des li­be­ra­len Ban­kiers, der zu der Par­tei ge­hör­te, die mit vol­lem Recht be­schul­digt wur­de, die Bour­bo­nen ver­trei­ben zu wol­len. Der Par­füm­händ­ler war, wie alle Pa­ri­ser Klein­händ­ler, mit den Ge­wohn­hei­ten und den Per­sön­lich­kei­ten der großen Bank­welt nicht ver­traut. Zwi­schen der Hoch­fi­nanz und dem Han­del ste­hen in Pa­ris Fir­men zwei­ten Ran­ges, die der Bank­welt als Ver­mitt­ler von Nut­zen sind und die ihr noch eine Ga­ran­tie mehr bie­ten. Kon­stan­ze und Bi­rot­teau, die sich nie­mals über ihre Mit­tel hin­aus en­ga­giert hat­ten, de­ren Kas­se nie­mals leer ge­we­sen war und die die Wech­sel im Por­te­feuil­le be­hal­ten hat­ten, wa­ren mit die­sen Häu­sern zwei­ten Ran­ges nie in Ver­bin­dung ge­tre­ten; um so we­ni­ger wa­ren ih­nen die Re­gio­nen der Hoch­fi­nanz be­kannt. Es ist viel­leicht falsch, sich kei­nen Kre­dit zu schaf­fen, auch wenn man ihn nicht nö­tig hat: die An­sich­ten über die­sen Punkt sind ge­teilt. Wie dem auch sein mag, Bi­rot­teau be­dau­er­te jetzt sehr, daß er sei­ne Un­ter­schrift nie­mals in Um­lauf ge­setzt hat­te. Da er aber als Bei­ge­ord­ne­ter und als Po­li­ti­ker kein un­be­kann­ter Mann war, so glaub­te er, sich nur nen­nen zu brau­chen, um emp­fan­gen zu wer­den; er hat­te kei­ne Ah­nung von dem wie im kö­nig­li­chen Vor­zim­mer er­fol­gen­den Zustrom zu den Au­di­en­zen des Ban­kiers. Als er in den Sa­lon vor dem Ar­beits­zim­mer des in so vie­len Be­zie­hun­gen be­rühm­ten Man­nes ge­führt wor­den war, sah sich Bi­rot­teau in­mit­ten ei­ner zahl­rei­chen Ge­sell­schaft von De­pu­tier­ten, Schrift­stel­lern, Jour­na­lis­ten, Bör­sen­mak­lern, großen Kauf­leu­ten, Ge­schäfts­leu­ten, In­ge­nieu­ren und vor al­lem von Ver­trau­ten, die durch die Grup­pen hin­durch­gin­gen und mit ei­nem be­son­de­ren Zei­chen an die Tür des Ar­beits­zim­mers an­klopf­ten, wo sie dann au­ßer der Rei­he ein­ge­las­sen wur­den. »Was be­deu­te ich in­mit­ten die­ser großen Ma­schi­ne­rie?« sag­te sich Bi­rot­teau, ganz ver­wirrt von dem Ge­trie­be die­ser geis­ti­gen Schmie­de­werk­statt, aus der sich die Op­po­si­ti­on mit ih­rem täg­li­chen Brot ver­sorg­te und wo die Thea­ter­pro­ben der großen Tra­gi­ko­mö­die ab­ge­hal­ten wur­den, die die Lin­ke spiel­te. Zu sei­ner Rech­ten hör­te er die Fra­ge der An­lei­he für die Fer­tig­stel­lung der wich­tigs­ten Kanä­le, die die We­ge­bau­ver­wal­tung pro­jek­tiert hat­te, dis­ku­tie­ren, und es han­del­te sich hier­bei um Mil­lio­nen! Zu sei­ner Lin­ken un­ter­hiel­ten sich Jour­na­lis­ten, die als Stel­lungs­jä­ger der Ei­gen­lie­be des Ban­kiers schmei­chel­ten, über die gest­ri­ge Sit­zung und die im­pro­vi­sier­te Rede ih­res Be­schüt­zers. Wäh­rend der zwei Stun­den, die er schon war­te­te, be­kam Bi­rot­teau den Ban­kier und Po­li­ti­ker drei­mal zu Ge­sicht, als er nam­haf­te Per­sön­lich­kei­ten bis drei Schrit­te vor sei­ne Tür be­glei­te­te. Mit dem letz­ten, dem Ge­ne­ral Foy, ging Franz Kel­ler bis ins Vor­zim­mer.

»Ich bin ver­lo­ren!« sag­te Bi­rot­teau, dem sich das Herz zu­sam­men­krampf­te, zu sich.

Als der Ban­kier nach sei­nem Ar­beits­zim­mer zu­rück­ging, stürz­te sich die Meu­te von Höf­lin­gen, Freun­den und In­ter­es­sen­ten auf ihn, wie Hun­de, die hin­ter ei­ner hüb­schen Hün­din her sind. Ei­ni­ge fre­che Kö­ter dräng­ten sich ge­gen sei­nen Wil­len in das Al­ler­hei­ligs­te. Die Kon­fe­ren­zen dau­er­ten fünf Mi­nu­ten, zehn Mi­nu­ten, eine Vier­tel­stun­de. Die einen gin­gen zer­knirscht weg, die an­dern tru­gen ein zu­frie­de­nes Aus­se­hen zur Schau oder nah­men eine wich­ti­ge Mie­ne an. Die Zeit ver­floß, und Bi­rot­teau sah angst­voll auf die Uhr. Kein Mensch be­ach­te­te die­sen Schmerz, der auf dem ver­gol­de­ten Ses­sel am Ka­min­win­kel seufz­te, an der Tür die­ses Zim­mers, in dem das All­heil­mit­tel sich be­fand, der Kre­dit! Mit Kum­mer dach­te Cäsar dar­an, wie auch er zu Hau­se einen Au­gen­blick ein Kö­nig ge­we­sen war, so wie die­ser Mann alle Mor­gen ein Kö­nig war, und er er­maß die Tie­fe des Ab­grunds, in den er ge­stürzt war. Ein bit­te­rer Ge­dan­ke! Wie­viel Trä­nen wa­ren in die­ser Stun­de hier ver­schluckt wor­den! … Wie­viel­mal hat­te Bi­rot­teau Gott an­ge­fleht, ihm die­sen Mann güns­tig zu stim­men, bei dem er un­ter der star­ken Hül­le po­pu­lär sein wol­len­der Lie­bens­wür­dig­keit eine Rück­sichts­lo­sig­keit, eine ty­ran­ni­sche Schär­fe und eine bru­ta­le Herrsch­sucht ver­spür­te, vor der sich sein wei­ches Ge­müt ent­setz­te. Als schließ­lich nur noch zehn bis zwölf Per­so­nen an­we­send wa­ren, ent­schloß sich Bi­rot­teau, vor­zu­tre­ten und sich dem großen Red­ner ge­gen­über­zu­stel­len, in­dem er sag­te: »Ich bin Bi­rot­teau!« Der Gre­na­dier, der als ers­ter die Schan­ze an der Mo­skwa er­klet­ter­te, hat nicht mehr Mut ent­wi­ckelt, als der Par­füm­händ­ler zu die­sem Ma­nö­ver auf­brin­gen muß­te.

»Schließ­lich bin ich doch sein Bei­ge­or­den­ter«, sag­te er sich, als er sich er­hob, um sei­nen Na­men zu nen­nen.

Franz Kel­ler mach­te ein freund­li­ches Ge­sicht, of­fen­bar woll­te er lie­bens­wür­dig sein; er be­merk­te das rote Bänd­chen des Par­füm­händ­lers, trat zu­rück, öff­ne­te die Tür zu sei­nem Ar­beits­zim­mer, ließ ihn vor­an­ge­hen und blieb noch ei­ni­ge Zeit im Ge­spräch mit zwei Per­so­nen ste­hen, die sich von der Trep­pe her mit der Ge­walt ei­nes Wir­bel­sturms auf ihn ge­stürzt hat­ten.

»De­ca­zes will Sie spre­chen«, sag­te der eine von ih­nen.

»Es han­delt sich dar­um, Mars­ans Flag­ge her­un­ter­zu­ho­len! Der Kö­nig sieht jetzt klar, er tritt auf un­se­re Sei­te!« rief der an­de­re.

»Wir wer­den zu­sam­men in die Kam­mer ge­hen«, sag­te der Ban­kier und trat ins Zim­mer mit der Hal­tung ei­nes Fro­sches, der sich zu ei­nem Och­sen auf­blä­hen will.

»Wie kann er da­bei an sei­ne Ge­schäf­te den­ken?« frag­te sich Bi­rot­teau völ­lig ver­blüfft.

Die Son­ne der Über­le­gen­heit strahl­te auf sei­nem Ge­sicht und blen­de­te den Par­füm­händ­ler, wie das Licht die In­sek­ten blind macht, die nach dem mil­den Ta­ges­licht oder dem Halb­dun­kel ei­ner schö­nen Nacht ver­lan­gen. Auf ei­nem rie­si­gen Ti­sche be­merk­te er den Etat, die tau­send Druck­sa­chen der Kam­mer, ge­öff­ne­te Bän­de des Mo­ni­teur mit an­ge­stri­che­nen Stel­len, um ei­nem Mi­nis­ter ver­ges­se­ne frü­he­re Sät­ze ins Ge­sicht schleu­dern zu kön­nen und ihn zum Wi­der­ruf zu zwin­gen un­ter dem Bei­fall ei­ner al­ber­nen Zu­hö­rer­schaft, die un­fä­hig ist, zu be­grei­fen, daß ein­ge­tre­te­ne Er­eig­nis­se al­les um­ge­stal­ten. Auf ei­nem an­dern Ti­sche la­gen Map­pen auf­ge­häuft, Denk­schrif­ten, Pro­jek­te und die tau­sen­der­lei Aus­künf­te, die dem Man­ne über­reicht wa­ren, aus des­sen Kas­se alle neu ent­ste­hen­den In­dus­trie­zwei­ge zu schöp­fen ver­such­ten. Der fürst­li­che Lu­xus die­ses Zim­mers vol­ler Ge­mäl­de, Sta­tu­en und Kunst­wer­ke, der über­la­de­ne Ka­min­sims, die an­ge­häuf­ten Bün­del von ein­hei­mi­schen und aus­wär­ti­gen Zins­bo­gen – al­les mach­te Bi­rot­teau be­trof­fen und klein, er­höh­te sei­nen Schre­cken und mach­te ihm das Blut er­star­ren. Auf Franz Kel­lers Schreib­tisch la­gen Hau­fen von Ef­fek­ten, Wech­seln und Pa­pie­ren. Kel­ler setz­te sich und be­gann ei­ligst Brie­fe zu un­ter­zeich­nen, die kei­ner nä­he­ren Prü­fung be­durf­ten.

»Wel­chem An­laß ver­dan­ke ich die Ehre Ihres Be­su­ches, mein Herr?« sag­te er.

Bei die­sen Wor­ten, zu ihm al­lein von die­sem Mun­de aus­ge­spro­chen, der ge­wöhnt war, zu Eu­ro­pa zu re­den, wäh­rend die Hand has­tig über das Pa­pier eil­te, hat­te der arme Par­füm­händ­ler ein Ge­fühl, als wenn ihm ein hei­ßes Ei­sen in den Leib ge­sto­ßen wür­de. Er mach­te ein freund­li­ches Ge­sicht, wie es der Ban­kier seit zehn Jah­ren bei al­len, die ihn in eine nur für sie wich­ti­ge An­ge­le­gen­heit ver­wi­ckeln woll­ten, zu se­hen ge­wöhnt war, und das ihm schon von vorn­her­ein ein Über­ge­wicht über sie gab. Franz Kel­ler warf Cäsar einen Blick zu, der die­sem durch und durch ging, einen Na­po­le­ons­blick. Das Nach­ma­chen die­ses Blicks war eine ziem­lich lä­cher­li­che Ge­wohn­heit ei­ni­ger Par­ven­üs ge­wor­den, die noch nicht ein­mal ein schlech­ter Ab­klatsch die­ses ih­res Kai­sers wa­ren. Die­ser Blick senk­te sich auf Bi­rot­teau, den Mann der Rech­ten, den Tra­ban­ten der herr­schen­den Macht, das in­kar­nier­te Ele­ment des mon­ar­chis­ti­schen Ge­dan­kens, wie der Stem­pel des Zoll­be­am­ten auf eine Ware.

»Ich will Ihre Zeit nicht miß­brau­chen, ver­ehr­ter Herr, und wer­de mich kurz fas­sen: Ich kom­me in ei­ner rein ge­schäft­li­chen An­ge­le­gen­heit, um Sie zu fra­gen, ob ich von Ih­nen einen Kre­dit be­kom­men kann. Sie wer­den be­grei­fen, daß ich, als frü­he­rer Han­dels­rich­ter und der Staats­bank nicht un­be­kannt, mich nur an die­se, zu de­ren Lei­tern Sie selbst ge­hö­ren, zu wen­den brauch­te, wenn mein Por­te­feuil­le nicht leer wäre. Ich habe die Ehre ge­habt, zu­sam­men mit dem Herrn Baron Thi­bon, dem Chef der Wech­se­l­ab­tei­lung, als Rich­ter zu fun­gie­ren, und er wür­de mir mein Ge­such si­cher nicht ab­schla­gen. Aber ich habe noch nie Kre­dit in An­spruch ge­nom­men und noch nie mei­ne Un­ter­schrift ge­ge­ben; die­se kennt nie­mand und Sie wis­sen, wel­chen Schwie­rig­kei­ten eine ge­schäft­li­che Trans­ak­ti­on dann be­geg­net …« Kel­ler schüt­tel­te den Kopf, was Bi­rot­teau für ein Zei­chen der Un­ge­duld hielt. – »Nun zur Sa­che!« fuhr er fort. »Ich habe mich in ein Ter­rain­ge­schäft ein­ge­las­sen, das nichts mit mei­nem Be­rufs­ge­schäft zu tun hat …«

Franz Kel­ler, der un­un­ter­bro­chen schrieb und las und auf Cäsar nicht zu hö­ren schi­en, wand­te den Kopf um und mach­te eine zu­stim­men­de Be­we­gung, die je­nen er­mu­tig­te. Bi­rot­teau glaub­te, daß sei­ne Sa­che auf gu­tem Wege sei, und at­me­te auf.

»Nur wei­ter, ich höre zu«, sag­te Kel­ler freund­lich.

»Ich habe bei dem An­kauf der Ter­rains an der Ma­de­lei­ne die Hälf­te da­von er­wor­ben.«

»Ja­wohl, ich habe bei Nu­cin­gen von die­sem rie­si­gen Ge­schäft, auf das sich die Fir­ma Cla­paron ein­ge­las­sen hat, re­den hö­ren.«

»Nun,« fuhr der Par­füm­händ­ler fort, »ein Kre­dit von hun­dert­tau­send Fran­ken, ge­deckt durch mei­nen An­teil an den Ter­rains oder durch mein Ge­schäfts­ver­mö­gen, wür­de ge­nü­gen, um mich bis zu dem Au­gen­blick über Was­ser zu hal­ten, wo mir der Ge­winn aus ei­nem dem­nächst her­aus­kom­men­den neu­en Ar­ti­kel der Par­fü­me­rie zu­fließt. Wenn es er­for­der­lich ist, wür­de ich zur De­ckung auch Wech­sel ei­ner neu­en Fir­ma, des Hau­ses A. Po­pi­not, ei­nes jun­gen Hau­ses, das …«

Kel­ler schi­en sich sehr we­nig um das Haus Po­pi­not zu küm­mern und Bi­rot­teau merk­te, daß er auf ein falsches Gleis ge­ra­ten war; er schwieg und fuhr dann, er­schreckt über das Schwei­gen, fort: »Was die Zin­sen an­langt, so …«

»Ge­wiß, ge­wiß,« sag­te der Ban­kier, »die Sa­che läßt sich viel­leicht ma­chen, zwei­feln Sie nicht an mei­nem Wun­sche, Ih­nen ge­fäl­lig zu sein. Aber so be­schäf­tigt, wie Sie mich se­hen – ich habe die Finan­zan­ge­le­gen­hei­ten von ganz Eu­ro­pa auf dem Hal­se –, wer­den Sie sich nicht wun­dern, wenn ich eine Mas­se von Ge­schäf­ten von mei­nen Bu­re­aus prü­fen las­se. Ge­hen Sie zu mei­nem Bru­der Adolph hin­un­ter und set­zen Sie ihm die Be­schaf­fen­heit Ih­rer Ga­ran­ti­en aus­ein­an­der; wenn er ein­ver­stan­den ist, kön­nen Sie mor­gen oder über­mor­gen mit ihm um die Zeit, wo ich die ent­schei­den­de Prü­fung der Ge­schäf­te vor­neh­me, um fünf Uhr mor­gens, wie­der­kom­men. Wir sind stolz und glück­lich, daß Sie uns mit Ihrem Ver­trau­en beehrt ha­ben, Sie sind ei­ner von den stand­haf­ten Roya­lis­ten, de­ren po­li­ti­scher Geg­ner man sein kann, de­ren Ach­tung aber schmei­chel­haft ist …«

»Ver­ehr­ter Herr,« sag­te der Par­füm­händ­ler, ent­zückt von die­ser Kam­mer­red­ner­phra­se, »ich glau­be die­ser Ehre, die Sie mir er­wei­sen, eben­so wür­dig zu sein wie der al­ler­höchs­ten Gunst und Aus­zeich­nung …, die ich als Rich­ter beim Han­dels­ge­richt und als Kämp­fer …«

»Ja­wohl,« fuhr der Ban­kier fort, »der Ruf, den Sie ge­nie­ßen, öff­net Ih­nen alle Tü­ren, Herr Bi­rot­teau. Sie brau­chen uns bloß ein Ge­schäft, das wir ma­chen kön­nen, vor­zu­schla­gen, dann kön­nen Sie auf uns­re Hil­fe rech­nen.«

Eine Dame, Frau Kel­ler, eine der bei­den Töch­ter des Gra­fen von Gon­dre­ville, öff­ne­te jetzt eine Tür, die Bi­rot­teau nicht be­merkt hat­te.

»Ich hof­fe, wir se­hen dich noch, mein Lie­ber, be­vor du in die Kam­mer gehst«, sag­te sie.

»Es ist schon zwei Uhr,« rief der Ban­kier, »die Schlacht hat be­reits be­gon­nen. Ent­schul­di­gen Sie mich, Herr Bi­rot­teau, es han­delt sich um den Sturz ei­nes Mi­nis­ters … Ge­hen Sie zu mei­nem Bru­der.«

Er be­glei­te­te den Par­füm­händ­ler bis zur Tür und sag­te zu ei­nem sei­ner Leu­te: »Brin­gen Sie den Herrn zu Herrn Adolph.«

Ein Mann in Li­vree führ­te Bi­rot­teau über ein La­by­rinth von Trep­pen zu ei­nem we­ni­ger kost­bar als das des Fir­men­chefs ein­ge­rich­te­ten, aber viel wich­ti­ge­ren Ar­beits­zim­mer: Bi­rot­teau, auf ei­nem »wenn«, dem lenk­bars­ten Reit­tier der Hoff­nung, sit­zend, strich sich das Kinn und er­blick­te in den schmei­chel­haf­ten Wor­ten des be­rühm­ten Man­nes ein güns­ti­ges Vor­zei­chen. Er be­dau­er­te, daß ein Feind der Bour­bo­nen ein so lie­bens­wür­di­ger und be­gab­ter Mann und ein so be­deu­ten­der Red­ner war.

Er­füllt von sol­chen Il­lu­sio­nen be­trat er ein kah­les, kal­tes, mit zwei Zy­lin­der­bu­re­aus und ei­ni­gen schlech­ten Ses­seln mö­blier­tes und mit sehr schad­haf­ten Vor­hän­gen und ei­nem dürf­ti­gen Tep­pich ver­se­he­nes Ar­beits­zim­mer. Die­ses Zim­mer ver­hielt sich zu je­nem an­dern wie die Kü­che zum Spei­se­zim­mer, die Fa­brik zu dem Ver­kaufs­la­den. Hier wur­den die Bank- und Han­dels­ge­schäf­te bis ins In­ners­te ge­prüft, die Un­ter­neh­mun­gen ge­nau stu­diert und die Pro­vi­sio­nen der Bank bei al­len Er­trä­gen von In­dus­trie­un­ter­neh­men, die als ein­bring­lich an­ge­se­hen wur­den, fest­ge­legt. Hier wur­den die ge­wag­ten Coups er­dacht, durch die man sich in we­ni­gen Ta­gen ein schnell aus­zu­beu­ten­des Mo­no­pol ver­schaf­fen konn­te; hier die Lücken der Ge­setz­ge­bung her­aus­ge­fun­den und ohne Scheu das aus­be­dun­gen, was die Bör­se einen »Lö­wen­an­teil« nennt, Kom­mis­si­ons­ge­büh­ren für die ge­rings­ten Diens­te, wie die Un­ter­stüt­zung ei­nes Un­ter­neh­mens nur durch ih­ren Na­men und die Ge­wäh­rung ei­nes Kre­dits. Hier wur­den die ge­setz­lich nicht an­fecht­ba­ren Schwin­de­lei­en aus­ge­heckt, die dar­in be­stan­den, sich an zwei­fel­haf­ten Un­ter­neh­mun­gen in der Wei­se zu be­tei­li­gen, daß man erst den Er­folg ab­war­te­te, um sie dann zu ver­nich­ten und sich ih­rer zu be­mäch­ti­gen, in­dem man im kri­ti­schen Mo­ment sein Ka­pi­tal zu­rück­for­der­te; ein schreck­li­ches Ma­nö­ver, durch das un­zäh­li­ge Ak­tio­näre hin­ein­ge­legt wur­den.

Die bei­den Brü­der hat­ten die Rol­len un­ter sich ver­teilt. Oben spiel­te sich Franz, der vor­neh­me Mann und Po­li­ti­ker, als ein Kö­nig auf, der Gunst­be­wei­se und Ver­spre­chun­gen aus­teil­te und sich bei al­len an­ge­nehm ma­chen. Bei ihm mach­te sich al­les leicht; er be­han­del­te die Ge­schäf­te nicht klein­lich und be­rausch­te die neu­en An­kömm­lin­ge und die noch un­er­fah­re­nen Spe­ku­lan­ten mit dem Wein sei­ner Gunst und sei­ner ein­neh­men­den Rede, in­dem er ih­nen ihre ei­ge­nen Ide­en ent­wi­ckel­te. Un­ten ent­schul­dig­te Adolph sei­nen Bru­der mit sei­ner po­li­ti­schen Über­las­tung und ver­stand es, ge­schickt auf den Busch zu klop­fen; er war da­her der un­be­lieb­te Bru­der, der schwie­ri­ge Mann. Man muß­te also von bei­den Sei­ten die Zu­sa­ge ha­ben, wenn man mit die­ser hin­ter­lis­ti­gen Fir­ma zu ei­nem Ge­schäfts­ab­schluß ge­lan­gen woll­te. Häu­fig ver­wan­del­te sich das lie­bens­wür­di­ge Ja des Staats­zim­mers in ein tro­ckenes Nein in Adol­phs Ar­beits­zim­mer. Die­ses Hin­zie­hen ge­stat­te­te die ge­naue Über­le­gung und war oft der An­laß, sich über we­ni­ger ge­wand­te Kon­kur­ren­ten lus­tig zu ma­chen. Der Bru­der des Ban­kiers sprach ge­ra­de mit dem be­kann­ten Pal­ma, dem ver­trau­ten Rat­ge­ber des Hau­ses Kel­ler, der sich beim Er­schei­nen des Par­füm­händ­lers zu­rück­zog. Als Bi­rot­teau sein An­lie­gen aus­ein­an­der­ge­setzt hat­te, warf Adolph, der schlaue­re der bei­den Brü­der, ein wah­rer Luchs, mit ste­chen­den Au­gen, schma­len Lip­pen und grel­lem Teint, in­dem er den Kopf senk­te, über sei­ne Bril­le hin­weg Bi­rot­teau einen Blick zu, den man den Ban­kier­blick nen­nen muß, und der an den des Gei­ers und des Ad­vo­ka­ten er­in­nert; er war neu­gie­rig und gleich­gül­tig, klar und dun­kel, leuch­tend und fins­ter zu­gleich.

»Schi­cken Sie mir ge­fäl­ligst den Ver­trag über das Ter­rain­ge­schäft an der Ma­de­lei­ne,« sag­te er, »da­mit ich mir über die Un­ter­la­gen für den Kre­dit ein Bild ma­chen kann; das muß zu­erst ge­prüft wer­den, be­vor wir ihn er­öff­nen und über die Zin­sen ver­han­deln kön­nen. Liegt die Sa­che güns­tig, so wür­den wir uns, um Ih­nen ent­ge­gen­zu­kom­men, mit ei­nem An­teil an dem Ge­winn be­gnü­gen an Stel­le ei­nes Skon­tos.«

»Nun, ich sehe schon, worum es sich han­delt«, sag­te Bi­rot­teau zu sich, als er nach Hau­se ging. »Ich muß, wie der ge­jag­te Bi­ber, ein Stück mei­nes Fells op­fern. Aber bes­ser, man läßt sich sche­ren, als daß man un­ter­geht.«

An die­sem Tage kehr­te er mit lä­cheln­dem Ge­sicht heim und sein Froh­sinn war echt.

»Ich bin ge­ret­tet,« sag­te er zu Cäsa­ri­ne, »ich be­kom­me von den Kel­lers einen Kre­dit.«

Erst am 29. De­zem­ber konn­te sich Bi­rot­teau wie­der im Ar­beits­zim­mer Adolph Kel­lers ein­fin­den. Als der Par­füm­händ­ler das ers­te­mal wie­der­kam, war Adolph we­gen der Be­sich­ti­gung ei­nes Land­gu­tes, sechs Mei­len von Pa­ris ent­fernt, ab­we­send, das der große Red­ner an­kau­fen woll­te. Beim zwei­ten­mal wa­ren bei­de Kel­ler den gan­zen Vor­mit­tag be­schäf­tigt; es han­del­te sich um die Sub­mis­si­on ei­ner An­lei­he, die der Kam­mer vor­ge­legt war, und sie lie­ßen Bi­rot­teau bit­ten, am nächs­ten Frei­tag wie­der­zu­kom­men. Die­ses Hin­aus­schie­ben brach­te den Par­füm­händ­ler bei­na­he um. Aber schließ­lich kam auch die­ser Frei­tag. Bi­rot­teau be­fand sich in dem Ar­beits­zim­mer, an dem einen Ka­min­win­kel am Fens­ter sit­zend, wäh­rend Adolph Kel­ler am an­dern Platz ge­nom­men hat­te.

»Das ist in Ord­nung, Herr Bi­rot­teau«, sag­te der Ban­kier und wies auf den Ver­trag, »aber wie­viel ha­ben Sie auf den Kauf­preis der Ter­rains an­ge­zahlt?«

»Hun­dert­vier­zig­tau­send Fran­ken.«

»In bar?«

»In Wech­seln.«

»Sind sie ein­ge­löst?«

»Sie sind erst in ei­ni­ger Zeit fäl­lig.«

»Aber wenn Sie, in An­be­tracht ih­res au­gen­blick­li­chen Wer­tes, die Ter­rains zu hoch be­zahlt ha­ben, wel­che Ga­ran­tie ha­ben wir dann? Nur die des Ver­trau­ens, das Sie ein­flö­ßen, und des An­se­hens, das Sie ge­nie­ßen. Aber auf Sen­ti­ments kann man kei­ne Ge­schäf­te ba­sie­ren. Hät­ten Sie zwei­hun­dert­tau­send Fran­ken wirk­lich be­zahlt, so wür­den wir, selbst an­ge­nom­men, daß Sie, um die Ter­rains in die Hand zu be­kom­men, hun­dert­tau­send Fran­ken zu teu­er ge­kauft hät­ten, im­mer noch hun­dert­tau­send Fran­ken Ga­ran­tie für die zu kre­di­tie­ren­den hun­dert­tau­send ha­ben. Wir könn­ten dann schließ­lich, in­dem wir an Ih­rer Stel­le zah­len, Ei­gen­tü­mer Ihres An­teils wer­den, vor­aus­ge­setzt, daß wir das Ge­schäft selbst als ein gu­tes an­se­hen. Wenn man fünf Jah­re war­ten soll, um sein An­la­ge­ka­pi­tal zu ver­dop­peln, dann ist es bes­ser, es im Bank­ge­schäft ar­bei­ten zu las­sen. Es kön­nen so vie­le Zwi­schen­fäl­le ein­tre­ten! Sie wol­len Wech­sel in Um­lauf set­zen, um da­mit fäl­li­ge zu be­zah­len, das ist ein ge­fähr­li­ches Ma­nö­ver! Ei­nen Schritt rück­wärts ma­chen, um dann bes­ser vor­wärts zu kom­men. Das ist kein Ge­schäft für Sie.«

Die­ses Wort traf Bi­rot­teau, als ob der Hen­ker ihn mit dem Brand­mal auf der Schul­ter ge­zeich­net hät­te, und er ver­lor den Kopf.

»Nun, wir wol­len se­hen,« sag­te Adolph, »mein Bru­der hat ein leb­haf­tes In­ter­es­se für Sie, er hat mir von Ih­nen ge­spro­chen. Wir wol­len die Sa­che prü­fen.« Da­bei warf er dem Par­füm­händ­ler einen Blick zu wie eine Kur­ti­sa­ne, die ihre Mie­te be­zah­len soll.

Bi­rot­teau ver­wan­del­te sich jetzt in einen Mo­li­neux, den Mo­li­neux, über den er so er­ha­ben ge­spot­tet hat­te. Zum bes­ten ge­hal­ten von dem Ban­kier, dem es Spaß mach­te, den ar­men Men­schen alle sei­ne Küm­mer­nis­se her­be­ten zu las­sen, und der sich dar­auf ver­stand, einen Kauf­mann aus­zu­fra­gen, wie der Rich­ter Po­pi­not einen Ver­bre­cher, er­zähl­te Cäsar von all sei­nen Un­ter­neh­mun­gen; er führ­te ihm die Dop­pel­pas­te der Sul­tan­in­nen vor, das Eau Car­mi­na­ti­ve, die Af­fä­re Ro­guin und sei­nen Pro­zeß we­gen des hy­po­the­ka­ri­schen Dar­lehns, das ihm nicht aus­ge­zahlt wor­den war. Wäh­rend er Kel­lers lä­cheln­des, nach­denk­li­ches Ge­sicht und sein zu­stim­men­des Ni­cken be­ob­ach­te­te, sag­te sich Bi­rot­teau: »Er hört mir zu! Ich in­ter­es­sie­re ihn! Ich wer­de mei­nen Kre­dit be­kom­men!« Und Adolph Kel­ler lach­te über Bi­rot­teau, wie Bi­rot­teau über Mo­li­neux ge­lacht hat­te. Hin­ge­ris­sen von dem Re­de­be­dürf­nis, das die Leu­te, die das Un­glück ver­wirrt ge­macht hat, emp­fin­den, kam bei Cäsar der ech­te Bi­rot­teau zum Vor­schein; er zeig­te, was er konn­te, in­dem er als Ga­ran­tie das Hui­le Cé­pha­li­que und die Fir­ma Po­pi­not, sei­nen letz­ten Ein­satz, an­bot. Sich in falschen Hoff­nun­gen wie­gend, ließ sich der arme Kerl nach al­len Rich­tun­gen hin von Adolph Kel­ler aus­fra­gen, der in dem Par­füm­händ­ler einen roya­lis­ti­schen Flach­kopf er­kann­te, der dicht vor dem Bank­rott stand. Ent­zückt dar­über, einen Bei­ge­ord­ne­ten ih­res Be­zirks, einen frisch de­ko­rier­ten An­hän­ger der herr­schen­den Macht vor dem Zu­sam­men­bruch ste­hen zu se­hen, sag­te Adolph zu Bi­rot­teau mit kla­ren Wor­ten, daß er ihm we­der einen Kre­dit er­öff­nen, noch ir­gend­ein Wort zu sei­nen Guns­ten bei sei­nem Bru­der Franz, dem großen Red­ner, ein­le­gen kön­ne. Wenn Franz eine tö­rich­te Groß­mut ent­wi­ckeln wol­le, in­dem er Leu­te von ent­ge­gen­ge­setz­ten An­schau­un­gen und po­li­ti­sche Fein­de un­ter­stütz­te, so wür­de er, Adolph, sich mit al­ler Macht da­ge­gen auf­leh­nen, daß er sich so zum Nar­ren ma­che, und ihn dar­an hin­dern, dem al­ten Geg­ner Na­po­le­ons, dem Ver­wun­de­ten in dem Stra­ßen­kampf vor Saint-Roch, hilf­rei­che Hand zu leis­ten. Au­ßer sich hier­über woll­te Bi­rot­teau et­was über die Hab­gier der Hoch­fi­nanz, ihre Ge­fühl­lo­sig­keit und ihre ge­heu­chel­te Men­schen­freund­lich­keit sa­gen; aber er emp­fand einen so hef­ti­gen Schmerz, daß er kaum ei­ni­ge Wor­te über die In­sti­tu­ti­on der Bank von Frank­reich stam­meln konn­te, die ja den Kel­lers zur Ver­fü­gung stand.

»Nie­mals«, sag­te Adolph Kel­ler, »wird die Bank einen Kre­dit ge­wäh­ren, den schon ein ein­fa­cher Ban­kier ab­ge­lehnt hat.«

»Ich war im­mer der An­sicht,« sag­te Bi­rot­teau, »daß die Bank ih­rer Be­stim­mung nicht ent­spricht, wenn sie glück­lich dar­über ist, beim Jah­res­ab­schluß fest­stel­len zu kön­nen, daß sie am Pa­ri­ser Han­del nicht mehr als ein- bis zwei­hun­dert­tau­send Fran­ken ver­lo­ren hat; wäh­rend sie doch sei­ne Be­schüt­ze­rin sein soll.«

Adolph lach­te und er­hob sich mit ge­lang­weil­ter Mie­ne.

»Wenn die Bank sich da­mit be­fas­sen woll­te, al­len Leu­ten, die hier an die­sem schwin­del­haf­tes­ten und schlüpf­rigs­ten Plat­ze der fi­nan­zi­el­len Welt in Ver­le­gen­heit ge­ra­ten sind, Kre­dit zu ge­wäh­ren, dann wür­de sie nach ei­nem Jah­re Kon­kurs an­mel­den müs­sen. Sie hat schon Mühe ge­nug, sich ge­gen den Wech­sel­ver­kehr und die un­si­che­ren Un­ter­la­gen zu weh­ren; was soll­te aus ihr wer­den, wenn sie sich auch noch auf die Prü­fung der Ge­schäf­te al­ler Leu­te ein­las­sen woll­te, die von ihr Hil­fe ver­lan­gen?«

»Wo soll ich nur die zehn­tau­send Fran­ken her­neh­men, die mir für mor­gen, Sonn­abend, den drei­ßigs­ten, feh­len?« sag­te sich Bi­rot­teau, als er über den Hof ging.

Es ist Usance, daß am drei­ßigs­ten ge­zahlt wer­den muß, wenn der ein­und­drei­ßigs­te auf einen Fei­er­tag fällt.

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

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