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2. Kapitel
ОглавлениеBetr.: Bernd Ziegenhals.
Anlage zum psychiatrischen Gutachten. Abschrift des Tonbandes 3/1.
Locker assoziierende Selbstdarstellung des Probanden. Vom Autor überarbeitet.
Ich werde kein Blatt vor den Mund nehmen, da können Sie sich drauf verlassen. Ich erzähle Ihnen alles so, wie es gewesen ist. Ich will endlich mal reinen Tisch machen. Vielleicht hilft es mir auch. Sie sind ja Psychiater und können sich sicher auf manches Ungereimte einen Reim machen.
Es fing damit an, dass ich wieder mal kein Geld hatte und mein alter Schulfreund Jochen Hohenberg zu faul oder zu dämlich war, ein fünfzehnseitiges Referat anzufertigen über ... warten Sie ... über Das Verhältnis von Bürokratie und Demokratie bei Max Weber. Kurz und gut, Hodenberg – das war immer sein Spitzname – war und ist ein fleißiger Simpel. Er studierte Soziologie und Politologie, und zwar an der FU. Er ist schon immer scharf auf Seminarscheine gewesen, denn je mehr Scheine man hat, desto besser sind die Aussichten auf eine Eins in der Diplomprüfung. Darum hat er sich auch um das Weber-Referat gerissen. Doch kaum hatte er sich das erste Buch aus der Bibliothek geholt, war er zum Landesvorsitzenden seines Studentenbundes gewählt worden. Da hatte er natürlich keine Zeit mehr für seine wissenschaftliche Arbeit – klar!
Zwei Tage nach seiner Wahl hatten wir uns im alten Billardzimmer einer Kreuzberger Kneipe getroffen, und zwar anlässlich einer Abteilungsversammlung der SPD.
Der Abteilungsvorstand hatte sich Hohenberg zu einem Vortrag über ‚Die Rolle der Justiz in der Demokratie‘ geholt, und mich hatte Opa Melzer, mein Zimmernachbar, mitgeschleppt. Er war schon seit fünfzig Jahren Genosse und spendierte mir immer drei Pils und zwei Doornkaat, wenn ich mitging.
Als ich den lang gestreckten Raum betrat, hockte Hohenberg schon hinter dem Vorstandstisch. Als er mich dann erkannte, grinste er und schob seine Notizen zur Seite.
„Hallo, Berndchen!“, rief er und nahm seine goldverzierte Brille vom Pfannkuchengesicht, um mich mitleidig zu mustern.
„Der große Hodenberg, wie schön!“, sagte ich.
„Was, bist du etwa Mitglied hier?“
„Natürlich bin ich mit Glied hier!“, lachte ich.
Da er mir nicht ganz folgen konnte, entstand eine kleine Pause, drei, vier Sekunden vielleicht, und in dieser Pause muss ihm eingefallen sein, dass er besser zu Hause an seinem Referat gearbeitet hätte, als hier Vorträge zu halten. Gleichzeitig muss er sich auch daran erinnert haben, dass ich ihm schon mal wissenschaftliche Handlangerdienste geleistet hatte.
„Du, hör mal zu ... Ich muss ein Referat machen, hab aber im Augenblick keine Zeit ...“ Er wühlte in seiner Aktentasche herum und förderte einen prall gefüllten schwarzgrauen Leitz-Ordner zutage. „Steht alles hier drin ... Kannst du mir helfen ...?“
„Hm, das ginge schon ... Aber umsonst ist nicht mal der Tod. Was würdest du denn ausspucken?“
„Dreißig Mark vielleicht ...“
„Fünfzig wären mir lieber, ich bin nämlich ziemlich blank.“
„Na schön. Such alles Material zusammen, das du finden kannst, und schick mir den Mist zu. Vielleicht kannst du auch schon ein paar Kapitel fertig machen ...“
„Ohne Anzahlung kaum ...“
Hohenberg drückte mir noch schnell und unauffällig dreißig Mark in die Hand, dann nahten die lokalen Funktionäre und eröffneten die Versammlung.
Aber ich kam erst am übernächsten Abend dazu, mir die Unterlagen genauer anzusehen, die ich von Hohenberg bekommen hatte. Vorher hatte ich mir sicherheitshalber ein paar einschlägige Arbeiten aus der Universitätsbibliothek besorgt. Dabei machte ich eine höchst interessante Entdeckung ...
Der ehrwürdige hohe Herr, der den fiesen Hohenberg mit der Anfertigung des Referats beauftragt hatte, war bei Licht besehen durch einen genialen Betrug zu Amt und Würden gekommen. Er hatte im Jahre 1951 – Gott, da war ja alles möglich! – kurzerhand eine unbekannte amerikanische Arbeit ins Deutsche übersetzt und als eigene Dissertation eingereicht. Nicht schlecht. Und wäre es ein armer Teufel gewesen, still, bescheiden, stotternd, schielend, triefäugig und impotent, dann hätte ich mich für ihn gefreut, dass es so gut geklappt hatte. Aber er war – ich kannte ihn sozusagen vom Sehen – ein bekotzter, arroganter und hochmütiger Star. Richtiges Establishment. Ein Mann mit einem Dutzend höchst ergiebiger Ämter, Erbe eines beinahe siebenstelligen Vermögens, der Stolz aller Gestrigen und Vorgestrigen, aller mit dem Status quo höchst zufriedenen Zeitgenossen – und noch dazu einer, der Fortschrittlichkeit tonnenweise heuchelte.
Ich hasse diese Leute ebenso, wie ich sie beneide. Ich kann nicht anders, ich muss alles tun, um sie zu vernichten, und dennoch – da mache ich mir gar nichts vor – ersehne ich nichts anderes als ihren Status, ihre Liebe und ihre Achtung. Ich bin ein Gammler, ein Arbeitsloser, ein Versager, ein asoziales Element, ein Krimineller gewesen, aber ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, ein außergewöhnlicher Mensch zu sein. Ich bin süchtig nach Größe, nach Publicity, nach Macht, nach Einmaligkeit, nach Titeln, Orden und Denkmälern. Ich möchte eine Villa an der Riviera haben, einen roten Jaguar fahren, mit immer neuen Starlets schlafen, bei Tiffany Brillanten kaufen, im Waldorf Astoria wohnen, Ehrenkompanien abschreiten, die Titelseiten der Illustrierten zieren, in den Lexika ganze Spalten füllen, zwei Biografen beschäftigen – und so weiter und so weiter!
Doch ich scheue jeden Anfang, fürchte den Kampf und die Tat – ich liebe die Ruhe, das Denken, das Träumen. Nur dadurch, dass ich manchmal schreibe, kann ich mit diesem Widerspruch leben.
Doch zur Sache!
Hohenberg, der ein Jahr lang mit einem erdienerten Stipendium in Durham, North Carolina, studiert hatte, war mit einem Haufen Fotokopien zurückgekommen, die ich im Laufe der Nacht sichtete. Gegen vier Uhr morgens, als meine Wermutvorräte langsam zur Neige gingen, fiel mir dann die fragliche Doktorarbeit in die Hände. Übermüdet – wie ich war – hielt ich es zuerst für einen Zufall, dass sich die einzelnen Überschriften und Sätze in beiden Arbeiten so herrlich glichen, dann stutzte ich, und in einem sogenannten Aha-Erlebnis wurden mir die Zusammenhänge plötzlich klar.
Eine geschlagene Stunde starrte ich abwechselnd auf die sandpapierartigen Blätter, die Hohenberg damals in Durham aus dem Fotokopierautomaten gezogen hatte, und die leicht vergilbten Seiten der Dissertation. Ich kam mir vor wie ein Goldsucher, der nach Jahren des erfolglosen Schürfens und des Dahinvegetierens urplötzlich auf eine Ader gestoßen war. Ich war sofort bereit, die Sache auszubeuten. Fiebernd verglich ich Satz für Satz.
In every society numerous proccsses of social change are occurring simultaneously ... In jeder Gesellschaft laufen zur selben Zeit zahlreiche Prozesse des sozialen Wandels ab ... We have found an increasing specialization of Organs or subunits in the social System of our village ... Wir haben im sozialen System unseres Dorfes eine wachsende Spezialisierung der Organe oder Untereinheiten gefunden.
Kein Zweifel, eine wortwörtliche Übersetzung!
Dann schlief ich ein, glücklich wie ein reich beschenktes Kind, und zum ersten Mal seit Jahren freute ich mich wieder auf den nächsten Tag.
Als ich dann erwachte, hatte ich alles vergessen. Ich starrte minutenlang auf einen platten Käfer, der auf dem Rand meines Nachttopfs entlangbalancierte und immer wieder in den verdammt milchigen Urin zu stürzen drohte. Ob ich wirklich was an den Nieren hatte? Unsere Toilette, die ich mit zwei anderen Mietern teilen musste, befand sich am Ende eines muffigen Korridors, den ich nachts immer mied. Meine Angst vor Ratten und lauernden Gestalten ist wohl krankhaft.
Ich gähnte. Mir war übel, und ich fürchtete jeden Augenblick, mich übergeben zu müssen. Meine Füße, die unter der unbezogenen Wolldecke hervorschauten, sahen so gelblich aus wie die eines Greises und mieften gewaltig.
Nebenan wurden Stimmen laut. Offenbar entließ Miezi einen Kunden, der sich eine ganze Nacht lang leisten konnte. Ich hatte schon die ganze Zeit über Lust gehabt, und nun würde Miezi sicherlich die ... die Nase voll haben. Ich fluchte. Ich hatte ihr vorgestern den Staubsauger repariert, und sie war mit der Bezahlung noch ein wenig im Rückstand. Eine Tür fiel zu, Miezi drehte ihren Schlüssel herum. Scheibenkleister!
Als ich dann meinen Hormonspiegel selber senken wollte, klingelte es. Dreimal. Also Ziegenhals! Ich rutschte von meiner wackligen Liege, zog mir schnell eine Badehose über und riss meine Tür auf. Vielleicht der Geldbriefträger, vielleicht der Bundeskanzler! Ich dachte immer solchen Quatsch, wenn es klingelte. Ich glaubte jedes Mal, es würde jemand draußen stehen, der mich mitnahm und irgendwohin entführte, wo alles anders war, wo man sich plötzlich wieder wie ein Kind fühlte, das sich im Wohnzimmer ein Indianerzelt aufgebaut hat, während die Mutter in der Küche Schokoladenpudding kocht. Aber es standen nur immer Vertreter draußen, die ich schon deswegen hasste, weil eben nicht meine Mutter gekommen war, mein Vater, ein Mann vom Verlag, der mir einen Vertrag brachte, ein Mädchen, das mich liebte und brauchte, ein Freund, der mich nicht nur als Mittel zum Zweck benutzen und ausbeuten wollte.
Diesmal war es der Briefträger. Ein plattfüßiger Brillenträger mit Glupschaugen.
„Morgen, Meister! Wieder kein Nobelpreis in Aussicht!“ Er hielt mir ein sorgfältig verschnürtes Päckchen vor die Nase, auf dem ein rötlicher Zettel lag. „Ein Einschreiben! Bitte quittieren Sie!“
Wortlos kritzelte ich meinen Namen auf die dafür vorgesehene Linie, gab dem guten Mann den Wisch zurück und zog mich mitsamt dem Päckchen in meine Bruchbude zurück. Wieder ein Manuskript, das niemand haben wollte, wieder Fehlanzeige!
Ich war so verzweifelt wie etwa 1953 bei der Beerdigung meiner Großmutter. Damals hatte ich den letzten Menschen verloren, der mich geliebt und behütet hatte, jetzt verlor ich mich selbst, verlor meine Zukunft. Ich hatte mich rettungslos in die Idee verrannt, mit einem meiner schwachsinnigen Romane Erfolg zu haben und dadurch endlich zum entscheidenden Aufbruch gezwungen zu werden. Ich hatte ja keine andere Chance mehr, mich mit eigener Kraft aus meiner elenden Umwelt zu befreien. Berlin-Kreuzberg, Naunynstraße, ein Haus, das im nächsten Jahr abgerissen werden sollte, abgerissen werden musste. Auch Thomas Wolfe hatte jahrelang so gehaust, das wusste ich. Aber ich war eben kein Thomas Wolfe.
Ich riss das Päckchen auf und überflog den Text.
Sehr geehrter Herr Ziegenhals!
Das Manuskript WER SINGT, DER STIRBT haben wir inzwischen mit Interesse gelesen. Leider sehen wir jedoch keine Möglichkeit, diesem spannenden Roman einen günstigen Platz im Rahmen unseres Verlagsprogramms zu geben. Bitte, sehen Sie in unserer Ablehnung kein Werturteil. Wir beeilen uns, Ihnen das Manuskript wieder zur Verfügung zu stellen, und danken Ihnen, dass Sie uns eine Prüfung ermöglicht haben...
Ein sauberer, ein vornehmer gelber Bogen, exakte Buchstaben, die Manifestation einer hochmütigen Macht. Ich zerknüllte ihn und warf das Papier aus dem Fenster. Einen Augenblick lang spürte ich den Impuls, mich hinauszustürzen, hinunter auf das graue Pflaster, das so herrlich nach Staub, Dreck und Urin roch. Ein berauschender Gedanke! Aber was war das Berauschende daran, die Angst vor dem Tod oder das Glück, dieser beschissenen Welt endlich entrinnen zu können?
Ich raste. Dieser verdammte Armleuchter von Lektor! Hätte ich ihn vor mir gehabt, ich hätte ihn zusammengeschlagen, ich hätte ihn zerfleischt!
Mein Hass gegen die, die das waren, was ich nicht sein konnte, wuchs und wuchs, überflutete mich, trieb mich zum Fenster, wollte mich zum Sprung zwingen.
Schon taumelte ich, schon gab ich nach, denn in diesem Moment schien es mir, als könnte ich ohne Rache und Triumph nicht weiterleben. Und die Gewissheit, beide Ziele niemals erreichen zu können, folterte mich irgendwie, sodass ich den Tod, das neutrale Nichts, als einzige Erlösung ansehen musste.
Da fiel mein Blick auf die Fotokopie der amerikanischen Arbeit und zugleich auf die deutsche Dissertation. Jäh verhielt ich.
Na wartet, ihr großen aufgeblasenen Herren, ich werde euch in Angst und Schrecken versetzen! Ich werde mir einen herauspicken und ihn fertigmachen. Einen stellvertretend für euch alle!
Ich weiß, das alles klingt verdammt nach Klamotte, aber genau das habe ich gedacht. Gedanken erregter Menschen sollen ja selten erhaben sein. Ich kann mich eben nicht besser ausdrücken, nicht anders verständlich machen!
Bernd Ziegenhals als Erpresser! Nachdem ich bis dato lediglich einen 65er VW gestohlen, einem betrunkenen Münchner am Stuttgarter Platz die Brieftasche aus dem Jackett gezogen, einen Tunesier krankenhausreif geschlagen, einer Wirtin 55 Mark Miete vorenthalten, mehrere kleinere Ladendiebstähle verübt und ein Jahr lang von der Arbeit einer gutmütigen Prostituierten gelebt hatte, war das zumindest ein Fortschritt. Aber bisher hatte man mich ja auch nicht erwischt ... Den Schluss aber, ich sei ein geborener Verbrecher, dürfte das alles noch lange nicht rechtfertigen.
Ich hatte also wieder ein Ziel, das Leben lohnte sich plötzlich, der Tag brachte endlich mal was Neues. Ich schaltete mein Transistorgerät ein, tanzte nach der Yellow Submarine-Melodie über die morschen Dielen und suchte meinen besten Anzug heraus. Dann kämmte ich mich. Derart verbürgerlicht nahm ich mein Frühstück zu mir, das zur Feier des Tages aus dem letzten Zipfel echter deutscher Landleberwurst bestand.
Jetzt erst konnte ich mich dem Problem widmen, wie ich ohne einen Pfennig Geld in der Tasche zur Universität gelangen sollte. Zu Fuß von Kreuzberg nach Dahlem waren es gute vier Stunden. Ich war aber nicht verrückt. Verdammt, ich hätte Hohenbergs Geld nicht so schnell verpulvern sollen! Erst das Fußballspiel im Olympiastadion, dann das Besäufnis in der Heißen Ecke und schließlich die Gebühr für die Benutzung von Babsy. Wie sollte man da was sparen? Obwohl mein Großvater selig immer zu sagen pflegte, spare in der Not, dann hast du Zeit dazu.
Jedenfalls brachte mich die Assoziation Babsy-Miezi auf die glorreiche Idee, es bei meinem kleinen Engel zu versuchen. Ich ging auf den Flur hinaus, wo ich im Halbdunkel über eine von Miezis Presskohlen stolperte. Nach der schönen Devise „Denk daran, schaff Vorrat an!“ ließ sie sich alljährlich im Herbst von ihrem Kohlenhändler drei oder vier Zentner Briketts hier oben aufstapeln. Ein Eros-Center war unsere Wohnung also weiß Gott nicht. Ob er es wusste?
Still und zart klopfte ich an ihre Tür.
„Feierabend!“
„Ich will ja gar nicht!“ Dieses verdammte Weibsbild hatte wirklich nichts anderes im Kopf. „Kannst du mir wohl fünf Mark pumpen ...?“
„Hau ab, lass mich schlafen!“
„Bitte, Mieze ...!“
„Ich hab nischt!“
„Schwindel doch nicht! Der Lord eben war doch nicht umsonst hier ...“
Der Lärm lockte Opa Melzer herbei. Er war einundsiebzig, stets ungewaschen und leicht schwachsinnig und ganz versessen darauf, sich an Miezis kommerziellem Liebesleben zu erfreuen. Zu diesem Zweck hatte er sich sogar ein markstückgroßes Guckloch in die Tür gebohrt. Nur wenn kein Freier in Sicht war, wagte er sich aus seinem Verschlag heraus. Schließlich waren wir alle eine große Familie. Miezi verdiente das Geld und füllte unser trautes Heim mit lieben Gästen, Opa Melzer verrichtete die kleinen Hausarbeiten, die so anfallen, und reparierte unser Klo, wenn’s mal zusammenkrachte oder verstopft war mit Miezis berufsbedingten Abfällen, und ich übernahm alle kaufmännischen Aufgaben, verkehrte mit den Behörden und sorgte mit meiner Bildung für einen hohen kulturellen Standard unserer Lebensgemeinschaft.
„Wat is ’n los?“, nuschelte Opa Melzer.
„Kannst du mir ’en Fünfer borgen?“
„Nee, ick bin pleite! Der Dumme nur sein Geld verscharrt, der Kluge kauft sich Engelhardt!“ Worauf er sich aufatmend von einem gewaltigen Magenwind befreite und flugs den Werbespruch variierte. „Wenn das Bier im Hintern knarrt, ist’s bestimmt von Engelhardt!“
„Dann mach ’nen Abgang, los, los, avanti!“ Ich scheuchte Opa Melzer in sein Kabuff zurück und zog die Tür zu. Seine beiden Meerschweinchen sorgten stets für einen bestialischen Gestank.
„He, Miezi, was ist denn nun?“ Ich spähte durch den Riss in der braunen Holztür. Sie lag nackt auf dem zerwühlten Bett und starrte gegen die Decke. Ein Körper, ein paar Schenkel, ich kann Ihnen sagen! Ich hämmerte gegen die Tür. Endlich erhob sie sich, ging zu ihrer Handtasche, wühlte darin herum und kam schließlich mit einem Fünf-Mark-Schein zur Tür.
„Lass mich rein!“, bettelte ich.
„Du hast wohl ’ne Macke! Ick arbeite doch nich im Akkord! Hier ...“ Sie schob mir den Schein durch den Spalt.
„Danke, mein Engel!“
„Schöner Engel ...“ Sie warf sich kichernd aufs Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
Mein Startkapital hatte ich also. Was würde ich daraus machen können, tausend Mark, zehntausend, hunderttausend ...?
Es war halb neun, als ich auf die Straße hinaustrat. Die Sonne schien, der Tag war schön, offenbar billigten die himmlischen Instanzen mein Tun. Ich bog in die Adalbertstraße ein, bis zur Hochbahn waren es knapp zehn Minuten.
Prinzenstraße, Hallesches Tor, Möckernbrücke und so weiter, nicht mal zwanzig Stationen bis zum Bahnhof Thielallee. Was wohl mein Opfer in diesen Minuten gerade trieb ...?